| Titel: | Untersuchungen über die salpetrige Säure und Untersalpetersäure; von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 235 | 
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                        Untersuchungen über die salpetrige Säure und
                           								Untersalpetersäure; von G.
                              								Lunge.
                        (Schluſs der Abhandlung S. 155 dieses
                           								Bandes.)
                        Lunge's Untersuchungen über salpetrige Säure und
                           								Untersalpetersäure.
                        
                     
                        
                           Da die Farbe der Flüssigkeit auch nach dem Erkalten noch ganz
                                 										so gelb wie vorher bleibt, so ist kaum möglich anzunehmen, daſs die gelbe
                              									Farbe einer nitrosen Säure etwa darauf hindeute, daſs dieselbe Untersalpetersäure
                              									als solche aufgelöst enthalte; denn diese müſste doch bei einstündigem Erwärmen im
                              									Wasserbad entwichen sein. Vielmehr ist diese gelbe Farbe
                                 										augenscheinlich der Auflösung von Nitrosylschwefelsäure in Schwefelsäure
                                 										eigentümlich, aber nur unter speciellen Umständen, nämlich bei Lösungen in
                              									concentrirter Schwefelsäure nur in der Hitze, bei Lösungen in schwächerer Säure
                              									(also bis etwa 1,60 herab), wenn diese mit Kammerkrystallen gesättigt sind, was ja
                              									bei ihnen viel früher als bei stärkerer Schwefelsäure eintritt.
                           Die Analyse der Flüssigkeit ergibt in 1cc 17cc,92 NO =
                              										11mg,23 Stickstoff = 6mg,415 Sauerstoff; 10 Chamäleon = 7cc,3, also 1cc =
                              										5mg,48 Sauerstoff, oder 42,8 Proc. Stickstoff
                              									als N2O3 auf 57,2
                              									Stickstoff als NO3H. Es sind also 12,4 Procent des
                              									Stickstoffes entwichen, und zwar vorzugsweise salpetrige Säure.
                           12 b) Die Säure Nr. 12 wurde 23 Minuten lang ohne Rückfluſsrohr
                              									gekocht, wobei zuletzt die Temperatur auf 172° stieg. Jetzt ist sie beim Erkalten
                              									farblos und zeigt für 1cc nur 1cc,42 NO == 0mg,889 Stickstoff = 0mg,508 Sauerstoff; 0cc,5 Chamäleon braucht 25cc,5, also 1cc
                              									Säure nur 0mg,08 Sauerstoff.
                           Demnach sind 93 Procent alles Stickstoffes entwichen (sogar mehr, wie früher erwähnt,
                              									da die Säure sich concentrirt hat), und im Rückstande fast nur noch Salpetersäure
                              									vorhanden, nämlich 92 Proc. Stickstoff als solches gegen 8 Proc. als N2O3. Während wir bei
                              									allen stärkeren Säuren, wenn dieselben frei, d.h. ohne Rückfluſs des Condensates,
                              									gekocht wurden, immer im Gegentheil fanden, daſs die Salpetersäure fortging und
                              									Nitrosylschwefelsäure zurückblieb, ist augenscheinlich die Beständigkeit der
                              									letzteren in Schwefelsäure von 1,6 sp. G. schon gering und geht beim Kochen auf
                              									einen höchst unbedeutenden Grad hinab, so daſs wir nach einigem Kochen fast gar
                              									keine salpetrige Säure und natürlich auch nur wenig Salpetersäure nachweisen
                              									können.
                           13) 100cc Schwefelsäure von
                              									1,505 sp. G. mit 1cc = 1g,5 Untersalpetersäure. Die letztere vertheilt
                              									sich beim Umschütteln zu grünen Tropfen, welche sich
                              									leicht und vollständig lösen; das Gemisch ist zuerst auch grün, wird aber bald
                              									blässer und bleibt nur grünlich gelb; in der Flasche, worin es aufbewahrt wird, steht röthliches
                              									Gas darüber. Beim Schütteln ist keine merkliche Gasentbindung, aber der Geruch ist
                              									jetzt sehr stark salpetrig. 1cc = 7cc,13 NO = 4mg,47 Stickstoff = 2mg,55 Sauerstoff; 5
                              									Chamäleon = 9cc,6, also 1cc Säure = 2mg,08 Sauerstoff. Hiernach sind nur 40,8 Proc. als N2O3, 59,2 Proc. als NO3H zugegen; ein Theil der salpetrigen Säure war
                              									augenscheinlich als solche vorhanden gewesen, wie aus der grünen Farbe hervorgeht,
                              									hatte sich aber denn doch wenigstens theilweise zu Nitrosylschwefelsäure aufgelöst,
                              									wofür die geringe Färbung der Mischung spricht, sowie auch der Verlauf von 13 a.
                           13 a) Beim Kochen von Nr. 13 mit Rückfluſsrohr wird die
                              									Flüssigkeit stark goldgelb, was für das Vorhandensein von Nitrosylschwefelsäure
                              									spricht; nach 20 Minuten ist sie jedoch fast farblos; der anfangs stark rothe Dampf
                              									ist jetzt ganz farblos, 1cc zeigt jetzt 4cc,45 NO = 3mg,10 Stickstoff. Dieser ist so gut wie gänzlich als Salpetersäure vorhanden,
                              									denn 2 Tropfen (= 0cc,1) Chamäleonlösung
                              									verbrauchen 27cc,9 Säure bis zur Entfärbung.
                              									Eigenthümlich ist es, daſs jetzt mehr Stickstoff (3mg,10) im Zustande von Salpetersäure vorhanden ist als in Nr. 13, wo sich
                              									dieser auf 2m8,65 berechnet; doch kann dies mit
                              									der Concentration der Säure durch die unvollkommene Condensirung des Verdampften
                              									zusammenhängen. Daher ist auch der zu errechnende Verlust von 30,4 Proc. Stickstoff
                              									nur nominell und muſs in Wahrheit gröſser sein.
                           14) 100cc Säure von 1,505 sp. G.
                              									mit 3cc = 4g,5
                              									Untersalpetersäure. Die Tropfen der letzteren werden sofort grün und lösen sich nur
                              									mit einiger Schwierigkeit unter bedeutender Ausgabe von Stickoxydgas. Die
                              									resultirende Lösung ist stark grasgrün und es steht viel rother Dampf darüber, 1cc = 19cc,56 NO
                              									= 12mg,26 Stickstoff = 7mg,00 Sauerstoff; 10 Chamäleon = 6cc,9 Säure; 1cc
                              									= 5mg,80 Sauerstoff; also 41,5 Proc. N2O3 neben 58,5 Proc.
                              										NO3H.
                           14 a) Im Wasserbade (eine Stunde) geht, sobald die Flüssigkeit
                              									warm wird, die grüne Farbe (augenscheinlich durch Entweichen der freien salpetrigen
                              									Säure) in das für heiſse Nitrosylschwefelsäure charakteristische Goldgelb über;
                              									übrigens bleibt die Farbe auch nach dem Erkalten gelbgrün. 1cc = 16cc,28 NO
                              									= 10mg,21 Stickstoff = 5mg,83 Sauerstoff; 10 Chamäleon = 15cc,6; 1cc Säure
                              									= 2mg,56 Sauerstoff, also 21,8 Proc. Stickstoff
                              									als N2O3 auf 78,2
                              									Proc. als NO3H.
                           Dieses Resultat ist recht bemerkenswerth. Zunächst beweist es, daſs auch bei einer
                              									solchen Verdünnung der Schwefelsäure dieselbe im Stande ist, eine groſse Menge
                              									Nitrosylschwefelsäure unzersetzt zu erhalten; denn freie salpetrige Säure kann man nach einstündigem Erwärmen im Wasserbade
                              									nicht mehr als vorhanden annehmen. Daneben war aber eben in der ursprünglichen
                              									Säure, was die Farbe, die Zusammensetzung und der Stickstoffverlust (= 16,7 Proc.)
                              									beweisen, noch ein freies Stickstoffoxyd und zwar jedenfalls salpetrige Säure
                              									vorhanden. Man kann aber kaum umhin, anzunehmen, daſs sich in diesem Falle beim
                              									Erwärmen auch ein Theil der salpetrigen Säure in Salpetersäure umgewandelt hat,
                              									natürlich mit Freiwerden von Stickoxyd, also ganz wie bei der Berührung der
                              									salpetrigen Säure mit Wasser oder sehr verdünnter Schwefelsäure; denn die absolute
                              									Menge des als NO3H vorhandenen Stickstoffes (7mg,99) ist gröſser als in Nr. 14 (7mg,17) und eine Verstärkung der Salpetersäure an
                              									sich durch Concentration beim Erwärmen einer Schwefelsäure im Wasserbade ist nicht
                              									in merklichem Maſse anzunehmen.
                           14 b) Die Säure Nr. 14 war nach 25 Minuten langem Kochen
                              									(Temperatur 150°) ohne Rückfluſs schon in der Hitze fast farblos geworden. Wie zu
                              									erwarten war, wirkte sie auf Chamäleon gar nicht mehr, enthielt aber auf 1cc immer noch 6cc,82 = 4mg,27 Stickstoff, sämmtlich als Salpetersäure.
                              									Nomineller Stickstoffverlust 65 Proc., wirklicher natürlich mehr.
                           15) 100cc Schwefelsäure von
                              									1,405 sp. G. mit 1cc = 1g,5 Untersalpetersäure. Lösung erfolgt mit
                              									blaugrüner Farbe und starker Ausstoſsung von Dämpfen. Auch beim Stehen wird noch
                              									Stickoxyd abgegeben, wie sich jedesmal beim Oeffnen der Flasche durch Rothfärbung
                              									der Luft bemerklich macht. 1cc = 7cc,67 NO = 4mg,81 Stickstoff = 2mg,75 Sauerstoff; 5
                              									Chamäleon = 15cc,2; 1cc Säure = 1mg,32 Sauerstoff. Also 24
                              									Stickstoff als N2O3,
                              									76 als NO3H. Die Bedingungen nähern sich jetzt, wie
                              									man sieht, denjenigen, welche bei der Berührung mit Wasser eintreten.
                           15 a) Beim Erhitzen erfolgt sofort, weit unter dem Siedepunkte,
                              									eine lebhafte Entwicklung von kleinen Gasbläschen; die Farbe geht von blaugrün nach
                              									grüngelb, dann nach goldgelb über; nach 10 Minuten langem Kochen ist die Flüssigkeit
                              									farblos. Sie wirkt jetzt gar nicht mehr auf Chamäleon und zeigt noch auf 1cc 3mg,45
                              									Stickstoff als NO3H.
                           Es ist hier nicht mehr mit Sicherheit zu behaupten, daſs etwas Anderes eingetreten
                              									sei, als daſs sich freie salpetrige Säure, Salpetersäure und Stickstoff gebildet
                              									haben; dafür, daſs doch noch ein wenig Nitrosylschwefelsäure, aber in sehr wenig
                              									haltbarer Form, vorhanden war, spricht das vorübergehende Gelbwerden der Flüssigkeit
                              									beim Erhitzen. Dieser Versuch, sowie die folgenden, bei welchen gar nicht mehr
                              									gekocht wurde, sind nur zur Vervollständigung der Reihe angestellt.
                           16) 100cc Schwefelsäure von
                              									1,300 sp. G. mit 1cc Untersalpetersäure entwickelt
                              									schon beim Mischen eine Menge Gasblasen und läſst eine Säure von ganz schwach
                              									bläulicher Färbung, welche beim Schütteln mehr Gas entwickelt. Sie enthält in 1cc 3mg,8
                              									Stickstoff = 2mg,22 Sauerstoff, und 5 Chamäleon
                              									brauchen davon 17,5 = 1mg,13 Sauerstoff, also sind
                              									vorhanden 25,4 Stickstoff als N2O3, 74,5 als NO3H.
                           17) 100cc Schwefelsäure von
                              									1,200 sp. G. mit 1cc Untersalpetersäure gibt unter
                              									sehr starker Gasentwicklung eine ganz farblose Lösung, welche beim Schütteln noch
                              									etwas Stickoxyd ausgibt. Sie zeigt die gleiche Zusammensetzung von Nr. 15 und 16,
                              									nämlich 4mg,24 Stickstoff = 2mg,42, durch Chamäleon gefunden 1,18 Sauerstoff,
                              									also 24,4 Proc. N2O3
                              									auf 75,6 Proc. NO3H.
                           Zur völligen Aufklärung und Sicherstellung der aus den eben beschriebenen Versuchen
                              									zu folgernden Schlüsse schien es doch wünschenswerth, noch einige Versuche mit salpetriger Säure, möglichst frei von
                              									Untersalpetersäure, anzustellen. Da es aber hier nicht, wie in dem ersten Theile
                              									dieser Untersuchungen, auf völlige Abwesenheit von Stickoxyd in der verwendeten
                              									salpetrigen Säure ankam, so wurde diese nicht im flüssigen Zustande, sondern nur
                              									gasförmig dargestellt, durch Eintropfenlassen von Salpetersäure von 1,35 sp. G. in
                              									einen arsenige Säure enthaltenden Kolben und das sich entwickelnde Gas direct in die
                              									Absorptionssäuren geleitet.
                           18) Das salpetrigsaure Gas wird 6 Minuten lang in Schwefelsäure
                              									von 1,84 sp. G. geleitet, welche sich dabei schwach erwärmt, völlig farblos bleibt
                              									und dann ein specifisches Gewicht von 1,865 zeigt, 1cc = 36cc,14 NO = 22mg,65 Stickstoff = 12mg,94 Sauerstoff; 20 Chamäleon = 3cc,45;
                              										1cc = 23mg,20 Sauerstoff, also vorhanden 20mg,39
                              									Stickstoff (= 90 Proc.) als N2O3 und 2mg,26 (= 10
                              									Proc.) als NO3H.
                           18 a) Die Säure Nr. 18 eine Stunde lang erhitzt (bis 264°), ohne
                              									Rückfluſsrohr, wird dunkelgelb, gibt anfangs rothe, später aber weiſse Dämpfe ab.
                              										Beim Erkalten ganz
                              									farblos, zeigt dann in 1cc 32cc,78 NO = 20mg,54 Stickstoff = 11mg,74 Sauerstoff; 20 Chamäleon = 3cc,5,
                              									also 1cc = 22mg,86, oder vorhanden 97,3 Proc. Stickstoff als N2O3, nur 2,7 Proc. als NO3H; entwichen 9,5 Proc. Stickstoff.
                           18 b) Die Säure Nr. 18, 40 Minuten lang mit Rückfluſsrohr erhitzt,
                              									kocht stark, wird stark gelb, beim Erkalten farblos, 1cc = 32cc,14 NO = 20mg,20 Stickstoff = 11mg,54 Sauerstoff; 20 Chamäleon = 3cc,6,
                              										1cc = 22mg,22 Sauerstoff; also 96,6 Proc. Stickstoff als N2O3, 3,4 Proc. als N2O5; 10 Proc.
                              									Stickstoff verloren.
                           19) Salpetriges Gas wird in Schwefelsäure von 1,805 sp. G. 10
                              									Minuten lang eingeleitet. Absorption nicht ganz so energisch wie bei Nr. 18, doch
                              									auch etwas Temperaturerhöhung; specifisches Gewicht nachher 1,807. Farbe sehr
                              									schwach gelblich, 1cc – 23cc,14 NO = 14mg,51 Stickstoff = 8mg,29 Sauerstoff; 20
                              									Chamäleon = 5cc; 1cc = 16mg,00 Sauerstoff; also vorhanden
                              									96,5 Proc. Stickstoff als N2O3 und 3,5 Proc. als NO3H.
                           19 a) Die Säure Nr. 19 1½ Stunden auf 250° erhitzt, dann 20
                              									Minuten ohne Rückfluſs heftig gekocht. Dämpfe nicht deutlich roth, Flüssigkeit heiſs
                              									gelb, kalt farblos, 1cc = 20cc,33 NO = 12mg,75 Stickstoff = 7mg,28 Sauerstoff; 20
                              									Chamäleon = 5cc,5; 1cc = 14mg,55 Sauerstoff. Mithin ist aller Stickstoff als N2O3 vorhanden; verloren sind 12 Proc.
                              									Stickstoff.
                           19 b) Die Säure Nr. 19 ½ Stunde mit Rückfluſsrohr gekocht; wenig
                              									rothe Dämpfe, Säure heiſs gelb, kalt farblos, 1cc
                              									= 7cc,70 = 4mg,826 Stickstoff = 2mg,758 Sauerstoff; 10
                              									Chamäleon = 8cc,3; 1cc = 4mg,82 Sauerstoff. Mithin sind
                              									jetzt 66,7 Procent des Stickstoffes entwichen, und in dem zurückbleibenden nur 87,3
                              									Proc. als N2O3 auf
                              									12,7 Proc. als NO3H vorhanden.
                           Es war also hier eine stark denitrirende Wirkung durch das zurückflieſsende Condensat
                              									eingetreten, ähnlich wie bei Versuch 6 a, und aus ähnlichen Ursachen etwas
                              									Salpetersäure gebildet worden. Dies stimmt mit dem früheren Versuch 5 a, aber nicht
                              									mit dem folgenden Versuch 20b; auch aus Versuch 4 a sieht man, daſs selbst eine
                              									Neubildung von N2O3
                              									aus NO3H bei Säure von dieser Stärke, auch bei
                              									Rückfluſs des Condensates, noch eintreten kann, und können solche Abweichungen da,
                              									wo die Tendenzen einander beinahe die Wage halten, nicht verwundern, wenn man die
                              									nie ganz gleichförmige Wirkung des Zurückflieſsens bedenkt. Die Resultate ohne Rückfluſs sind daher viel constanter und
                              									maſsgebender.
                           20) Säure von 1,750 sp. G., 15 Minuten lang mit Gas behandelt,
                              									absorbirt noch weniger gut; specifisches Gewicht nachher 1,7475; sehr schwach
                              									gelblich. 1cc = 16cc,57 NO = 10mg,39 Stickstoff = 5mg,93 Sauerstoff; 20 Chamäleon = 6cc,85; 1cc =
                              										11mg, 68 Sauerstoff; also fast reine N2O3 (nur 1,6 Proc.
                              									als NO3H, was schon an Versuchfehler streift).
                           20a) Eine Stunde lang ohne Rückfluſs gekocht, ohne merkliche rothe
                              									Dämpfe; 1cc = 12cc,70 NO = 7mg,954 Stickstoff = 4mg,545 Sauerstoff; 10 Chamäleon = 4cc,4; 1cc = 9mg,09 Sauerstoff, also aller Stickstoff als N2O3 vorhanden.
                           20 b) Die Säure Nr. 20 wurde 20 Minuten mit Rückfluſs gekocht,
                              									wobei ebenfalls keine rothen Dämpfe sichtbar waren, 1cc = 14cc,92 NO = 9mg,354 Stickstoffe 5mg,345 Sauerstoff; 10 Chamäleon = 3cc,75; 1cc = 10mg,67 Sauerstoff; also auch hier aller Stickstoff als N2O3.
                           Man bemerke, daſs in Versuch 19 b bei der etwas stärkeren Säure von 1,805 sp. G. nach
                              									dem Kochen mit Rückfluſs grade umgekehrt ein wenig mehr NO3H als ursprünglich (relativ) vorhanden war; die wahrscheinliche Ursache
                              									davon ist dort angeführt.
                           21) Schwefelsäure von 1,70 sp. G., 15 Minuten mit salpetrigem Gase
                              									behandelt, nimmt ziemlich starken gelblichen, etwas ins Grünliche spielenden Ton und ein specifisches
                              									Gewicht von 1,706 an. 1cc = 35cc,20 NO = 22mg,06 Stickstoffe 12mg,61 Sauerstoff; 20
                              									Chamäleon = 3cc,35; 1cc = 23mg,88 Sauerstoff; also 95 Proc.
                              									Stickstoff als N2O3,
                              									5 Proc. als NO3H.
                           21 a) Die Säure Nr. 21 wird ohne Rückfluſs in starkem Kochen
                              									erhalten, wobei sie sofort dunkelgelb wird und anfangs sehr viel rothe Dämpfe
                              									ausgibt; nach ¼ Stunde hören diese jedoch auf und die Flüssigkeit wird heller gelb,
                              									worauf noch ¾ Stunden weiter heftig gekocht wird, so daſs das Volum der Säure
                              									zuletzt nur etwa die Hälfte des ursprünglichen ist. 1cc = 27cc,58 NO = 17mg,29 Stickstoff = 9mg,88 Sauerstoff; 20 Chamäleon = 4cc,05;
                              										1cc = 19mg,750, also aller Stickstoff als N2O3 vorhanden.
                           Hiernach möchte man annehmen, daſs in der ursprünglichen Säure der Sättigungspunkt
                              									der Schwefelsäure von 1,70 sp. G. mit salpetriger Säure, soweit es sich um Bildung
                              									einer beständigen Lösung von Nitroschwefelsäure
                              									handelt, schon überschritten war; hierfür spricht die grünlich gelbe Farbe und der
                              									starke Verlust an rothen Dämpfen beim Anfang der Erhitzung; zugleich zeigt aber das
                              									Endresultat, eine wie bedeutende Menge von Nitrosylschwefelsäure selbst in solcher
                              									Schwefelsäure das anhaltende Kochen ohne Veränderung überdauert.
                           21b) Die Säure Nr. 21 mit Rückfluſs eine Stunde gekocht; anfangs
                              									dunkel gelb, viel rothe Dämpfe, später Dampf und Säure, beide fast farblos. 1cc = 4cc,06 NO;=
                              										2mg,54 Stickstoff = 1mg,45 Sauerstoff; 1cc Chamäleon = 9cc,0, also 1cc = 0mg,44
                              									Sauerstoff. Danach sind 15 Procent des Stickstoffes als N2O3, 85 Proc. als NO3H vorhanden. Wie zu erwarten, war hier durch die
                              									Wirkung des Rückflieſsens eine Denitrirung mit ganz ähnlichen Erscheinungen wie
                              									früher eingetreten.
                           Diese Experimente (Nr. 18 bis 21), wobei mit fast oder manchmal ganz reinen Lösungen
                              									von N2O3 in
                              									Schwefelsäure gearbeitet wurde, bestätigen durchaus die früher mit
                              									Untersalpetersäure gewonnenen Resultate und geben mithin einen ferneren Beweis für
                              									die Annahme, daſs die Untersalpetersäure, innerhalb der von mir angewendeten Mengen,
                              									sich in Schwefelsäure mit Zersetzung zu salpetriger Säure und Salpetersäure
                              									löst.
                           Ehe ich die aus den gesammten Versuchen zu ziehenden Schlüsse zusammenfasse, sei es
                              									mir gestattet, einige mehr isolirt dastehende Versuche zu beschreiben, welche die
                              									Aufklärung einzelner noch nicht ganz klarer Fragen bezweckten.
                           22) Kann aus salpetriger Säure bei Ueberschuſs von Luft beim
                                 										Einleiten in Schwefelsäure Untersalpetersäure, bezieh. Salpetersäure
                                 										entstehend Es war schon längst von Cl. Winkler
                              									erwiesen und von mir (1878 228 80) bestätigt worden,
                              									daſs, wenn Stickoxyd selbst mit groſsem Luftüberschusse bei Gegenwart von
                              									Schwefelsäure zusammentrifft, von 2 NO nur 1 O aufgenommen und Nitrosylschwefelsäure
                              									gebildet wird. Versuche, welche ich auch jetzt wieder angestellt habe, haben dies
                              									sowohl für Schwefelsäure von 1,84 als für solche von 1,70 sp. G. durchaus bestätigt,
                              									sollen aber hier nicht beschrieben werden, weil sie nichts Neues bringen.
                           Zur völligen Klarstellung der Frage wurde nun noch salpetriges Gas, aus arseniger
                              									Säure und Salpetersäure von 1,35 sp. G. bereitet, durch Schwefelsäure von 1,84 sp. G. geleitet und
                              									durch ein anderes Glasrohr dicht daneben getrocknete Luft in starkem Strome
                              									durchgeleitet, so daſs die beiden Gasströme sich innerhalb der Säure vermengten. Die
                              									Säure wird ziemlich gelblich und nimmt ein specifisches Gewicht von 1,887 an. Sie
                              									zeigt auf 1cc 65cc,69 NO == 41mg,17 Stickstoff = 23mg,52 Sauerstoff. 30cc Chamäleon (in zwei genau stimmenden Versuchen) brauchen 2cc,6 Säure, also 1cc = 46mg,16 Sauerstoff. Dies ist
                              									nominell 98 Proc. N2O3 auf 2 NO3H.
                           Man kann also sagen, daſs der Luftstrom gar keinen
                                 										Unterschied gemacht und sich so gut wie reine Nitrosylschwefelsäure
                              									gebildet hat. Die gelbliche Farbe weist darauf hin, daſs hier der Sättigungsgrad
                              									schon überschritten ist, da sonst selbst starke Lösungen von N2O3 in
                              									con-centrirter Schwefelsäure (z.B. Nr. 18) ganz farblos sind.
                           23) Werden salpetrige Gase von alkalischen Laugen vollständig
                                 										aufgenommen, wie dies bei concentrirter Schwefelsäure der Fall ist, oder tritt
                                 										ein Verlust durch Bildung von Stickoxyd ein? Zur Entscheidung dieser Frage
                              									wurde das Gas durch ein Schenkelrohr gleichzeitig a) in Schwefelsäure von 1,84 sp.
                              									G. und b) in Natronlauge von 1,081 sp. G. geleitet.
                           Die Probe a zeigte für 1cc :
                              										11cc,4 NO = 7mg,169 Stickstoff = 4mg,097; 10
                              									Chamäleon = 4cc,9, also 1cc = 8mg,163
                              									Sauerstoff; mithin war in der Schwefelsäure völlig reines N2O3 absorbirt
                              									worden.
                           Probe b zeigte schon beim Oeffnen der Flasche, daſs Stickoxyd
                              									vorhanden war, da die eindringende Luft eine Rothfärbung über der Flüssigkeit
                              									verursachte. 10cc Chamäleon, stark angesäuert,
                              									verbrauchten 7cc,6 bezieh. 7cc,5 einflieſsende Lauge. Zu der letzten, jetzt
                              									also völlig zu NO3H oxydirten Probe wird im
                              									Ventilkolben 40cc Eisenvitriollösung (= 17cc,8 Chamäleon) gesetzt, dazu noch ziemlich viel
                              									starke Schwefelsäure und etwas Natriumbicarbonat zur Austreibung der Luft. Die
                              									Reaction begann erst bei Erhitzung der Flüssigkeit, wo keine Luft mehr vorhanden
                              									sein konnte. Zurückgebraucht 1cc,8 Chamäleon; also
                              									gebraucht 16cc,0, statt der 15cc,0, welche den ursprünglich verwendeten 10cc entsprechen; bleibt 1cc,0 für NO3H in
                              										7cc,5 Lauge. 1cc der Lauge enthält mithin 12mg,67 N2O3 = 4mg,67 Stickstoff =
                              									93,4 Proc.; daneben 1mg,40 NO3H = 0mg,31 = 6,6
                              									Proc. Es ist mithin eine theilweise Zersetzung der salpetrigen Säure eingetreten,
                              									wobei unter Bildung von Salpetersäure Stickoxyd frei geworden ist, also analog dem
                              									Verhalten der salpetrigen Säure oder der Kammerkrystalle zu Wasser.
                           24) Welches ist die Ursache der violetten Färbung, welche
                                 										nitrose Säuren unter bestimmten Umständen zeigen, und welche durchaus nicht
                              									mit den unter ganz anderen Umständen auftretenden grünen oder reinblauen Färbungen
                              									zu verwechseln ist? Die letztere Färbung, welche beim Zusammentreffen von
                              									salpetriger Säure mit ganz verdünnter Schwefelsäure (vgl. neben vielen früheren
                              									Beobachtungen Versuch 15 und 16) und mit Wasser (allbekannter Vorlesungsversuch)
                              									auftritt, rührt jedenfalls und unbestritten von freier salpetriger Säure her.
                              									Daneben bemerkt man aber unter ganz speciellen Umständen, immer aber nur, wenn reducirende Einflüsse zugegen sind, daſs auch
                              									concentrirte Nitrosen eine, zuweilen als indigoblau bezeichnet, richtiger aber schon
                              									blauviolett zu nennende Färbung annehmen. Sehr gut beschrieben ist diese Erscheinung
                              									bei Cl. Winkler S. 21 und 22, wo die Wirkung von
                              									schwefliger Säure auf Nitrose von 66° B. behandelt wird. Gewöhnlich nicht nur a. a.
                              									O., sondern auch sonst, wird diese Färbung freier salpetriger Säure zugeschrieben; aber es ist
                              									kaum möglich, solche in Gegenwart einer groſsen Menge von concentrirter
                              									Schwefelsäure anzunehmen. R. Weber (Wagners Jahresbericht, 1867 S. 172) bemerkte diese
                              									violette Farbe beim längeren Einleiten von schwefliger Säure in ein Gemisch aus
                              									englischer Schwefelsäure und 10 Proc. starker Salpetersäure, wenn ein Ueberschuſs von schwefliger Säure vorhanden war, wo
                              									sich dann in der Flüssigkeit salpetrige Säure vorfand. Die violette Farbe verschwand
                              									unter der Luftpumpe oder auch beim Erwärmen in dicht verschlossener Flasche, kehrte
                              									aber beim Erkalten zurück; dagegen wird die Flüssigkeit dauernd entfärbt, wenn man
                              									sie mit Salpetersäure vermischt, oder mit Wasser stark verdünnt, oder an der Luft
                              									stehen läſst. Ueber die Natur des farbigen Körpers will Weber sich nicht aussprechen.
                           Das Auftreten der violetten Färbung hatte ich nun nicht allein, wie so viele
                              									Beobachter vor mir, beim Denitriren von Nitrose wahrgenommen, sondern namentlich
                              									auch unzählige Male beim Arbeiten im Nitrometer, wo ja salpetrige Säure und
                              									Salpetersäure durch das Quecksilber zu Stickoxyd reducirt werden. Dabei beobachtete
                              									ich regelmäſsig, daſs die violette Färbung fast sofort eintrat, wenn die Nitrosen
                              									nur salpetrige Säure (Nitrosylschwefelsäure) enthielten, dagegen erst viel später,
                              									zuweilen gar nicht, wenn irgend erheblichere Mengen von Salpetersäure zugegen waren,
                              									was man jedenfalls darauf zurückführen kann, daſs zunächst die Salpetersäure zu
                              									salpetriger Säure reducirt werden muſs und mithin erst später Stickoxyd frei werden
                              									kann. Dem Stickoxyd nämlich, d. i. seiner Auflösung in
                              									nitroser Schwefelsäure, schreibe ich jene violette Färbung zu. Bei genauerem Zusehen
                              									wird man finden, daſs in allen Fällen, wo diese Färbung beobachtet worden ist,
                              									Stickoxyd zugegen gewesen sein muſs, durch den reducirenden Einfluſs der schwefligen
                              									Säure, des Quecksilbers u. dgl., auf die salpetrige Säure, während man die letztere
                              									nicht gut in freiem Zustande annehmen kann, in Gegenwart von concentrirter
                              									Schwefelsäure. Ebenso wenig kann man annehmen, daſs unter solchen Umständen
                              									salpetrige Säure schon bei längerem Stehen, unter der Luftpumpe, ja beim heftigen
                              									Schütteln (im Nitrometer) entfernt werde, was alles für Stickoxyd paſst.
                           Entscheidung konnte nur durch den directen Versuch erzielt werden. Es wurde also
                              									reines Stickoxydgas, gewaschen durch Wasser und darauf durch reine Schwefelsäure, in
                              									nitrose Schwefelsäuren von 1,70, 1,75 und 1,84 sp. G. geleitet, welche so gut wie
                              									gar keine Salpetersäure enthielten. (Das Material dazu war ja aus einer Anzahl der
                              									früher beschriebenen Versuche zur Hand.) Die zum Trocknen des Gases angewendete
                              									reine Salpetersäure von 1,84 sp. G. färbte sich anfangs gar nicht; aber da in der
                              									Waschflasche Luft vorhanden gewesen war, so setzten sich darin Kammerkrystalle an,
                              									welche sich später durch das Aufwallen der Säure beim Durchgange des Gasstromes
                              									abspülten und auflösten, und jetzt trat allmälig eine ganz schwach bläuliche Färbung ein, die
                              									jedenfalls auf die inzwischen stattgefundene Bildung von etwas Nitrose
                              									zurückzuführen ist. In den vorgelegten, eigentlichen
                                 										Nitrosen von 1,7 bis 1,84 sp. G. dagegen erzeugte sich schon nach etwa 1 Minute
                                 										beim Durchstreichen des Stickoxydes eine stark violette Färbung. Um das
                              									zufällige Zurücktreten von Luft zu verhindern, wurde das Gas aus den betreffenden
                              									Gefäſsen noch durch andere mit Schwefelsäure abgesperrte Gefäſse geleitet. Wenn dies
                              									nicht geschah, so verschwand die violette Färbung sofort bei gelindem Schütteln, wo
                              									die eindringende Luft das Stickoxyd oxydiren und farbloses Nitrosylsulfat sich
                              									bilden muſste. Ebenso verschwand die violette Farbe bei gelindem Erwärmen, auch wenn
                              									die äuſsere Luft durch Schwefelsäure völlig abgesperrt war. Dagegen erhielt sich die
                              									Farbe beim Stehen in der Kälte im wohl verschlossenen Reagircylinder sehr lange,
                              									wird jedoch nach einigen Stunden schwächer und verblaſst erst nach über 24 Stunden
                              									vollständig. Durch bloses Schütteln gelang es mir nicht, im Reagensrohre die Farbe
                              									in der Kälte bei Ausschluſs von Luft zu entfernen; aber im Nitrometer, wo das
                              									Schütteln sehr heftig geschehen muſs und wo das reducirende Agens (das Quecksilber)
                              									im Ueberschuſs ist, tritt Entfärbung ein.
                           Man darf also wohl mit Sicherheit schlieſsen, daſs die violette Färbung durch
                              									Stickoxyd verursacht wird. Der Umstand jedoch, daſs sie nur eintritt, wenn das
                              									Stickoxyd mit salpetriger Schwefelsäure in Berührung
                              									kommt, daſs sie sich in der Kälte selbst beim Schütteln längere Zeit hält, und daſs
                              									sie nur aufhört, wenn weitere Wirkungen eintreten, wie das Vacuum, die Erwärmung,
                              									der Zutritt von Luft oder die weitere Einwirkung des reducirenden Mittels – alles
                              									dies scheint darauf hinzuweisen, daſs hier eine neue,
                                 										zwischen Stickoxyd und salpetriger Säure in der Mitte stehende Verbindung von
                                 										Stickstoff und Sauerstoff vorliegt, welche freilich auſserordentlich wenig
                              									beständig ist und deren Isolirung daher mit sehr groſsen Schwierigkeiten verknüpft
                              									sein dürfte.
                           Wir können nun die durch obige Untersuchungen gewonnenen
                              									Ergebnisse in folgenden Sätzen zusammenfassen, welche allerdings zum groſsen Theile
                              									nicht neu sind, sondern nur die älteren Arbeiten, namentlich von Cl. Winkler und R. Weber,
                              									auf Grund von bis dahin fehlenden quantitativen
                              									Versuchen bestätigen, zum Theil aber doch diese Arbeiten durch neue Resultate
                              									ergänzen und einige zwischen ihnen vorhandene anscheinende Widersprüche
                              									aufklären.
                           1) Die Untersalpetersäure kann als solche in Berührung mit Schwefelsäure nicht
                              									bestehen, sondern zerlegt sich in salpetrige Säure, welche mit einem Theile der
                              									Schwefelsäure sofort Nitrosylschwefelsäure (Kammerkrystalle) gibt und Salpetersäure,
                              									welche sich als solche auflöst. Dies wird durch folgende einfache Gleichung
                              									versinnlicht: N2O4 +
                              										SO2(OH)2
                              									= SO2.OH.ONO + NO3H.
                           
                           2) Die Nitrosylschwefelsäure löst sich in der überschüssigen Schwefelsäure zu einer
                              									farblosen Flüssigkeit auf, jedoch nur bis zu einer bestimmten Grenze, welche man als
                              									Sättigungscapacität der Schwefelsäure für Nitrosylschwefelsäure bezeichnen kann, und
                              									welche um so höher liegt, je concentrirter die Schwefelsäure ist. Diese Grenze ist
                              									z.B. für Säure von 1,84 sp. G. bei einem Gehalte von 55mg,34 N2O3
                              									= 185mg SO2.OH.NO2 auf 1cc (Versuch 18) noch nicht erreicht,
                           3) Ueber diese Grenze hinaus macht sich zunächst eine gelbliche Farbe bemerklich,
                              									welche natürlich bei stärkeren Schwefelsäuren erst bei viel höherem Gehalte an
                              									Nitrosylschwefelsäure eintritt; also z.B. bei Säure von 1,887 sp. G., welche auf
                              										1cc 147mg
                              										N2O3 = 372mg SO2.OH.NO2 enthält (Versuch 22), aber auch schon bei Säure
                              									von 1,706 sp. G., welche auf 1cc 56mg,7 N2O3 = 190mg SO2.OH.NO2 enthält
                              									(Versuch 21). Da auch solche Säuren bei längerem Kochen farblos werden, so scheint
                              									der Ueberschuſs von Nitrosylschwefelsäure einigermaſsen lose gebunden zu sein; die
                              									Temperatur des Wasserbades scheint ihn jedoch noch nicht zu beeinflussen (Versuch 12
                              									a).
                           4) Der von Cl. Winkler beobachtete Zustand, wo eine
                              									Mischung von 66°-Schwefelsäure und Untersalpetersäure schon in der Kälte gelb-rothe
                              									Farbe zeigte, rothe Dämpfe ausstieſs und beim Erwärmen stürmische Entwicklung von
                              									gasförmiger Untersalpetersäure stattfand, wo man also noch unveränderte
                              									Untersalpetersäure annehmen muſs, tritt augenscheinlich erst ein, wenn das Gemenge
                              										weit mehr Untersalpetersäure enthält, als das
                              									stärkste von mir gemachte, oder je in der Schwefelsäurefabrikation vorkommende. Die
                              									vielen Versuche mit längerem Erwärmen im Wasserbade beweisen mit Sicherheit die
                              									Abwesenheit von freier Untersalpetersäure. In verdünnten Säuren ist diese noch
                              									weniger anzunehmen.
                           5) Alle Nitrosen, d.h. Auflösungen von Nitrosylschwefelsäure (Kammerkrystallen) in
                              									Schwefelsäure, gleich giltig, ob sie daneben Salpetersäure enthalten oder nicht,
                              									nehmen beim Erwärmen weit unter ihrem Siedepunkt eine goldgelbe oder noch dunkler
                              									gelbe Farbe an, werden aber beim Erkalten wieder farblos. Diesen Farbenwechsel kann
                              									man beliebig oft wiederholen; er deutet kaum auf eine Lockerung der Verbindung hin,
                              									da ja diese auch bei viel höherer Temperatur groſse Beständigkeit zeigt, sondern
                              									läſst sich wohl eher mit der Intensitätserhöhung der Farbe von Eisenchlorid beim
                              									Erwärmen vergleichen.
                           6) Die Beständigkeit der Nitrosylschwefelsäure in schwefelsaurer Lösung ist selbst
                              									beim Siedepunkt der Schwefelsäure sehr groſs, wenn die Concentration der letzteren
                              									nicht unter 1,70 sp. G. fällt. Es geht zwar beim Kochen stets Stickstoff verloren,
                              									und zwar um so mehr, je weniger concentrirt die Säure ist; aber wenn man in der Art
                              									kocht, daſs die entweichenden Dämpfe sich nicht condensiren und zurückflieſsen
                              									können, so findet man selbst bei Säure von 1,65 sp. G. noch Nitrosylschwefelsäure im
                              									Rückstand. Wenn aber die Dämpfe condensirt werden und zurückflieſsen, so tritt bei
                              									Säuren von 1,80 an und in steigendem Maſse bei zunehmender Verdünnung, wo das
                              									Condensat höchst verdünnte Säure oder selbst reines Wasser ist, ein bedeutender
                              									Verlust durch Denitrirung ein.
                           7) Bis zu einer Concentration von 1,65 sp. G. herab ist die Verwandtschaft der
                              									Schwefelsäure zu salpetriger Säure, d. i. das Bestreben zur Bildung von
                              									Nitrosylschwefelsäure so groſs, daſs die daneben vorhandene Salpetersäure, sei sie
                              									als solche zugesetzt oder durch Zerlegung von Untersalpetersäure entstanden, beim
                              									Kochen unter Sauerstoffabgabe reducirt und zur Bildung von nitroser Schwefelsäure
                              									verwendet wird. Bei Säure von 1,71 sp. Gr. und stärkeren findet diese Umwandlung
                              									schon nach kurzem Kochen fast vollständig statt, bei 1,65 sp. Gr. nur noch
                              									unvollständig.
                           8) Unter 1,65 sp. G. ist die Nitrosylschwefelsäure schon so wenig beständig, daſs
                              									z.B. aus Säure von 1,6 sp. G. etwas davon (allerdings nur wenige Procente) beim
                              									Erwärmen im Wasserbad und das meiste, aber nicht alles, bei kurzem Kochen fortgeht.
                              									Bei Säure von 1,5 sp. G. tritt augenscheinlich schon in der Kälte theilweise
                              									Zersetzung der zugesetzten salpetrigen Säure unter Bildung von Salpetersäure und
                              									Stickoxyd ein; aber bei einstündigem Erwärmen im Wasserbad bleiben doch noch
                              									erhebliche Mengen der Nitrosylschwefelsäure unzersetzt, während ein anderer Theil in
                              									Salpetersäure übergegangen ist (Versuch 14 a). Beim Kochen geht erstere völlig
                              									verloren. In Folge der sehr geringen Sättigungscapacität einer Schwefelsäure von 1,5
                              									sp. G. für Nitrosylschwefelsäure ist neben dieser in der Kälte jedenfalls schon
                              									freie salpetrige Säure anwesend. Bei noch schwächeren Säuren tritt dies natürlich in
                              									erhöhtem Maſs ein; es ist jedoch wahrscheinlich, daſs selbst sehr verdünnte
                              									Schwefelsäure in der Kälte noch ein wenig Nitrosylschwefelsäure enthalten kann, wenn
                              									reducirende Einflüsse abwesend sind.
                           9) Die neben der Nitrosylschwefelsäure vorhandene Salpetersäure bleibt auch in
                              									verdünnten Säuren (von 1,5 sp. G. und darunter) selbst bei längerem Kochen noch
                              									groſsentheils in der Flüssigkeit zurück. Wenn also die Nitrosen aus dem
                              									Gay-Lussac'schen Absorptionsthurme der Schwefelsäurefabriken durch fehlerhaften
                              									Betrieb neben salpetriger Säure auch Salpetersäure enthalten, so ist an eine
                              									vollständige Denitrirung derselben durch heiſses Wasser oder Dampf, wobei man wohl
                              									nie unter 48° B. = 1,5 sp. G. geht, nicht zu denken; diese ist nur durch reducirende
                              									Agentien möglich, also im Groſsen durch schweflige Säure im Gloverthurm, im Kleinen
                              									durch Quecksilber im Nitrometer. Man kann in letzterem recht deutlich sehen, wie
                              									viel schwieriger und langsamer auch hier die Denitrirung erfolgt, wenn Salpetersäure
                              									zugegen ist.
                           
                           10) Das Bestreben zur Bildung von Nitrosylschwefelsäure ist so stark, daſs selbst bei
                              									sehr groſser gleichzeitiger Zufuhr von Luft, also von Sauerstoff, beim Einleiten von
                              									salpetriger Säure, ebenso wie bei demjenigen von Stickoxyd, in Schwefelsäure sich
                              									keine Oxydation zu N2O4 oder NO3H wahrnehmen läſst.
                           11) Salpetrige Säure läſst sich durch Natronlauge nicht ohne Verlust absorbiren, weil
                              									dabei eine theilweise Spaltung in Salpetersäure und Stickoxyd stattfindet.
                           12) Die violette Färbung, welche sich bei der Einwirkung reducirender Agentien auf
                              									nitrose Säure zeigt, rührt von einer Auflösung von Stickoxyd in solcher Säure her
                              									und ist möglicherweise einer sehr unbeständigen Verbindung von Stickstoff und
                              									Sauerstoff, welche zwischen NO und N2O3 steht, zuzuschreiben.
                           Zürich, April 1879.