| Titel: | Ueber den Ultramarin. Zweite Abtheilung von Dr. Knapp in Braunschweig. | 
| Autor: | Knapp | 
| Fundstelle: | Band 233, Jahrgang 1879, S. 479 | 
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                        Ueber den Ultramarin. Zweite Abtheilung von Dr.
                           									Knapp in
                           									Braunschweig.
                        Knapp, über den Ultramarin.
                        
                     
                        
                           Die von mir in Gemeinschaft mit Dr. P. EbellDr. Ebell hat sich inzwischen einem anderen
                                    											Berufskreis gewidmet und ist dadurch genöthigt gewesen, aus der Betheiligung
                                    											an obiger Untersuchung auszuscheiden. veröffentlichte erste
                              									Abtheilung der Untersuchung über Ultramarin (vgl. 1878 229 69. 173) hatte zur Aufgabe eine möglichst vollständige Aufstellung der
                              									Erscheinungen, welche bei der Bildung von Ultramarinmutter und ihrer Umwandlung in
                              									Blau auftreten; eine Aufstellung mit Ausschlieſsung aller Hypothesen und
                              									Conjecturen, lediglich dem Thatsachenbestande nach.
                           Die zweite Abtheilung beschäftigt sich zunächst mit einer Reihe von Fällen, die mit
                              									dem Ultramarin zwar nicht unmittelbar zusammenhängend, doch hinsichtlich der ihnen
                              									gemeinschaftlichen Erscheinung Momente enthalten von mehr oder weniger Bedeutung für
                              									die Erkenntniſs der Natur jenes Farbenkörpers, also auch für den Kreis dieser
                              									Studien. Die meisten der hierher gehörigen Fälle sind längst bekannt, andere bisher
                              									nicht beobachtet, aber gerade von besonderem Interesse. Die allen Fällen gemeinsame
                              									Erscheinung ist das Auftreten einer dem Ultramarin sehr ähnlichen, oder ihm
                              									gleichen, auch in der Entstehung mehr oder weniger verwandten oder analogen blauen
                              									Färbung. Es sind die folgenden.
                           Dressel beobachtete (Leonhardt:
                                 										Neues Jahrbuch für Mineralogie und Geologie, 1875 Heft 1), daſs
                              									Noseanbomben zwischen brennenden Steinkohlen eine zuweilen ins Grüne gehende, meist
                              									reinblaue Farbe annehmen. Der Nosean ist ein Gemenge von Hauyin und Sodalith.
                              									Hauyin, im Platintiegel auf Rothglut erhitzt, färbte sich durch Eintragen eine
                              									Messerspitze voll Schwefelblumen in den Tiegel schön himmelblau. – Die Wiederholung
                              									des Versuches von Dressel, den er zur Erkennung des
                              									Minerals vorschlägt, mit einem Gestein mit eingesprengten kleinen Hauyinkrystallen,
                              									bestätigte vollkommen seine Angabe.
                           Eine andere merkwürdige Erscheinung ist hier in Braunschweig bei Gelegenheit einer
                              									Untersuchung über das Gelbfärben des Glases mit Schwefelnatrium beobachtet worden.
                              									Man schmolz im Porzellantiegel über dem Gebläse gewöhnlichen entwässerten Borax und
                              									trug in das geschmolzene Borat unter Umrühren Natriumschwefelleber in erbsengroſsen
                              									Stücken ein. Der Fluſs nahm (wie bei gewöhnlichen Kieselsäuregläsern) eine gelbe,
                              									bei weiterem Zusatz von Schwefelleber eine intensiv rothbraune Farbe an; eine
                              									erkaltete Probe davon erschien vollkommen durchsichtig. Als man nun dem so
                              									erhaltenen Fluſs bei fortgesetztem Schmelzen und Umrühren entwässerte und gepulverte Borsäure allmälig
                              									zusetzte, so offenbarte sich eine auffallende Aenderung der Farbe. Mit der Aufnahme
                              									der ersten Antheile Borsäure in den Fluſs dunkelte die Farbe stark und ging ins
                              									Dunkelbraune, dann mit den weiteren Zusätzen ins Schwarzbraun und sehr bald ins
                              									völlig Schwarze über. In diesem Stadium erschien eine aus dem Tiegel genommene Probe
                              									nach dem Erkalten unter dem Mikroskop in dünnen Splittern als ein farbloses Glas,
                              									durchsetzt mit einem fein zertheilten trübenden Körper. Im durchfallenden Licht ist
                              									dieser letztere von tief schwarzer Farbe, also völlig undurchsichtig: im
                              									auffallenden Lichte von fahler Farbe und schwachem Metallglanz. Hält man das
                              									Boraxglas über das Eintreten der schwarzen Farbe noch einige Zeit im Fluſs, so hellt
                              									es sich auf und geht unter Verschwinden des schwarzen trübenden Körpers in ein
                              									schönes blaues, völlig durchsichtiges Glas über. Die Farbe sticht (ganz wie der
                              									Ultramarin aus Soda) ins Violette, ist aber weniger tief. Sie ist auch im Erkalten
                              									beständig und hat sich bis jetzt in über 2 Jahre alten Proben unverändert erhalten.
                              									In höheren Hitzegraden, gegen die Weiſsglut hin, wird das Boraxglas wieder schwarz,
                              									zuletzt nochmals blau und verschwindet die Farbe dann vollkommen, während
                              									fortwährend Verbrennungsproducte des Schwefels austreten. Auch der blaue Ultramarin
                              									bildet bekanntlich, bis zum Schmelzen erhitzt, ein schwarzes Glas. Dünne Splitter
                              									davon geben sich unter dem Mikroskop als ein durchsichtiges, etwas miſsfarbiges Glas
                              									zu erkennen mit zahlreichen Bläschen, in denen ein schwarzer undurchsichtiger Körper
                              									sitzt.
                           Ganz dieselbe blaue Farbe mit dem violetten Stich entwickelt sich beim Schmelzen von
                              									Rhodankalium. Bei der Temperatur seines Schmelzpunktes und noch etwas über diesen
                              									hinaus, bildet dieses leichtflüssige Salz eine dünne farblose Flüssigkeit, die bei
                              									eingetretener voller Rothglut mit einem Mal in eine durchsichtige blaue Flüssigkeit
                              									übergeht. Mit dem Erkalten wird der Fluſs noch vor dem Erstarren wieder farblos, mit
                              									gesteigerter Hitze wieder blau u.s.w., so oft man den Versuch wiederholt. Bei lange
                              									fortgesetztem Schmelzen in der Rothglut scheidet das Rhodankalium einen schwarzen
                              									Körper in spärlicher Menge ab, während die blaue Farbe verschwindet und der Fluſs
                              									nach dem Erkalten zu einem farblosen weiſsen Salzkuchen erstarrt, der nur am Boden
                              									von dem schwarzen Körper dunkelgrau gefärbt ist. Im Wasser löst sich das Salz und
                              									der schwarze Niederschlag bleibt zurück. Das durch langes Schmelzen farblos
                              									gewordene Rhodankalium wird durch bloses Erhitzen nicht wieder blau, wohl aber durch
                              									Schmelzen mit Schwefel.
                           Genau dieselben Erscheinungen wie beim Rhodankalium treten ein beim Eintragen von
                              									Schwefel in schmelzendes Cyankalium. Besser mischt man das zerriebene Cyankalium vor
                              									dem Erhitzen mit etwa ¼
                              									seines Gewichtes Schwefelblumen. Dieses Gemenge schmilzt äuſserst leicht, ungleich
                              									leichter als Cyankalium für sich. Nachdem es in Fluſs gekommen, nimmt es erst eine
                              									rothbraune, später die blaue Farbe an. Die schmelzende Masse nimmt bei wiederholtem
                              									Zusatz von Schwefel noch viel davon auf, gibt fortwährend unter Effervescenz Dämpfe
                              									von Schwefel ab, während sich jener schwarze Niederschlag, aber ungleich reichlicher
                              									als bei Rhodankalium, absondert. Mit der Bildung des schwarzen Körpers schwindet die
                              									blaue Farbe mehr oder weniger und entwickelt sich mit jedem frischen Zusatz von
                              									Schwefel aufs Neue. Läſst man die Schmelze in diesem Zustande erstarren, so bildet
                              									sie einen Kuchen, auſsen schwarz, ins Blaue ziehend, inwendig lehmfarbig, ins Grüne
                              									gehend. Beim Behandeln des Kuchens mit Wasser bleibt ein schwarzer unlöslicher
                              									Rückstand, während sich eine gelbe Lauge bildet, die bei Zusatz von Säuren Schwefel
                              									fallen läſstDas Cyankalium war käuflich und enthielt, wie alles käufliche,
                                    											Aetznatron.
                           Schon Ritter beklagt es, daſs sich die blaue Farbe des
                              									im Schmelzen überhitzten Rhodankaliums nicht fixiren läſst; man erhält in der That
                              									durch Schmelzen von Rhodankalium mit Kaolin, den Bestandtheilen des Ultramarins, mit
                              									Silicaten, nach dem Auswaschen mit Wasser immer nur ganz weiſse Rückstände. Platin –
                              									läuft allerdings von im Schmelzen überhitztem Rhodankalium blau bis blauschwarz
                              									an.
                           Für eine weitere hier einzureihende Beobachtung, die er bei einer anderweitigen
                              									Gelegenheit gemacht, bin ich Hrn. Dr. Max Müller
                              									verpflichtet. Nach seiner Mittheilung nimmt eine Lösung von weinschwefelsaurem
                              									Kalium und unterschwefligsaurem Kalium, im zugeschmolzenen Glasrohr erhitzt, eine
                              									blaue Farbe an, die beim Erkalten und Oeffnen des Rohres wieder verschwindet.Auch bei verschiedenen andern organischen Verbindungen, welche den Schwefel
                                    											als SH2 enthalten, will man unter ähnlichen
                                    											Umständen die Entwicklung der blauen Farbe beobachtet haben.
                           Wie zuerst Wähler (Annalen der
                                 										Chemie und Pharmacie, Bd. 86 S. 373) beobachtet hat, so entsteht, wenn man
                              									eine Lösung von Eisenchlorid rasch mit dem 50 bis 100 fachen Volum
                              									Schwefelwasserstoffwasser übergieſst, eine tiefblaue Färbung der Flüssigkeit. Diese
                              									Färbung besteht nur momentan, denn im nächsten Augenblick wird die Flüssigkeit
                              									milchig von abgeschiedenem Schwefel und alles ist vorüber. – Nach H. Schiff (Annalen der Chemie
                                 										und Pharmacie, Bd. 115 S. 68) verhält sich eine Lösung von Schwefelleber,
                              									zu Eisenchlorid zugesetzt, gerade so und färbt ebenso vorübergehend die Lösung blau.
                              									Setzt man dagegen umgekehrt Eisenchlorid tropfenweise zu einer Schwefelleberlösung
                              									(letztere im Ueberschuſs), so entsteht ein gelber Niederschlag, der allmälig durch
                              									Grün in reines Dunkelblau übergeht. Dieses Blau halte sich eine halbe Stunde lang
                              									und darüber, ehe es verschwindet.
                           
                           Endlich wäre an die zuerst von F. C. Vogel (Schweigger's Journal der Chemie
                                 										und Physik, Bd. 4 S. 121) gemachte Beobachtung zu erinnern, daſs
                              									Schwefelsäureanhydrid und Schwefel schon bei gewöhnlicher Temperatur auf einander
                              									wirken und Producte bilden von verschiedener Farbe, die sich nach dem
                              									Mischungsverhältniſs beider Körper richtet; ist mehr Schwefel vorhanden, als das
                              									Anhydrid aufnehmen kann, so ist die Farbe des Productes braun, bei mehr Anhydrid
                              									geht sie in Grün über, bei Ueberschuſs bildet es eine schön blaue Flüssigkeit. Nach
                              										Wach entsteht diese letztere, wenn das Anhydrid
                              									etwa das 10fache des Schwefels beträgt. In Wasser zerfällt die blaue Flüssigkeit,
                              									wie die beiden anderen, in Schwefelsäure, schweflige Säure und Schwefel; in der
                              									Hitze entwickelt sie schweflige Säure. Mit Alkalien und Erden bildet sie, unter
                              									Entwicklung desselben Gases, Sulfate. Im Lichte, namentlich im directen Sonnenlichte
                              									blaſst die blaue Verbindung ab und geht nach und nach in die braune über. – Nach Fischer ist eine Spur Feuchtigkeit für die Einwirkung
                              									des Anhydrides auf Schwefel förderlich (Poggendorff's
                              										Annalen, Bd. 16 S. 119). Auch Gemische von viel
                              									Anhydrid mit Schwefelsäurehydrat, sowie sehr starke rauchende Schwefelsäure
                              									entwickeln mit Schwefel die blaue Farbe.
                           Es wird später Gelegenheit geboten sein, auf die Einzelheiten der hier aufgezählten
                              									Erscheinungen zurückzukommen. Hier zum Schluſs nur einige allgemeine
                              									Bemerkungen:
                           In allen Fällen hängt das Auftreten der blauen Ultramarinfarbe mit Schwefel bezieh.
                              									dem Schwefelgehalte der betreffenden Verbindungen zusammen, in allen Fällen – nur
                              									den letzten etwa ausgenommen – mit einer Zersetzung dieser Verbindungen, mit einer
                              									Ausscheidung von Schwefel aus denselben, durch dieses oder jenes Reagenz oder durch
                              									Dissociation.
                           Was zunächst den Hauyin anlangt, so entspricht das Auftreten der blauen Farbe in
                              									diesem Silicat unter dem Einfluſs brennenden Schwefels ganz dem Blaubrenner der
                              									Ultramarinmutter. Jenes zeolithische Mineral besteht aus Thonerde, wenig Eisenoxyd,
                              									Kalk, Kali, verbunden mit Kieselsäure und Schwefelsäure. Es ist mit
                              									Chlorwasserstoffsäure aufschlieſsbar und entwickelt dabei (etwa 3 Proc.)
                              									Schwefelwasserstoff, enthält mithin Sulfurete, auf welche die Anhydride des
                              									verbrennenden Schwefels (Schwefligsäure- und Schwefelsäureanhydrid) bei dem Versuch
                              									von Dressel ebenso wie auf die Ultramarinmutter
                              									einwirken. – Bei dem Bläuen des Boraxflusses geht bei Farbenwandlung analog von der
                              									Einwirkung des zugesetzten Borsäureanhydrides auf die mit dem Borax
                              									zusammengeschmolzene Schwefelleber aus. – Bei dem Versuch von Wöhler, mit dem Eisenchlorid und Schwefelwasserstoff,
                              									tritt die blaue Farbe mit der Abscheidung des freien Schwefels aus dem
                              									Schwefelwasserstoff, bezieh. der Schwefelleber ein. – In den beiden folgenden Fällen, mit
                              									Rhodankalium und mit unterschweflig-saurem Kalium, scheint das Auftreten der blauen
                              									Farbe ebenfalls mit der Ausscheidung von Schwefel aus den betreffenden Verbindungen
                              									zusammenzuhängen, aber einer Ausscheidung nicht durch chemische Vorgänge, sondern
                              									durch Dissociation bedingt. Mit aufhörender Ursache (hohe Temperatur) hört auch die
                              									Erscheinung auf und der status quo ante (die farblose Verbindung) greift wieder
                              									Platz, denn es ist inzwischen kein die Rückbildung hinderndes oder störendes Moment
                              									eingetreten. Gerade dieses letztere ist aber bei den Silicaten und Boraten der Fall,
                              									wo das Natrium mit den bläuenden Anhydriden sich verbindend die Befähigung zur
                              									Rückbildung von Schwefelnatrium einbüſst. Die Erscheinung der blauen Farbe, ihr
                              									Auftreten an und für sich, scheint demnach von Silicaten und Boraten unabhängig, so
                              									wesentlich diese auch für die Erhaltung der Farbe auf die Dauer sind.
                           In der ersten Abhandlung ist in Bezug auf die Vorgänge beim Glühen der
                              									Ultramarinmischung dargelegt worden, daſs der Proceſs zuerst mit der Aufschlieſsung
                              									des Thones, sowie der Bildung von Schwefelnatrium beginnt und dann durch Einwirkung
                              									von beiden auf einander die Ultramarinmutter erfolgt. In der That erhält man
                              									Ultramarin ebenso gut, wenn man die beiden im ersten Stadium des Glühens
                              									entstehenden Körper jeden für sich darstellt und sie dann fertig gebildet auf
                              									einander wirken läſst. Der Kaolin wurde zu diesem Zweck mit kohlensaurem Natron
                              									aufgeschlossen, ausgewaschen bis zum Verschwinden der alkalischen Reaction und
                              									getrocknet. Durch rasches Zusammenreiben dieses Kaolins mit SchwefelnatriumUnter Schwefelnatrium ist im Folgenden stets das Product der
                                    											Zusammenschmelzung von kohlensaurem Natron mit Ueberschuſs von
                                    											Schwefelblumen und Zusatz von Kohle als Reductionsmittel bis zum ruhigen
                                    											Fluſs zu verstehen. Die ausgegossene, in dicht schlieſsenden Gläsern
                                    											aufbewahrte Schmelze ist also die Natronschwefelleber. in einem
                              									vorher erhitzten Mörser zu einer gleichförmigen Mischung erhält man eine leberbraune
                              									Masse, welche bei der Ultramarintemperatur einige Zeit geglüht dunkler wird, zuletzt
                              									ins Grüne umschlägt und sich leicht in Chlorwasserstoffgas blau brennt. Der Versuch
                              									bestätigt mithin die oben ausgesprochene Ansicht. Einen nicht minder klaren und
                              									deutlichen Beweis auf die Richtigkeit dieser Beobachtung und Auffassung enthält auch
                              									die oben beschriebene Blaufärbung des geschmolzenen Borax. Das gelbrothe Glas durch
                              									Eintragen von Schwefelnatrium in schmelzenden Borax entspricht der Ultramarinmutter;
                              									die Wandlung ihrer Farbe in Blau durch Borsäureanhydrid, dem Blaubrennen der
                              									Ultramarinmutter.
                           Die Blaufärbung mit geschmolzenem Borax lehrt aber noch weitere und zwar folgende
                              									wichtige Thatsachen, nämlich:
                           
                           1) Die Kieselsäure ist für zum Hervorbringen von Blau durch Borsäure ersetzbar.
                           2) Das Borat gibt ein nach der Abkühlung ebenso beständiges Blau wie das Silicat.
                           3) Das Blau des Borax ist auch im feurigen Fluſs beständig, weil sein Schmelzpunkt
                              									hinreichend niedrig liegt, um das Blau unzerstört zu lassen, während der gewöhnliche
                              									blaue Ultramarin aus dem entgegengesetzten Grunde zu einer grauschwarzen Masse
                              									zusammenschmilzt.
                           4) Die Thonerde ist keine unerläſsliche Bedingung für Entwicklung und Bestand der
                              									blauen Farbe.
                           Diese letztere Thatsache legte den Gedanken nahe, daſs auch mit Silicaten ohne
                              									Thonerde die Erzeugung von Ultramarinblau möglich sein möchte. Zwar hatten frühere
                              									Versuche in dieser Bichtung (zur Zeit der in der ersten Abtheilung niedergelegten
                              									Untersuchung) zu verwirrenden Ergebnissen geführt; aber dies mochte darin liegen,
                              									daſs nicht die richtigen, für diesen besonderen Fall geltenden Bedingungen getroffen
                              									waren.
                           Eine lange Reihe von Tastversuchen im kleinen Maſsstab – im zugeschmolzenen Glasrohr
                              									und auf dem Platinblech, auf dem Bunsenbrenner und auf dem Gebläse – bestätigte
                              									obige Voraussetzung. Es ergab sich, daſs blose Kieselsäure, namentlich mit
                              									Zuhilfenahme von Wasserglas einen blauen Ultramarin liefern kann, wie dies
                              									inzwischen auch Rickmann (1879 231 365) gefunden. Es ergab sich aber auch umgekehrt, daſs blose Thonerde
                              									ohne Kieselsäure die blaue Farbe annimmt. Es ergab sich endlich, daſs auſser
                              									Kieselsäure und Thonerde noch andere Körper ganz abweichender Natur dasselbe thun.
                              									Die Versuche zur Hervorbringung des Blaus mit diesen verschiedenen Körpern gehören
                              									übrigens zu den miſslichsten und heikelsten der praktischen Chemie. So sicher wie
                              									das Gelingen von gewöhnlichem Ultramarinblau und blauem Boraxfluſs, so unsicher und
                              									so schwankenden Erfolges sind jene Versuche. Mitunter entwickelt sich die blaue
                              									Farbe mit spielender Leichtigkeit, dann in der Mehrzahl der Fälle versagt sie in
                              									Dutzenden von Versuchen. Der Erfolg hängt in der That von einer Menge verschiedener
                              									sich mehr oder weniger kreuzender. Bedingungen ab, die sich zum Gelingen
                              									gleichzeitig und jede in einem bestimmten Maſs erfüllen müssen: in erster Linie die
                              									Bereitung des Schwefelnatriums, dann das Mischungsverhältniſs der auf einander
                              									wirkenden Körper, der Grad der Aufschlieſsung und Durchdringlichkeit des zu
                              									bläuenden Körpers, Vorherrschen von Reduction oder Oxydation, endlich die
                              									Glühtemperatur und die Dauer des Versuches. Nimmt man dazu die pyrophorischen
                              									Eigenschaften vieler dieser Gemenge, sowie die nur mit dem Mikroskop zu umgehenden
                              									optischen Täuschungen, so begreift man, welche harte Probe der Geduld und Ausdauer
                              									die Verfolgung dieser Erscheinungen auferlegt.
                           
                           Die Körper neben Kieselsäure und Thonerde, deren Blaufärbung bis jetzt gelang, sind:
                              									Aluminiumborat, Calciumphosphat, Zinnoxyd. Nur bei der Kieselsäure ist etwas
                              									Wasserglas zugesetzt, die anderen sind ohne weiteren Zusatz durch bloses Glühen mit
                              									Schwefelnatrium erhalten. Kieselsäure und Thonerde sind als ausgewaschene Gallerten
                              									angewendet, die Phosphate frisch gefällt aus phosphorsaurem Natrium und den
                              									betreffenden Erdsalzen, das Zinnoxyd ebenso aus Chlorid. Neben der Sorge, die zu
                              									Grund liegenden Körper in möglichst aufgeschlossener lockerer und poröser,
                              									durchdringlicher Form herzustellen, ist die innige und gleichmäſsige Mischung mit
                              									Schwefelnatrium das zunächst Unerläſsliche. Nach dem längeren oder kürzeren Glühen
                              									erhält man eine mehr oder weniger gesinterte Masse, welche beim Auswaschen mit
                              									Wasser eine Schwefelnatrium haltige gelbe Lösung gibt und das Glühproduct je nach
                              									dem Verlauf in sehr verschiedener Beschaffenheit zurückläſst. Es erscheint im
                              									ungünstigen Fall bald farblos oder weiſs, bald schwarz, bald grau, bald braun, bald
                              									violett, bald bunt in allen diesen Farben. Im Fall des Gelingens erhält man die
                              									Rückstände blau, mitunter kaum gefärbt, dann hellblau, dann sattblau, wie
                              									Ultramarin, und nicht am seltensten tief sammtblau, fast schwarz. Mit dem Mikroskop
                              									kann man sich leicht überzeugen, daſs die miſslungenen Proben sehr häufig besser
                              									sind als ihr Ansehen und unter den anders gefärbten Körnchen mehr oder weniger
                              									zahlreiche sattblaue Körner enthalten. Manche hellblaue Glühproducte lösen sich
                              									unter dem Mikroskop in ein Gemenge von farblosen und von sattblauen Körnern auf. So
                              									erhielt ich z.B. ein Präparat aus bloser Thonerde vom reinsten besonders
                              									ansprechenden Hellblau, aus einem solchen Gemenge bestehend. Wie die Farbe, so
                              									wechselt auch die Durchsichtigkeit; viele Präparate sind im auffallenden Licht weiſs
                              									mit Stich ins Gelbgrau, im durchfallenden Licht sammtschwarz an den Kanten von
                              									blauem Schein. Andere, wie die violetten Präparate, geben sich unter dem Mikroskop
                              									wolkig trübe oder durchsichtig braun mit schwarzblauen Partien in ein und demselben
                              									Korne zu erkennen. Auch die blauen Präparate erscheinen zuweilen undurchsichtig,
                              									aber nur in Folge von starker Zerstreuung des durchgehenden Lichtes wegen
                              									Zerklüftung, unregelmäſsiger Zusammenballung u.s.w. Auch begegnet man öfter einem
                              									falschen Blau, nämlich Präparaten, die dem blosen Auge blau mit einem Stich ins
                              									Graue erscheinen. Schon unter mäſsiger Vergröſserung schwindet aber das Blau und
                              									löst sich in ein Gemenge von farblosen Partikeln mit schwarzen Punkten auf.Ein Ultramarin nach der Definition von Stein
                                    											würde unter dem Mikroskop niemals blau erscheinen. Dieses
                              									auffallende stets ins Graue gehende falsche Blau zeigen Gemische von Kieselsäure-
                              									oder Thonerdegallerte mit Schwefelnatrium regelmäſsig, schon vor dem Glühen, nach
                              									dem blosen Trocknen.
                           
                           Sämmtliche oben genannte blauen Producte (aus Kieselsäure, aus Thonerde, aus AluminiumboratEin schönes Blau erhält man auch, wenn man ein Gemisch von reducirtem Alaun (s. erste Abtheilung 1878 229 74) mit gleichen Theilen entwässerter Borsäure unter Kienruſsdecke eine Stunde lang glüht und das Glühproduct im Strom von
                                    Chlorwasserstoff erhitzt., aus Calciumphosphat und Zinnoxyd) liegen mir in echtem Blau in Form von durchsichtigen sattblauen Körnern vor, ganz wie
                              der gewöhnliche Ultramarin. Sie sind sämmtlich durch bloses Glühen mit Schwefelnatrium in einer Operation erhalten.
                           Wie man sieht, ist das Gelingen dieser blauen Producte von dem Zusammentreffen der vielfachen Bedingungen und dem richtigen
                              Maſs ihrer Erfüllung abhängig. Bei ein und demselben Versuch können diese Umstände, selbst bei dem kleinsten Maſsstab, an
                              einzelnen Stellen zu Stande kommen, an andern nicht.
                           Es mag zum Schluſs noch angeführt werden, daſs auch verschiedene Silicate sich in der beschriebenen Art mit Schwefelnatrium
                              blau färben lassen. Von fein geriebenem Porzellan war schon früher die Rede; gelungene Versuche liegen auch mit gepulvertem
                              Glas und zerriebenem Harmotom vor.
                           Weitere Beobachtungen in dieser Richtung, sowie Untersuchungen über den Zusammenhang der vorgetragenen Erscheinungen werden
                              Gegenstand der folgenden Abtheilung sein.