| Titel: | Neuere Untersuchungen über Hefe und Gährung; von Schützenberger und Destrem. | 
| Autor: | V. Grieſsmayer | 
| Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 152 | 
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                        Neuere Untersuchungen über Hefe und Gährung; von
                           									Schützenberger und
                           									Destrem.
                        Schützenberger u. Destrem, Untersuchungen über Hefe und
                           								Gährung.
                        
                     
                        
                           Wenn man Hefe in Wasser ohne Sauerstoffzutritt liegen läſst, so gehen weniger
                              									Proteine in Lösung, als wenn man sie in Zuckerlösung ohne Sauerstoff gähren läſst.
                              										100g Hefe mit 1g,9 Stickstoff enthielten nach der Vergährung von 200g Zucker nach 24 Stunden nur mehr 1g,1 Stickstoff, während bei bloser Maceration in
                              									Wasser sie noch 1g,5 Stickstoff enthielten.
                              									Andererseits verringerte sich das absolute Gewicht der Hefe weniger im Zuckerwasser,
                              									wie in reinem Wasser; ja bei Anwendung geringer Hefemengen wurde es sogar
                              									gröſser.
                           
                           Aber alle diese Versuche wurden mit nicht gewaschener Hefe angestellt. Wäscht man sie
                              									jedoch völlig aus, so erhält man auch schärfere Resultate. Das absolute Gewicht des
                              									Rückstandes wird nun um etwa 40 Proc. geringer als bei der Digestion in reinem
                              									Wasser.
                           100g irisch gewaschene Hefe mit 19 bis 20g unlöslicher Stoffe liefern nach Zersetzung von
                              										200g Zucker (nach 24 Stunden) nur mehr 11,8
                              									bis 13g,2, während in Wasser allein digerirte Hefe
                              									noch 15,8 bis 16g liefert. Der Verlust stammt von
                              									Albuminaten, die sich in lösliche Amide verwandeln.Nach Nägeli's neuer Theorie der Gährung haben
                                    											wir Eiweiſs und Peptone in der Gährflüssigkeit.
                           1) Die 19g unlöslicher Stoffe
                              									enthielten 1g,9 Stickstoff, die 11g,8 Hefe nach der Gährung nur mehr 0g,57. Also sind 1g,33 Stickstoff durch die Hydratation der Proteine entfernt worden. Diese
                              									enthalten aber im Mittel 16 Proc. Stickstoff, also entsprechen 1g,33 Stickstoff 8g,3 Protein; 19 – 8,3 = 10,7 ist das Gewicht der wieder gefundenen
                              									Hefe.
                           2) 100g frisch gewaschene Hefe
                              									mit 18g,4 unlöslicher Stoffe, enthaltend 1g,895 Stickstoff, geben nach Vergährung von 200g Zucker 13g,2
                              									unlöslichen Rückstand mit 0g,854 Stickstoff, also
                              									Stickstoffverlust; 1,095 – 0,854 = 1,04 Stickstoff entsprechend 6,5 Protein.
                           3) 100g frisch gewaschene Hefe
                              									mit 18g,4 unlöslicher Stoffe, enthaltend 1g,895 Stickstoff, geben nach Digestion mit Wasser
                              										15g,84 mit 1g,71 Stickstoff; der Stickstoffverlust ist 0,185 = 1g,1 Protein; der Totalverlust ist 2,6; 2,6 – 1,1 =
                              										1g,5 verschwundene Kohlehydrate in Folge
                              									secundärer Gährung.
                           4) Bei Gährung mit gewaschener Hefe unter
                                 										Luftzutritt verloren 100g frische Hefe
                              									nur 3g,2 Protein, fixirten aber 4g,84 Kohlehydrate; also vermehrte sich der
                              									unlösliche Rückstand von 18g,4 auf 20g,04.
                           Aus diesen Untersuchungen folgt: 1) Wenn die Hefe sich auch nicht mehr entwickeln und
                              									vermehren kann, so bewahrt sie dennoch die Eigenschaft, den Zucker zu zersetzen; in
                              									Zuckerlösungen verliert sie mehr Stickstoff als in Wasser ohne Luftzutritt. Die
                              									Beziehungen zwischen zersetztem Zucker und neugebildeter Hefe, d.h. die Fermentkraft
                              									wird dann eine negative Gröſse; die lebendige Hefenzelle besitzt daher die
                              									Fähigkeit, den Zucker zu zersetzen unabhänigig von Entwicklung und Fortpflanzung,
                              									welche nur dann zugleich erfolgen, wenn die Ernährungsbedingungen dazu vorfanden
                              									sind; im gegentheiligen Falle verliert sie, ohne zu gewinnen, aber zersetzt
                              									doch.
                           2) Die Zusammensetzung der Hefe oder das Verhältniſs von Proteinen zu Kohlehydraten
                              									ändert sich mit dem Medium.
                           Bei Gährung mit gewaschener Hefe und ohne Luftzutritt bildet sich eine merkliche
                              									Menge Aldehyd, welcher also nicht von einer Oxydation des Alkohols herrührt, sondern
                              									direct von der Zersetzung des Zuckers kommt. Da 6 Mol. Glycerin und 1 Mol.
                              									Bernsteinsäure gleich sind C22H54O22 und reicher an
                              									Wasserstoff als der ursprüngliche Zucker, so könnte durch ihre Zersetzung Aldehyd
                              									entstehen. Zieht man den proteïnartigen Inhalt der Hefenzellen mit Kali aus und
                              									fällt ihn mit Essigsäure, so erhält man einen Körper von der Zusammensetzung C12H21N3O3.
                           
                           Die Membran der Hefenzelle ist keine Cellulose; sie löst sich in Schweizers Reagens
                              									nicht, ist aber durch Schwefelsäure leicht saccharificirbar und besteht nach Abzug
                              									der Asche aus:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 54,97
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 8,01
                                 
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 5,78
                                 
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 31,47
                                 
                                 
                              
                           Sie ist also eine Stickstoff haltende Substanz. Wendet man
                              									stärkere Kalilauge an, so desaggregirt sie sich und löst sich zum Theil unter
                              									Hinterlassung eines amorphen weiſsen Niederschlages von der Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 53,21
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 7,69
                                 
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 1,8
                                 
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 37,3
                                 
                                 
                              
                           Vernachlaſsigt man hier den Stickstoff, so stimmt die Analyse
                              									auf (C6H10O5)n.
                           Untersucht man die in Wasser unlöslichen Rückstände von Hefen verschiedener Abkunft,
                              									so erhält man immer Formeln, die sich in eine Proteinsubstanz und in ein Kohlehydrat
                              									spalten lassen:
                           
                              
                                 Verschiedene Hefen
                                 Gewicht desRuckstandes
                                 Formel
                                 
                              
                                 1)
                                 Frische Hefe
                                 19,5 bis 21,0
                                 C18H31N3O8 = C12H21N3O3 + C6H10O5
                                 
                              
                                 2)
                                 Hefe 30 Stunden langbei 30° unter Lufter-neuerung
                                    											aufbewahrt
                                 18,62 bis 19,5
                                            „                    „               „
                                 
                              
                                 3)
                                 Hefe unter Luftab-schluſs 30 Stundenbei 30° aufbewahrt
                                 14,5 bis 15
                                 C20H33N3O9 = C12H21N3O3 + C8H12O6
                                 
                              
                                 4)
                                 Hefe 30 Stunden ingährender Zuckerlo-sung ohne Sauerstoff
                                 16,5 bis 16,8
                                 C24H41N3O13 = C12H21N3O3 + C12H20O10
                                 
                              
                                 5)
                                 Hefe wie bei 4 mitSauerstoff
                                 25,1
                                 C22H37N3O11 = C12H21N3O3 + C10H16O8
                                 
                              
                           Also ist die Hefe nach Art der Glucoside zusammengesetzt und
                              									läſst sich leicht durch Säuren und Alkalien spalten. Die
                                 										auſsere Hülle unterscheidet sich vom Inhalte nur durch gröſseren Gehalt an
                                 										Kohlehydrat.
                           Die Gegenwart von Sauerstoff erhält das absolute Gewicht; die Abwesenheit von
                              									Sauerstoff vermindert das absolute Gewicht des unlöslichen Rückstandes und erhöht
                              									den Gehalt an Kohlehydrat, indem verhältniſsmäſsig mehr Protein in Lösung geht.
                           Die Gährung bei Luftabschluſs bewirkt gleiches nebst noch etwas Fixirung von
                              									Kohlehydrat aus dem Zucker. Bei Gährung mit Luftzutritt findet keine Desassimilation
                              									statt, wohl aber noch starke Fixirung von Kohlehydrat. (Nach den Comptes
                                       												rendus, 1879 Bd. 88 S. 383 und 593.)
                           V.
                                 										Grieſsmayer.