| Titel: | Betrachtungen über das kieselarme blaue Ultramarin und seine Entstehung aus Weiss; von Arthur Lehmann. | 
| Autor: | Arthur Lehmann | 
| Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 331 | 
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                        Betrachtungen über das kieselarme blaue
                           								Ultramarin und seine Entstehung aus Weiſs; von Arthur Lehmann.
                        Lehmann, über das kieselarme blaue Ultramarin.
                        
                     
                        
                           Während in der letzten Zeit alle Forscher, die sich mit dem Ultramarin beschäftigten,
                              									zu der Ansicht gekommen waren, derselbe bestehe wesentlich aus Na, Al, Si, S und O,
                              									stellte Rickmann (1879 231
                              									365) zuerst blaues Ultramarin durch Glühen eines Gemenges von Schwefelnatrium und
                              									Wasserglas im Strome trocknen Salzsäuregases dar. Es ist aber nach Rickmann das Gelingen dieser Reaction nur schwer zu
                              									erzielen, und die Wiederholung des Versuches durch den Verfasser wollte durchaus
                              									kein positives Resultat ergeben. Da ferner Rickmann
                              									selbst keine Analyse des von ihm erhaltenen Productes, das vollständig dem
                              									Handelsultramarin gleichen soll, gibt, so ist die in Aussicht gestellte ausführliche
                              									Arbeit zu erwarten.
                           Obwohl die Ultramarine des Handels, welche in den letzten Jahren studirt worden sind,
                              									keine sehr groſsen Schwankungen in ihren Zusammensetzungen zeigen, so ist doch
                              									bisher von keinem nachgewiesen, daſs es eine einheitliche Substanz ist. Dagegen
                              									ergeben zahlreiche frühere Arbeiten, besonders die von Knapp und Ebell (1878 229 69), sowie von Rickmann, daſs selbst bei
                              									auſserordentlich wechselndem Verhältniſs von Na, Al, Si und S schön gefärbte
                              									Ultramarine erhalten werden können. Es kann daher unmöglich jetzt eine Formel für
                              									Ultramarin aufgestellt werden, welche der für eine einheitliche chemische Substanz
                              									aus der Analyse hergeleiteten Bruttoformel oder der aus den Reactionen dieser Substanz
                              									hergeleiteten und mit Berücksichtigung der Bruttoformel gebildeten
                              									Constitutionsformel an Werth gleicht.
                           So sind die von R. Hoffmann (1879 231 363) gegebenen Formeln eben nur angenäherte Formeln für Marienberger
                              									Fabrikat, und die vom Verfasser (1879 231 364) früher
                              									gegebenen sind nicht einmal dies, sondern sollen nur eine gewisse Reihe von
                              									Reactionen versinnlichen, ohne daſs auf sie als Bruttoformeln ein besonderer Werth
                              									gelegt worden ist. Die von Rickmann gegebene Formel für
                              									Blau steht aber mit den Resultaten des Verfassers im directesten Widerspruche.
                           Die wichtigste Reaction der Ultramarine, welche augenblicklich bekannt ist, ist ihr
                              									Verhalten gegen flüssige Säuren; als solche ist vor allem flüssige Salzsäure benutzt
                              									worden. Nun ist aber, wie Verfasser gezeigt hat, ein Unterschied zu machen zwischen
                              									der Einwirkung von concentrirter und sehr verdünnter Salzsäure auf Ultramarin. Sehr
                              									verdünnte Salzsäure zersetzt Ultramarine in der Art, daſs eine der angewendeten
                              									Salzsäure äquivalente Menge Natrium, aber kein Aluminium ausgezogen wird. Da zudem
                              									durch die sehr verdünnte Salzsäure keine Kieselsäure frei gemacht wird, so schlieſst
                              									Verfasser, daſs die Ultramarine durch verdünnte Salzsäure in eine Substanz Al2Si2O7 (aufgeschlossenen Thon) und in eine Na, S und O
                              									enthaltende Verbindung gespalten werden; diese letztere wird dann durch die
                              									Salzsäure in NaCl, H2S, H2O und S zersetzt. Bei Anwendung von concentrirterer Salzsäure verläuft
                              									die Reaction im Uebrigen gleich, nur daſs hier auch die Substanz Al2Si2O7 weiter in Al2Cl6, SiO2 und H2O zersetzt wird.
                           Es verhält sich also die Gruppe Al2Si2O7 wie ein
                              									Säureanhydrid. Zu demselben Resultate kommt R.
                                 										Hoffmann, indem er zeigt, daſs beim Schmelzen von Thon mit Ueberschuſs von
                              										Soda für die Menge Al2Si2O7 ein
                              										CO2 ausgetrieben wird und die Verbindung Na2Al2Si2O8 entsteht.In einem gewissen Gegensatz hierzu steht die Angabe von Knapp und Ebell,
                                    											daſs nach dem Schmelzen von Thon mit Natron und
                                    											Auskochen des Reactionsproductes mit Wasser aufgeschlossener Thon zurückbleibe. Bemerkenswerth ist
                                    											andererseits, daſs Ritter (1860) bei Anwendung
                                    											eines der Ultramarinmischung entsprechenden Kalisatzes ein schwefelfreies
                                    											Kalium-Aluminiumsilicat mit 39,16 Proc. SiO2, 33,84 Proc. A12O3, 27,04 Proc. K2O, entsprechend der Formel K2O.Al2Si2O7, erhalten hat.
                           Das Anhydrid Al2Si2O7
                              									scheint sich nun nicht blos mit Oxyden zu Sauerstoffsalzen, mit Sulfiden zu
                              									Schwefelsalzen, sondern auch mit Verbindungen R2O.nO, R2S.nS, R2O.nS, R2S.nO (n vielleicht = 1) zu
                              									salzartigen Verbindungen vereinigen zu können. Diese letzteren wären gefärbte
                              									Ultramarine oder ihnen analoge Substanzen. Es muſs aber hervorgehoben werden, daſs
                              									in den untersuchten Ultramarinen das Verhältniſs Na : Al durchaus nicht immer 1 : 1
                              									ist, sondern daſs sich folgende Atomverhältnisse ergeben:
                           
                           
                              
                                 
                                 Ritter
                                 R. Hoffmann
                                 Knapp und Ebell
                                 LehmannAus
                                          													Marienberger Grün durch trocknes HCl dargestellt.
                                 
                              
                                 
                                 Na : Al
                                 Na : Al
                                 Na : Al
                                 Na : Al
                                 
                              
                                 Weiſs
                                 8¼ : 6
                                 9¾ : 6
                                 8 : 6
                                 –
                                 
                              
                                 Blau
                                 –
                                 7⅔ : 6
                                 6 : 6
                                 6⅔ : 6
                                 
                              
                                 Kieselarmes
                                 
                                 Fabrikat
                                 
                                 
                                 
                              
                           Abgesehen von dem Verhältniſs Na : Al unterscheiden sich weiſses, grünes und blaues
                              									Ultramarin durch die Art der Natriumverbindung. Diese Natrium Verbindungen möge man
                              									sich aus mNa2O, nNa2S, oS, d.h. aus Oxyd, Sulfid und additionellem Schwefel, zusammengesetzt
                              									denken. Dann hat man (abgesehen von SiO2) z.B.
                              									im
                           
                              
                                 Weiſs von Hoffmann
                                 13Na2S, 32Na2O, 30Al2O3, (6S),
                                 
                              
                                 Weiſs von Knapp und Ebell
                                 12Na2S, 27Na2O, 29Al2O3, (9,4 S).
                                 
                              
                           Durch das Einklammern des additionellen Schwefels soll
                              									angedeutet werden, daſs sowohl Hoffmann als Knapp und Ebell annehmen,
                              									es sei im reinen Weiſs kein additioneller Schwefel enthalten. Doch haben Letztere,
                              									die sich direct hiermit beschäftigt haben, keine Analyse eines wirklich von
                              									additionellem Schwefel freien Weiſs gegeben.
                           Die Bläuung von Weiſs oder Grün durch trocknes Salzsäuregas nach Knapp und Ebell läſst sich
                              									verhältniſsmäſsig so leicht studiren, daſs durch diese Methode der Bläuungsproceſs
                              									wohl bald eine gut bekannte chemische Reaction sein wird. Zwar war der Verfasser
                              									beim Studium der Bläuung durch Schwefelsäureanhydrid auf von Jenen unabhängigem Wege
                              									zu fast denselben Resultaten gekommen; doch ist die Bläuung durch SO3 an und für sich schwieriger gut durchzuführen, und
                              									ein Ueberschuſs des Reagenzes wirkt zerstörend auf den Ultramarin. Uebrigens liegt
                              									der Hauptunterschied der von Knapp und Ebell sowie vom Verfasser in ihren Arbeiten über die
                              									Bläuung ausgesprochenen Ansicht in der verschiedenen Betrachtung der nach der
                              									Bläuung ausziehbaren Natriummengen; erstere ziehen nach der Bläuung von Weiſs aus
                              									dem Reactionsproduct 5,63 Proc. Na2O aus und
                              									betrachten die ausgezogene Menge als wesentlich die Reaction mitbestimmend; der
                              									Verfasser aber, ausgehend davon, daſs in dem technischen Marienberger Grün und Blau
                              									der Natriumgehalt fast derselbe ist, und mit dem so energisch wirkenden SO3 arbeitend, meinte, daſs die von ihm bei der
                              									Bläuung von Grün beobachteten ausziehbaren Mengen von übrigens etwa 4,92 und 5,66
                              									Proc. Na2O von einer Nebenreaction herrührten.
                              									Verfasser glaubt jetzt, daſs der Haupttheil des ausziehbaren Natriums in der unten
                              									angedeuteten Weise die Reaction mitbestimme, daſs aber ein (manchmal sehr kleiner)
                              									Theil von einer Nebenreaction herrühren könne. Bei der in der Praxis gebräuchlichen
                              									Methode ist die Bläuung theils nicht so vollständig, theils wird die ausziehbare
                              									Natriummenge dadurch sehr vermindert, daſs das Natrium mit Säuren des Schwefels
                              									Salze bildet, die nicht auswaschbar sind. Im Marienberger Blau Nr. 6 sind dies z.B.
                              									2,8 Proc. Na2O.
                           Nach Knapp's Methode läſst sich recht augenscheinlich
                              									zeigen, daſs sich bei der Bläuung von Weiſs und Grün der Gesammtschwefel so gut wie
                              									nicht ändere, was vorher R. Hoffmann und andererseits
                              									der Verfasser nur durch Analyse des Productes
                              									erschlieſsen konnten. Dann zeigten Knapp und Ebell daſs die Säuren des Schwefels, die sich im
                              									technischen Blau finden, nebensächlicher Natur sind, was R.
                                 										Hoffmann, Jul. Philipp und der Verfasser nur vermuthen konnten. Das überraschende Resultat Knapp und Ebell's, daſs sich durch trocknen Chlorwasserstoff ein Blau erhalten lasse,
                              									welches fast kein Sulfid oder Sα enthalte, war eine
                              									directe Bestätigung der vom Verfasser ausgesprochenen Ansicht, daſs sein
                              										„Endproduct Blau“ keinen Sα enthalte.Verfasser hat z.B. nun aus Marienberger Blau durch HCl nach Ausziehen von
                                    											1,73 Proc. Na2O ein Blau mit 0,28 Proc. Sα erhalten. Zugleich sind etwa 1,23 Proc. Sα umgewandelt.
                           Zwei Punkte laden aber doch noch zu näherem Studium ein: Während Knapp und Ebell angeben:
                              										„Nach wiederholtem Behandeln mit gasförmiger Salzsäure entwickelte der blaue
                                 										Ultramarin mit flüssiger Salzsäure nur eine Spur Schwefelwasserstoff. Dabei
                                 										schien mehr Chlornatrium gebildet zu werden, als der gleichzeitigen Abnahme des
                                 										entwickelten Schwefelwasserstoffes entspricht“, haben zwei vorläufige
                              									Versuche des Verfassers doch immer fast eine Aequivalenz des ausziehbaren Na und des
                              									umgewandelten Sα ergeben. Gäbe man letzteres als den
                              									normalen Verlauf der Reaction zu und erklärte Abweichungen in der oben gegebenen
                              									Weise, so hätte man z.B. bei vollständiger Bläuung:
                           
                              
                                 13Na2S, 32Na2O, 30Al2O3, 6S
                                 =
                                 32Na2O, 30Al2O3, 19S + 26Na
                                 (1)
                                 
                              
                                 Weiſs von R.
                                       											Hoffmann
                                 
                                 Endproduct Blau
                                 
                                 
                              
                                 12Na2S, 27Na2O, 29Al2O3, 9,4S
                                 =
                                 27Na2O, 29Al2O3, 21,4S + 24Na.
                                 (2)
                                 
                              
                                 Weiſs von Knapp und Ebell
                                 
                                 Endproduct Blau
                                 
                                 
                              
                           Um auf den zweiten Punkt zu kommen, müſsten bei diesen beiden Bläuungen als von der
                              									Salzsäure herrührend 26 bezieh. 24 Atome Wasserstoff austreten, was Knapp und Ebell nicht
                              									erwähnen und Verfasser nicht beobachten konnte, oder es müssen 13 bezieh. 12
                              									Sauerstoff noch in Reaction treten, welche 13 oder 12H2O bilden würden. Dem gegenüber geben Knapp
                              									und Ebell an, daſs das von ihnen angewendete
                              									Salzsäuregas frei von Sauerstoff gewesen sei. Es ist aber auſserordentlich schwer,
                              									dies bei dem eintretenden Gas festzustellen, und es
                              									wird wohl eine Wasserbestimmung in dem austretenden Gas
                              									am entscheidendsten sein. Verfasser konnte seiner Zeit noch kein passendes
                              									Absorptionsmittel für Wasser bei Gegenwart von Salzsäure finden.
                           Wenn Verfasser daher den Satz aussprechen möchte: „Bei der Bläuung von Weiſs oder Grün
                                 										wird Sα in Sβ
                                 										übergeführt, unter Austritt einer dem umgewandelten Sα äquivalenten Menge Na und unter Mitwirkung einer äquivalenten Menge
                                 										Sauerstoff“, so steht er damit zwar im Widerspruch mit Knapp und kann möglicher Weise durch den selbst
                              									angedeuteten Versuch geschlagen werden, gibt aber sonst damit nur die Ansicht von
                              										R. Hoffmann in etwas erweiterter Form wieder.
                           Rechnet man in R. Hoffmanns Blau Nr. 6 für die Säuren
                              									des Schwefels 2,8 Proc. Na2O ab, so bleiben:
                           
                              
                                 a)
                                 In Procent
                                 28,9 A12O3, 20Na2O, 1,51 Sα, 4,62Sβ
                                 
                              
                                 b)
                                 Nach Umrechnung der entspre-chenden Menge Na2O in Sulfid
                                 28,9A12O3, 17Na2O, 3,68Na2S, 4,62Sβ
                                 
                              
                                 c)
                                 In Molecülen und Atomen
                                 28A12O3,
                                    											27 Na2O, 5 Na2S, 14½ Sβ
                                 
                              
                                 d)
                                 In Endproduct Blau übergeführt
                                 28 Al2O3,
                                    												27Na2O, 19½ S [+ 10 Na]. 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Endprodukt Blau.
                                 
                              
                           Es ist immerhin interessant, daſs das „Endproduct
                                 									Blau“, wie es sich aus Hoffmann's Weiſs Nr. 1, aus
                              										Hoffmann's Blau Nr. 6 und aus Knapp und Ebell's Weiſs
                              									herleitet, ziemlich angenähert die Formel hat:Knapp und Ebell's
                                    											Blau enthält etwas weniger Natrium als dieser Theorie entsprechen
                                    										würde.
                           3Na2O.2S.3Al2Si2O7.
                           Hoffmann's Grün Nr. 4 hat folgendes Atomverhältniſs:
                              										28Al2O3,
                              										26,3Na2O, 12Na2S, 11½ Sβ. Es würde daher fast zu dem Endproduct
                              									Blau: Na2O.S.Al2Si207
                              									führen und der (oben in Anmerkung 2 erwähnte) Versuch entspricht dieser
                              									Voraussetzung in folgendem Sinne:
                           
                              
                                 
                                 Al2O3
                                 Na2O
                                 Sβ
                                 Sα
                                 Sγ
                                 
                              
                                 Grun Nr. 4: R. Hoffmann
                                 29,5
                                 23,75*
                                 3,7
                                 3,82†
                                 0,56
                                 
                              
                                 Durch HCl v. Verf. dargeselltes Blau
                                 29,5
                                 19,94
                                 5,7
                                 1,6
                                 0,22
                                 
                              
                           * 3,81 durch Wasser ausziehbar. † 2,22 umgewandelter Sα.
                           Da 3,81 Na2O und 2,22 S fast
                              									äquivalent sind, so rechnet Verfasser für übrig gebliebene 1,6 Proc. Sα noch 3,1 Proc. Na2O
                              									ab, wobei bleiben:
                           
                              
                                 In Procent
                                 29,5Al2O3,
                                    												16,75Na2O, 7,52Sβ
                                 
                              
                                 In Molecülen und Atomen
                                 28Al2O3,
                                    												27Na2O, 23,8Sβ
                                 
                              
                                 Oder angenähert
                                 1Al2O3,
                                    												1Na2O, 1Sβ.
                                 
                              
                           Dieses Grün hat auch darum ein besonderes Interesse, weil es
                              									bei Zurückrechnung auf Weiſs zu der Formel: Na2S.Na2O.Al2Si2O7 für dieses führt, welche Formel R. Hoffmann als die von Weiſs gibt.
                           Das Grün Nr. 4 selbst hat nun angenähert die Formel 2Na2O.S.Na2S + 2Al2Si2O7,
                              									und eine dieser analogen Formel leitet K. Heumann in
                              									seiner jüngsten Veröffentlichung für sein Natrium-, Silber- und Kalium-Ultramarin
                              									her. Derselbe muſs also von einem Marienberger Blau ausgegangen sein, welches dem
                              									Grün Nr. 4 noch sehr nahe steht. Seine Resultate führen eben einfach zu einem
                              									Ultramarin, in welchem Sα = Sβ ist. – Es
                              									würde von groſsem Interesse sein, wenn K. Heumann seine
                              									Versuche nun auch mit an Sα armem Blau wiederholte.
                           Wenn Verfasser im Vorhergehenden verschiedentlich Ansichten da ausspricht, wo es
                              									seine Pflicht gewesen wäre, Versuche reden zu lassen, so liegt dies daran, daſs er
                              									vorläufig verhindert ist, seine Versuche fortzusetzen.
                           Pasewalk, Juni 1879.
                           Nachtrag. Nachdem ich bereits die
                              									vorliegende Arbeit an die Redaction gesendet hatte, ist mir Rickmann's Arbeit in D. p. J. 1879 232 164 bekannt geworden. Ich habe dadurch zwar an
                              									Vorstehendem Nichts zu ändern, bin aber durch die Angriffe Rickmann's genöthigt, auf seine Arbeit näher einzugehen. Rickmann sagt Bd. 232 S. 164: „Während einige
                                 										Chemiker in diesen Verbindungen die Schwefel-Sauerstoff-Verbindungen als zur
                                 										Constitution gehörig betrachten (Ritter, Brunner,
                                    											Lehmann), schlieſsen die meisten Chemiker diese Verbindungen als
                                 										Verunreinigung aus und nehmen nur die Schwefelnatriumverbindungen als
                                 										constitutionsbedingende Körper an.“ Hierauf ist zu erwiedern, daſs die
                              									Theorien von Ritter und Brunner keine Aehnlichkeit mit der durch mich aufgestellten besitzen, und
                              									daſs daher das, was andere Chemiker und ich selbst über jene Theorien gesagt haben,
                              									nicht auf meine eigene anzuwenden ist.
                           S. 165 werde ich dadurch, daſs ich die Bläuung von Weiſs oder Grün
                              									als Oxydationsproceſs auffasse, in Gegensatz zu Ritter
                              									und R. Hoffmann gebracht. Gerade diese beiden Chemiker
                              									und viele Andere fassen aber den Bläuungsproceſs als eine Oxydation auf. Es ist eben
                              									der Uebergang von Sα in Sβ
                              									eine Oxydation, wie man sonst auch die Sache drehen und wenden mag. S. 169 heiſst
                              									es: „In absolut gar keiner Uebereinstimmung mit der Bildungsweise und den durch
                                 										die Analyse erhaltenen Werthen des Ultramarinweiſs steht die kürzlich von Lehmann aufgestellte Formel.“ Ich sage aber
                              									über die Formel von Weiſs und Grün: „Diese beiden Formeln sind hypothetisch. Das
                                 										Weiſs und Grün der Technik enthält einen Ueberschuſs von Na2O und Al2Si2O7.“ Sieht man dann die von mir selbst
                              									gegebene Zusammenstellung des Grüns von R. Hoffmann und
                              									des sich aus meiner Formel ergebenden Grüns an, so sieht man, daſs ich selbst diesen
                              										Ueberschuſs von 34,14 Proc. wohl gekannt habe.
                              									Ebenso habe ich wohl gewuſst, daſs dieser Ueberschuſs sich beim Weiſs von R. Hoffmann (ebenso zusammengesetzt wie das Weiſs von
                              										Rickmann) und dem Weiſs nach meiner Formel noch
                              									gröſser stellt. Von diesem Ueberschuſs sagte ich dann weiter: „Derselbe ist nach
                                 										der Ansicht des Verfassers zwar als eine Verunreinigung von Weiſs und Grün zu
                                 										betrachten, aber für die Ueberführung beider in Blau wichtig.“ (Dies haben
                              									Diejenigen, welche Auszüge aus meiner Arbeit gegeben haben, meist nicht
                              									berücksichtigt.) Es können darum allerdings die von mir früher gegebenen Formeln von
                              									Weiſs und Grün nicht in Uebereinstimmung mit den durch die Analyse erhaltenen Werthe
                              									stehen. – Nachdem ich jetzt das bei der Bläuung austretende Natrium mit
                              									berücksichtigt habe, ist der früher angenommene Ueberschuſs fortgefallen.
                           S. 173 heiſst es ferner: „Nach Lehmanns Erklärung würde die schweflige Säure nur bei gleichzeitiger
                                 										Anwesenheit von Sauerstoff bläuend wirken.“ Ich sagte aber: „Beim Studium
                                 										der Bläuung von Grün zeigte es sich, daſs sowohl Luft als Schwefligsäuregas (aus
                                 										Kupfer und concentrirter H2SO4), letzteres unter Abscheidung von Schwefel,
                                 										eigentlich nur recht langsam wirken.“ – Verfassser hielt eben SO2 selbst für ein Oxydationsmittel; er befindet sich
                              									dabei im Ganzen in Uebereinstimmung mit Ritter, welcher
                              									im J. 1860 aus zahlreichen Versuchen die Gleichung: 2SO2 + Na2S = 2S + Na2SO4 oder genauer:
                              										2SO2 + 2Na2S =
                              										Na2SO4 + S +
                              										Na2S2
                              									herleitet.
                           S. 173: „Wie läſst sich ferner nach Lehmann's Hypothese die bläuende Wirkung der gasförmigen
                                 										Chlorwasserstoffsäure erklären? Bei derselben ist sowohl die Gegenwart von
                                 										Sauerstoff wie von Natriumoxyd, welches auch eine Rolle beim Bläuungsproceſs
                                 										spielen soll, ausgeschlossen.“ Darauf antworte ich: 1) Die Gegenwart von Na2O ist nur darum ausgeschlossen, weil Rickmann den Ueberschuſs
                              									übersehen hat. 2) An die Mitwirkung von Sauerstoff beim Bläuungsproceſs würde heute
                              									Niemand denken, der sich mit Rickmann über den
                              									merkwürdigen Uebergang von Sα in Sβ hinwegsetzt. Dieser Uebergang ist aber gerade beim
                              									Salzsäuregas von Knapp und Ebell besonders schön nachgewiesen worden.
                           Wenn man überhaupt von jeder Formel absieht, so müſste im reinen
                              									Blau nach Rickmann nur Sα,
                              									nach mir nur Sβ vorhanden sein. Was spricht nun in Rickmann's Arbeit für seine Hypothese? Es ist: 1) der
                              									eine Bläuungsversuch auf S. 170, nach welchem beim Uebergang von Weiſs in Blau sich
                              									bei bedeutendem Natronaustritt Sa nicht wesentlich vermindert hat; 2) die Angabe auf
                              									S. 176 oben, es entstehe beim Glühen eines Gemenges von Thon und Natriummonosulfid
                              									direct Ultramarinblau. – Beides steht aber in geradem Widerspruch zu den Angaben von
                              										Knapp und Ebell.
                           Wie sich nun meine eigenen Ansichten zu den Bläuungsversuchen von
                              										Knapp und Ebell
                              									stellen, habe ich oben hinlänglich aus einander gesetzt.
                           Berlin, Juli 1879.