| Titel: | Piccard's ökonomisches Abdampfverfahren. | 
| Autor: | S–l. | 
| Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 476 | 
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                        Piccard's ökonomisches
                           								Abdampfverfahren.
                        Mit einer Abbildung auf Tafel 42.
                        Piccard's Abdampfverfahren.
                        
                     
                        
                           Auf der Pariser Ausstellung 1878 befand sich ein von Piccard construirter, von Weibel, Briquet und
                                 										Comp. in Genf ausgeführter Apparat (Fig. 1 Taf.
                              									42), welcher in höherem Grade, als dies bei dem Rittinger'schen Abdampfverfahren für SalzsooleVgl. Kerl: Huttenkunde, S. 130.
                              									möglich ist, eine Ersparniſs an Brennmaterial beim Versieden der Soole herbeiführen
                              									soll. Nach den Chemical News, 1878 Bd. 38 S. 88 hat der
                              									Proceſs ungefähr folgenden Verlauf.
                           Die kalte Soole passirt ein innen mit Röhren versehenes Gefäſs A und nimmt hier, da in jenen das Wasser, welches aus
                              									dem Apparate austreten will, unter einer Temperatur von 108° (?) sich bewegt, den
                              									gröſsten Theil der Wärme desselben auf, tritt auf 100° erhitzt in den Versudraum B ein und geht von hier, nachdem sie eine weitere
                              									Erwärmung auf 108° erfahren hat, in das Gefäſs C, in
                              									welchem sie einen Druck dadurch erfährt, daſs einmal eine wiederholte
                              									Temperaturerhöhung stattfindet, das andere Mal ein Ventil, welches in der
                              									Communication zwischen B und C angebracht ist, nach Eintritt der Soole sich schlieſst. Den in dem
                              									Kessel B vorhandenen Dampf von 100° (welcher bei der
                              									ersten Ingangsetzung des Apparates wohl hier direct erzeugt wird) saugt eine durch
                              									Wasserkraft bewegte Pumpe von hier weg und erhöht durch Verdichtung auf 2at seine Temperatur auf 120°. Tritt nun der jetzt gespannte
                              									Dampf in die im Gefäſs C befindlichen Röhren C1 ein, so wird in
                              									Folge der diese letzteren umgebenden Soole, welche kälter als jener ist, nämlich
                              									108°, der Dampf 12° von seiner Hitze verlieren, welche zum Theil (und die übrige?)
                              									in die Soole übergeht und diese auf 118° (?) erwärmt. Geht nun diese so erhitzte
                              									Soole nach B zurück, so wird sie, da hierselbst der in
                              										C herrschende Druck nicht mehr vorhanden ist, von
                              									ihrer Temperatur an die dort vorhandene Soole abgeben und einen Theil des Wassers
                              									aus dieser verdampfen, dadurch aber den Niederschlag von Salz veranlassen. Der in
                              									den Röhren C1 vorhanden
                              									gewesene Dampf ist durch Abgabe von latenter Wärme an die die Röhren umgebende Soole
                              									condensirt worden, tritt als Wasser von 108° (?) Wärme in die Röhren im Behälter A, wo die noch vorhandene Hitze an die in A neu eingetretene kalte Soole abgegeben wird, so daſs
                              									nunmehr kaltes Wasser aus dem Apparate austritt.
                           Die Entfernung des niedergeschlagenen Salzes aus dem Apparate geschieht
                              									folgendermaſsen. Am unteren Theile des Kessels B ist
                              									ein Rohr angebracht, welches etwa die Form eines J
                              									besitzt und in dem sich zwei Schieber befinden. Das in B niedergeschlagene Salz wird durch im Kessel vorhandene drehbare Arme in
                              									die Röhre getrieben, fällt, wenn der obere Schieber geöffnet ist, auf den unteren
                              									Schieber, worauf man jenen schlieſst und diesen öffnet, so daſs es nunmehr in den
                              									unteren Theil des Rohres gelangt, aus welchem es entfernt werden kann. Da das Rohr
                              
                              									gebogen ist und in ihm Wasser (wohl concentrirte Soole?) in einem höheren Stande
                              									erhalten wird, als der des unteren Schiebers ist, so kann ein Eintritt von Luft in
                              									den Apparat und damit ein Verlust an Wärme in ihm nicht statthaben.
                           Der Beschreibung fügt unsere Quelle noch folgende Bemerkungen bei: „Aus dem
                                 										Gesagten ist zu ersehen, daſs wenn der Apparat einmal die nöthige Temperatur
                                 										erhalten hat, eine Feuerung nicht weiter erforderlich ist, da die Hitze immer in
                                 										ihm verbleibt. Um aber so viel als möglich jedem Wärmeverlust durch Ausstrahlung
                                 										vorzubeugen, wird der ganze Apparat in Sägespäne eingesetzt, und auſserdem
                                 										gebraucht man noch die Vorsicht, dem zuerst erzeugten Dampfe eine etwas gröſsere
                                 										Hitze, als grade erforderlich, zu geben; aber um auf der anderen Seite auch eine
                                 										stetige Zunahme der Temperatur zu vermeiden, läſst man von Zeit zu Zeit etwas
                                 										Dampf aus dem Apparat entweichen, wodurch letzterer nahezu auf constanter
                                 										Temperatur erhalten wird. Piccard hat berechnet,
                                 										daſs, um in 300 Arbeitstagen 1000t Salz zu
                                 										produciren, der Sudraum B 40qm Fläche besitzen muſs und daſs eine Kraft
                                 										von etwa 30e erforderlich ist. Selbst bei
                                 										Verwendung einer kleineren Maschine für Bewegung der Pumpe wird eine
                                 										beträchtliche Ersparniſs an Brennmaterial erzielt werden. Wenn aber das
                                 										betreffende Werk über eine Wasserkraft zur Bewegung der Pumpe verfügt, so wird nur so viel
                                 										Brennmaterial erfordert, als zur Anfeuerung für eine neue Campagne, sei es bei
                                 										der ersten Ingangsetzung des Kessels oder nach einer Reinigung desselben,
                                 										aufgeht.“
                           Ganz abgesehen davon, daſs der oben geschilderte Verlauf des Processes schon darum
                              									anfechtbar erscheint, weil mit der Aufnahme und Abgabe von Wärme seitens des Wassers
                              									oder Dampfes und zwar sowohl mit der specifischen als latenten Wärme in der
                              									Beschreibung ziemlich willkürlich umgesprungen wird, die angeführten Zahlen häufig
                              									aller inneren Begründung zu entbehren scheinen, leidet die ganze Einrichtung nach
                              									Erachten des Referenten gerade in dem Punkte an einem Mangel, der für den constanten
                              									Gang des Processes der wesentlichste ist, nämlich an der beabsichtigten Compression
                              									des Dampfes auf 2at und der hieraus gefolgerten
                              									Temperaturerhöhung um 20°. Eine solche Wärmezunahme ist überhaupt nur dann denkbar,
                              									wenn die Temperatur der Pumpe selbst stets auf reichlich 120° erhalten wird, während
                              									anderenfalls statt der Compression eine Condensation erfolgen wird.
                           Kommt hinzu, daſs der Verlust an Wärme, trotz der besten Verpackung des Apparates in
                              									schlechte Wärmeleiter, unvermeidbar ist, und würde solche selbst nur da
                              									ausgestrahlt, wo das ausgefällte Salz aus dem Apparate entfernt wird, daſs das am
                              									Ende des Apparates austretende Wasser schwerlich völlig kalt, also von der
                              									Temperatur der neu eintretenden Soole sein wird, dies vielmehr, wenn die nach B übertretende Soole wirklich auf 100° erwärmt sein
                              									soll, nur dann annähernd sich wird ermöglichen lassen, wenn diese Soole in schwachem
                              									Strome die in A befindlichen Rohre umkreist und zwar in
                              									einer Richtung, welche der des in letzteren flieſsenden Wassers direct
                              									entgegengesetzt ist, so genügt schon dies, um die Vortheile, welche der Erfinder
                              									sich verspricht, hinfällig erscheinen zu lassen. Auch dürfte wohl zu berücksichtigen
                              									sein, daſs eine Wasserkraft, welche 30e Nutzeffect
                              									gewähren soll, mindestens bei uns, schon ein ganz beträchtliches Kapital
                              									repräsentirt, dessen Zinsen nebst den Kosten für Erwärmung der Compressionspumpe
                              									immerhin der Beachtung werth sind. Im günstigsten Falle, scheint uns, wird man mit
                              									dem betreffenden Apparate eben das leisten, was bereits mit der viel einfacheren Rittinger'schen Construction erzielt worden ist.
                           
                              
                                 S–l.
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
