| Titel: | Ueber die Gewinnung von Schwefel aus Schwefligsäure und Schwefelwasserstoff; von J. Stingl und Th. Morawski. | 
| Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 134 | 
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                        Ueber die Gewinnung von Schwefel aus
                           								Schwefligsäure und Schwefelwasserstoff; von J. Stingl und Th. Morawski.
                        Stingl und Morawski, über die Gewinnung von Schwefel.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich besteht das Verfahren zur Wiedergewinnung des Schwefels aus
                              									Sodarückständen nach Schaffner und Helbig darin, daſs die frischen Rückstände mit
                              									Chlormagnesium erwärmt werden, worauf der entwickelte Schwefelwasserstoff durch Schwefligsäure
                              									unter Gegenwart einer Salzlösung in Schwefel und Wasser zersetzt wird (vgl. 1879 231 345). Während die Versuche von Gossage, Favre u.a., den aus den Sodarückständen durch
                              									Einwirkung von Kohlensäure erhitzten Wasserdampf oder Salzsäure entwickelten
                              									Schwefelwasserstoff durch Schwefligsäure zu zerlegen, an dem ungemein schwierigen
                              									Ausscheiden des Schwefels scheiterten, während ferner schon De Lucca und Ubaldini (1867 185 392) fanden, daſs diese Ausscheidung des Schwefels
                              									durch Zusatz von Seesalz sehr rasch erfolge, ist es doch das unbestrittene Verdienst
                              									von Schaffner und Helbig
                              									diese Reactionen zu einem wichtigen technischen Proceſs nutzbar gemacht zu
                              									haben.
                           Zur Untersuchung dieser Reactionen haben nun Stingl und
                              										Morawski (Journal für praktische Chemie, 1879 Bd.
                                 									20 S. 76 bis 105) Schwefelcalcium durch Glühen eines Gemenges von Gyps mit Kohle
                              									hergestellt. Durch Einwirkung verschieden concentrirter Lösungen von Chlormagnesium
                              									auf Schwefelcalcium bemerkt man bei gewöhnlicher Temperatur keine Gasentwickelung;
                              									es tritt nur ein schwacher Geruch nach Schwefelwasserstoff auf. Die Höhe der
                              									Temperatur, bei welcher energische Schwefelwasserstoff-Entwickelung stattfindet, ist
                              									abhängig von der Concentration der verwendeten Chlormagnesiumlösung, indem eine ganz
                              									concentrirte Lösung mit Schwefelcalcium bei 40 bis 45° Schwefelwasserstoff
                              									entwickelt, während eine 10procentige Lösung erst bei fast 100° zersetzt wird. Wird
                              									Schwefelcalcium mit einer concentrirten Lösung von Chlormagnesium bei 170° versetzt
                              									und umgerührt, so findet nur eine eben durch den Geruch wahrnehmbare Entwickelung
                              									von Schwefelwasserstoff statt. Die rasch abfiltrirte Lösung trübt sich beim Stehen
                              									an der Luft und scheidet einen flockigen, unter dem Mikroskop als ein Haufwerk von
                              									Körnchen erkennbaren Niederschlag ab. Dieselbe Abscheidung erfolgt auch beim
                              									Verdünnen des Filtrates mit Wasser und heftigem Schütteln. In beiden Fällen tritt
                              									keine merkliche Bildung von Schwefelwasserstoff auf. Wird dieser Niederschlag aber
                              									mit Salzsäure behandelt, so entweicht Schwefelwasserstoff und Schwefel wird
                              									ausgeschieden, – ein Beweis, daſs dieser Niederschlag ein Polysulfuret ist; da die
                              									filtrirte Flüssigkeit Chlormagnesium enthält, so scheinen diese flockigen
                              									Ausscheidungen der Verbindung Mg4S5 anzugehören: 5 MgS + H2O + O = Mg4S5 + MgO2H2. Wird diese Verbindung mit Salzsäure behandelt, so zerfällt sie in folgender
                              									Weise: Mg4S3
                              									+ 8HCl = 4MgCl2 + 4H2S + S. Wird aber das ursprüngliche Filtrat, welches
                              									Einfachschwefelmagnesium enthalten muſs, erhitzt, so entsteht kein Mg4S5, sondern es
                              									entweicht stürmisch Schwefelwasserstoff, unter Abscheidung von Magnesiumhydrat.
                              									Danach setzt sich Chlormagnesium mit Schwefelcalcium in der Kälte nach folgender
                              									Gleichung um: MgCl2 + CaS = CaCl2 + MgS. Geschieht die Umsetzung bei höherer
                              									Temperatur, wie dies auch Schaffner und Helbig vorschreiben, so zerfällt das Schwefelmagnesium
                              									sofort im Augenblick des
                              									Entstehens unter Bildung von Schwefelwasserstoff und Magnesiumhydrat: MgS + 2H2O  = MgO2H2 + H2S. Die
                              									Zersetzung wird beschleunigt, wenn der Schwefelwasserstoff durch Ventilatoren
                              									abgesaugt wird. Erwähnenswerth ist, daſs auch concentrirte Lösungen von Carnallit
                              									und Kainit das Schwefelcalcium leicht und vollständig zerlegen.
                           Daſs durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Schwefligsäure bei Gegenwart von
                              									Wasser eine Säure entstehe, beobachtete schon Dalton.
                                 										Wackenroder erkannte diese Säure als Pentathionssäure und stellte für ihre
                              									Entstehung die Gleichung auf: 5 SO2 + 5H2S = H2S3O6 + 5S + 4H2O. Die Bildung der Pentathionsäure bei der
                              									gegenseitigen Einwirkung von SO2 auf H2S wurde als der Hauptübelstand bezeichnet, wenn es
                              									galt, fabrikmäſsig nach dieser Methode Schwefel darzustellen. Einerseits sollte die
                              									entstehende Pentathionssäure den Schwefelverlust erklären; andererseits galt sie als
                              									die Ursache dafür, daſs der ausgeschiedene Schwefel sehr schwer und dann nur
                              									theilweise aus der Flüssigkeit sich absetzte.
                           Chancel und Diacon fanden
                              									entgegen Wackenroder, daſs Schwefelwasserstoff, im
                              									Ueberschusse verwendet, die Pentathionsäure wieder zersetzt (vgl. Wagner's Jahresbericht, 1867 S. 163). Nach Weldon (1877 224 319) soll
                              									beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in wässeriger Schwefligsäure keine
                              									Pentathionsäure entstehen, nach Schaffner und Helbig desgleichen nicht bei Gegenwart von Chlorcalcium
                              									und Chlormagnesium.
                           Um zunächst verdünnte Pentathionsäure darzustellen, leitet man gasförmigen
                              									Schwefelwasserstoff in eine 10procentige Lösung von Schwefligsäure, bis die
                              									Flüssigkeit schwach nach Schwefelwasserstoff riecht. Dann versetzt man dieselbe
                              									allmälig mit so viel kohlensaurem Barium, bis der Schwefel flockig abgeschieden
                              									wird, und filtrirt rasch ab, weil ein Ueberschuſs von kohlensaurem Baryt beim
                              									längeren Stehen die Pentathionsäure theilweise wieder zersetzt. Der gelöste Baryt
                              									wird dann durch verdünnte Schwefelsäure vorsichtig abgeschieden.
                           Um die Pentathionsäure neben Tetra- und Trithionsäure nachzuweisen, verwendet man die
                              									von Keſsler vorgeschlagene ammoniakalische
                              									Silberlösung. Zur Nachweisung der drei genannten Polythionsäuren ist eine klare
                              									Lösung von Bleioxydkali (K2PbO2) gut geeignet. Wird eine durch Erwärmen und
                              									Einleiten von Kohlensäure von Schwefelwasserstoff befreite Lösung der
                              									Polythionsäuren mit der Lösung von Bleioxydkali versetzt und gekocht, so entsteht
                              									ein schwarzer Niederschlag von Schwefelblei. Bei der Einwirkung von Kalilauge oder
                              									Kalkwasser wird aus den Lösungen der Pentathionsäure schon bei gewöhnlicher
                              									Temperatur unter starker Trübung der Flüssigkeit Schwefel abgeschieden, während bei
                              									Tetra- und Trithionsäure dieser Vorgang nicht stattfindet. Wird hierauf die
                              									Flüssigkeit sammt dem abgeschiedenen Schwefel gekocht, so entstehen lösliche
                              									Polysulfurete, welche durch Bleioxydkali leicht nachgewiesen werden können; ferner
                              									entwickelt die Lösung, mit Salzsäure versetzt, sogleich Schwefligsäure – ein Beweis,
                              									daſs sich schwefligsaures Kali gebildet hat, und erst nach einiger Zeit scheidet
                              									sich aus der mit Salzsäure versetzten Lösung Schwefel aus unter erneuter
                              									Entwickelung von Schwefligsäure, wodurch auch das Vorhandensein von
                              									unterschwefligsaurem Kali bewiesen ist. Bei der Einwirkung von Kalilauge auf eine
                              									Lösung von Pentathionsäure verlaufen daher folgende zwei Processe:
                           5H2S5O6 + 10KOH = 5K2S4O6 + 5S
                              									+ 10H2O und
                           5K2S4O6 + 5S + 18KOH = 7K2S2O3 + 6K2SO3 + K2S5 + 9H2O.
                           Freie Pentathionsäure wird von Chamäleon rasch oxydirt: 10H2S5O6 + 12KMnO4 = 6K2SO4 + 4MnSO4 + 8MnS4O6 + 2H2S4O6 + 8H2O. Die freie Tetrathionsäure wird ebenfalls von
                              									Chamäleon ohne Zugabe von Schwefelsäure und ohne Abscheidung eines braunen
                              									Niederschlages oxydirt, wobei trithionsaure und schwefelsaure Salze entstehen, neben
                              									freier Trithionsäure nach folgender Gleichung: 10H2S4O6 +
                              										12KMnO4 = 6K2SO4 + 4MnSO4 + 8MnS3O6 + 2H2S3O6 + 8H2O. Ist alle Penta- und Tetrathionsäure in Trithionsäure und Schwefelsäure
                              									verwandelt, so scheidet sich ein brauner, feinpulveriger Niederschlag aus, welcher
                              									durch viel freie Schwefelsäure allmälig gelöst wird, bis alle Trithionsäure in
                              									Schwefelsäure verwandelt ist. Somit gebrauchen 25 Mol. Pentathionsäure 36 Mol.
                              										KMnO4, um zu Trithionsäure oxydirt zu werden.
                              									Wenn man bei Gegenwart von viel freier Schwefelsäure und beim Erwärmen weiter
                              									titrirt, so wird endlich auch die Trithionsäure zu Schwefelsäure oxydirt werden, und
                              									dann kommen auf 1 Mol. H2S5O6 4 Mol. KMnO4 nach der Gleichung: H2S5O6 + 4KMnO4 + H2SO4 = 2K2SO4 + 4MnSO4 + 2H2O.
                           Unterschwefligsaures Natrium laſst sich ebenfalls mit Chamäleon sehr leicht und
                              									bequem ohne Zugabe einer Säure titriren, wobei die Verbindung Mn4KH3O10 groſsflockig abgeschieden wird nach der
                              									Gleichung: 3Na2S2O3 + 8KMnO4 + 3H2O = 3Na2SO4 + 3K2SO4 + + 2Mn4KH3O10.
                           Wird nun in eine Lösung von Pentathionsäure Schwefelwasserstoff eingeleitet, so
                              									zersetzt sie sich allmälig, aber sehr langsam, und es scheidet sich Schwefel aus;
                              									Erwärmen befördert die Zersetzung. Da keine andere gelöste Schwefelverbindung
                              									nachgewiesen werden konnte, so muſs angenommen werden, daſs die Pentathionsäure mit
                              									Schwefelwasserstoff schlieſslich in Schwefel und Wasser zerfällt. Wegen des äuſserst
                              									langsamen Verlaufes ist diese Reaction aber praktisch unbrauchbar. Neutrale Salze,
                              									wie Chlorcalcium, Chlormagnesium, Chlorkalium, Gyps wirken auf Pentathionsäure nicht
                              									ein. Dagegen geben die Carbonate der Alkalien und Erdalkalien schlieſslich dieselben
                              									Zersetzungsproducte der Pentathionsäure wie die entsprechenden Hydrate, nur
                              									langsamer; als letztes Zersetzungsproduct entstehen auch Sulfate. Wird z.B. eine Lösung von
                              									Pentathionsäure mit den Carbonaten von Kalium, Natrium oder Ammonium versetzt, so
                              									scheidet sich sogleich Schwefel aus, wobei Tetrathionsäure entsteht. Beim längeren
                              									Stehen der Flüssigkeit oder rascher beim Kochen verschwindet der ausgeschiedene
                              									Schwefel wieder und es entstehen Polysulfurete. Das gebildete tetrathionsäure Alkali
                              									zerfällt nur sehr langsam in der oben angegebenen Art. Wird ferner eine reine
                              									Pentathionsäurelösung mit gepulvertem CaCO3
                              									versetzt, so entsteht vor Allem unter Schwefelabscheidung tetrathionsaurer Kalk.
                              									Beim längeren Stehen, rascher wieder beim Erwärmen, entsteht Trithionsäure, endlich
                              									schwefelsaurer Kalk und abgeschiedener Schwefel. Wird der Versuch in der Art
                              									abgeändert, daſs man in die Masse, nachdem CaCO3 im
                              									Ueberschuſs zugegeben wurde, H2S einleitet, so wird
                              									der tetrathionsaure Kalk sogleich zerlegt, es entsteht hauptsächlich
                              									unter-schwefligsaurer Kalk. Dasselbe findet statt, wenn man bei Gegenwart von
                              									Calciumcarbonat im Ueberschuſs Schwefelwasserstoff und Schwefligsäure in wässeriger
                              									Lösung auf einander einwirken läſst. Neben tetrathionsaurem Calcium entsteht hierbei
                              									Calciumsulfhydrat, aus deren Wechselwirkung nach der Gleichung: CaS4O6 + CaS2H2 = 2CaS2O3 + S2 + H2S
                              									unterschwefligsaures Calcium und Schwefel gebildet wird. Dasselbe findet statt, wenn
                              									man Schwefelwasserstoff und Schwefligsäure bei Gegenwart von Salzlösungen oder
                              									kohlensaurem Calcium auf einander einwirken läſst; immer entsteht H2S5O6, bezieh. CaS2O3. Salzlösungen verhindern demnach die Bildung der
                              									Pentathionsäure nicht; nur durch eine lang andauernde Einwirkung von
                              									Schwefelwasserstoff im groſsen Ueberschuſs kann die Pentathionsäure weiter zersetzt
                              									werden. Da nun Schaffner und Helbig immer mit einem Ueberschuſs von Schwefligsäure arbeiten, so
                              									bekommen sie auch sicher Pentathionsäure, die aber ohne jeden Einfluſs auf die
                              									Ausscheidung des Schwefels ist.
                           Zur Feststellung des Einflusses der Pentathionsäurebildung auf das quantitative
                              									Ausbringen des Schwefels leiteten Stingl und Morawski in 250cc
                              									einer wässerigen Lösung von 2g,47 SO2 Schwefelwasserstoff, bis der Geruch nach
                              									Schwefligsäure verschwand. Zu dieser den ausgeschiedenen Schwefel in äuſserst feiner
                              									Vertheilung enthaltenden Flüssigkeit wurden nun allmälig 4cc einer Lösung von 113mg Chlorcalcium gebracht, worauf sich der Schwefel
                              									schön flockig und rasch abschied. Auf einem Filter gesammelt, wurden 3g,01 Schwefel erhalten, während die Gleichung
                              										SO2 + 2H2S =
                              										2H2O + 3S 3g,72 geben sollte, somit 80,9 Proc. Schwefel. Das klare Filtrat enthielt
                              									Pentathionsäure, trübte sich bei längerem Stehen, indem der überschüssige
                              									Schwefelwasserstoff die Pentathionsäure langsam zersetzte. Zwei andere Versuche mit
                              									starkem Ueberschuſs von Schwefelwasserstoff gaben 90 und 92,2 Proc. Schwefel. Der
                              									Verlust von 8 bis 10 Proc. Schwefel erklärt sich durch die Bildung der
                              									Pentathionsäure und den dadurch nicht zur Wirkung gelangten Schwefelwasserstoff.
                              									Andere Versuche gaben je nach der Dauer der Einwirkung 86 bis 97 Proc. Schwefel, wenn mit
                              									Chlormagnesium, Gyps, Chlorkalium und anderen neutralen Salzen gefällt wurde.
                              									Brachte man zur Lösung der Schwefligsäure zuerst die Salzlösung und leitete dann
                              									Schwefelwasserstoff ein, so schied sich der Schwefel ebenfalls flockig aus und
                              									dessen Menge betrug, wie früher, 86 bis 94 Procent des gewinnbaren Schwefels. Je
                              									länger Schwefelwasserstoff einwirkte und ein je gröſserer Zeitraum vom Einleiten bis
                              									zur Filtration verstrich, desto höher war die Ausbeute an Schwefel. Einen
                              									wesentlichen Einfluſs auf das Ausbringen des Schwefels übt die Concentration der
                              									Schwefligsäurelösung. Je concentrirter dieselbe wird, desto weniger Schwefel wird
                              									ausgeschieden, desto mehr Pentathionsäure entsteht. Man soll demnach bei der
                              									Zersetzung von Schwefelwasserstoff durch Schwefligsäure genügend Wasser anwenden.
                              									Erwähnenswerth ist noch die Thatsache, daſs die Kalium- und Bariumsalze den Schwefel
                              									in plastischer Modification, die Calcium-, Magnesium- und Natriumsalze denselben in
                              									der gewöhnlichen flockigen Form abscheiden. Die Ammonsalze fällen den Schwefel mit
                              									grauweiſser Farbe. Die klaren Filtrate vom abgeschiedenen Schwefel enthielten nach
                              									allen Versuchen, selbst wenn man sie Tage lang stehen lieſs, Pentathionsäure in
                              									gröſserer oder geringerer Menge.
                           Um das Verhältniſs zwischen H2S und SO2 festzustellen, bei welchem die gröſste Ausbeute an
                              									Schwefel erhalten wird, wurden genau titrirte Lösungen derselben gemischt; dann
                              									wurde der Schwefel durch eine Salzlösung gefällt. Nach 6 Stunden gab das Verhältniſs
                              										SO2 : 2H2S nur
                              									88,9 Proc. Schwefel, das Verhältniſs SO2 : 3H2S dagegen 91 und nach längerem Stehen 94 Proc.
                              									Immer entsteht Pentathionsäure und zwar um so mehr, je rascher man arbeitet. Als
                              									z.B. 500cc Schwefelwasserstoffwasser mit 15cc Schwefligsäurelösung gemischt wurden, der
                              									ausgeschiedene Schwefel mit Chlorbarium gefällt und rasch abfiltrirt wurde, erhielt
                              									man von dem theoretisch erforderlichen 1g,165
                              									Schwefel nur 0g,765 als solchen, 0g,35 als Schwefel der Pentathionsäure und des
                              									nicht zur Wirkung gekommenen Schwefelwasserstoffes, 9mg als SO3, zusammen also 1g,124 Schwefel. Dagegen gab ein gleicher Versuch
                              									nach 6stündigem Stehen nur 76mg Schwefel als
                              									Pentathionsäure. Weitere Versuche bestätigten, daſs bei der gegenseitigen Einwirkung
                              									von SO2 und H2S
                              									immer ein Theil des Schwefels in Form von Polythionsäuren, namentlich als
                              									Pentathionsäure, oder bei Gegenwart von Carbonaten der Alkalien und Erdalkalien als
                              									Unterschwefligsäure, im Filtrate gelöst bleibt, wenn man auch Salzlösungen zum
                              									Ausfällen des Schwefels benutzt. Das Entstehen der Pentathionsäure bildet kein
                              									Hinderniſs für die Abscheidung des Schwefels; es können bei ihrer Gegenwart 86 bis
                              									94 Proc. Schwefel bequem ausgefällt werden.
                           Zur Feststellung der Wirksamkeit der neutralen Salzlösungen bei der Ausscheidung des
                              									fein vertheilten Schwefels wurden 1l,5 Schweflig-
                              										säurelösung (29g,631 SO2) mit
                              									Schwefelwasserstoff gesättigt und je 100cc der
                              									gelben Flüssigkeit mit verschiedenen Salzlösungen gefällt, welche aus einer Bürette
                              									nur so lange zugetröpfelt wurden, bis der Schwefel in deutlichen Flocken
                              									abgeschieden war. Folgende Tabelle zeigt die erhaltenen Resultate:
                           
                              
                                 10procentigeSalzlösungen
                                 Dichte derSalzlösungen
                                 Anzahl derverbrauchtencc
                                 GefällterSchwefelg
                                 Schwefel.Procent dertheoret. Menge
                                 
                              
                                 NH4ClKClNaClMgCl2CaCl2BaCl2
                                 1,03001,07001,07501,09121.09511,0956
                                 27,5  9,5  8,2  2,0  1,5  1,5
                                 2,56502,63552,60892,65782,67432,5657
                                 86,689,088,189,790,486,6
                                 
                              
                                 (NH4)2SO4K2SO4MgSO4
                                 1,05571,09001,1050
                                 59,5  9,5  1,5
                                 2,72052,66102,6285
                                 91,889,888,7
                                 
                              
                                 (NH4)2CO3K2CO3Na2CO3
                                 1,09201,09571,1057
                                 10,021,517,0
                                 2,79332,83802,7698
                                 94395,893,5
                                 
                              
                           Beobachtet man einen Tropfen der Schwefel haltigen Flüssigkeit unter dem Mikroskop
                              									bei 300facher Vergröſserung, so bemerkt man ganz kleine rundliche Körperchen, welche
                              									sich nach dem Eintrocknen als durchsichtige Bläschen erweisen. Diese verschwinden in
                              									dem Maſse, als man zu der Flüssigkeit eine Salzlösung bringt, und bilden eine
                              									dichte, flockige Masse. Sind alle Bläschen auf diese Art zerstört, so ist auch aller
                              									Schwefel flockig ausgeschiedenausgechieden. Der bei der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Schwefligsäure
                              									abgeschiedene Schwefel bildet daher Bläschen, welche dieselbe Flüssigkeit enthalten,
                              									in welcher sie sich befinden (vgl. Wagner's
                                 										Jahresbericht, 1867 S. 161). Wenn nun bei der Ausscheidung des Schwefels
                              									eine Salzlösung vorhanden ist, oder eine solche nachträglich zugesetzt wird, werden
                              									die Bläschen durch Eintreten der Salzlösung in das Innere derselben zerstört und in
                              									ein körniges, flockiges Haufwerk verwandelt. Es müssen daher jene Salze einer Reihe,
                              									z.B. der Chloride – welche leichter, also mit gröſserer Molecularbewegung
                              									diffundiren, daher eine gröſsere Dichte haben – den Schwefel rascher abscheiden als
                              									die Salzlösungen derselben Reihe, die eine geringere Dichte besitzen, wie die
                              									Versuche auch bestätigen.
                           Auch durch hartes Brunnenwasser wird der Schwefel leicht abgeschieden.