| Titel: | Notizen aus dem Gebiete der Soda-Industrie; von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 156 | 
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                        Notizen aus dem Gebiete der Soda-Industrie; von
                           									G. Lunge.
                        Lunge, Notizen aus dem Gebiete der Soda-Industrie.
                        
                     
                        
                           Die folgenden Notizen wurden zum Theil gesammelt auf einer Studienreise in den
                              									Hauptdistricten der Sodafabrikation Europas im April 1878; zum Theil beruhen sie auf
                              									weiterer, in Folge jener Reise nachgesuchter Auskunft von bestinformirter Stelle.
                              									Ich würde mir schon früher erlaubt haben, sie dem technischen Publicum vorzulegen,
                              									wenn ich nicht hätte abwarten wollen, in wiefern meine Notizen sich durch einen
                              									Besuch der Pariser Ausstellung würden ergänzen lassen. Dies ist nun freilich nicht
                              									der Fall gewesen; grade im Gebiete der Soda-Industrie war das wirklich Neue auf der
                              									Ausstellung nur durch stumme Glasflaschen in dicht verschlossenen Glaskästen
                              									vertreten, und wer es nicht anderwärts erfahren hat, dem ist es dort sicherlich
                              									nicht bekannt geworden. Die Verzögerung meiner Veröffentlichung dürfte ihr jedoch
                              									nicht zum Schaden gereichen, weil mir dadurch Gelegenheit geboten wird, über einige
                              									der wichtigsten Gegenstände zu reden, welche früher, als noch nicht der
                              									Oeffentlichkeit preisgegebene Patente, nicht hätten erwähnt werden dürfen.
                           Im Gebiete der Schwefelsäurefabrikation ist mir eigentlich gar nichts Neues aufgestoſsen.
                              									Nach wie vor arbeiten die englischen Fabriken ihr Pyritklein durch Vermählen mit
                              									Wasser und Trocknen der Masse auf (vgl. 1874 214 471), und konnte ich auch in den
                              									gröſsten und besten Fabriken noch nichts von dem Etagenofen (gewöhnlich als Malétra'scher bezeichnet) hören. Die Einführung des
                              									Wassers in Staubform nach Sprengel (*1875 218 328) und
                              									diejenige des Salpeters als Lösung, ebenfalls mit Hilfe eines Injectors in Form
                              									feinster Tröpfchen nach Burnard (1877 224 558), haben
                              									sich nicht bewährt und sind wohl nur noch in sehr wenigen Fabriken vorhanden. Die
                              									von J. Mactear mit vielem Geräusch eingeführte Controle
                              									des Ausbringens in der Schwefelsäurefabrikation, welche ich schon früher einmal
                              									besprochen habe (vgl. 1877 226 167), ist in Folge seiner überschwänglichen
                              									Empfehlungen trotz der kostspieligen Einrichtung eines besonderen verschlieſsbaren
                              									Locales, einer Anzahl von besonders dazu gefertigten Gasuhren und anderen Apparates
                              									von mehreren gröſseren Fabriken ins Werk gesetzt worden; aber man konnte mir
                              									nirgends versichern, daſs das Ausbringen dadurch wirklich gesteigert worden sei, was
                              									doch der einzige Zweck dieser Controle ist, und was von Mactear so emphatisch versprochen worden war. Die Erklärung dieser gewiſs
                              									ganz im guten Glauben gemachten Versprechungen ist mir dahin gegeben worden, daſs
                              									vor Einrichtung jener Controle die von Mactear
                              									geleitete Fabrik zu St. Rollox in ihrem Schwefelsäure-Theile, unbeschadet ihres Weltrufes, sehr schlecht
                              									ging und dies bei gröſserer Aufmerksamkeit in Folge jener Controle sich allerdings
                              									besserte; aber dieses wird auf die meisten anderen Fabriken keine Anwendung finden,
                              									welche auch ohne jenen kostspieligen Apparat gut arbeiten, oder vorkommende
                              									Störungen in sonst bekannter Weise erkennen. Merkwürdigerweise verlegt sich die
                              									ganze Energie dieser Controle auf das Ende des Kammersystemes, und konnte ich von
                              									der so einfachen und schönen Reich'schen
                              									Untersuchungsmethode der Röstgase auf schweflige Säure in den von mir besuchten
                              									englischen Fabriken nichts finden. In der Tennant'schen
                              									Fabrik zu Hebburn am Tyne war man damit beschäftigt, die von mir gerügte
                              									Unzuverlässigkeit in der Grundlage der Macter'schen
                              									Controle, nämlich die Schwankungen im Sauerstoffgehalt der austretenden Kammergase,
                              									dadurch zu vermeiden, daſs eine kleine Menge des Gases continuirlich in einen
                              									groſsen Aspirator abgesaugt würde, in welchem das Gas von 24 Stunden sich ansammeln
                              									und mischen könnte, um dann eine Probe dieses Gases auf seinen Sauerstoffgehalt zu
                              									untersuchen.
                           Bekanntlich wird in London neuerdings viel Pyroschwefelsäure gemacht, und sind eine
                              									ganze Anzahl von Patenten dafür genommen worden; welche von diesen jedoch wirklich
                              									ausgeführt werden, ist bis jetzt nicht bekannt.
                           In der Fabrikation des Sulfates ist
                              									auch keine abgeschlossene Aenderung zu vermelden. Die groſse Mehrzahl der Fabriken
                              									bedient sich noch der alten Zersetzungsschalen für Kochsalz und Schwefelsäure.
                              									Jedoch hat der mechanische Ofen von Jones und Walsh (1876 220 233) eine Anzahl von Verbesserungen
                              									erfahren, welche ihn leistungsfähiger machen, und es sind denn auch in der That
                              									einige neue Oefen der Art in diesem Jahre in Bau genommen worden. Diese
                              									Verbesserungen beziehen sich wesentlich auf die mechanische Construction der
                              									Ofenschale (des Tellers), wodurch das Lecken an den Verbindungsstellen vermieden
                              									wird; auch auf diejenige des Rührwerkes, in Bezug auf welche man noch nicht zu ganz
                              									zufriedenstellenden Ergebnissen gekommen ist. Immerhin hat sich bis jetzt so viel
                              									herausgestellt, daſs die ursprüngliche Construction von Jones und Walsh in ihren Grundzügen noch
                              									immer als die beste und als diejenige angesehen werden muſs, an welche sich
                              									vorläufig allein Hoffnungen auf die Darstellung des Sulfates mit Hilfe mechanischer
                              									Vorrichtungen knüpfen.
                           Namentlich haben sich die Constructionen von Black und
                              										Hill (Englisches Patent vom 14. Juni 1877) und von
                              										Cammack und Walker
                              									(Englisches Patent vom 3. März 1876) nicht bewährt. Die erstere schlieſst sich eng
                              									an den Jones'schen Ofen an, von welchem sie den Tellerofen für das zweite Stadium
                              									des Sulfatprocesses beibehält. Das erste Stadium sollte jedoch davon getrennt und in
                              									einem eigenen, mit inwendigem Rühren versehenen Mischtroge vorgenommen werden. Die
                              									zweite erwähnte Construction ist sehr sinnreich; es ist ein langes horizontales
                              									Eisenrohr, in welchem eine Welle mit schraubenförmig gestellten Flügeln rotirt; die
                              									Mischung von Salz und SchwefelsäureSchwefessäure wird an einem Ende continuirlich eingetragen und am anderen Ende das
                              									fertige Sulfat ununterbrochen entleert; ganz ebenso continuirlich muſs natürlich
                              									auch die Entwicklung der Salzsäure sein und deshalb ein solches System sowohl für
                              									die Condensation in gewöhnlicher Weise, als auch für die sofortige Zersetzung der
                              									Salzsäure nach Deacon's Verfahren ganz besondere
                              									Vortheile bieten. Grade für den letzteren Zweck sind denn auch sehr anhaltende
                              									Versuche mit dem Cammack und Walker'schen Verfahren angestellt worden; aber die mechanischen
                              									Schwierigkeiten haben sich bis jetzt zu groſs gezeigt. Endlich wäre ein neueres
                              									Patent von Jones und Walsh
                              									selbst (vgl. * S. 153 d. Bd.) zu bemerken, welches von dem Ofen mit fester Sohle und
                              									rotirender Rührvorrichtung zu einem solchen mit rotirender Sohle und stationärer
                              									Rührvorrichtung übergeht, d.h. ganz demselben Princip, welches sich im Falle der
                              									Sodacalcinirung so sehr erfolgreich gezeigt hat (vgl. unten). Aber ich weiſs es aus
                              									unmittelbarster Quelle, daſs eine Ausführung dieses Patentes weder geschehen, noch
                              									beabsichtigt ist, daſs das Patent nur genommen worden ist, „to cover the ground,“ d.h. Andere davon
                              									abzuhalten, und daſs Jones für die Praxis durchaus an
                              									dem früheren Princip festhält.
                           Einer der schwächsten Punkte des mechanischen Sulfatofens schien bislang in der
                              									Condensation der Salzsäure zu liegen. Von vornherein können Schwierigkeiten in
                              									dieser Beziehung vorausgesehen werden, da ja doch bei diesem Ofen alles Salzsäuregas, auch das im ersten Stadium
                              									entstehende, mit Feuergasen gemischt und mithin gewiſs schwieriger als gewöhnlich zu
                              									condensiren ist. Zwar war es von vielen Seiten, auch von mir selbst (1876 220 237),
                              									festgestellt worden, daſs nur eine Spur Salzsäuregas uncondensirt aus dem Kamin
                              									entwich, und daſs sich in dieser Beziehung das Jones'sche Verfahren mit dem alten durchaus messen kann; aber damit war es
                              									noch nicht entschieden, ob man auch ebenso viel starke, zum Verkauf oder zur
                              									Chlorbereitung taugliche Säure als sonst daraus erhalten könne, und es waren grade
                              									über diesen Punkt von keiner Seite her in England brauchbare Angaben zu erlangen.
                              									Hr. Jones selbst wies mich in dieser Beziehung an Hrn.
                              									Dr. H. Grüneberg in Köln, durch dessen Freundlichkeit
                              									ich denn auch endlich in den Stand gesetzt bin, positive Angaben über diesen
                              									Gegenstand zu machen. In der Fabrik von Vorster und
                                 										Grüneberg zu Kalk bei Köln werden mit einem Jones-Ofen täglich 7t,5 Kaliumsulfat aus Chlorkalium dargestellt,
                              									welches schon 10 bis 15 Proc. Sulfat und auſserdem 5 bis 6 Proc. Wasser enthält. Bei
                              									Annahme eines Durchschnittsgehaltes von 85 Proc. KCl sollte man für 100 Th.
                              									Kaliumsulfat 36 Th.
                              									reines Salzsäuregas bekommen. In Wirklichkeit erhielt man schon anfangs im Sommer 90
                              									Flaschen zu 65k Salzsäure, davon ein Drittel = 20°
                              									ein Drittel 19°, ein Drittel 18° B.; später steigerte sich die Ausbeute auf 100
                              									Flaschen, wovon die Hälfte = 20° B., und nach noch neueren Nachrichten (vom October
                              									1878) bekommt man sogar das gleiche Gewicht vom Kaliumsulfat an Salzsäure, wovon die
                              									erste Hälfte 20° B., die andere 18 bis 19° B. ist. Das erst gemeldete Ausbringen ist
                              										5850k Säure von 19° = 1691k HCl = 22,5 Proc. auf das Kaliumsulfat, das
                              									zweite = 6500k von 19½° B. = 1945k HCl = 27,3 Proc. das dritte = 7500k von 19¼° B. = 2175k HCl oder 29 Proc. HCl vom Gewichte des Sulfates, statt theoretischer 36
                              									Proc. Ein solches Ausbringen an starker Salzsäure kann sich mit demjenigen der
                              									meisten nach gewöhnlicher Methode arbeitenden Fabriken zu seinem Vortheile messen.
                              									Die in Kalk angewendete Condensationseinrichtung besteht aus vier Steinkufen von
                              									etwa 6qm Grundfläche und einem Kokesthurm von 4qm Grundfläche und 20m Höhe.
                           Hieran seien gleich einige weitere Bemerkungen über
                              									Salzsäurecondensation geschlossen. Die Glasröhren zur Leitung des Pfannengases, auf
                              									welche man wegen ihrer ausgezeichnet abkühlenden Wirkung groſse Hoffnungen gesetzt
                              									hatte, und welche in Lancashire sehr weit verbreitet waren, sind wieder aus der Mode
                              									gekommen. Man behauptet, daſs sie neuerdings von den Gasfabriken nicht mehr so gut
                              									gekühlt geliefert werden wie früher, und daſs sie daher zu häufig springen. Am
                              									besten sollen sie sich da bewährt haben, wo nicht Druck von innen nach auſsen,
                              									sondern umgekehrt stattfindet, also z.B. zur Leitung des mit Salzsäuredampf etc.
                              									gemischten Chlorgases in Deacon's Verfahren.
                           Die groſse Menge Wasser, welche zur völligen Condensation der aus den eigentlichen
                              									Condensationsthürmen entweichenden Salzsäuredämpfe in den „Waschthürmen“
                              									gebraucht wird, geht bis jetzt in den meisten Fällen verloren und führt häufig einen
                              									ganz ansehnlichen Bruchtheil der sämmtlichen Salzsäure mit fort. Dieser Uebelstand
                              									sollte durch das Verfahren von Clapham (1869 193 480)
                              									beseitigt werden, welches sich jedoch aus verschiedenen praktischen Gründen nicht
                              									weiter verbreitet hat, namentlich weil die Guttapercha-Apparate zu schwierig in
                              									Ordnung zu halten sind. Die übrigen construirten Salzsäurepumpen, welche für
                              									gröſsere Mengen von schwacher Säure bestimmt sind, haben sich ebenfalls aus
                              									verschiedenen Gründen nicht bewährt; die Pumpe von Schlotter, welche sehr gut arbeitet (z.B. in der Aussiger Fabrik), eignet
                              									sich mehr zum Heben von verhältniſsmäſsig kleinen Mengen starker Säure. Eine schon
                              									vor einigen Jahren erfundene, aber seitdem mehrmals verbesserte Pumpe von Hazlehurst soll nun, nach unabhängigem und
                              									unverdächtigem Zeugnisse, sich doch für das Heben der Waschthurmsäure und deren
                              									Wiederbenutzung für die starken Thürme gut bewährt haben. Ihr Princip ist dieses, daſs die Säure von
                              									dem Bewegungsmechanismus ganz getrennt ist und die Bewegung einer Wassersäule der
                              									Säure durch eine elastische Membran mitgetheilt wird. Diese Membran ist zwischen
                              									zwei guſseisernen Schalen ausgespannt:, auf der einen Seite befindet sich das Zu-
                              									und Ableitungsrohr für die Salzsäure, die andere, damit gar nicht communicirende
                              									Seite verlängert sich in einem Pumpenstiefel und der ganze Raum zwischen der Membran
                              									und dem Pumpenkolben ist mit Wasser gefüllt. Das Spiel des Kolbens drückt die
                              									Wassersäule abwechselnd gegen die elastische Membran und läſst sie wieder
                              									zurückgehen; dadurch wird auch die Membran abwechselnd in den anderen, Salzsäure
                              									enthaltenden Hohlraum hineingepreſst und wieder zurückgezogen. Die weiteren
                              									Einzelheiten des Apparates würden ohne Zeichnung nicht gut verständlich sein.
                           Das schon oft in diesem Journal, auch vom Verfasser, besprochene
                              									Verfahren von Hargreaves zur directen Darstellung von
                              									Sulfat und Salzsäure aus Pyrit Röstgasen, Kochsalz, Dampf und Luft (vgl. 1875 218
                              									416) hat allerdings in den letzten 2 oder 3 Jahren keine sehr in die Augen fallenden
                              									Fortschritte nach auſsen hin gemacht. Aber dieses erklärt sich zur Genüge aus der
                              									ökonomischen Calamität der englischen Sodafabriken, welche zum groſsen Theile seit
                              									einigen Jahren mit Unterbilanz arbeiten und somit nicht daran denken können, solche
                              									Aenderungen einzuführen, welche die Abschaffung des kostspieligsten Theiles ihrer
                              									Fabrikeinrichtungen und die Erbauung noch kostspieligerer nach sich ziehen würden.
                              									Aus diesem Grunde arbeiten nur diejenigen Fabriken nach dem Hargreaves'schen Verfahren, welche dasselbe schon vor einigen Jahren
                              									eingeführt hatten; aber nicht nur hat keine derselben das Verfahren aufgegeben,
                              									sondern sie haben es vielmehr so weit ausgearbeitet, daſs es jetzt seine Probezeit
                              									schon überstanden hat und wenigstens in einigen der Fabriken völlig regelmäſsig mit
                              									zufriedenstellenden Resultaten fungirt. Die früher als gröſste angesehene
                              									Schwierigkeit, nämlich eine zugleich zweckmäſsige und billige Zubereitung des Salzes
                              									in solcher Form, daſs es von den Gasen leicht durchdrungen und vollständig in Sulfat
                              									umgewandelt wird, ist durch eine Combination der Verfahren von Stevenson (Englisches Patent vom 8. Mai 1875) und Hargreaves (Englisches Patent vom 28. Februar 1877)
                              									überwunden worden. Am vollständigsten findet sich dieses Verfahren in zwei Fabriken
                              									in Widnes ausgebildet, wo denn auch das ganze Hargreaves'sche Verfahren besser als irgendwo anders arbeitet. Man ist
                              									dort vollständig damit zufrieden und erklärt daſs eine weitere Ausdehnung desselben
                              									nur wegen der schlechten Zeitläufte verschoben werde. Sowohl in Bezug auf Qualität
                              									des Productes, als auch auf Brennmaterial verbrauch und auch auf das Ausbringen an
                              									Sulfat will man dort besser fahren als nach der alten Methode. Aber so gut geht es
                              									nicht überall, und man muſs constatiren, daſs eben nur bei völligster Ausbildung in
                              									mechanischer Beziehung das Hargreaves'sche Verfahren
                              									die erwarteten günstigen Resultate gibt – ein Umstand, welcher sich in ganz
                              									ähnlicher und vielleicht noch ausgesprochener Weise auch bei dem
                              									Ammoniak-Sodaverfahren wiederholt.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)