| Titel: | Das schmiedbare Eisen auf der Weltausstellung zu Paris 1878. | 
| Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 274 | 
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                        Das schmiedbare Eisen auf der Weltausstellung zu
                           									Paris 1878.Nach dem Vortrag des Geh. Bergrath Dr. Wedding im
                                 											Vereine zur Beförderung des Gewerbfleiſses (Sitzungsberichte, 1878 S. 196).
                           							
                        Das schmiedbare Eisen auf der Weltausstellung zu Paris
                           								1878.
                        
                     
                        
                           Die Ausstellung zu Paris 1878 gab ein klares Bild von dem gewaltigen Umschwung, der
                              									sich in Bezug auf die Darstellungsmethoden des schmiedbaren
                                 										Eisens vollzogen hat und der, obwohl noch nicht zum vollkommenen Abschlüsse
                              									gekommen, doch diesem Abschlüsse nahe ist. An Stelle des Schweiſseisens (vgl. 1877 223 325), eines im
                              									teigigen Zustande mit Schlacke gemengt erhaltenen Productes, ist das Fluſseisen getreten, ein im flüssigen Zustand
                              									erhaltenes, daher schlackenfreies und völlig gleichförmiges Product.
                           Die Processe, deren man sich allgemein bedient, um Fluſseisen zu erzeugen, sind der
                              									Bessemer- und der Flammofen- (Siemens-Martin-) Proceſs. Der allgemeinen
                              									Anwendbarkeit dieser Processe setzten sich bisher drei Schwierigkeiten entgegen,
                              									welche die Wiener- (1873) und die Philadelphia- (1876) Ausstellung, so geringe Zeit
                              									sie auch hinter uns liegen, noch als sehr erheblich und bedenklich für die
                              									allgemeine Ausbreitung der Fluſseisen-Erzeugung darstellten, nämlich 1) der
                              									Phosphorgehalt der Eisenerze; 2) die Schwierigkeit, dichte Guſsblöcke zu erzeugen
                              									und dichte Facongüsse darzustellen; 3) die Schwierigkeit, das Fluſseisen zu
                              									schweiſsen.
                           
                        
                           1) Phosphorgehalt der
                                 									Erze.
                           1) Einfuhr fremder Erze. Der Mangel
                              									an hinreichend phosphorfreien Erzen hat sich in den eisenindustriellen Ländern
                              									Europas mit dem Fortschreiten der Fluſseisen-Erzeugung sehr lebhaft geltend gemacht.
                              
                              									Man hat deshalb seine Zuflucht zu Erzen des Auslandes genommen und namentlich die
                              									zum Theil noch wenig ausgebeuteten Schätze des südlichen Europas und des nördlichen
                              									Afrikas herangezogen. Die Ausstellung gab hiervon ein gutes Bild. Besonders waren
                              									die Erze von Bilbao, deren jährlich über 1 Million Tonnen exportirt werden,
                              									vertreten. Diese Erze enthalten von 55 bis 64 Proc. Eisen und sind fast
                              									phosphorfrei. Nächstdem liefert Algier (Mocta und Tafna) nahezu ½ Million Tonnen.
                              									Altberühmte Punkte, wie Elba und Sardinien, haben eine neue Wichtigkeit erlangt. Im
                              									Ganzen entspricht die Einfuhr derartiger Erze nach Frankreich, England und
                              									Deutschland etwa ¼ Mill. Tonnen Roheisen, oder etwa 200000t weniger als die Gesammtproduction Preuſsens
                              									beträgt, auf welches von jenen Erzen noch nicht ¼ Mill. Tonnen kommt, während der
                              									Rest für England und Frankreich verbleibt. Die Schwierigkeit zum Bezüge solcher Erze
                              									wächst mit den Transportkosten und wird unüberwindlich, wo ein weiterer
                              									Eisenbahntransport erforderlich ist. Deshalb sind von den deutschen Werken
                              									hauptsächlich nur die in der Nähe des Rheines gelegenen in der glücklichen Lage,
                              									Gebrauch von solchen Erzen zu machen.
                           2) Entphosphorung des Eisens. Die
                              									zweite Art, sich unabhängig von dem Phosphorgehalt der Erze zu machen, begreift das
                              									groſse Gebiet der Verfahrungsarten zur Entphosphorung des Eisens. Auf diesem Gebiete
                              									zeigte die Ausstellung besonders deutlich, welche der zahlreichen vorgeschlagenen
                              									und versuchten Methoden wirklich praktisch geworden sind, welche sich im Stadium
                              									einer praktischen, daher hoffnungsvollen Entwicklung befinden, und welche als
                              									hoffnungslos aufgegeben wurden. Die Entphosphorung der Erze auf nassem Wege ist
                              									keinen Schritt vorwärts gekommen, die Entfernung des Phosphors im Hohofen ist gar
                              									nicht gelungen.
                           a) Entphosphorung des Roheisens beim
                                 										Feinen. Die wichtigste, theils im Stadium der hoffnungsvollen Entwicklung,
                              									theils bereits in praktischer Ausführung begriffene Methode, den Phosphor los zu
                              									werden, bezieht sich auf das Roheisen nach dem Abstich aus dem Hohofen oder nach
                              									wieder erfolgter Einschmelzung, und zwar beim Desiliciren oder Feinen. Die theoretisch
                              									längst bekannte Thatsache der Einwirkung der Eisenoxyde auf Silicium und Phosphordes Roheisens ist
                              									ziemlich gleichzeitig von A. Krupp in Deutschland und
                              										J. L. Bell in England in das Stadium praktischer
                              									Versuche geführt worden, aus denen ersterer eine eigenartige Methode entwickelte,
                              									welche mit vorzüglichem Erfolge unter dem Schütze eines deutschen Reichspatentes (D.
                              									R. P. Nr. 4391 vom 2. Juli 1877) bereits zu groſsartiger praktischer Anwendung
                              									gelangt ist. Langsamer schritten die Versuche Bell's
                              									voran, der nicht in der glücklichen Lage war, selbst über entsprechende Apparate zu
                              									verfügen, dagegen das groſse Verdienst hat, durch eingehende wissenschaftliche
                              									Versuche die Kenntniſs der bei diesem Processe stattfindenden Vorzüge zum Gemeingut
                              									zu machen – einem Processe, welcher wohl als der bedeutendste Fortschritt seit
                              									Erfindung des Bessemerprocesses und der Siemens'schen Regeneratoren im Gebiete des
                              									Eisenhüttenwesens bezeichnet werden darf. Das Verfahren besteht darin, daſs das
                              									geschmolzene phosphorhaltige Roheisen in einem rotirenden Ofen mit Eisenoxydherd
                              									entkieselt, ohne seines Kohlenstoffgehaltes beraubt zu werden, entphosphort und dann
                              									in einem Flammofen weiter auf Fluſseisen verarbeitet wird. Selbstverständlich war
                              									nur der Bell'sche Proceſs durch Proben vertreten, und
                              									zwar in der vorzüglichen Ausstellung der Werke des Cleveland-Districtes, die durch
                              									eine Schrift Bell's Erläuterung fand (vgl. 1877 225 264. 351. 1878 229 184.
                              									290).
                           So weit ist das alte Problem, auf dessen Bedeutung seit 16 Jahren hinzuweisen mein
                              									unablässiges Bemühen gewesen ist, das gemeinschaftlich zu bearbeiten ich vergeblich
                              									unsere Eisenhüttenbesitzer seit Jahren aufgefordert habe, denn glücklich gelöst.
                              									Noch fehlt ein letzter Schritt, den Phosphor ohne das Silicium zu entfernen. Denn
                              									erst dann kann man den Bessemerproceſs der Entkohlung direct anschlieſsen, während
                              									jetzt nichts übrig bleibt, als den Flammofenproceſs anzuwenden, oder aber das
                              									entkieselte Eisen mit Siliciumeisen zu mischen und dann zu verbessemern.
                           b) Entphosphorung des Eisens beim Puddeln. Der zweite
                              									eingeschlagene Weg klammert sich an den dem unzweifelhaften Untergange geweihten
                              									Puddelproceſs an, mittels dessen gewöhnlicher Modification man bekanntlich schon
                              									längst die Entphosphorung auf sehr vollständige Weise zu erreichen versteht. Der
                              									rotirende Puddelofen hat dem Processe nicht nur wegen der Beseitigung der
                              									Handkratzarbeit, sondern besonders wegen des besseren Gelingens der Entphosphorung
                              									eine weitere Lebensfrist gerettet. Der Danks'sche Cylinderofen hat sich demgemäſs
                              									auch an einzelnen Stellen, wo ein phosphorreiches Material dazu anregte, wie im
                              									Cleveland-District, zu Creuzot u.a. eingebürgert. Der Cleveland-District stellte nur
                              									die Producte aus, Creuzot dagegen ein Modell. Der Ofen ist hier mit gekühlter
                              									Theilungsbrücke ausgeführt, welche den Zweck hat, an Stelle einer die Bearbeitung
                              									erschwerenden groſsen, zwei kleinere Luppen zu
                              									erzeugen. Der Tellerofen scheint für das Puddeln bereits wieder ganz aufgegeben
                              									worden zu sein. Mechanische Puddler sind als Reste einer überwundenen Periode in
                              									Form des Lemut'schen und Espinac'schen Apparates – ersterer mit horizontalen
                              									Krücken, letzterer mit verticaler, mit Rührarmen besetzter Spindel ausgerüstet –
                              									ausgestellt gewesen. Dieser ganze Weg, den Phosphor durch Puddeln zu entfernen, darf
                              									nur insoweit als ein Theil des Fluſseisenprocesses betrachtet werden, als sich das
                              									entphosphorte Eisen in Form eines Zusatzes im Flammofen verwenden läſst.
                           c) Rennarbeit. Der dritte Weg der Entphosphorung beruht
                              									auf der Benutzung der Rennarbeit oder der directen Reduction der Eisenerze. Auſser
                              									dem alten Chenot'schen Verfahren mit seinen bekannten
                              									Apparaten, welches zu Bilbao sich in beschränkter Anwendung erhalten zu haben
                              									scheint, war von Martins in Sireuil ein ähnlicher
                              									Apparat ausgestellt, welcher sich dadurch Jon den älteren unterscheidet, daſs das
                              									reducirte Erz in langen, freihängenden Röhren, welche sich an den Untertheil des
                              									Ofens anschlieſsen, nach der Reduction abgekühlt wird. Wichtiger erscheint das von
                              									dem Amerikaner Du Puy eingeschlagene und durch Proben
                              									repräsentirte Verfahren der directen Reduction in ringcylinderförmigen Blechkästen,
                              									da bei dieser Methode der Luftzutritt von dem reducirten Erze ganz abgeschlossen
                              									bleibt (vgl. 1878 230 181. 506).
                           
                           Bis zum gegenwärtigen Augenblick hat die Weiterverarbeitung des reducirten Erzes zu
                              									Fluſseisen nach Anleitung des Llandore-Processes, welcher von Siemens in unbedeutender Ausstellung vor Augen geführt
                              									war, in der Weise, daſs das reducirte Erz in einem flüssigen Eisenbade von höherem
                              									Kohlenstoffgehalt durch Eintränkung gelöst wird, nur einen beschränkten praktischen
                              									Erfolg gehabt. Noch scheint die Abscheidung der Gangarten als Schlacke ohne
                              									Ueberführung des Phosphors in das Metall eine für unreine Erze ungelöste Aufgabe,
                              									weil es nicht gelingt, den Proceſs in hinreichend niedrigen Temperaturen
                              									auszuführen.
                           3) Unschädlichmachung des Phosphorgeholtes. Ein dritter
                              									Weg, sich von der Bedingung phosphorfreier Erze loszumachen, liegt in der
                              									Unschädlichmachung des unbeseitigten Phosphorgehaltes, und zwar durch Benutzung
                              									eines niedriggekohlten und manganreichen Fluſseisens, welches nur unter Zusatz eines
                              									im Verhältniſs zu seinem Mangangehalt an Kohlenstoff armen Materials erzielt werden
                              									kann. Diese Methode beruht auf dem Grundsatze, daſs die Schädlichkeit des
                              									Phosphorgehaltes mit dem Kohlenstoffgehalte des Eisens abnehme. Der wesentliche
                              									Fortschritt, welcher diese Methode zu praktischer Anwendbarkeit geführt hat, ist die
                              									Darstellung geeigneter Manganverbindungen auf billige Weise. Die Erzeugung des
                              									Ferromangans – einer der Regel nach nicht über 5 bis 6 Proc. Kohlenstoff
                              									enthaltenden Eisenmangan-Legirung, welche in allen Verbindungsnüancen durch die
                              									Ausstellung von Terrenoire, von Jacob Holtzer, der St.
                              									Louis-Hohöfen (in Frankreich) u.s.w. vorgeführt war – im Hohofen macht bei
                              									hinreichendem Kalkzuschlag keine Schwierigkeiten mehr. Es gelingt, einen beliebigen
                              									Mangangehalt bis zu 87 Proc. Mangan hinauf zu erzielen (vgl. 1878 227 272). Unter Anwendung dieses Desoxydationsmittels
                              									kann das Fluſseisen bis zu den an Kohlenstoff ärmsten Nuancen herab (0,05 Proc.
                              									Kohlenstoff) dargestellt werden, da damit selbst ein ziemlich hoher Sauerstoffgehalt
                              									wieder entfernt wird.
                           
                        
                           II) Schwierigkeit, dichte Guſsstüche
                                 										zu erzeugen.
                           1) Guſsblöcke. Darf man hinsichtlich
                              									der Entphosphorungsfrage die Entwickelung noch nicht für völlig abgeschlossen
                              									halten, so ist die Schwierigkeit, dichte Guſsblöcke darzustellen, nach dem, was in
                              									dieser Richtung die Ausstellung bot, nunmehr für überwunden zu erachten. Die
                              									vorwiegende Forderung der Consumenten, ein niedrig gekohltes Fluſseisen zu erhalten,
                              
                              									erhöhte die Schwierigkeit, blasenfreie Blöcke herzustellen, trotz der Fortschritte,
                              									welche im Uebrigen gemacht wurden.
                           Der zunächst liegende Versuch, das Ziel durch mechanische Hilfsmittel (Pressen) zu erreichen, ist an den meisten Stellen
                              									aufgegeben, und nur Whitworth in Manchester (vgl. *
                              									1877 225 423) zeigte die Möglichkeit dieses Verfahrens
                              									durch eine vorzügliche Sammlung gepreſster Dichtgüsse, welche neben den ungepreſsten
                              									blasigen Güssen aufgestellt den wesentlichen Einfluſs der Pressung darstellten.
                              									Dagegen hat sich das chemische Verfahren, welches auf
                              									der Desoxydation durch Mangan, Silicium u.a. Stoffe beruht, zu einer ganz
                              									erstaunlichen Vollkommenheit entwickelt (vgl. 1878 227
                              									271). Nicht nur die mustergiltige Ausstellung von Terrenoire, sondern auch
                              									zahlreiche andere Aussteller Frankreichs und Englands bewiesen, daſs der Dichtguſs
                              									für Fluſseisen selbst sehr geringen Kohlenstoffgehaltes durch Zusatz hinreichender
                              									Mengen von Desoxydationsmitteln in einem früher ungeahnten Maſse erreichbar ist.
                              									Unter den Desoxydationsmitteln spielen Mangan und Silicium die Hauptrolle, obwohl
                              									auch Wolfram und Chrom für den gleichen Zweck bestimmt werden. Silicium ist das bei
                              									weitem wirksamste Mittel; aber ein Ueberschuſs davon ist gefährlicher für die
                              									Beschaffenheit des Stahles, als der irgend eines anderen Stoffes, namentlich des
                              									Mangans, welches daher mit Vorliebe als Ferromangan oder wohl auch als
                              									Siliciumferromangan angewendet wird. Die Zusammensetzungen einiger solcher
                              									Desoxydationsmittel möge hier angeführt werden:
                           
                              
                                 Siliciummanganeisen
                                 SiliciumManganEisen
                                 5,556,5085,50
                                 10,2020,5066,75
                                 7,603,0986,57
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 Wolframmanganeisen
                                 WolframManganEisen
                                 24,2541,5030,00
                                 
                              
                                 Chrommanganeisen
                                 ChromManganEisen
                                 25,3013,20 57,43.
                                 
                              
                           2) Façonguſs. Auf demselben
                              									Grundsatze beruht auch die Möglichkeit, dichte Facongüsse zu erzeugen, und auch auf
                              									diesem Felde zeigte die Ausstellung, daſs die bisher bestandenen Schwierigkeiten als
                              									gehoben betrachtet werden dürfen. Die complicirtesten Guſsstücke fanden sich in
                              									vorzüglicher Ausführung im rohen und bearbeiteten Zustande vor. Das Ausglühen
                              									derselben zur Aufhebung der Spannung ist ebenso vortheilhaft, wie bei gewöhnlichen
                              									Guſswaaren, und es scheint beinahe, als wenn der ausgeglühte, auch wohl durch Glühen
                              									in Oxyden schwach entkohlte Fluſseisenguſs bestimmt sei, den bisherigen schmiedbaren
                              									Guſs, der aus Guſseisen erzeugt ist, zu verdrängen. Als besondere Methode ist die
                              									Härtung der Fabrikate zu erwähnen, welche nach derselben wieder auf einen bestimmten
                              									Grad ausgeglüht werden, eine Methode, die nur für kohlenstoffreichere Producte
                              									(Stahl) Anwendung finden kann, sich aber dann sehr vorzüglich bewähren soll, weil
                              									sie eine groſse Sicherheit in Bezug auf die zu erreichende Festigkeit zuläſst.
                           3) Allgemeine Fortschritte.
                              									Abgesehen von diesen direct wirkenden Vervollkommnungen hat nicht wenig zur
                              									Herstellung brauchbarer Güsse mittelbar auch der Fortschritt der Fluſseisenprocesse
                              									im Allgemeinen beigetragen. Am wenigsten ist hier in Bezug auf den Bessemerproceſs anzuführen, hinsichtlich dessen
                              									Folgendes bemerkenswerth erschien: 1) Die directe Verwendung des flüssigen Roheisens
                              									von Hohöfen findet immer weiteren Eingang. 2) Die Birnengase werden zur Erhitzung
                              									des Cupolofenwindes verwendet (Cooper's System) – eine
                              									Anordnung, welche nur bei sehr gleichlaufendem Betriebe hinreichende Vortheile
                              									verspricht. Bei directer Benutzung des flüssigen Roheisens genügen die Gase des
                              									Hohofens ohne jedes besondere Brennmaterial für Winderhitzung und Kessel zum
                              									Hohofen- und Bessemerbetrieb (Chivors). 3) Die Accumulatoren werden als
                              									Differentialaccumulatoren mit durchgehender verjüngter Kolbenstange construirt (Tweddel's System, vgl. * 1878 229 506). 4) Die Bessemergebläse werden stehend angelegt. Eine gute
                              									Anordnung eines doppelten stehenden Gebläses nach Woolf'schem System mit Balancier, gekühltem Windcylindermantel und
                              									Federventilen stellte im Modell Terrenoire aus.
                           Für den Flammofenproceſs ist zu bemerken: 1) Fester (Siemens-) Ofen und Drehteller- (Pernot-) Ofen (1875 217 426) machen sich
                              									gegenseitig Concurrenz, ohne daſs man sich bereits für die eine oder andere Gattung
                              									entschieden erklärt hat. 2) Für beide sind an Stelle der Siemens'schen Wärmespeicher (Regeneratoren) vielfach thönerne
                              									Winderhitzungsapparate (Recuperateurs) getreten, bei
                              									welchen auf sehr mannigfache Art die Verbrennungsluft in viereckigen, runden,
                              									sechseckigen, aus feuerfesten Steinen gebildeten Kanälen durch die umspülenden Gase
                              										ununterbrochen erhitzt wird (vgl. * 1876 219 125). 3) Der Drehofen ist zum Theil mit Düsen
                              									versehen (Forno-convertisseur), so daſs bei der
                              									tiefsten Stellung dieser Düsen Wind durch das Eisenbad nach Analogie des Bessemern
                              									geblasen werden kann. 4) Der alte Oestlund'sche
                              									Puddeltopf ist für Fluſseisen in Form eines Gefäſses mit Gaslöthrohrflamme und
                              									Lufterhitzung wieder auf der Schaubühne erschienen. Ueber den mindestens
                              									zweifelhaften Erfolg dieses von Godfroy und Howson construirten Apparates (vgl. * 1878 228 131) bot die Ausstellung noch keinen Anhalt. 5) Die
                              									Feuerung ist vorwiegend Gas; aber theils ist der Gaserzeuger einzeln an jeden Ofen
                              									angefügt, theils getrennt und dann gemeinschaftlich für viele Oefen angeordnet. Das
                              									erste System scheint in Frankreich, das letzte in England bevorzugt zu sein. 6) Die
                              									Roste für directe Feuerung werden in wesentlich sorgfältiger und rationellerer
                              									Construction als bisher ausgeführt; aber die Frage, wo Complication der Einrichtung
                              									und ökonomischer Vortheil sich am besten die Hand reichen, ist noch nicht
                              
                              									festgestellt.
                           
                           III) Schweiſsung des Fluſseisens.
                              									Was die Schweiſsung des Fluſseisens betrifft, so sind die – bisher hauptsächlich
                              									durch Vorurtheile genährten – Schwierigkeiten, welche sich noch vorfanden, als ganz
                              									beseitigt anzusehen. Die Schweiſsbarkeit des Eisens steigt und fällt im Wesentlichen
                              									im umgekehrten Verhältnisse zu dem Kohlenstoffgehalte des Eisens; aber sie erreicht
                              									schneller als die Schmiedbarkeit ihre Grenze, weshalb sich hochgekohlte Eisensorten
                              									nicht mehr schweiſsen lassen. Mit der Schwierigkeit, gering gekohltes Fluſseisen zu
                              									erzeugen, hat daher auch die Schwierigkeit der Schweiſsung abgenommen. Eine
                              									vorzügliche Sammlung der Oesterreichischen
                                 										Staatseisenbahn-Gesellschaft, ein mächtiges Panzerstück (0m,56 dick, 4m,20
                              									lang, 1m,20 breit), der Compagnie des Forges et Aciéries de la Marine, welches aus vielen
                              									einzelnen Fluſseisenblöcken zusammengeschweiſst war, geschweiſste Fluſseisenketten
                              									u.s.w. bewiesen, daſs in der That ein Hinderniſs der Schweiſsung nicht mehr
                              									besteht.
                           Die Frage, ob Bessemer-, ob Flammofen-Fluſseisen den Vorzug verdiene, ist vielfach, namentlich in
                              									Schweden, rationell untersucht worden und hat zu dem Resultate geführt, daſs bei
                              									gleicher chemischer Zusammensetzung, gleicher Temperatur und gleichen
                              									Bearbeitungsbedingungen ein Unterschied nicht besteht. In der Praxis hat man sich
                              									der Regel nach bei gröſseren Stücken und Façonguſs zu Gunsten des Flammofens, im
                              									Uebrigen zu Gunsten der Bessemerbirne entschieden. Die Entphosphorung durch Oxyde
                              									bei der Desilicirung gibt augenblicklich, vielleicht nur vorübergehend, dem
                              									Flammofen das Uebergewicht.
                           Die Verwendbarkeit des schmiedbaren
                              									Eisens hat wesentlich durch die allgemeine Benutzung des Fluſseisens zugenommen,
                              									welches durch seine Schlackenfreiheit gröſsere Garantien bietet. Mächtige Stücke von
                              									vielen tausend Tonnen Gewicht sind jetzt nicht mehr als besondere Kunststücke zu
                              									betrachten. Die mechanischen Eigenschaften der verschiedenen Sorten Fluſseisen sind
                              									so leicht den einzelnen Zwecken der Praxis anzupassen, daſs es nicht mehr schwierig
                              									ist, jeder in den Grenzen ökonomischer Ausführbarkeit bleibenden Anforderung zu
                              									genügen. Aber die ganze Fluſseisenerzeugung hat mit einem Schlage das
                              									Eisenhüttenwesen aus den Windeln der Empirie herausgerissen und die Nothwendigkeit
                              									wissenschaftlicher Untersuchungen in den Vordergrund gestellt. Dies zeigt aufs
                              									erfreulichste die Ausstellung. Keine ordentliche Sammlung findet sich ohne Analysen
                              									und Festigkeitsproben, welche bereits meist vollkommene Beherrschung der
                              									wissenschaftlichen Grundsätze beweisen.
                           Wenn so kein Zweifel mehr bleiben kann, daſs die seit der Erfindung Bessemer's i. J. 1855 angebahnte Herrschaft des
                              									Fluſseisens nunmehr als gesichert anzusehen ist, und wenn wir auf eine Reihe von
                              									Erfahrungen zurückblicken, welche einen ungeheuren Fortschritt im Eisenhüttenwesen
                              									ergeben haben, so darf man doch nicht vergessen, daſs derselbe groſse Bessemer auch der Urheber von vielem Unheile ist. Wer
                              									wollte noch verkennen, daſs die Eisenindustrie, welche heute mit allen
                              									Industriezweigen aller Länder unter gleichem Drucke einer durch Verkettung vieler
                              									Umstände hervorgerufenen ungünstigen Conjunctur leidet, ganz besonders durch diesen
                              									Umschwung schwer getroffen wurde, welcher früher rentable Anlagen werthlos,
                              									zahlreiche tüchtige Arbeiter brodlos gemacht hat? Jedoch jedes Uebel trägt in sich
                              									sein Heilmittel. Die Ausstellung zeigt es. Die zahllosen neuen Anwendungen des
                              									Fluſseisens, die Vortrefflichkeit seiner Eigenschaften, nachdem es gelungen, die
                              									seiner Fabrikation entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden, lassen frohe
                              									Hoffnungen auf einen weit reicheren Verbrauch von Eisen entstehen, als ihn jemals
                              									die vielfach ungünstigen Eigenschaften des Schweiſseisens zulieſsen. In der Technik
                              									ist jeder gewonnene Fortschritt unwiderruflich. Wer mit Gewalt das Veraltete
                              									erhalten will, stürzt mit ihm. – Möchten auch die deutschen Eisenindustriellen die
                              									Lehren der Weltausstellung anerkennen und mit vereinten Kräften an der Ausbildung
                              									der Fluſseisen-Erzeugung arbeiten. Dann wird auch bald für das Product der
                              									zahlreichen deutschen Bessemerbirnen, welche zum groſsen Theil feiern, weil ihre
                              									volle Thätigkeit jetzt beinahe genügen würde, um die ganze Welt mit Fluſseisen zu
                              									versorgen, ein hinreichender Verbrauch sich darbieten und von neuem wird sich
                              									Beschäftigung für eine gröſsere Zahl von Arbeitern finden, als je zuvor zu Zeiten
                              									der Blüthe des Puddelprocesses.