| Titel: | Ueber die verschiedenen Anilinschwarz-Farbstoffe; von Justus Wolff. | 
| Autor: | Justus Wolff | 
| Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 417 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber die verschiedenen Anilinschwarz-Farbstoffe;
                           								von Justus Wolff.
                        (Schluſs der Abhandlung S. 325 dieses
                           								Bandes.)
                        Wolff, über die verschiedenen Anilinschwarz-Farbstoffe.
                        
                     
                        
                           Die Nigrosingruppe ist die dritte Gruppe von Anilinschwarz. Das
                              									von mir entdeckte Nigrosin wurde seit dem J. 1863 in Mengen fabricirt und verkauft
                              									und ist in England, Frankreich und Nordamerika patentirt.  Es wurde zum Grau- und
                              									Schwarzfärben von Wolle, Seide und Leder besonders in Deutschland benutzt. Eine
                              									groſse Färberei verwendete gröſsere Posten, um seidene Sonnenschirme silbergrau zu
                              									färben – ein Beweis, daſs es der Wirkung von Licht und Luft in nicht geringem Grade
                              									widersteht. Ebenso wurde seine alkoholische Lösung in Verbindung mit gewissen Harzen
                              									und Oelen als schwarzer Firniſs benutzt. Das erste Nigrosin wurde im J. 1863 durch
                              									Erhitzen einer Mischung von 44 Th. Anilin (für Blau), 20 Th. krystallisirtem
                              									Zinnchlorür und 11 Th. Nitrobenzol in den ersten 4 Stunden auf 190° und nach dieser
                              									Zeit so lange (gewöhnlich 9 bis 12 Stunden) auf 220 bis 240°, bis eine gezogene
                              									Probe kochendem Wasser eine gelbe Färbung mittheilte, dargestellt. Sobald dieser
                              									Punkt erreicht war, wurde das unveränderte Anilin (begleitet von etwas Diphenylamin)
                              									mit offenem Dampfe abgetrieben, die Masse von der durch Condensation des Dampfes
                              									entstandenen Flüssigkeit getrennt, getrocknet, gepulvert und als Nigrosin verkauft.
                              									Ich fand sehr bald, daſs auch andere Metallsalze als Zinnchlorür in dieser Mischung
                              									Nigrosin erzeugen, und sogar, daſs die Metallsalze durch Säuren, besonders
                              									Salzsäure, ersetzt werden können, so daſs eine Mischung von Anilinsalz und
                              									Nitrobenzol allein schon Nigrosin erzeugt. Zum Schlüsse gelangend, daſs in dieser
                              									Mischung das Nitrobenzol als oxydirender Körper wirke, ersetzte ich dasselbe durch
                              									andere oxydirende Substanzen, z.B. Arsensäure, welche mit Anilinsalz in passenden
                              									Verhältnissen ebenso ein gutes Nigrosin liefert. Auch Deshydrogenatoren wie Chlorgas
                              									u.a. sind im Stande, unter passenden Verhältnissen mit Anilin Nigrosin zu erzeugen.
                              									Ausgehend von den gerade angegebenen Thatsachen finden wir, daſs in der ersten
                              									Periode des Processes eine Entziehung von Wasserstoff in dem Anilin und
                              									folgendermaſsen Condensation stattfindet, d.h. daſs zuerst Violanilin gebildet
                              									wird:
                           3(C6H3NH2) – 6H = NH.C6H4.C6H4.NH.C6H4.NH
                           3 Anilin – 6 Wasserstoff = Violanilin.
                           Die Mengenverhältnisse in den Nigrosin erzeugenden Mischungen
                              									sind aber derartig, daſs, nachdem der Deshydrogenator verbraucht ist, eine Mischung
                              									von Violanilinsalz mit Anilinsalz zurückbleibt. Bei fernerem Erhitzen dieser
                              									Mischung auf 220 bis 240° sehen wir allmälige Veränderungen in der Farbe der
                              									Schmelze vor sich gehen von Violettblau in Dunkelblau und zuletzt in
                              									Grünlichschwarz, während sich Ammoniak bildet. Wenn man reines Violanilin oder
                              									dessen salzsaure Verbindung mit Anilinsalz oder einer Mischung von Anilinsalz und
                              									Anilin auf 220 bis 240° hinreichend lange erhitzt, bildet sich Nigrosin nebst
                              									Ammoniak. Ebenso entsteht Nigrosin (aber ohne Ammoniak) bei hinreichend langem
                              									Erhitzen von Triphenylviolanilin oder alkohollöslichem Indulin auf 220 bis 240°.
                           Reines Nigrosin wird folgendermaſsen dargestellt: Eine Mischung
                              									von 22 Th Anilinsalz (aus chemisch reinem Anilin dargestellt) mit 12 Th.
                              									syrupartiger Arsensäure
                              									(70 Proc. trockne Säure enthaltend) wird in einem emaillirten oder gläsernen Gefäſse
                              									unter Umrühren etwa 4 bis 5 Stunden lang auf 190° erhitzt. Nach Verlauf dieser Zeit
                              									wird die Temperatur auf 220 bis 240° erhöht und darauf erhalten, bis eine gezogene
                              									Probe sich in neutralem kochendem Wasser mit rein gelblicher Färbung löst. Hierauf
                              									wird so viel Natronlauge unter Umrühren zugegeben, daſs alle Säuren in der Schmelze
                              									neutralisirt werden, und das dadurch in Freiheit gesetzte unveränderte Anilin (mit
                              									etwas Diphenylamin) vollständig durch Dampf abgetrieben.
                           Die zurückbleibende Nigrosinbase wird von der überstehenden Lösung
                              									getrennt, wiederholt gewaschen, gepulvert und mit Wasser, welches etwas mehr
                              									Salzsäure enthält, als zur vollständigen Neutralisation der Nigrosinbase nöthig ist,
                              									so lange gekocht, bis beinahe alles gelöst ist. Die dadurch erhaltenen filtrirten
                              									Lösungen werden mit Kochsalz versetzt, wodurch der Farbstoff niedergeschlagen wird.
                              									Nach dem Erkalten wird derselbe auf Filter gesammelt, gewaschen, wiederum in schwach
                              									angesäuertem kochendem Wasser gelöst und dann mit Salz niedergeschlagen.
                           Der so erhaltene Farbstoff wird mehrere Male in destillirtem
                              									Wasser gelöst, die Lösung filtrirt und erkalten gelassen; der durch Erkalten
                              									ausgeschiedene Farbstoff stellt reines Nigrosin dar. Wenn die Reaction sorgfältig
                              									geleitet wird, dann löst sich die Nigrosinbase nach vollständiger Neutralisation mit
                              									Salzsäure in mit Salzsäure schwach angesäuertem kochendem Wasser (nach mehrstündigem
                              									Kochen) beinahe vollständig.
                           Das aus chemisch reinem Anilin erhaltene Nigrosin ist ein tiefblauer Farbstoff,
                              									während solches aus Anilin, welches Toluidin, wenn auch in geringen Mengen, enthält,
                              									schwarze Farbstoffe darstellt. Je mehr Toluidin im Anilin enthalten ist, um so
                              									schwärzer und dann brauner wird das durch diese Mischung erzeugte Nigrosin. Die
                              									quantitative Analyse des reinen Nigrosins lieferte folgende Resultate:
                           100g neutrales tiefblaues
                              									Nigrosin (mit kupferigem Reflex), 17 Stunden lang bei 130° getrocknet, enthalten
                              										7g,2886 Salzsäure.
                           Das mittlere Resultat von 4 Elementaranalysen der 12 Stunden lang
                              									bei 130° getrockneten Nigrosinbase (von tiefblauem Nigrosin) zeigt, daſs sie aus
                              									86,369 Proc. Kohlenstoff, 5,387 Proc. Wasserstoff und 8,41 Proc. Stickstoff
                              									zusammengesetzt ist, das zusammengestellt mit dem Molecularäquivalent derselben der
                              									Formel C36H27N3 am nächsten kommt, welch letztere auch diejenige
                              									für Triphenylviolanilin ist.
                           Wir haben es hier daher mit der Umwandlung einer chemischen Verbindung in einen
                              									derselben isomeren Körper zu thun. Indem man das Triphenylviolanilin der trockenen
                              									Destillation unterwirft, erhält man Diphenylamin nebst Anilin, während die
                              									Nigrosinbase, demselben Processe unterworfen, Zersetzungsproducte liefert, die zur
                              									Di- und Triphenylendiamingruppe gehören. Diese Reactionen erlauben den Schluſs,
                              									daſs, während in dem Triphenylviolanilin die mit den Stickstoffen in den Annexen: –
                              									N – H direct verbundenen Wasserstoffe durch den Nucleus Phenyl des Anilins
                              									substituirt sind, im Nigrosin diese Substitution in dem Nucleus: – C6H4 – stattgefunden
                              									hat, daſs also die Umwandlung des Triphenylviolanilins in Nigrosin das Resultat
                              									einer intramolecularen Transposition ist:
                           NC6H5.C6H4.C6H4.NC6H5.C6H4.C6H5NHCl
                              									=
                           Triphenylviolanilinsalz =
                           NH.C6H3C6H5.C6H3C6H5.NH.C6H3C6H5.NHHCl
                           Nigrosin.
                           
                           Eine analoge Reaction ist die von A. W. Hofmann
                              									veröffentlichte Umwandlung des salzsauren Methylanilins in salzsaures Toluidin durch
                              									12stündiges Erhitzen des ersteren auf 230 bis 250°: C6H5.NHCH3HCl = C6H4CH3.NH2HCl.
                           Die Entstehung von Nigrosin aus Violanilin geht folgendermaſsen vor sich:
                           NH.C6H4.C6H4NH.C6H4.NHHCl + 3C6H5NHHCl =
                           1 Violanilin + 3 Anilinsalz =
                           NH.C6H3C6H5.C6H3C6H5.NH.C6H3C6H5.NHHCl + 3NH4Cl
                           Nigrosin + 3 Chlorammonium.
                           Die Bildung von Nigrosin direct aus Anilinsalz mittels eines
                              									Deshydrogenators geht dagegen folgender Weise vor sich:
                           
                              
                                 6 Anilinsalz – 6 Wasserstoff
                                 =
                                 1 Violanilinsalz + 3 Anilinsalz
                                 
                              
                                 1 Violanilinsalz + 3 Anilinsalz
                                 
                                    =
                                    
                                 1 Nigrosin + 3 Chlorammonium.
                                 
                              
                           Bei der Entstehung von Indulin (Triphenylviolanilin) sowohl, als auch bei derjenigen
                              									von Nigrosin findet Phenylsubstitution statt. Im ersten Falle wirkt der Stickstoff
                              									des Anilins mit 3 Wertigkeiten, während im Violanilin zwei Stickstoffe dreiwerthig
                              									und ein Stickstoff in Verbindung mit einer organischen Säure fünfwerthig ist; diese
                              									Verbindung zersetzt sich in Gegenwart von Anilin im Ueberschusse bei einer
                              									Temperatur von 140 bis 160°, und gleichzeitig mit der Umwandlung der Werthigkeit von
                              									fünf zu drei wird dieser Stickstoffappendix der Wirkung des Anilins ausgesetzt,
                              									welches darin den Wasserstoff durch Phenyl substituirt und Ammoniak bildet. Nachdem
                              									dies geschehen ist, werden die anderen Stickstoffappendices in derselben Weise
                              									verändert: – NH – und C6H5.NH2 = NC6H5 – und NH3 –. In der Nigrosin-Reaction wirkt der Stickstoff des Anilins und ein
                              									Stickstoff des Violanilins fünfwerthig in Verbindung mit einer unorganischen Säure.
                              									Dieselben zersetzen sich nur bei höherer Temperatur, und bevor dieselbe erreicht
                              									ist, werden die Nuclei: – C6H4 – des Violanilins und Anilins einer gegenseitigen
                              									Reaction auf einander ausgesetzt und Substitution findet in den Violanilin-Nuclei's
                              									statt unter Bildung von Ammoniak:
                           – C6H4 – NHHCl – und C6H5 – NH2HCl = – C6H3.C6H5 – NHHCl und
                              										NH4Cl.
                           Die Umwandlung des Triphenylviolanilinsalzes in Nigrosin ist gleichfalls durch die
                              									fünfwerthige Wirkung des Stickstoffes verursacht:
                           – C6H4 – NC6H5HCl = – C6H3.C6H5 –
                              									NHHCl.
                           Dasselbe gilt von Triphenylmauvanilin, welches durch Erhitzen
                              									mit Anilinsalz auf 230 bis 240° in braunschwarzes Nigrosin übergeführt wird.
                           Bei der Darstellung des löslichen Nigrosins entstehen unlösliche Nigrosine in
                              									gröſserer oder geringerer Menge, welche durch Erhitzen mit Anilinsalz in lösliches
                              									Nigrosin übergeführt werden. Diese unlöslichen Nigrosine sind unvollständig
                              									substituirte Molecüle und haben folgende Constitution:
                           
                           Erstes unlösliches Nigrosin NH.C6H4.C6H4.NH.C6H3C6H5.NHHCl.
                           Zweites unlösliches Nigrosin NH.C6H3C6H5.C6H3C6H5.NH.C6H4.NHHCl.
                           In der Bildung von De Laire's
                              									Anilinbraun durch Erhitzen von Anilinblau (Triphenylrosanilin) mit Anilinsalz auf
                              									220 bis 240° haben wir ganz analoge Processe, wie auch in der Darstellung desselben
                              									Anilinbrauns durch Erhitzen von Fuchsin mit Anilinsalz und durch Einwirkung
                              									passender oxydirender Körper auf ein überschüssiges Gemenge von einem Molecül
                              									Anilinsalz und zwei Molecülen Toluidinsalz und verlängerte Einwirkung einer
                              									Temperatur von 230 bis 240°. Hier haben wir also eine ganz neue Reihe von
                              									Farbstoffen, nämlich solche, welche einfach durch intramoleculare Transposition aus
                              									anderen Farbstoffen erhalten werden können.
                           Man kann annehmen, daſs noch viel mehr Fälle von intramolecularer Transposition
                              									vorkommen, von welchen viele auf ähnliche Art wie die oben beschriebenen verursacht
                              									sein werden, so daſs wir zu folgender Verallgemeinerung der oben angegebenen Fälle
                              									gelangen:
                           
                              1) Indem man einen oder mehrere Theile eines Molecüles
                                 										veranlaſst, zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Werthigkeiten auf die
                                 										anderen Bestandtheile zu wirken, können verschiedenartig construirte aber
                                 										isomere Molecüle entstehen.
                              2) Indem man einen oder mehrere Theile eines Molecüles
                                 										veranlaſst, mit einer Werthigkeit zu wirken, die verschieden ist von derjenigen,
                                 										unter welcher das ursprüngliche Molecül entstand, kann das letztere in ein
                                 										isomeres Molecül (mit verschiedener Stellung seiner Theile) übergehen, d.h.
                                 										intramoleculare Transposition stattfinden.
                              
                           Das reine blaue Nigrosin, dessen Darstellung aus chemisch reinem Anilin oben
                              									beschrieben ist, löst sich in neutralem Wasser mit dunkelblauer Farbe, welche durch
                              									Zugabe von Säuren (Salzsäure) schöner und heller wird. Seine Lösungen in
                              									angesäuertem Wasser besitzen starke blutrothe Fluorescens, welche durch Säurezugabe
                              									verstärkt wird, und alle blauen und schwarzen Nigrosine besitzen dieselbe in höherem
                              									oder geringerem Grade. Dieselbe ist manchmal so auffallend, daſs eine saure Lösung
                              									davon, die so schwach ist, daſs beim Durchsehen durch dieselbe kaum eine Färbung
                              									wahrgenommen werden kann, bei auffallendem Sonnenlichte vor einem schwarzen Grunde
                              									den Anschein hat, als ob kleine Theilchen metallischen Kupfers in der Flüssigkeit
                              									schwebten und sich herumbewegten.
                           Die schwach angesäuerten Lösungen färben bei etwa 80° Wolle, Seide Baumwolle,
                              									Rheafaser und andere Stoffe blau; der Farbstoff geht dabei sehr langsam an die
                              									Faser, besonders an Seide und Wolle; je mehr Säure zum Bade zugesetzt ist, um so
                              									langsamer geht das Nigrosin an die Faser. Ist das Bad stark genug, so kann man
                              									Seide, Wolle, Rhea- und manch andere Fasern schön blauschwarz (welches Luft, Licht
                              									und Seife, nicht aber dem Walkproceſs widersteht) in 1 bis 1½ Stunden färben, und da der Farbstoff
                              									sehr langsam angeht, so fallen die Färbungen äuſserst gleichförmig und ohne alle
                              									Flecken aus.
                           Baumwolle echt schwarz damit zu färben, ist bis jetzt
                              									nicht gelungen; aber es steht zu erwarten, daſs es doch noch möglich sein wird, wenn
                              									nur einmal die richtige Beize und das richtige Verfahren gefunden ist.
                           Das blaue, Nigrosin in Verein mit gelben Farbstoffen färbt ein gutes, echtes Grün auf
                              									Wolle und Seide. Die schwarzen Nigrosine färben grau und schwarz unter denselben
                              									Bedingungen, welche für die blauen Nigrosine angegeben sind.
                           Die folgenden Mischungen, in derselben Weise behandelt, wie diejenige von Anilinsalz
                              									und Arsensäure, erzeugen verschiedene Nüancen von blauem und schwarzem Nigrosin.
                           60 Th. Anilinsalz (von chemisch reinem Anilin) und 10 Th. chemisch
                              									reines Nitrobenzol liefern ein sehr dunkelblau färbendes Nigrosin.
                           60 Th. Anilinsalz (von chemisch reinem Anilin), 10 Th. chemisch
                              									reines Nitrobenzol und 1 Th. Kupferchlorid oder Chlorür (oder andere passende
                              									Metallverbindungen) liefern ein sehr schönes, tiefblauschwarz färbendes
                              									Nigrosin.
                           60 Th. Anilinsalz (enthaltend 2 Proc. Toluidinsalz) und 10 Th.
                              									Nitrobenzol (aus Benzol dargestellt, welches 2 Proc. Toluol enthält) liefern ein
                              									gutes, blau nüancirt schwarz färbendes Nigrosin, welches durch Zugabe von Kupfer-
                              									und gewissen anderen metallischen Verbindungen zur ursprünglichen Mischung bedeutend
                              									dunkler wird.
                           Bei Anwendung von Nitrobenzol zur Darstellung von Nigrosin werden gröſsere Mengen von
                              									Nebenproducten gebildet, als bei Anwendung der meisten anderen oxydirenden Stoffe;
                              									diese Nebenproducte stammen von Zwischenproducten der Zersetzung des Nigrosins ab.
                              									Durch Vergröſserung der Menge von Toluidin in der Mischung erhält man Nuancen, die
                              									mehr und mehr in tiefschwarz und dann in braunschwarz übergehen. Alle diese Nuancen
                              									werden tiefer und dunkler bei Zusatz von geringen Mengen von Kupfer und gewissen
                              									anderen Metallsalzen zur ursprünglichen Mischung.
                           Die Fabrikation der verschiedenen blauen und schwarzen Nigrosine erfordert viel
                              									Erfahrung und Uebung, welche am besten durch praktische Belehrung gegeben werden
                              									kann, damit man die gröſste Menge wasserlöslichen Nigrosins erhält, da sich sonst
                              									ein sehr groſser Theil unlöslicher Nebenproducte ergibt.
                           Alle blauen und schwarzen Nigrosine lösen sich ein wenig in kochendem schwach
                              									alkalischem Wasser; sie lösen sich besonders im basischen Zustande leicht in Benzol,
                              									Petroleum und gewissen Oelen mit schöner Purpurfarbe und wenn sauer mit blauer
                              									Farbe. Oxydirende Körper verwandeln die schwarzen und blauen Nigrosine in trübes
                              									Rothviolett (besonders die hellen Schattirungen auf der Faser). Reducirende Mittel
                              									entfärben dieselben, indem sich Leuconigrosine bilden.
                           Aeuſserst merkwürdig ist das Verhalten der blauen und schwarzen Nigrosine zu
                              									Salpetersäure, welche wenn auch noch so stark (1,5 sp. G.) die schwarze Färbung auf
                              									der Faser kaum verändert, höchstens in ein ganz dunkles Grünschwarz überführt, das nach Auswaschen
                              									der Säure die ursprüngliche schwarze Färbung hinterläſst. Durch diesen Widerstand
                              									gegen die Einwirkung von starker Salpetersäure zeichnen sich die blauschwarzen und
                              									schwarzen Färbungen von Nigrosin vor allen andern aus und können dadurch
                              									nachgewiesen und erkannt werden. Die Lösungen der blauen und schwarzen Nigrosine
                              									werden grün mit Säuren, während Lightfoot-Schwarzdruck ebenfalls mit Säuren grün
                              									wird. Ferner haben die beiden Gruppen mit einander gemein, daſs bei deren Entstehung
                              									ihre Stickstoffe fünfwerthig wirken, da beide in Gegenwart von Säuren erzeugt sind,
                              									und daſs sie durch Gegenwart von Toluidin und Kupfer oder anderen Metallsalzen bei
                              									ihrer Entstehung dunkler werden. Es ist sehr leicht möglich, daſs auch die chemische
                              									Constitution dieser beiden Gruppen einige typische Aehnlichkeit hat, und dies
                              									bestärkt mich in der Ansicht, die von mir gegebenen Constitutionsformeln III, IV und
                              									V für Lightfoot-Schwarz als die wahrscheinlicheren anzunehmen, welche zeigen, daſs
                              									die Nigrosine mit denselben eine Nucleussubstitution gemein haben. Die Differenz in
                              									diesen Substitutionen ist folgende: In Lightfoot-Schwarz – C6H4C6H4 – und in
                              									Nigrosin – C6H3C6H5 –.
                           Nigrosin kann auch zum Schwarzdruck in verschiedener Weise benutzt werden, entweder
                              									dessen Lösung in Anilin oder Glycerin. Die Wasser löslichen und unlöslichen
                              									Nigrosine können durch Schwefelsäure in die- verschiedenen Sulfosäuren und deren
                              									Salze übergeführt werden, wie oben mit Triphenylviolanilin beschrieben wurde.
                           Der Preis des Nigrosins ist noch nicht so niedrig, daſs es mit den billigeren
                              									schwarzen Farbstoffen concurriren kann; aber die Schönheit seiner Färbungen, seine
                              									Widerstandsfähigkeit gegen Luft, Licht, und Seife, sowie seine leichte und einfache
                              									Anwendung sichern demselben einen Markt, besonders zum Färben von Seide, von
                              									kostbareren Wollstoffen und Rheafaser. Es ist besonders zum Schwarzfärben der Seide
                              									geeignet, da es deren Glanz nicht beeinträchtigt und ihr Gewicht nicht beträchtlich
                              									vermehrt, und kann dem betrügerischen Erschweren der Seide nach und nach Einhalt
                              									thun.
                           Es ist wirklich hohe Zeit, diesen häſslichen Gebrauch, mittels
                              									dessen die unübertreffliche Dauerhaftigkeit und Stärke der Seidenfaser auf weniger
                              									als den hundertsten Theil (durch die zerstörende Wirkung der zum Erschweren
                              									benutzten Materialien auf die Seidenfaser) reducirt wird, aufzugeben. Das Publicum
                              									zahlt den vollen Preis der Seide für ein Material, welches nur ein Drittel derselben
                              									enthält, während die andern zwei Drittel aus Stoffen bestehen, die werthlos im
                              									Vergleich zu Seide sind und diese zerstören. Ich kenne englische Fabrikanten, welche
                              									ihre Seide nach Frankreich schicken, um sie dort schwarz färben zu lassen, und zum
                              									Weiterverarbeiten wieder zurückgesendet erhalten. Der Grund einer solchen
                              									scheinbaren Ungereimtheit ist einfach der, daſs man in Frankreich die Seide im
                              									Schwarzfärbeprozesse viel mehr zu erschweren versteht als hier und solche schwarze
                              									Seide daher billiger zu stehen kommt als die hier in England gefärbte, sogar nach
                              									Abzug der Fracht nach Frankreich und zurück. Das Resultat eines solchen Verfahrens
                              									ist ein prachtvoll schwarzer Seidenstoff, der sich in den Händen des Käufers mit magischer
                              									Schnelligkeit in Lumpen verwandelt, Obgleich schon sehr viel von gewichtiger Seite
                              									gegen diesen zu Tag liegenden Betrug gekämpft wurde, so wird es doch nicht eher von
                              									Erfolg sein, als bis zahlreiche Analysen von schwarzen Seidenstoffen ausgeführt und
                              									mit den Namen der dieselben erzeugenden und verkaufenden Firmen veröffentlicht sind,
                              									und es wäre ein verdienstvolles Unternehmen, in solcher Weise einen Kreuzzug gegen
                              									derartige Vergehen zu organisiren.
                           Wigan in England, Juli 1879.