| Titel: | Ueber die Anwendung der Solvay-Soda in der Ultramarinfabrikation; von O. Ilgen in St. Ingbert (Bayr. Pfalz). | 
| Autor: | O. Ilgen | 
| Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 177 | 
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                        Ueber die Anwendung der Solvay-Soda in der
                           								Ultramarinfabrikation; von O. Ilgen in St. Ingbert (Bayr. Pfalz).
                        Ilgen, u. Anwendung der Solvay-Soda in der
                           								Ultramarinfabrikation.
                        
                     
                        
                           Obgleich eine Anzahl der hervorragendsten Ultramarinfabriken sich bereits
                              									ausschlieſslich der von E. Solvay dargestellten Soda
                              									bedienen, so konnte deren allgemeine Anwendung in der Ultramarinfabrikation noch
                              									nicht erwartet werden, weil dieselbe sowohl in ihrer chemischen Zusammensetzung, wie
                              									auch in ihren physikalischen Eigenschaften zu sehr von den anderen seither
                              									angewendeten Sodasorten abweicht. Die Solvay-Soda ist fast chemisch rein zu nennen
                              									und bleibt sich stets gleich, während andere Sodasorten oft 4 bis 8 Proc.
                              									Verunreinigungen enthalten; ferner hat man auch das Verhältniſs ihrer Dichtigkeit zu
                              									den anderen Sorten zu berücksichtigen.
                           Wie sehr die Solvay-Soda den an ein gutes Product gestellten Anforderungen
                              									entsprochen, beweist hinlänglich der bedeutende Aufschwung der Solvay'schen Fabrik bis zu einer Jahresproduction von
                              										27000t Soda, und sind bereits die
                              									umfassendsten Vorkehrungen getroffen, um nach Ablauf von 2 Jahren die doppelte Menge
                              									erzeugen zu können.
                           Der Vorwurf von Seiten mancher Fabrikanten, daſs die Solvay-Soda in Folge ihrer
                              									chemisch reinen Zusammensetzung und ihrer Feinkörnigkeit wegen sehr leicht das
                              									Zusammenschmelzen der Masse bewirkt und dadurch der Blaubildung hinderlich wird, ist
                              									beseitigt, sobald man dieser zu heftigen Wirkung durch Zusatz von schwefelsaurem
                              									Natron entgegentritt. Dadurch, daſs die Solvay-Soda specifisch leichter ist als ein
                              									groſser Theil der übrigen Rohmaterialien, so muſs auf die Vermischung mit diesen die
                              									gröſste Sorgfalt verwendet werden. Man stampfe daher die zum Einfüllen in die Tiegel
                              									vorbereitete Mischung mittels eines scharf zugespitzten Stabes fest, fülle mit einer
                              									blechernen Handschaufel die Tiegel und drücke die Masse so fest, daſs sie bei
                              									etwaigem Umstülpen der Tiegel nicht auf den Deckel zurückfallt und zwischen Deckel
                              									und Masse ein fingerbreiter Raum bleibt. Auf diese Weise verfahren, können sich die
                              									zusammenhängenden Stoffe nicht entmischen, und man kann das für die Tiegel so
                              									nachtheilige Stampfen, d.h. Aufheben und Fallenlassen derselben auf einen mit Leder
                              									oder Kautschuk überzogenen Holzklotz, vermeiden. Aus diesem Beispiele ersieht man,
                              									wie oft in der Ultramarinfabrikation Miſslingen und sonstige Schwierigkeiten
                              									scheinbar nur von Kleinigkeiten abhängen, deren Miſsachtung aber stets
                              									unvorhergesehene Nachtheile zur Folge hat.
                           Es wäre nun zunächst die Frage zu beantworten, wie viel Sulfat der Soda beizumischen
                              									ist, um dem Zusammenschmelzen der Masse entgegen zu treten und die gewünschte
                              									Sinterung zu bewirken. Die Antwort glaube ich am besten durch Beispiele zu geben,
                              									indem es sich hier um keine Theorie handeln soll, und werde ich in Folgendem die Mischungsverhältnisse
                              									der Rohstoffe zu drei verschiedenen Sorten Ultramarin anführen, bei denen die
                              									Solvay-Soda Anwendung gefunden und welche sich jahrelang gut bewährt haben.
                           
                              
                                 I. Rothliches Dunkelblau.
                                 
                              
                                 China-Clay, calcinirt
                                   17,51
                                 
                              
                                 Thon von Grünstadt, getrocknet
                                   17,51
                                 
                              
                                 Schwefel
                                   33,93
                                 
                              
                                 Solvay-Soda
                                   21,00
                                 
                              
                                 Sulfat
                                     5,13
                                 
                              
                                 Colophonium
                                     4,92
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           Diese Mischung ergibt röthliche, dunkle, dabei lebhafte Nuancen. In Marienberger
                              									Naſsmühlen 10 bis 11 Stunden gemahlen, erhält man sehr beliebte Sorten von groſser
                              									Färbekraft und genügender Alaunbeständigkeit, daher für Papierfabrikation und
                              									Zeugdruck sehr geeignet. Wird dieselbe Waare in excentrischen Mühlen nur 3 bis 4
                              									Stunden gerieben und in entsprechender Weise weiter behandelt, so erzielt man die
                              									denkbar dunkelsten Töne. Erwähntes China-Clay ist bei Weiſsglut gebrannt, während
                              									der Thon von Grünstadt nur getrocknet wurde.
                           
                              
                                 II. Reines Dunkelblau.
                                 
                              
                                 Kaolin von Alliers, calcinirt
                                   15,35
                                 
                              
                                   „      „      „      getrocknet
                                   14,23
                                 
                              
                                 Kieselsaure
                                     5,44
                                 
                              
                                 Schwefel
                                   33,93
                                 
                              
                                 Solvay-Soda
                                   21,00
                                 
                              
                                 Sulfat
                                     5,13
                                 
                              
                                 Colophonium
                                     4,92
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           Die Ergebnisse dieser Mischung zeichnen sich durch lebhafte reine blaue und dunkle
                              									Töne aus und finden, 10 bis 12 Stunden gemahlen, ihrer hohen Färbekraft wegen,
                              									vereinigt mit bedeutender Widerstandsfähigkeit gegen Alaun, sehr viel Verwendung in
                              									der Papierfabrikation und für Zeugdruck. In excentrischen Mühlen wie I behandelt,
                              									werden etwas weniger dunkle, dagegen reinblaue Töne erzeugt. Zur Bereitung der aus
                              									den Mischungen I und II entstehenden Ultramarine bedient man sich, um der
                              									Blaubildung thunlichst Vorschub zu leisten, ziemlich poröser Tiegel. Ein Theil des
                              									hier angewendeten Thones ist bei Weiſsglut gebrannt, während der andere Theil
                              									desselben so weit getrocknet ist, daſs er absolut wasserfrei zu nennen ist. Die hier
                              									beigefügte Kieselsäure ist feinst gemahlener Quarzsand, welcher der Infusorienerde
                              									oder sogen. Kieselguhr vorzuziehen ist.
                           
                              
                                 III. Reines Hellblau.
                                 
                              
                                 Kaolin von Amberg, calcinirt
                                   19,87
                                 
                              
                                     „      „      „       getrocknet
                                   16,55
                                 
                              
                                 Schwefel
                                   33,10
                                 
                              
                                 Solvay-Soda
                                   20,82
                                 
                              
                                 Sulfat
                                     5,00
                                 
                              
                                 Colophonium
                                     4,66
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           
                           Die aus dieser Mischung gewonnene Ultramarinsorte zeichnet sich durch prachtvolle,
                              									helle und sehr lebhafte Nuance aus; bei 11 bis 13stündigem Mahlen erreicht dieselbe
                              									sehr hohe Feinheit, die von den Zeugdruck-, Buntpapier- und Tapetenfabrikanten sehr
                              									geschätzt wird. Dieselbe wird im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden in dichten
                              									Tiegeln bereitet. Diese Sorte III könnte auch ohne Zusatz von schwefelsaurem Natron
                              									dargestellt werden; jedoch ist es des gefahrloseren Heizens wegen rathsamer, solches
                              									beizufügen, während bei I und II dieser Zusatz unentbehrlich ist.
                           Aus den angeführten Beispielen geht vor Allem hervor, daſs die Solvay'sche Soda zur Darstellung einer jeden
                              									Ultramarinsorte angewendet werden kann, sowohl zur Erzeugung des an Kieselsäure
                              									reichen als des an solcher armen Ultramarins. Die beiden ersten Mischungen liefern
                              									nämlich Ultramarin, worin die Menge der Thonerde zu derjenigen der Kieselsäure sich
                              									wie 1:1,62 und 1:1,60 verhält, während das aus III erzielte Hellblau sich wie 1:1,29
                              									verhält. Die nöthige Menge Sulfat beträgt, wie aus den drei Beispielen zu ersehen,
                              									etwa ¼ der Menge an Soda. Dieses Verhältniſs ist empirisch und konnte auch nur auf
                              									dem Wege des Versuches gefunden werden, da es sich hier nicht um eine
                              									stöchiometrische Frage handelt; denn bei dem geringen Zusatz von Colophonium ist es
                              									unwahrscheinlich, daſs das schwefelsaure Natron zu Schwefelnatrium reducirt werde.
                              									Im Uebrigen ist auch nicht zu verkennen, daſs man den Sulfatzusatz um so strenger
                              									beibehalten muſs, je reicher die Mischung an freier Kieselsäure ist, welche
                              									einestheils in ungebranntem Thone enthalten, anderntheils auch in Form von
                              									Quarzpulver zugesetzt wird. In den drei erwähnten Mischungen ist die freie und
                              									chemisch gebundene Kieselsäure in folgendem Procentsatz zugegen:
                           
                              
                                 
                                 I
                                 II
                                 III
                                 
                              
                                 Freie Kieselsäure
                                   4,55
                                   7,14
                                   1,94
                                 
                              
                                 Gebundene Kieselsäure
                                 15,58
                                 13,86
                                 18,00
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                                                Gesammt
                                 20,13
                                 21,00
                                 19,94.
                                 
                              
                           Von den beiden ersten Mischungen, welche den Zusatz von Sulfat unbedingt verlangen,
                              									ist die zweite am reichsten an freier Kieselsäure, muſs daher auch, weil am
                              									leichtesten zum Schmelzen geneigt, vorsichtiger geheizt und bei niedrigerer
                              									Temperatur dargestellt werden. Die dritte Mischung verlangt einen höheren Hitzgrad,
                              									selbst ohne Zusatz von Sulfat.
                           Zu Gunsten der Solvay-Soda ist auſser der sich stets gleichbleibenden Zusammensetzung
                              									noch ihre Billigkeit anzuführen. Zu diesem Vortheile des geringeren Handelspreises
                              									kommt ferner noch der ihrer Hochgrädigkeit, worüber uns folgende
                              									Durchschnittsresultate einiger Analysen belehren:
                           
                           
                              
                                 
                                 Nach Solvay
                                 Nach Kuhlmann
                                 
                              
                                 Kohlensaures Natron
                                   99,63
                                   95,80
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Kali
                                     0,00
                                     2,50
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                     0,06
                                     0,50
                                 
                              
                                 Feuchtigkeit
                                     0,15
                                     0,70
                                 
                              
                                 Unlosliches
                                     0,16
                                     0,50
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00.
                                 
                              
                           Das in der von Kuhlmann in Lille dargestellten Soda
                              									enthaltene schwefelsaure Kali wirkt wohl nicht schädlich auf die Ultramarinbildung,
                              									sondern scheint dieselbe Rolle wie das schwefelsaure Natron zu spielen, während
                              									dagegen das Chlornatrium nur nachtheilig wirkt, indem es die Lebhaftigkeit des
                              									Ultramarins beeinträchtigt. Jedenfalls aber ist es unvortheilhaft, eine etwa 4 Proc.
                              									und oft noch mehr Verunreinigung enthaltende Waare um theueren Preis zu kaufen, wenn
                              									man eine reine, sich stets gleich bleibende, billiger beschaffen kann. Bedeutende
                              									Unkosten für den Sulfatbedarf können in der Ultramarinfabrikation schon deshalb
                              									nicht erwachsen, weil man den Mischungen der Rohmaterialien viel mehr Soda mit
                              									Sulfat beimischt, als zur Blaubildung verbraucht wird, daher der Bedarf bei
                              									richtigem Verfahren des Auslaugens des Rohblau vollständig gedeckt werden muſs.
                           Schlieſslich benutze ich noch die Gelegenheit, das in vorzüglicher Reinheit und
                              									Billigkeit von Solvay und Comp. zu beziehende
                              									Chlorcalcium zum Niederschlagen des gewaschenen Ultramarins, das sich nicht mehr in
                              									reinem Wasser absetzt, zu empfehlen. Dasselbe ist völlig unschädlich und
                              									verunreinigt nicht die Waare wie mehrere andere Niederschlagmittel.Adressen von Bezugsquellen u.a. sind durch den Verfasser zu erfahren, ein
                                    											Theil von ihm selbst zu beziehen; ebenso übernimmt derselbe Einrichtungen
                                    											für Ultramarinfabriken, Analysen u. dgl.