| Titel: | Ueber die Harzleimung des Papieres; von Prof. G. Lunge in Zürich. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 459 | 
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                        Ueber die Harzleimung des Papieres; von Prof.
                           									G. Lunge in
                           									Zürich.
                        Lunge, über die Harzleimung des Papieres.
                        
                     
                        
                           Die Theorie der Harzleimung, welche bis vor kurzem von den Chemikern sehr
                              									vernachlässigt worden ist, hat eine ungemein werthvolle Bereicherung, man darf sagen
                              									eine Umgestaltung, durch die Arbeiten von C. Wurster
                              									erfahren, welche zuerst in diesem Journale (1877 226 75. 310. 381. 1878 227 267) und
                              									dann in vervollständigter Zusammenfassung im Bulletin de
                                 										Mulhouse, 1878 S. 726 bis 800 (vgl. 1878 231 187) erschienen sind. Für die
                              									letztgenannte Arbeit ist Wurster von dem Mülhauser
                              									Gewerbeverein mit einer Medaille erster Klasse ausgezeichnet worden.
                           
                           Ohne nun auch nur im Entferntesten an Wurster's
                              									unbezweifeltem Verdienste rühren zu wollen, glaube ich doch dem Ersuchen eines
                              									früheren Schülers von mir, Hrn. G. Conradin aus Chur,
                              									entsprechen zu sollen, es zu bezeugen, daſs derselbe schon vor Erscheinen der ersten
                              									Arbeit von Wurster die wahre Theorie der Harzleimung
                              									nicht nur erkannt, sondern auch praktisch durchgeführt hat. Abgesehen davon, daſs
                              									von reinen Prioritätsstreitigkeiten überhaupt sehr wenig herauskommt, wäre, was die
                              										Theorie betrifft, ein Prioritätsanspruch von Conradin gegenüber Wurster
                              									nach wissenschaftlichem Gebrauch durch das Datum der entsprechenden Publication von
                              									vornherein abgeschnitten und soll also auch hierdurch durchaus nicht Erhoben werden.
                              									Wohl aber darf Conradin behaupten, daſs er (und zwar
                              									schon, ehe die erste Arbeit von Wurster erschien) die
                              									letzte Consequenz der neuen Theorie, welche Wurster
                              									nicht zu ziehen gewagt hat, seinerseits nicht nur gezogen, sondern in der
                              									Fabrikationspraxis ausgeführt hat, wie wir sehen werden.
                           Die Wurster'sche Theorie (über welche man auch die
                              									Veröffentlichungen von Dr. L. Müller im Günther-Steub'schen Wochenblatt
                                 										für Papierfabrikation und diejenige von A.
                                 										Tedesco in D. p. J. 1877 226 600. 1878 227 267
                              									vergleichen wolle) ist bekanntlich die, daſs die vegetabilische Leimung des Papieres
                              									nicht, wie man früher allgemein annahm, auf einer Fällung von harzsaurer Thonerde,
                              									sondern auf derjenigen von freiem Harze beruhe. Die Gründe für diese Theorie, welche
                              										Wurster anführt, sind bis jetzt durchaus nicht
                              									widerlegt worden (auch nicht von A. Tedesco), und man
                              									muſs sie wohl als giltig annehmen. Nun liegt doch aber der Gedanke nahe: Wenn der
                              									Harzleim nicht harzsaure Thonerde, sondern freies Harz ist, wozu braucht man dann
                              									die Harzseife mit Thonerdesulfat zu fällen? Warum soll man dazu nicht direct freie
                              									Säure anwenden? Auch Wurster muſste notwendigerweise
                              									auf diesen Gedanken kommen; aber ein „vorläufiger Versuch“, welcher ihm ein
                              									ungünstiges Resultat ergab (vgl. Bulletin de Mulhouse,
                              									1878 S. 746) scheint ihn von weiterer Verfolgung der Sache abgeschreckt zu haben.
                              									Nach ihm fällen freie Säuren das Harz in compacten Flocken, welche nicht fein genug
                              									für die Leimung sind. Auf S. 764 bemerkt er, daſs die geringe Menge freier Säure,
                              									welche oft in der schwefelsauren Thonerde des Handels vorkomme, mit Unrecht von den
                              									Papierfabrikanten gefürchtet werde; sie nütze eher noch bei der Leimung; er habe
                              
                              									noch nicht bestimmen können, bis zu welcher Grenze man die Menge der freien Säure
                              									steigern könne, ohne der Leimung zu schaden; aber dies sei eine wichtige Frage, denn
                              									man könne vielleicht auf diesem Wege einen Theil der schwefelsauren Thonerde durch
                              									viel billigere freie Säure ersetzen.
                           Gerade diese von Wurster als offen behandelte Frage ist
                              									aber schon seit 1½ Jahren von Conradin vollständig
                              									gelöst worden. Man kann in der That mit freier Säure ganz
                                 										ebenso gut wie mit schwefelsaurer Thonerde leimen. Es ist aber nicht rationell, die
                              									letztere ganz durch freie Säure zu ersetzen und zwar
                              									aus folgenden Gründen. Bekanntlich ist es nicht möglich, den Papierbrei mit
                              									alkalischer Reaction auf geleimtes Papier zu verarbeiten; seine Reaction sollte
                              									immer sauer sein. Diese saure Reaction darf nun aber nicht von einer freien Säure
                              									herrühren, denn in diesem Falle würden die Messingsiebe, Trockencylinder und andere
                              									Theile der Maschinerie angegriffen werden, unter gleichzeitiger Verunreinigung des
                              									Papieres; die Stärke, welche fast immer beim Leimen zugesetzt wird, würde in Dextrin
                              									übergeführt werden: die durch das Ultramarin bewirkte Bleichung ginge durch
                              									Zerstörung dieses Farbstoffes verloren, und endlich würde die freie Säure, welche
                              									sich beim Trocknen auf den Cylindern concentrirt, die Faser selbst angreifen und das
                              									Papier brüchig oder lappig machen. Obwohl es also vollkommen möglich ist, mit Säure
                              									allein ein geleimtes Papier herzustellen, so ist es doch räthlich, nur einen Theil
                              									des Thonerdesulfates durch Säure zu ersetzen, wodurch alle oben erwähnten
                              									Uebelstände völlig vermieden werden. Dies gelang, wie man sich denken kann, Hrn. Conradin erst nach einer Reihe von Versuchen; aber
                              									schon seit einiger Zeit fabricirt derselbe auf diesem Wege Papiere, welche an
                              									Weiſse, Griff, Leimung u.s.w. den nur mit Thonerdesulfat geleimten Papieren
                              									vollkommen ebenbürtig sind.
                           Wurster gibt an (S. 763), daſs ein Ueberschuſs von
                              									Thonerdesulfat bei der Leimung nöthig sei, um den anfänglich entstehenden
                              									Niederschlag von harzsaurer Thonerde in freies Harz und basisches Thonerdesulfat zu
                              									verwandeln, nach der Gleichung: 6 (C20H29O2) Al2 + 2Al2(SO4)3 + 3 H2O = 6 C20H30O2 + 3 Al2O (SO4)2.
                           Ohne diesem widersprechen zu wollen, glaubt Conradin
                              									noch auf einen anderen Grund aufmerksam machen zu müssen, warum ein Ueberschuſs von
                              									Thonerdesulfat für manche Zwecke sehr nützlich ist. Er fand nämlich, daſs ein
                              									Papier, welches zwar für Galläpfeltinte oder blaue Anilintinte vollständig geleimt
                              									war, aber mit alkalischer Copirtinte allmälig durchschlug, durch Zusatz von mehr
                              									Thonerdesulfat auch für Copirtinte völlig undurchdringlich wurde. Dies ergab sich
                              									auch, als Papierzeug mit destillirtem Wasser ausgewaschen wurde; jetzt machte schon
                              									die theoretisch der Harzsäure entsprechende Menge von
                              									Thonerdesulfat das Papier leimfest für Galläpfel- und blaue Anilintinte; aber es
                              									bedurfte eines Ueberschusses von Thonerde, um es auch gegen Copirtinte leimfest zu
                              									machen.
                           In der Praxis wendet man natürlich nicht destillirtes, sondern mehr oder weniger
                              									hartes, kalkhaltiges Wasser an, und auch dieses verbraucht wieder mehr
                              									Thonerdesulfat, indem sich beim ersten Zusätze von Harzleim das harzsaure Natron mit
                              									kohlensaurem Kalk zu harzsaurem Kalk und kohlensaurem Natron umsetzt. Der harzsaure
                              									Kalk muſs dann durch Thonerdesulfat zersetzt werden; aber auch das kohlensaure Natron zersetzt
                              									solches in bekannter Weise mit Fällung von Thonerdehydrat. Die Verschiedenheit in
                              									der Qualität des Wassers ist jedenfalls eine Hauptursache, warum in verschiedenen
                              									Fabriken nicht ganz dieselben Resultate mit denselben Mischungen erreicht werden.
                              									Natürlich ist auch das Kochen, Bleichen und Waschen der Hadern von Einfluſs auf die
                              									Leimung. Der aus diesen verschiedenen Gründen nothwendige Ueberschuſs von
                              									Thonerdesulfat muſs also als solcher zugesetzt werden; aber die zur Ausfällung des Harzes bisher angewendete schwefelsaure Thonerde,
                              									also der gröſsere Theil derselben, kann durch Säure
                                 										vollständig ersetzt werden.
                           Die von Hrn. Conradin mir schon seit 1¼ Jahren von Zeit
                              									zu Zeit zugeschickten Muster von mit Säure geleimtem Papiere lassen in der That an
                              									Qualität nichts zu wünschen übrig, sowohl im allgemeinen, als auch im speciellen in
                              									Bezug auf die Leimung. Ein soeben empfangenes Doppelmuster von ordinärem
                              									Schreibpapier, wovon I mit Thonerdesulfat allein, II mit Säure und etwas
                              									Thonerdesulfat, und zwar beide gleich gut, geleimt waren, wobei aber kein Thon u.
                              									dgl. zugesetzt war, zeigte mir bei recht sorgfältiger Aschenbestimmung:
                           
                              
                                  I
                                 2,04 bis 2,11, im Mittel
                                 2,075
                                 Proc. Asche
                                 
                              
                                 II
                                 1,70   „  1,71,   „      „
                                 1,705
                                 „       „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Differenz
                                 0,370
                                 „       „
                                 
                              
                           Hierin spricht sich der Unterschied in der Leimung sehr
                              									deutlich aus, wenn man bedenkt, daſs im Thonerdesulfat nur etwa 13 Proc. Thonerde
                              									vorhanden sind, und daſs von solchem Sulfat für Nr. I 4k, für Nr. II aber nur 1k,5 auf 80k Halbzeug verwendet wurde. Die Aschen zeigten
                              									sämmtlich eine bläuliche Farbe von dem dem Ganzzeug zugesetzten Ultramarin, welches
                              									natürlich beim Einäschern, wo es sehr concentrirt wird, viel deutlicher hervortritt.
                              									Die Tiefe des Farbentones war ganz gleich stark in dem mit Säure wie in dem mit
                              									Thonerdesulfat geleimten Papiere, wodurch also wiederum bewiesen wird, daſs nach der Leimung von „freier Säure“ nicht mehr
                              									die Rede sein kann. Wie die vielen mir zugesendeten Muster beweisen, eignet sich die
                              									Säureleimung für alle Sorten Papier.
                           Es sei mir gestattet, hieran einen Vorschlag zu knüpfen, welcher es dem
                              									Papierfabrikanten ermöglichen soll, das Permanentweiſs
                              									oder „Blanc fixe“ (schwefelsauren Baryt) auf billigerem und haltbarerem
                              									Wege als bisher zu erhalten, nämlich durch Erzeugung im Holländer selbst. Schon Varrentrapp hatte vorgeschlagen, anstatt, wie
                              									gewöhnlich, Permanentweiſs als Paste dem Papierzeug zuzusetzen, lieber im Holländer
                              									selbst einen Niederschlag von schwefelsaurem Baryt zu erzeugen, indem man
                              									Chlorbarium und darauf Glaubersalz zersetzt. Es würde sich ein solchergestalt
                              									erzeugter Niederschlag viel fester mit der Faser verbinden müssen, als der schon
                              									fertige Teig von schwefelsaurem Baryt, nämlich durch eine Art von Färbung. Es
                              									scheint aber nicht, als
                              									ob die Papierfabrikanten sich bisher mit dem Varrentrapp'schen Verfahren befreundet hätten, welches auch theurer als
                              									der directe Zusatz von Permanentweiſs kommt. Es schien mir nun einleuchtend, daſs
                              									ein Zusatz von Chlorbarium allein, ohne alles Weitere, die gewünschte Wirkung schon
                              									hervorbringen müsse; denn die zum Fällen nöthige Schwefelsäure wird ja von dem
                              									Thonerdesulfat oder dem bei dessen Zersetzung entstehenden Natriumsulfat geliefert.
                              									Auch bei dem Verfahren der Säureleimung mit Schwefelsäure geht diese in
                              									Natriumsulfat über, was dann wie oben wirkt. Ein Versuch im groſsen Maſsstabe,
                              									welchen Hr. Conradin so freundlich war, für mich
                              									anzustellen, hat dann auch die Richtigkeit des Obigen bewiesen; es wurde ein sehr
                              									gut geleimtes, vorzüglich glattes und weiſses Papier erzeugt, welches beim
                              									Einäschern in zwei gut übereinstimmenden Versuchen 4,33 Proc. Asche ergab.
                           Das Papier war in folgender Weise zubereitet worden: Auf 80k Stoff im Holländer wurde zugesetzt 2k krystallisirtes Chlorbarium (aufgelöst), dann
                              										2k schwefelsaure Thonerde, darauf 2k,85 Harz (verseift), zuletzt wieder 2k Thonerdesulfat. Die 2k krystallisirtes Chlorbarium hätten 1k,91 schwefelsauren Baryt ergeben sollen, also auf
                              										100k Papierzeug 2k,39 BaSO4 oder auf 100 Th. Papier
                              									(eingeschlossen die Asche) 2,33 Th. BaSO4.
                           Nun enthält gewöhnliches, mit derselben Menge Thonerdesulfat
                              									geleimtes, aber sonst keinen fremden Zusatz enthaltendes Papier derselben Stärke aus
                              									derselben Fabrik etwa 2,1 Proc. Asche, wie wir oben gesehen haben; es bleiben also
                              									von den vorhin gefundenen 4,33 Proc. Asche 2,23 Proc. für schwefelsauren Baryt,
                              									während man nach der Theorie 2,33 hätte erhalten müssen. Dieser ungemein geringe
                              									Verlust beweist, daſs in der That eine Art Färbung der Faser stattgefunden hat. Bei
                              									directem Zusätze von Blanc fixe, wo dies nicht stattfinden kann, geht ein sehr
                              									groſser Theil desselben verloren. – Uebrigens gelang auch ein Versuch mit der
                              									Chlorbarium-Leimung sehr gut, wobei das Thonerdesulfat zum gröſseren Theile durch
                              									freie Schwefelsäure ersetzt war. Es darf mithin diese Art der Erzeugung von
                              									Permanentweiſs im Holländer den Papierfabrikanten als viel billiger im Vergleich zum
                              									Zusätze von fertigem Blanc fixe empfohlen werden.
                           Zürich, December 1878.