| Titel: | Dochnahl's neue Weinbereitung; von Dr. C. Weigelt, Director der kais. Versuchs-Station für Elsass-Lothringen. | 
| Autor: | C. Weigelt | 
| Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 489 | 
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                        Dochnahl's neue Weinbereitung; von Dr. C.
                              								Weigelt, Director der kais. Versuchs-Station für Elsaſs-Lothringen.
                        Weigelt, über Dochnahl's neue Weinbereitung.
                        
                     
                        
                           Wenn einaufrecht stehendes Stückfaſs von 1200l Inhalt mit 1000l Wingerts-Most gefüllt worden ist, der in einem guten Weinjahre durch
                              									Keltern etwa 800l Wein geben würde, so können
                              									davon ohne Pressung etwa ¾ des flüssigen Mostes abgezogen werden, d. s.
                           
                              
                                 
                                 600l
                                 
                              
                                 Zum ersten Auffüllen braucht man
                                    
                                    											demnach:
                                 
                                 
                              
                                 6 × 80 = 480l Wasser nebst 6 × 57 = 342 Pfund Traubenzucker,   welche
                                    											abgezogen dieselbe Menge liefern
                                 600
                                 
                              
                                 Die zweite Gährung ergibt dieselben
                                    											Verhältnisse
                                 600
                                 
                              
                                 Ebenso die dritte und letzte
                                 600
                                 
                              
                                 Durch Keltern der Trebern, wenn solche zur
                                    											Brennerei benutzt    werden sollen
                                 200
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 2600l.
                                 
                              
                           Dies ist die bekannte dreifache Vermehrung, die mit einer Ausgabe
                              									von 80 Thaler für etwa 10 Ctr. Traubenzucker vorweg 1800l sehr werthvollen Wein I. Qualität mehr liefert, als die alte Methode mit
                              									einfacher Kelterung.
                           Auſserdem werden durch die weitere zweimalige Behandlung der
                              									Treber zu Wein mit 2 × 6 × 80 = 960l Wasser und 2
                              									× 5 × 50 = 600 Pfund Traubenzucker mittels einer Auslage von 48 Thaler etwa 1200l und mit den 200l zurückgebliebener Flüssigkeit, welche hierher fallen, zusammen 1400l sehr brauchbarer Nachwein oder Wein von etwas
                              									geringerer Qualität erzielt; dies ist durch obige 2400 und diese 1400 = 3800l die nach Petiot
                              									sichere fast fünffache Ausbeute und Vermehrung.
                           Vorstehendes lehrt Friedr. J. Dochnahl in dem Buche: Die neue Weinbereitung mit und ohne Kelter zur Erzielung
                                 										eines vermehrten Ertrages der Weinberge (Frankfurt a. M. 1873, Chr. Winter), S. 16.
                           Unsere Zeit hat vor Kurzem den Feldzug gegen die Lebensmittel-Fälscher eröffnet!
                              									Nicht zum Mindesten veranlaſsten diese Strömung der Gegenwart die alles Maſs
                              									übersteigenden Weinfälschungen. Man mag über die Zulässigkeit der Zusätze gewisser
                              									verbessern sollender Substanzen zum Most, bezieh. Wein noch so mild denken, ja man
                              									mag selbst die Möglichkeit der Verbesserung dessen, was uns die Natur in Form von
                              									Most zur Weinbereitung bietet, durch künstliche Zusätze zugeben, man mag sogar
                              									solche Behandlungen als Weinveredlung preisen, auch der glühendste Verehrer dieser
                              									Kunst wird das vorstehende Recept nicht wohl mit einem anderen Namen als mit
                              									Weinschmiererei belegen können.
                           In den neuen oder neu herausgegebenen Erscheinungen der önologischen Literatur des
                              									letzten Jahrzehnts hat sich fast ausnahmslos ein Kapitel über Weinverbesserung
                              									eingeschlichen, sei es als vollberechtigtes Glied des Ganzen, sei es als verschämter
                              										„Anhang zur Verbesserung und Vermehrung“ u.s.w. Auſser gelegentlich der
                              									Studien Neubauer's zur Erkennung mit Traubenzucker
                              									gallisirter Weine vermochte ich indeſs nur sehr vereinzelt wirklich
                              									wissenschaftlichen Arbeiten über die Veränderungen der Weine in Folge der
                              									gebräuchlichsten Zusätze
                              									zu begegnen. Die fraglichen Belehrungen sind in sehr vielen Fällen theils
                              									abgeschrieben von den älteren Propheten der Weinveredlung, theils combinirt und
                              									berechnet. Wimmelt es doch in diesen Kapiteln meist von allerlei wissenschaftlich
                              									geradezu haltlosen Behauptungen.
                           Es schien mir deshalb der Mühe werth, selbst einmal zu schmieren, die erhaltenen
                              									Producte aber mit aller Sorgfalt zu bewahren und schlieſslich so vollständig, wie
                              									dies nach dem jetzigen Stande der Weinanalyse möglich ist, zu untersuchen. Ich
                              									wählte das Eingangs erwähnte Dochnahl'sche Recept und
                              									begann die Arbeit im Herbst 1877 in Gemeinschaft mit meinem Assistenten Dr. O. Saare. Für den Versuch dienten 50l Elblingmaische. Hieraus hätte ich erhalten
                              									müssen (entsprechend den obigen Angaben) 30l
                              									freiwillig ablaufenden Most und 3mal 30l
                              									Zuckerwasserablauf, in Summe 120l Material für die
                              									Gewinnung von „sehr werthvollem Wein I. Qualität“, sowie, da es mich auch
                              									nach der zweiten Sorte verlangte, 70l
                              									„sehr brauchbaren Nachweines“.
                           Leider war ich jedoch gleich zu Anfang in der Lage von Dochnahl's bewährtem Recept abweichen zu müssen, denn es wollten von
                              									meiner Maische schlechterdings nicht mehr als 18l
                              									freiwillig ablaufen. Obgleich nicht „so glücklich keine Kelter zu
                                 										besitzen“Dochnahl: Neue Weinbereitung, S. 15.,
                              									begnügte ich mich damit, durch gelinden Druck mit den Händen den Ablauf auf 20l zu steigern.
                           20l Zuckerwasser in der verlangten
                              										ConcentrationDer hierbei zur Verwendung gelangte Traubenzucker war fast reinweiſs, fest
                                    											und relativ wohlschmeckend. Die Analyse ergab 65,54 Proc. Zucker (nach Fehling bestimmt), ein Gährversuch (nach Neubauer) dagegen nur 56,90 vergährbare Stoffe
                                    											neben 21,45 unvergährbarer Substanz und 21,65 Wasser. Der Traubenzucker ist
                                    											also als von mittlerer Güte zu bezeichnen. wurden aufgegeben,
                              									nach 4 Tagen 30l abgezogen; 30l von Neuem aufgefüllt, abermals nach 4 Tagen
                              									dieselbe Menge abgezogen und endlich mit 40l
                              									Zuckerwasseraufguſs letztweilige 40l und so die
                              									für Wein I. Qualität erforderte Summe von 120l
                              									erhalten.
                           Ein vierter und fünfter Aufguſs ergab die vorschriftsmäſsigen 60l und endlich die Presse weitere 10l, in Summe 70l
                              									Material für Wein II. Qualität. Die sämmtlichen so erhaltenen Glieder wurden am Tage
                              									des Ablaufes und je gesondert in Mengen von 2l in
                              									geeigneten Flaschen unter Wasserverschluſs im Keller zur Beendigung der Gährung
                              									aufgestellt.
                           Weiter schien es mir interessant, die Gemische von 1, 2 u.s.w. Zuckerwasseraufgüssen
                              									gesondert zu studiren, sowie natürlich die Gesammtheit dessen, was Dochnahl mit Wein I. bezieh. II. Qualität bezeichnet,
                              									kennen zu lernen. Die beiden „Weine“ wurden in zwei Fälschen von
                              									entsprechendem Gehalt auf Lager gebracht, die Mischungen (vgl. Tabelle) den Fäſschen
                              
                              									entnommen, und zwar jeweils kurz vor der Beigabe eines neuen Ablaufes, d.h. nachhem
                              									der zuletzt zugefügte
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 230, S. 491
                              Bezeichnung; M.
                                 										Original-Elbing-Most; M. vg.; Aufguſs; nach 4 Tagen; Ablauf von d. Trotte; 4
                                 										Tage nach der letzten Mischung; M Mostwein; Wein I.
                                 										Qualität; Wein II. Qualität; Spec. Gewicht; Spec. Gew. ohne Alkohol; Extract
                                 										(Balling) berechnet; Alkohol Vol.-Proc.; Gesammtsaure; Nicht fluchtige S.;
                                 										Fluchtige Säure; Weinstein; Farb- und Gerbstoff; Zucker (Fehling); Ablenkung im
                                 										Rohr; Stickstoff; Asche; Saure; In 100 gefunden; Der Uebersichtlichkeit wegen
                                 										wurden die Ziffern für Naturwein hier nochmals aufgeführt.
                              
                           
                           Ablauf 4 Tage auf den Fäſschen gelegen, wurde sorgfältig
                              									durchgemischt und nun die für die Analyse sowie für den Gährversuch der
                              									entsprechenden Mischung erforderliche Menge abgezogen. Daſs wir dabei Sorge trugen,
                              									das Gemisch in den Fäſschen stets auf der durch das Verhältniſs der einzelnen
                              									Glieder (Abläufe) bedingte Zusammensetzung zu erhalten, bedarf kaum besonderer
                              									Erwähnung.
                           Die in der vorstehenden Tabelle als Moste aufgeführten und analysirten Flüssigkeiten
                              									verdienen streng genommen diesen Namen nicht. „M. vg.“ ist Jungwein aus dem
                              									Naturmost nach 4tägiger Gährung, ebenso sind 1., 2. u.s.w. nach Verlauf von 4 Tagen
                              									mehr oder weniger vergohrene zuckerhaltige Flüssigkeiten. Die Analyse ergab die in
                              									der Tabelle zusammengestellten Resultate.Wegen den hierbei zur Anwendung gebrachten Methoden vergleiche: Die landwirthschaftlichen Versuchsstationen.
                                    											(Berlin 1878. Wiegandt, Hempel und Parey.) – Die polarimetrischen Grade wurden an einem
                                    											Polaristrobometer nach Wild
                                    										abgelesen.
                           Wie von vornherein anzunehmen war, läſst die Zusammenstellung wegen der unvollkommen
                              									und nicht gleichartig vorgeschrittenen Vergährung der einzelnen Glieder regelmäſsige
                              									Reihenfolgen bei den einzeln analytisch bestimmten Stoffen nicht erkennen, mit
                              									alleiniger Ausnahme der abnehmenden Säure- und Stickstoffgehalte. Sehr scharf treten
                              									dagegen stufenweise Veränderungen an den vergohrenen Flüssigkeiten hervor, deren
                              									Analysen Mitte März gleichzeitig ausgeführt wurden.
                           Die hohen Gehalte an flüchtiger Säure müssen auffallen; dieselben lassen sich, wenn
                              									man sich an Dochnahl's Vorschrift hält, nicht
                              									vermeiden. Beim Ablaſs sind die Trester warm in Folge der Gährung; sie kommen nun
                              									mit der Luft in BerührungDie Gährung fand selbstverständlich unter Senkböden statt. und die
                              									kurze Zeit bis zum Wiederauffüllen des Zuckerwassers, so sehr man bestrebt war, sie
                              									abzukürzen, reicht hin, bei den so überaus günstigen Bedingungen die Essigbildung
                              									eintreten zu sehen. Bei dem Bemühen meinerseits, die Ablässe in den angegebenen
                              									Mengen zu erhalten, waren diese Intervalle zwischen Ablaſs und Wiederaufguſs länger,
                              									als sonst nöthig gewesen wäre; niemals blieb indeſs das Trestermaterial länger als ¼
                              									Stunde der Luft zugänglich.
                           Beachtenswerth scheint mir weiter noch der relativ niedrige Gehalt an flüchtiger
                              									Säure in den Gemischen, verglichen mit den entsprechenden Procentsätzen in den
                              									einzelnen Abzügen. Eine stichhaltige Erklärung für das offenbare Verschwinden,
                              									bezieh. Gebundenwerden der flüchtigen Säure (s. namentlich Wein II. Qualität und die
                              									Abzüge 4, 5 und 6) vermag ich nicht zu geben.
                           Ich wüſste der Tabelle weitere nothwendige Erläuterungen nicht anzufügen. Nur auf die
                              									Stickstoffgehalte will ich speciell hinweisen. Hier sehen wir bereits bei 1. eine Verminderung auf wenig
                              									mehr als ⅕ eintreten bei einer Verdünnung von 3 auf 5.
                           Betrachten wir den „Wein I. Qualität“. Dank der Entdeckung Neubauer's ist derselbe vermöge seiner gewaltigen
                              									Rechtsdrehung sofort als mit Hilfe künstlichen Traubenzuckers hergestellt zu
                              									erkennen. Aber auch ohne dieses Kriterium würde jeder Analytiker den Wein wegen
                              									seines hohen specifischen Gewichtes, der abnormen Extract- und ZuckergehalteNach Fehling. Wahrscheinlich haben wir es hier
                                    											mit gährungsunfähiger, Fehling'scher Lösung
                                    											reducirender Substanz zu thun. Vergleiche die Anmerkung 2 S. 490 über den
                                    											Traubenzucker. Die Frage wurde experimentell nicht entschieden aus Mangel an
                                    											Material. beanstanden müssen. Sehen wir indeſs hiervon ab unter
                              									dem Hinweis, daſs bei Anwendung von Rohrzucker statt Glycose die obigen
                              									Verdachtsmomente wegfallen würden, so bleibt uns im Uebrigen ein Wein, der sich nach
                              									den gewöhnlich zur Ausführung gelangenden Bestimmungen durchaus innerhalb der für
                              									unsere Weine giltigen Grenzwerthe bewegt. Sein Stickstoffgehalt, und dieser wird zur
                              									Zeit noch nur äuſserst selten bestimmt, documentirt ihn indeſs sofort als
                              									Falsificat. Derselbe ist aber unabhängig von der Natur des zugesetzten Zuckers. In
                              									hiesiger Station sind mehr als 50 Weine verschiedener Jahrgänge, verschiedenen
                              									Gewächses, verschiedener Lagen auf ihren Stickstoffgehalt untersucht und als
                              									niedrigster Werth seither 0,014 Stickstoff an einem 1874er Marlenheimer Edelwein
                              									beobachtet worden, bei Jungweinen wurde sogar kein 0,035 Stickstoff
                              									unterschreitender Werth gefunden.
                           Ich halte mich deshalb für berechtigt, die Stickstoffbestimmung als einen
                              									hochwichtigen Factor für die Erkennung petiotisirter Weine betrachten zu dürfen, um
                              									so wichtiger als er auch bei der Petiotisirung mit reinem Rohrzucker seinen Werth
                              									behalten dürfte.
                           Kämme, Schalen und Kerne enthalten wie aus der vorstehenden Arbeit hervorgeht,
                              									genügendes Material an Säure, Gerbstoff, Weinstein und Asche, um selbst bei
                              									Verdünnung mit Zuckerwasser auf das 4 fache der ursprünglichen Mostmenge durch
                              									Auslaugung noch eine normalem Wein ähnliche Flüssigkeit liefern zu können; an
                              									löslichen Albuminaten sind sie dagegen nicht reich genug, was der Eiweiſsgehalt der
                              									Trester wie Moste nicht erwarten läſst. Ihr Stickstoffgehalt – ich habe die
                              									eiweiſsreichen elsässer Trauben im Auge – lieſse ausreichende Eiweiſsnahrung ohne so
                              									weit gehende Erschöpfung erwarten.
                           Ich erblicke hierin einen erneuten Beweis der Verschiedenartigkeit der Körper, welche wir vereint mit Hilfe der
                              									Stickstoffbestimmung im Most messen, verschiedenartig in Bezug auf ihre Löslichkeit
                              									in weinähnlicher Flüssigkeit. Ein groſser Theil wird in Folge bezieh. während der
                              									Gährung des Mostes unlöslich; der Rest reicht auch
                              									unter Zuhilfenahme der Auslaugungsproducte der Trester zur Ernährung der Hefemengen,
                              										deren die
                              									Zuckerwasseraufgüsse zu ihrer Gährung bedürfen, eben noch aus, ohne den für normalen
                              									Wein charakteristischen Eiweiſsüberschuſs, d.h. dessen Eiweiſsgehalt liefern zu
                              									können. Der Wein zweiter Qualität bleibt neben dem oben Berührten auch in Richtung
                              									auf die meisten anderen Weinbestandtheile weit unter den giltigen Grenzwerthen
                              									zurück. – Soviel über die chemische Seite.
                           Die beiden „Weine“, vom Standpunkte des trinkenden Consumenten aufgefaſst,
                              									waren, uncorrigirt wenigstens, nur mit der Bezeichnung miserabel zu belegen. Trotz
                              									des eigenthümlich bitterlichen Geschmackes, welcher der Glycose eigen ist, vermochte
                              									ich dem ersteren nach einem entsprechenden Weinsäurezusatz den Charakter eines
                              									weinähnlichen Getränkes dagegen nicht zu versagen; gelang es doch selbst einem
                              									anerkannten Weinkenner und hervorragenden Producenten, dem allerdings mit
                              									Traubenzucker petiotisirte Weine wissentlich noch nicht über die Zunge gelaufen
                              									waren, den Ausspruch abzugewinnen, daſs der Wein bis auf den schwachen Stich (s.
                              									oben) nicht übel wäre. Freilich wuſste der Betreffende nicht, was ich ihm vorsetzte! Weiter muſs ich trotz meiner
                              									Abneigung gegen die Glycose als Material zum Petiotisiren der Wahrheit entsprechend
                              									constatiren, daſs ich auch nach der sogen, „physiologischen Probe“ nicht in
                              									der Lage bin, mich den allgemein verbreiteten Ansichten, wonach solche Getränke
                              									schlecht bekommen, gesundheitlich unzuträglich wirken, anzuschlieſsen. Sowohl Dr.
                              										Saare wie auch ich haben, jedoch lediglich aus wissenschaftlicher Begeisterung mehrfach von dem
                              										„Wein I. Qualität“ getrunken, aber selbst nach dem Genüsse von mehr als
                              									einer Flasche niemals irgend welche Unbequemlichkeiten zu bemerken vermocht. Muſs
                              									ich daher anerkennen, daſs selbst bei 3facher Verdünnung des Mostes mit Zuckerwasser
                              									bezieh. dessen auf den Trestern vergohrenem Gährungsproduct noch immer ein
                              									weinähnliches, nach Weinsäurezusatz genieſsbares, gesundheitlich nicht
                              									unzuträgliches Getränk resultirt, so kam es mir doch „sehr werthvoll“ nicht
                              									vor; aber Dochnahl lehrt sogar eine noch weiter gehende
                              									Verdünnung zum Zwecke der Gewinnung eines sehr brauchbaren Nachweines.
                           Abgesehen davon, daſs der Kleinbauer, und für diesen ist Dochnahl's Buch (Preis 1 M.) in erster Linie geschrieben, die Sorgfalt nicht aufzuwenden vermag, die in hiesiger
                              									Station den obigen Gährungsproducten gewidmet wurde, daſs er den Weinsäurezusatz
                              									kaum richtig ausführen wird, so ist der „Wein II. Qualität“ eben eine
                              									Flüssigkeit, die mit Wein, und sei es der miserabelste fadeste „Kutscher“,
                              
                              									nicht mehr verglichen werden kann. Wer also in der Praxis versuchte, sagen wir für
                              									den eigenen Bedarf, nach Dochnahl zu vermehren, der
                              									würde höchst wahrscheinlich bei beiden Qualitäten, sicher bei dem „Nachwein“,
                              									völlig ungenieſsbare Getränke erhalten und neben seinem guten Traubenmaterial auch
                              									noch die Ausgaben für Traubenzucker einbüſsen. Dochnahl
                              									ist indeſs mit der oben
                              									besprochenen, im Ganzen fünffachen Vermehrung – wir zeigten experimentell, daſs das
                              									Trestermaterial kaum die für 3fache Vermehrung erforderlichen Weinbestandtheile
                              									besitzt – noch nicht zufrieden; er lehrt weiter von dem Hefenmaterial des fünffach
                              									verdünnten Jungweines noch eine der 4fachen der ursprünglichen Mostmenge
                              									entsprechende Hefenweinbereitung, d.h. eine im Ganzen 9fache Vermehrung. Daſs es
                              									über die Leistungsfähigkeit derartig anormaler Weinhefe, wie sie die drei- und
                              									fünffache Verdünnung liefert, hinausgehen muſs, überhaupt zur
                              										HefenweinbereitungEs ist hier nicht der Ort und war nicht der Zweck vorstehender Arbeit,
                                    											principiell die Zulässigkeit oder Verwerflichkeit der Trester- bezieh.
                                    											Hefenweinbereitung zu besprechen. Verwendung finden zu können,
                              									ist selbstverständlich. Die hierzu erforderliche Ausgabe für den Ankauf von Zucker
                              									ist also ebenfalls weggeworfen Geld.
                           Zum Schluſs möchte ich hervorheben, daſs, wie Obiges lehrt, der Praktiker nicht
                              									dringend genug darauf aufmerksam gemacht werden kann, den Recepten des Büchermarktes
                              									das äuſserste Miſstrauen entgegen zu tragen; nur in den seltensten Fällen halten
                              									sie, was sie versprechen. Im besten Falle endet das Experiment mit dem Verlust an
                              									Wein und Geld; geht die Vertrauensseligkeit des Fälschers aber sogar so weit, daſs
                              									er sich herbeiläſst, seine Manipulationen zu verheimlichen (falls sie leidlich
                              									gelangen) und das Product als rein zu verkaufen, dann ist der Strafrichter nicht
                              									weit. Die Verführer aber, welche den nur zu häufig urtheilslosen Kleinproducenten
                              									durch ihre Recepte zum Betrüger oder Betrogenen gemacht – sie läſst das Gesetz
                              									unberührt. Möchte wenigstens die öffentliche Meinung an der Hand exacter Zahlen über
                              									sie und ihre Publicationen den Stab brechen.
                           Rufach, November 1878.