| Titel: | Ueber Chlorbenzyl und Benzotrichlorid. | 
| Autor: | C. E. | 
| Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 74 | 
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                        Ueber Chlorbenzyl und
                           								Benzotrichlorid.
                        Ueber Chlorbenzyl und Benzotrichlorid.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich entsteht das Chlorbenzyl (Benzylchlorid) C6H5.CH2Cl
                              									in reichlicher Weise beim Einleiten trockenen Chlorgases in siedendes Toluol: C6H5CH3 + 2Cl = C6H5CH2Cl+ HCl. Das
                              									isomere Monochlortoluol bildet sich dagegen in der Kälte und bei Zusatz kleiner
                              									Mengen Jod. In dem ersten Falle wird Wasserstoff der Seitenkette, im zweiten
                              									Wasserstoff des Benzolkernes ersetzt. Die verschiedene Richtung der
                              									Chlorsubstitution bewährt sich als constant auch beim weiteren Vorschreiten der
                              									Reaction, wenn die gehörigen Temperaturunterschiede eingehalten werden. Jedoch läſst
                              									sich bei der Darstellung der Benzylderivate ein gewissermaſsen kreuzweises
                              									Ineinanderübergehn der Substitutionsrichtungen nicht vermeiden und mag der Grund
                              									darin zu suchen sein, daſs mit vorschreitender Reaction ein Gemisch von einem
                              									mittleren Siedepunkt entsteht. Man vergleiche:
                           
                              
                                 C6H4Cl.CH3
                                 Siedepunkt
                                 157°
                                 und C6H5.CH2Cl
                                 Siedepunkt
                                 176°
                                 
                                 
                              
                                 C6H3Cl2.CH3
                                 „
                                 196
                                 und C6H5.CHCl2
                                 „
                                 205
                                 
                                 
                              
                                 C6H2Cl3.CH2Cl
                                 „
                                 273
                                 und C6H3Cl2.CHCl2
                                 „
                                 257°
                                 u.s.w.
                                 
                              
                           So erhält man in der That bei der Fabrikation des Benzychlorids eine Anzahl
                              									Nebenproducte, die theils Substitute derselben Richtung (Benzodi- und Trichlorid)
                              									oder gemischten Charakters (Chlorbenzylchlorid) sind. Dieselben, meist höher siedend
                              									als das Benzylchlorid (176°), können für den technischen Gebrauch nur unvollkommen
                              									durch fractionirte Destillation entfernt werden. Sie veranlassen gewöhnlich das
                              									unerwünschte Auftreten harziger Nebenproducte, wenn das Benzylchlorid, wie in
                              									ausgedehnter Weise geschieht, zur Herstellung modificirter Nuancen gewisser
                              									Farbstoffe (Violett, Eosin) verwendet wird. Eine Siedepunkt-Bestimmung ist wie in
                              									allen Fällen, wo Gemische von homologen und isomeren Körpern vorliegen, nicht von
                              									genügender Sicherheit, den wirklichen Gehalt an C6H3CH2Cl
                              									im käuflichen Benzylchlorid zu erkennen. Man bedient sich besser der raschen und
                              									vollkommenen Umsetzung des Chlorids in alkalisch-alkoholischer Lösung. Sollte es
                              									gelingen, reines Benzylchlorid in mehr ökonomischer Weise als bisher darzustellen,
                              									so wird es angesichts der jüngst von A. Baeyer
                              									ermöglichten Indigosynthese vielleicht die Rolle eines hervorragenden
                              									Ausgangsmaterials übernehmen. Die letzte Vorstufe zum Indigoblau, nämlich das
                              									Oxindol, ist von A. Baeyer als inneres Anhydrid der
                              									Orthoamidophenylessigsäure erkannt und demgemäſs die Phenylessigsäure als
                              									Ausgangsverbindung gebraucht worden. Die Säure C6H5.CH2.COOH leitet sich aber vom Benzylchlorid in der Art ab, daſs man letzteres
                              									durch Cyankalium in Benzylcyanid oder Phenylacetonitril überführt, welches mit
                              									alkalischem Alkohol neben Ammoniak die Säure liefert.
                           Eine weitere Bedeutung hat das Benzylchlorid gewonnen als Ausgangs- oder
                              									Durchgangsverbindung zum Benzotrichlorid, dem letzten möglichen Chlorirungsproduct
                              									der Seitenkette C6H5.CCl3. Das Benzotrichlorid siedet bei
                              									214°, nicht ohne Zersetzung. Es entsteht auch in geringer Menge bei der Darstellung
                              									des Benzoylchlorids aus Benzoesäure und Phosphorchloriden und kann mit Hilfe der
                              									letzten Stoffe leicht rein, obwohl kaum in technisch lohnender Weise gewonnen
                              									werden. Die möglichen Modificationen dieser Bildungsweise ergeben sich aus folgenden
                              									Gleichungen:
                           C6H5.CO.OH + PCl5 = C6H5.COCl + POCl3 + HCl
                           3 C6H5.CO.OH + PCl3 = 3C6H5.COCl + PO(OH)3
                           3C6H5CO.ONa + POCl3 = 3C6H3.COCl +
                              										PO(ONa)3.
                           
                           Endlich gibt Benzoylchlorid mit Phosphorperchlorid bei 180°,
                              									Benzotrichlorid und Phosphoroxychlorid:
                           C6H5COCl + PCl5 = C6H5.CCl3 +
                              										POCl3.
                           O. und E. Fischer zeigten
                              									zuerst die Bildung grüner Farbstoffe bei Einwirkung gewisser Säurechloride auf
                              									Dimethylanilin in Gegenwart von Chlorzink. O. Döbner
                              									(1878 228 558) entdeckte bei der Anwendung von Benzotrichlorid unter sonst gleichen
                              									Umständen ebenfalls einen grünen Farbstoff, der unter dem Namen
                              										„Malachitgrün“ von einer Berliner Farbenfabrik in den Handel gebracht
                              									wird. Der Farbstoff C23H24N2, nach demselben Chemiker, obwohl von
                              									relativer Echtheit, kann in Löslichkeit, Reinheit und Ausgiebigkeit bislang nicht
                              									concurriren mit dem von Violett abstammenden, sogen. Methylgrün. Auch dürfte die
                              									Ausbeute keineswegs eine so günstige sein, als man gleich nach dem Bekanntwerden der
                              									schönen Reaction geneigt war, anzunehmen. Auch mit Phenolen bildet das Trichlorid
                              									Farbstoffe, wahrscheinlich vom Charakter der Rosolsäuren. Ob Döbner Recht hat, die Grünbildung durch Benzoylchlorid nach O. und E. Fischer auf
                              									Rechnung einer Beimischung von Benzotrichlorid zu setzen, mag bezweifelt werden, da
                              									ja Salicyl- und Phtalylchlorid unter gleichen Umständen ähnliche Farbstoffe liefern.
                              									Indessen sollte diese Frage hier nur berührt werden, um das Interesse für die
                              									Darstellung des Benzotrichlorids zu erklären.
                           Die Darstellung des Benzotrichlorids aus Toluol stöſst noch auf gröſsere
                              									Schwierigkeiten, als die des Benzylchlorids. Beide und wahrscheinlich auch das
                              									dazwischen liegende Benzodichlorid (Benzolchlorid, Siedepunkt 205°) sind nicht
                              									allein schwer, auch nur annähernd rein zu gewinnen, sie sind auch in Folge ihrer
                              									Zersetzlichkeit beim Destilliren, besonders das Trichlorid, auf gewöhnliche Weise
                              									schwer zu reinigen. In kleineren Versuchen indeſsen, gleichviel ob ausgehend vom
                              									Toluol oder von Benzylchlorid, ist es dem Verfasser gelungen, ein Product zu
                              									erhalten, welches nach Siedepunkt und sonstigen Eigenschaften wesentlich nur
                              									Trichlorid war. Das relativ einfache Mittel, dies zu erreichen, war die
                              									Herabminderung des Siedepunktes durch Arbeiten im luftverdünnten Raum. Eine kräftig
                              									wirkende Wasserluftpumpe, in Verbindung mit dem Apparat, fungirte während der
                              									Operation, ein etwaiges Auslösen hatte ein Steigen des Thermometers von etwa 8° zur
                              									Folge. Unter gleichen Umständen wurde nach der Entfernung des Chlorwasserstoffes die
                              									Fractionirung vorgenommen und so bezieh. aus 100g
                              									Toluol oder 130g Benzylchlorid erhalten 145 bis
                              
                              										150g einer bei 210 bis 218° siedenden
                              									Flüssigkeit. Eine solche constante Evacuirung auch im Groſsen zu ermöglichen, sei es
                              									durch Saugpumpen oder durch Pulsometer kann kaum Schwierigkeiten haben. Uebrigens
                              									bildet sich das Trichlorid unter allen Umständen schon gleich zu Anfang der
                              									Chlorirung, so daſs kein Benzylchlorid des Handels davon frei ist, wie die
                              									empfindliche Reaction mit Dimethylanilin und Chlorzink (Grünfärbung) beweist.
                           
                              
                                 C. E.