| Titel: | Ueber die Festigkeitseigenschaften faseriger Gebilde; von Professor Dr. Hartig. | 
| Autor: | Hartig | 
| Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 191 | 
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                        Ueber die Festigkeitseigenschaften faseriger
                           								Gebilde; von Professor Dr. Hartig.Vom Verfasser gef. eingeschickter Sonderabdruck aus den Sitzungsberichten der
                                 										naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis, 1878 Heft 1 bis 4.
                           							
                        Hartig, über die Festigkeitseigenschaften faseriger
                           								Gebilde.
                        
                     
                        
                           An Stelle der bei homogenen Materialien üblichen Beziehung der Festigkeitszahlen auf
                              									die Querschnittsgröſse prismatischer Probestücke tritt bei faserigen Gebilden
                              									(Gespinnsten u. dgl.) wegen der praktischen Schwierigkeit aller
                              									Querschnittsmessungen die Beziehung zur Feinheitsnummer N; dieselbe gibt – bei dem internationalen System – die Zahl von Meter der
                              									Gespinnstlänge an, welche zur Erfüllung des Gewichtes von 1g erforderlich ist; der Ausdruck
                              										\frac{1}{N} stellt daher das absolute Gewicht der
                              									Längeneinheit (1m) in Gewichtseinheiten (Gramm)
                              									dar. Beobachtet man, daſs ein Faden von der Feinheitsnummer N bei einer Belastung von P Kilogramm
                              									zerreiſst, so berechnet sich diejenige Fadenlänge, die durch ihr Eigengewicht den
                              									Bruch herbeiführen würde, zu:
                           R=N\times P\mbox{ Kilometer}.
                           Die so ermittelte Länge, für welche sich die Bezeichnung Reiſslänge empfiehlt, kann als Maſs der absoluten Festigkeit des
                              									fraglichen Gebildes angesehen werden. Der Zusammenhang der Reiſslänge R eines fadenförmigen Körpers mit dessen absoluter
                              									Festigkeit ak für
                              										1qmm Querschnitt seiner dichten Substanz und
                              									dem specifischen Gewicht s derselben wird durch die
                              									Gleichung:
                           
                              R\times s=a
                              
                           dargestellt, wonach für Materialien von gleicher Dichte die
                              									Werthe der Reiſslänge denjenigen der auf Querschnittseinheit bezogenen
                              									Zerreiſsfestigkeit direct proportional sind, auch für Materialien, deren
                              									specifisches Gewicht wenig von 1 verschieden ist (Papier), die Reiſslänge in
                              									Kilometer denselben Zahlwerth ergibt, wie die Bruchfestigkeit in Kilogramm für 1qmm. Die vorstehende Gleichung gestattet, die
                              									beiden angegebenen Bestimmungsarten der Zugfestigkeit auf einander zurückzuführen.
                              									Nachfolgende Uebersicht gibt für einige bekannte Materialien mittlere Werthe von a, s und R:
                           
                           
                              
                                 
                                 AbsoluteFestigkeitk für 1qmm
                                 SpecifischesGewichtWasser = 1
                                 Reiſslänge Rkm
                                 
                              
                                 Bleidraht
                                     2
                                 11,3
                                     0,18
                                 
                              
                                 Guſseisen
                                   13
                                   7,2
                                   1,8
                                 
                              
                                 Lederriemen
                                     3
                                   1,1
                                   2,7
                                 
                              
                                 Kupferdraht
                                   42
                                   9,0
                                   4,7
                                 
                              
                                 Schmiedeisen
                                   40
                                   7,7
                                   5,2
                                 
                              
                                 Schafwollhaar
                                 11
                                     1,32
                                   8,3
                                 
                              
                                 Jutefaser
                                   ?
                                   ?
                                 10,0
                                 
                              
                                 Holz in der Faserrichtung
                                     8
                                     0,75
                                 10,7
                                 
                              
                                 Guſsstahldraht
                                 145
                                     7,95
                                 18,2
                                 
                              
                                 Cocosfaser
                                   ?
                                     9,64
                                 17,8
                                 
                              
                                 Baumwollfaser
                                   34
                                     1,49
                                 23,0
                                 
                              
                                 Flachsfaser
                                   36
                                     1,50
                                 24,0
                                 
                              
                                 Rohseide
                                   40
                                     1,30
                                 30,8
                                 
                              
                                 Manilahanf
                                   ?
                                   ?
                                 31,8
                                 
                              
                           Die Reiſsfestigkeit künstlicher Fasergebilde bleibt immer hinter derjenigen zurück,
                              									welche sich durch Summation der Festigkeiten aller im Querschnitt enthaltenen
                              									Einzelfasern ergibt, wenn andere Hilfsmittel als Zusammendrehung und Verfilzung
                              									nicht angewendet werden. Einen beachtenswerthen Einfluſs auf das zu erwartende
                              									Resultat übt die Länge (x) des zu Festigkeitsversuchen
                              									verwendeten Probestückes; ist dieselbe gröſser als die Faserlänge (λ), so erfolgt der Bruch im Allgemeinen durch Gleitung
                              									der Fasern an einander; ist sie kleiner, so werden einige Fasern zerrissen, andere
                              									gleiten an den übrigen hin, und es wächst offenbar mit abnehmender Länge des
                              									Probestückes die Zahl der wirklich gerissenen Fasern. Nennt man n die Zahl der im Querschnitt eines Gespinnstes
                              									enthaltenen Fasern, k die Zerreiſsungsfestigkeit einer
                              									Faser in Gramm, μ den Coefficienten für den
                              									Gleitungswiderstand der Fasern an einander (in Gramm für 1mm), y die
                              									Zerreiſsungsfestigkeit des Fadens, so ergibt sich unter Voraussetzung einer
                              									regelmäſsigen Vertheilung der Fasern in Richtung der Länge die Beziehung:
                           y=\frac{n\mu}{\lambda}\,x^2-\frac{nk}{\lambda}\,x+nk,
                           wonach für x=0 und
                              										x=\lambda sich die beiden Grenzwerthe der Zugfestigkeit
                              										y=nk und y=n\mu\lambda ergehen.
                           Die angegebene Gleichung gestattet eine sehr scharfe Ermittlung der wahren Reiſslange
                              									der Substanz der Fasern, ohne daſs man mit der Länge des Probestückes wirklich auf
                              									Null herabgehen oder sich mit Zerreiſsung einzelner Fasern bemühen müſste; auch
                              									führt die Gleichung zur Kenntniſs des Gleitungscoefficienten μ der Fasern, über welchen bisher keinerlei Beobachtungen angestellt
                              									wurden; der Werth desselben bewegt sich zwischen den Grenzen 0,00005 und 9g,015 auf 1mm,
                              									von dem der erste für Seidenfasern ohne Drehung, der letztere für scharf
                              									zusammengedrehte Wollhaare gilt.
                           Eine gleiche Beachtung wie die Festigkeit verdient die Dehnbarkeit (Zähigkeit) der Fasergebilde, da
                              									auf deren Vorhandensein die Biegsamkeit beruht; man pflegt dieselbe durch den Betrag
                              									der Ausdehnung eines Probestückes von der Länge 100 bei dessen Belastung bis zum
                              									Bruch anzugeben, z.B. Dehnung der Thierhaare 2,81 Proc. der Rohseide 16 Proc. des
                              									japanesischen Papieres 4,3 Proc. des Leders 44 Proc. des leinenen Nähzwirnes Nr. 10
                              										(Marshall) 3,1 Proc. des baumwollenen Nähzwirnes
                              									Nr. 10 4 bis 5 Proc. u.s.w.
                           Die bisher verwendeten Apparate zur Untersuchung der Festigkeitseigenschaften von
                              									Gespinnsten, Gezwirnen, Geweben und Papierfabrikaten lassen in Bezug auf sichere
                              									Erhebung der Bruchbelastung und gleichzeitig der bis zum Bruch eintretenden
                              									Ausdehnung desselben Probestückes viel zu wünschen übrig, was den Verfasser
                              									veranlaſst hat, ein dynamographisches Instrumentchen anfertigen zu lassen, welches
                              									selbstthätig das Arbeitsdiagramm des Bruches verzeichnet; es liefert eine Curve,
                              									deren Abscissen die Drehungen, deren Ordinaten die zugehörigen Spannungen
                              									repräsentiren, aus welcher daher auch die Maximalwerthe beider sofort zu entnehmen
                              									sind. Die mit diesem Instrument angestellten Versuche führten u.a. zu der
                              									Wahrnehmung, daſs bei allen faserigen Gebilden die Arbeitsgröſse, welche während der Lösung des Zusammenhanges verbraucht wird,
                              									also nach Ueberschreitung der Bruchbelastung, einen sehr ansehnlichen Betrag hat,
                              									der in einzelnen Fällen (Wollfilz, Kammzug, Streckband von Baumwolle) die vor Beginn
                              									des Bruches aufzuwendende Arbeitsgröſse um ein beträchtliches übertrifft.
                           Nachfolgende Beispiele mögen zeigen, wie die Anwendung der
                              									vorstehend entwickelten Begriffsbestimmungen die präcise Beantwortung von Fragen
                              									ermöglicht, welche bisher nur eine allgemeine Behandlung erfahren hatten, oft nur
                              									eine vom Gefühl geleitete Entscheidung fanden.
                           1) Festigkeit des
                                 										Papieres der deutschen Standesämter. In einem von Prof. Reuleaux am 4. April 1878 im „Kaufmännischen
                                 										Verein“ zu Leipzig gehaltenen Vortrag war die Ansicht ausgesprochen worden,
                              									daſs die von den Standesämtern des Reiches verwendeten Papiere hinsichtlich ihrer
                              									Haltbarkeit ganz ungenügende Garantien bieten. Dieser Ansicht widersprach in Nr. 18
                              									des Jahrganges 1878 der Hofmann'schen Papierzeitung ein der Papierfabrikation kundiger
                              									Standesbeamter Schlesiens mit der beiläufigen Bemerkung, daſs sich Reuleaux's Behauptung wohl auf das Papier der
                              									sächsischen Standesämter beziehen möge. Hierdurch sah sich der Verfasser zu einer
                              									Vergleichung der von den schlesischen und sächsischen Standesämtern verwendeten
                              									Papiere veranlaſst; eine Probe der ersteren wurde am 23. Juli 1878 im Geschäftslocal
                              									des Lieferanten (Carl Kühne und Söhne in Berlin) einem
                              									zur Absendung bereiten Bande entnommen, von dem letzteren wurde durch das Königlich
                              									Sächsische Ministerium des Innern eine Probe erlangt. Beide Papiersorten erwiesen
                              									sich frei von geschliffenem Holz; das schlesische Papier ist von weiſser, das
                              									sächsische von gelblicher Farbe; aus einer gröſseren Anzahl im technologischen
                              									Laboratorium des Verfassers ausgeführten Messungen ergaben sich folgende
                              									Mittelwerthe:
                           
                              
                                 
                                 Schlesisches
                                 Sächsisches
                                 
                              
                                 Gewicht für 1qm
                                 95,8
                                 82g,6
                                 
                              
                                 Reiſsgewicht für einen Streifen von 1cm Breite
                                 2,88
                                 4k,02
                                 
                              
                                 Reiſslänge
                                 3,01
                                 4km,87
                                 
                              
                                 Dehnung bis zum Bruch
                                 2,94
                                 1,88 Proc.
                                 
                              
                                 Aschengehalt
                                 0,952
                                 7,88 Proc.
                                 
                              
                           
                           Hiernach ist in Rücksicht auf die Zerreiſsungsfestigkeit das
                              									sächsische Papier dem schlesischen überlegen, wogegen die bis zum Bruch eintretende
                              									Dehnung (daher auch die Biegsamkeit) beim schlesischen Papier den höheren Werth
                              									zeigt. Der hohe Aschengehalt des sächsischen Papieres ist nur durch einen –
                              									entschieden verwerflichen – Zusatz mineralischer Füllstoffe zu erklären, der beim
                              									schlesischen Papier fehlt. Beide Papiersorten stehen allerdings hinter den besten
                              									Actenpapieren aus früheren Jahrhunderten (Reiſslänge einer Probe vom J. 1734 : 6km,50, Dehnung 3,5 Proc.) und hinter dem besten
                              									japanischen Schreibpapier (Reiſslänge 6km,68,
                              									Dehnung 4,29 Proc.) zurück; gleichwohl gehören sie zu den haltbarsten der
                              									gegenwärtig überhaupt in Europa fabricirten Papiere, und die erwähnten Besorgnisse
                              									wegen ihres künftigen Verhaltens erscheinen nach allen vorliegenden Erfahrungen
                              									nicht begründet.
                           2) Festigkeit der
                                 										Nesselfaser. Bei Gelegenheit der neuerdings ins Werk gesetzten Agitation
                              									für Benutzung der Nesselfaser zur Herstellung von Gespinnsten und Geweben wird
                              									allenthalben die groſse Festigkeit der Nesselfasern gerühmt (vgl. z.B. Bouché und Grothe: Die Nessel
                                 										als Textilpflanze, Berlin 1877, S. 1). Hierbei ist aber die Angabe
                              									bestimmter Zahlen, welche auf rationell durchgeführten Versuchen beruhen, leider zu
                              									vermissen.
                           Verfasser hat Nesselgewebe asiatischen und europäischen Ursprunges
                              									auf ihre Festigkeit und Dehnbarkeit untersucht und gelangte zu folgenden
                              									Zahlenwerthen:
                           
                              
                                 
                                 Gewicht
                                 Reiſslänge
                                 Bruchdehnung
                                 
                              
                                 
                                 g für 1qm
                                 km
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Chinesisches Grasleinen aus der
                                    											techno-  logischen Sammlung des Dresdener  Polytechnikums
                                   64,2
                                 13,1
                                 3,27
                                 
                              
                                 Nesseltuch aus Fasern der in
                                    											Deutsch-  land heimischen Urtica dioica,
                                    											von  Dr. Deininger in Berlin
                                    											erhalten
                                 272
                                   5,47
                                  4,63.
                                 
                              
                           Hiernach ist es ein groſser Irrthum, die den ostasiatischen
                              									Nesselfasern zukommende Festigkeit auf Gespinnste zu übertragen, welche aus den
                              									Fasern der bei uns heimischen groſsen Nessel hergestellt wurden; erstere sind von
                              									viel groſserer Länge als die der letzteren, so daſs die Herstellung der für Gewebe
                              									erforderlichen Ketten- und Schuſsfäden mit Umgehung des eigentlichen Spinnprocesses
                              									erfolgt; die von Holz und Rinde befreiten Bastfaserbündel werden ohne Drehung nur an
                              									den Enden verbunden – ein Verfahren, durch welches auch der eigentümliche Glanz des
                              									(echten) chinesischen Grasleinens bedingt wird. Das in Europa aus den Urtica-Fasern
                              									durch Spinnen und Weben erzeugte Nesseltuch übertrifft keineswegs die gewöhnliche
                              									ungebleichte Leinwand, deren Reiſslänge innerhalb der Grenzen 3,71 und 7km,73 bei einer Bruchdehnung von 5,44 bis 10,0
                              									Proc. gefunden wurde.
                           3) Festigkeit
                                 										vegetabilischer Organe im frischen und getrockneten Zustande. Im
                              									pflanzenphysiologischen Institut der Wiener Universität wurde von Theodor v. Weinzierl im J. 1877 eine eingehende
                              									Untersuchung (Sitzungsberichte der Akademie der
                                 										Wissenschaften, 1877 Bd. 76) über die Frage durchgeführt, wie sich die
                              									Festigkeitseigenschaften pflanzlicher Organe beim Absterben derselben verändern. Es
                              									ergab sich hierbei u.a. der Satz, daſs die absolute Festigkeit solcher Organe mit
                              									dem Austrocknen derselben wächst. Hierbei ist die absolute Festigkeit in der für
                              									homogene und harte Materialien gebräuchlichen Art aus Bruchbelastung und Querschnitt
                              									hergeleitet worden. Der Verfasser hält für wahrscheinlich, daſs der angeführte Satz
                              									in das Gegentheil umschlagen würde, wenn Bruchbelastung und Feinheitsnummer in
                              									Vergleich gesetzt würden, oder wenn man die Reiſslänge
                              									der untersuchten Organe ermitteln würde. Leider enthalten die Versuchsprotokolle
                              									keine Angaben über die Feinheitsnummer dieser Organe; doch läſst sich aus den
                              									vorhandenen Beobachtungsdaten mittels einiger als zulässig zu erachtender
                              									Voraussetzungen die Umrechnung der Festigkeitswerthe bewirken. Nimmt man nämlich an,
                              									daſs die Querschnittsdimensionen der Elementarzellen vom Wassergehalt unabhängig sind (die
                              									Querschnittsmessungen des Beobachters scheinen dies zu bestätigen), so kann man aus
                              									dem specifischen Gewicht s0 der wasserfreien Zellsubstanz und dem Wassergehalt w das specifische Gewicht der wasserhaltigen
                              									Faserbündel sw
                              									berechnen nach: s_w=s-w\,\frac{s_o-1}{100} oder für die weitere
                              									Annahme s_o=1,5 nach: s_w=1,50-0,005\,w,
                              									worauf dann aus der absoluten Festigkeit a die
                              									Reiſslänge R nach der Formel:
                              										R=\frac{a}{s_w} herzuleiten ist. Die Rechnung ergibt z.B. für
                              									die Bastfasern der Blätter von Phormium tenax:
                           
                              
                                 
                                 Für frischenZustand
                                 Für lufttrockenenZustand
                                 
                              
                                 Wassergehalt
                                 45
                                 13 Proc.
                                 
                              
                                 Specifisches Gewicht
                                 1,275
                                 1,435
                                 
                              
                                 Absolute Festigkeit
                                 25,4
                                 27k,0 auf 1qmm
                                 
                              
                                 Reiſslänge
                                 20,0
                                 18km,8
                                 
                              
                                 Dehnung bis zum Bruch
                                 13,0
                                 11,3 Proc.
                                 
                              
                           Das Beobachtungsergebniſs würde also in Worten dahin lauten, daſs
                              									nicht allein die Dehnbarkeit, sondern auch die Festigkeit der lebenden (frischen)
                              									Pflanzenorgane gröſser ist, als die der abgestorbenen (lufttrockenen), und es ist
                              									klar, daſs die von Th. v. Weinzierl stillschweigend
                              									gemachte Voraussetzung, es sei der Wassergehalt für die Beurtheilung der
                              									Festigkeitseigenschaften der Fasergebilde ohne Einfluſs, daher zu eliminiren, nicht
                              									als zutreffend erachtet werden darf, um so mehr, als es sich bei den durchgeführten
                              									Untersuchungen immer um Fasergruppen, niemals um Einzelzellen handelt. Es erscheint
                              									vielmehr angemessen, das Wasser der pflanzlichen Organe als integrirenden
                              									Bestandtheil aufzufassen.
                           4) Fabrikate aus
                                 										Naturwolle und Kunstwolle. Es gibt zur Zeit keine Untersuchungsmethode,
                              									welche das Vorhandensein von Kunstwolle in allen Fällen mit Sicherheit zu ermitteln
                              									gestattete; wohl aber ist bekannt und auch leicht erklärlich, daſs ein gröſserer
                              									Zusatz von Kunstwolle die Reiſsfestigkeit der Gewebe wesentlich abmindert; auch hier
                              									ist die Ermittelung der Reiſslänge angezeigt, unter Herleitung aus dem Gewicht Gg eines
                              									Gewebestückes von 1qm Gröſse und der
                              									Zerreiſsungskraft Pk
                              									für einen Streifen von lern Breite nach der Formel
                              										R=100\,\frac{P}{G}. Die Ermittelung von P kann bequem mit dem von Major Hausner in Wien construirten Apparat (vgl. *1878 228 501) erfolgen, der auch die Ablesung der Dehnung gestattet. Es wurde
                              									auf diesem Apparat ein Streifen bestes weiches Tuch aus reiner Naturwolle und ein
                              									Streifen farbiges Tuch, welches 50 Proc. Kunstwolle und 25 Proc. Baumwolle enthält,
                              									zerrissen; die an die Beobachtungsdaten geknüpfte Rechnung ergab für das
                              									Wollentuch:
                           
                              
                                 
                                 Aus reinerNaturwolle
                                 Mit 50 Proc.Kunstwolle
                                 
                              
                                 die Reiſslänge
                                 1km,75
                                 0km,24
                                 
                              
                                 die Dehnung bis zum Bruch
                                 47 Proc.
                                 25 Proc.
                                 
                              
                           Beide Proben waren in der Richtung der Schuſsfäden
                              									gedehnt und zerrissen worden. Major Hausner fand für
                              									ein Kunstwolle haltiges blaugraues Tuch:
                           
                              
                                 Reiſslänge
                                 =
                                 0km,61
                                 
                              
                                 Dehnung
                                 =
                                 11,7 Proc.
                                 
                              
                           Hiernach hält der Verfasser es für angezeigt und wohl
                              									durchführbar, die Festigkeit von Geweben aller Art durch Ermittelung der Reiſslänge
                              									mit erwünschter Schärfe zur Ziffer zu bringen und so den Schluſs auf Verfälschungen
                              									zu ermöglichen.