| Titel: | Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer. | 
| Autor: | A. Kielmeyer | 
| Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 144 | 
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                        Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und
                           								Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer.
                        (Nachdruck vorbehalten.)
                        (Fortsetzung der Abhandlung S. 62 dieses
                           								Bandes.)
                        Kielmeyer, ü. Entwickelung der Färberei, Druckerei und
                           								Bleicherei.
                        
                     
                        
                           Auf allen Gebieten der Technik beginnt nunmehr eine merkwürdige Periode fruchtbarster
                              									Thätigkeit. Mit dem prächtigen Frühling der Chemie, mit den Entdeckungen von Priestley, Scheele und Lavoisier, gleichzeitig mit Hargreaves'
                              									Spinnmaschine (1774), mit dem Anbau der Baumwolle in Amerika (1776), mit Watt's Dampfmaschine (1782) erwacht ein frisches frohes
                              									Leben in der gesammten Industrie. Praxis und Theorie arbeiten wetteifernd zusammen;
                              									eine Erfindung, eine Verbesserung folgt der anderen, überall findet sich Muth und
                              									Kapital zu groſsen gewagten Unternehmungen; selbst der Krieg und die Revolution
                              									betheiligen sich an der Gründung neuer Fabrikationen.
                           Der Einfluſs der Chemie auf die Färberei kann vom J. 1780 an festgestellt werden. Mit
                              									der Lehre vom Sauerstoff dringt das chemische Denken in die Fabriken und Werkstätten
                              									ein, sie erklärt die Vorgänge in der Indigoküpe, die Natur und das Verhalten der
                              									Beizen, die Wirkung der Hänge und der Rasenbleiche. Priestley's Studium der schwefligen Säure setzt sofort die erste
                              									Bleikammer in Birmingham in Thätigkeit (1774). Damit ist für den Bedarf der modernen
                              									Bleiche an Schwefelsäure und Salzsäure gesorgt und die Leblanc'sche Massenproduction der Soda (1793) sowie die Bereitung des
                              									Chlorgases im Groſsen für die Kunstbleichen vorbereitet.Vgl. 1832 44 298. 1842 85 29. 86 345. 1844 91 489. 1845 98 331.
                                    											1846 100 286. 491. 1847 104 284. 1852 126 413. 1857 145 373. 1870 198 540.
                                    											1873 209 443. 1876 222
                                    											567. Schon im J. 1785 bleicht Berthollet Leinwand und Baumwollstoffe mit einer Lösung von Chlorgas in
                              									Wasser. Dem gasförmigen Chlor folgte die Javelle'sche
                              										LaugeVgl. 1832 46 395. 1844 91 248. 1848 109 123. und
                              									später der der von Tennant i. J. 1798 zuerst bereitete
                              										Chlorkalk.Vgl. 1827 26 223. 1828 28 289. 29 41. 1829 33 121. 1843 89 465.
                                    											1848 109 221. 1863 168
                                    											269. 1868 187 158. 1872 205 356. 1874 211 461. 212 339. 1875 215 229.
                                    											1877 224 424. 1878 230
                                    											420.
                              									Vauquelin's Untersuchung des Rothbleierzes (1797)
                              									führte zur Kenntniſs des Chromoxydes und der Chromsäure und zu deren vielseitiger
                              									Verwendung in der Färberei und Druckerei der Seide, Wolle und Baumwolle. Auch
                              									tauchen um diese Zeit schon die ersten künstlichen organischen Farbstoffe auf mit
                              										Scheele's Beobachtung der Murexidbildung (1776) und
                              									mit Hausmann's Darstellung der Pikrinsäure aus Indigo
                              									(1788).
                           Das Pinselblau war wegen seiner giftigen Zusammensetzung eine sehr gefährliche und
                              									wegen der raschen Veränderung, welcher die Druckfarbe durch den Sauerstoff der Luft
                              									ausgesetzt war, eine für den Handdruck wenig geeignete Farbe. Es war somit ein
                              									bedeutender Fortschritt, als von England aus mit Anfang der 90er Jahre ein neues
                              									Blaudruckverfahren, der Fayenceblaudruck, bekannt und zuerst in Wandsbeck bei
                              									Hamburg ausgeführt wurde. Das Fayenceblau und sein Abkömmling, das Fayencegrün, ist
                              									aus der kalten Vitriolküpe hervorgegangen und schlieſst sich in seinen Operationen
                              									eng an dieselbe an. Fein gemahlener, mit Wasser abgeriebener Indigo wurde mit
                              									Gummiwasser verdickt und mit Eisenvitriollösung, wohl auch mit wenig Operment
                              									versetzt, auf das Baumwollgewebe gedruckt. Die allmälig durchgeführte Reduction,
                              									Lösung und Befestigung des Indigos auf dem Stoff geschah in einer abwechselnden
                              									Reihe von warmen Kalk- und Eisenvitriolküpen, zwischen welchen immer die Waare der
                              									Luft zum Vergrünen ausgesetzt wurde. Zum Schluſs wurde wohl auch eine kaustische
                              									Potaschenküpe gegeben, ehe in die Säureküpe eingegangen wurde. Dann wurde gut
                              									gewaschen und geseift (vgl. 1875 215 78). Für das Fayencegrün erhielt die Druckfarbe
                              									einen Zusatz von Alaun und schwefelsaurem Zinn und das auf der Baumwolle befestigte,
                              									mit Thonerdehydrat und Zinnoxydhydrat vermengte Indigoblau wurde mit Wau oder mit
                              									dem i. J. 1780 von Bancroft aus Amerika eingeführten
                              									Quercitronholz grün gefärbt. Im Elsaſs wurde diese Fabrikation erst i. J. 1809 von
                              										Dollfus-Mieg aufgenommen und zwar unter Mitwirkung
                              										Gottfried Dingler's, des Begründers des
                              									Polytechnischen Journals.
                           Die fortgesetzte Vermehrung der Druckartikel, die Zunahme der
                              									Fabriken und deren Concurrenz erklärt die frühzeitigen Versuche, den langsamen und
                              									kostspieligen Handdruck, zunächst den Vordruck, durch rascher und genauer arbeitende
                              									Maschinen auszuführen. Die erste Druckmaschine war die Kupferplatte oder
                              									Plancheplatte. Da dieselbe gerade für den Tücheldruck bestimmt ist und dieser erst
                              									mit dem J. 1754 angefangen und mit dem J. 1770 einen groſsen Aufschwung genommen
                              									hat, so wird man die Erfindung der Plancheplatte gerade ins J. 1770 verlegen dürfen.
                              									Während bei den Handdruckmödeln das Muster erhaben in Holz ausgeschnitten ist, oder,
                              									wie in viel späteren Zeiten eingeführt wurde, durch Messingblech, welches bis zur
                              									Hälfte seiner Höhe in den Holzmodel eingeschlagen ist, oder seit 1837 durch eine
                              										Zinn-Blei-Wismuth-LegirungVgl. 1845 98 411. 1852 123 472. 1862 163 463.,
                              									welche auf das Holz aufgenagelt ist, gebildet wird, so ist umgekehrt in der
                              									Kupferplatte das Muster vertieft in das Metall und von Hand eingravirt. Die auf
                              									einem horizontal verschiebbaren Holztisch aufgeschraubte Platte wird vom Drucker
                              									mittels einer Bürste ganz mit Farbe überstrichen, wird dann unter einem
                              									Abstreichmesser zurückgeschoben, hinter der Maschine angekommen von deren
                              									Mechanismus erfaſst, in die Höhe gehoben, gegen den um eine horizontale Achse
                              									drehbaren, gut mit Tuch umwickelten und von einem Drucktuch umspannten
                              									Pressionscylinder angedrückt und nach dem vorderen Theile der Maschine
                              									zurückgeführt, während gleichzeitig die Druckwaare zwischen dem sich drehenden
                              									Pressionscylinder und der Platte hindurch um die Länge eines Tuches in die Höhe
                              									geführt wird. Die Platte, frei von Farbe, welche sie aus den vertieften Stellen an
                              									die Baumwolle abgegeben hat, wird, beim Drucker wieder angekommen, von Neuem mit
                              									Farbe versehen; Maschine und Druckwaare stehen unterdessen still.
                           Die Plancheplatte wird in den Abhandlungen über Druckerei immer sehr kurz mit der
                              									Bemerkung abgefertigt, daſs sie nirgends mehr Verwendung finde. Dies ist nicht
                              									richtig. Es ist immer noch, z.B. in der Schweiz, keine geringe Anzahl derselben im
                              									Gang; es werden sogar noch neue Maschinen ganz nach dem alten System gebaut, und der
                              									Druck der Seidentüchel wird ausschlieſslich mit der Platte ausgeführt. Wo
                              									Tüchelmuster mit vielerlei und häufig wechselnden Eindruck- und Bodenfarben, oder wo
                              									Muster von besonderer Breite mit unter sich verschiedenen Ecken, sogen.
                              									Figurenmustern, gedruckt werden, hat diese Vordruckmaschine immer noch ihre
                              									Berechtigung. Ihr Druck ist scharf und rein wie bei den Kupferwalzen, und da die
                              									Kupferplatten sowohl auf der oberen, als auf der unteren Seite mit Mustern versehen
                              									werden, so ist das in ihnen ruhende Anlagekapital bedeutend geringer als beim
                              									Walzendruck, welcher in kleineren Fabriken sehr rasch eine Summe von mehr als 100
                              									000 M. allein für den Walzenvorrath absorbirt.
                           Auſser dieser Druckmaschine wurden verschiedene
                              									Modeldruckmaschinen construirt (* vgl. 1841 79 271. *1843
                              										88 252), von welchen die Maschine von Reigner (1800) heute noch unter dem Namen „Hexe“
                              									in einigen Fabriken der Schweiz benutzt wird. Wenn die Contouren der Tüchel von Hand
                              									vorgedruckt werden, so bedient man sich eines Models, auf welchem der vierte Theil
                              									des ganzen Musters gestochen ist. Mit diesem Viertelmodel wird auf dem Gewebe das
                              									ganze Muster zusammengesetzt und von der Genauigkeit des Zusammentreffens der vier
                              									Theile, von dem Rapport hängt es ab, ob auch die später eingepaſsten Farben richtig
                              									zusammentreffen werden oder nicht. Sämmtliche Modeldruckmaschinen bieten nun den
                              									Vortheil, daſs der ganze Vordruck mit einem das ganze Muster enthaltenden Model auf
                              									einmal gedruckt wird. Bei der Reigner-Maschine ist derselbe in ein horizontales
                              									eisernes Gitter eingespannt und hat mit demselben, ähnlich der Platte, eine
                              									horizontale hin und her gehende Bewegung. Das erhaben geschnittene oder gegossene
                              									Muster erhält die nöthige Farbe, indem der Druckmodel während des Hin- und Hergehens
                              									an eine wagrechte drehbare Auftragwalze angedrückt wird. Die Führung der Druckwaare
                              									ist wieder einem gut bombirten Pressionscylinder überlassen, und die Waare rückt, wie bei der
                              									Platte, für jeden Hin- und Hergang des Gitters je um eine Tuchlänge vorwärts, d.h.
                              									in die Höhe zu den eisernen Trockenplatten. Der Aufenthalt, welchen das Bestreichen
                              									der Kupferplatte verursacht, fällt hier weg und ist deshalb die Leistungsfähigkeit
                              									der Hexe eine gröſsere. Wenn die Platte 16 Stück zu 50m täglich abliefert, so druckt die Reigner-Maschine gleich der Perrotine
                              									22 und das einfarbige Rouleau, die Maschine der Ueberproduction, mindestens 80 Stück
                              									derselben Sorte Waare in derselben Zeit.
                           Wie der Handdruck mit seinen erhaben gearbeiteten Modeln den Vortheil bietet, die
                              									unbedruckten Stellen der Druckwaare ganz rein zu lassen, so haben auch sämmtliche
                              									Modeldruckmaschinen diesen Vorzug gegenüber der Plancheplatte und dem Rouleau. Das
                              									Abstreichmesser der letzteren reinigt die glatte Fläche des Kupfers; aber es kann
                              									sie nicht trocken reiben, um jeden Hauch, jede Spur von anhängender Farbe zu
                              									entfernen. Eine solche Spur von Druckfarbe wird sich also, auch wenn die Rakel noch
                              									so gut gehandhabt, die Verdickung noch so gut gewählt wird, den unbedruckten Stellen
                              									des über die gravirte Kupferfläche hinlaufenden Gewebes immer mittheilen, wird sich
                              									in der Mansarde, in der Hänge, im Farbbad oder im Dampfkasten auf dem Faden
                              									befestigen und ein nüancirtes Weiſs geben. Deshalb muſsten nach Einführung des
                              									Walzendruckes ganz besondere Anstrengungen gemacht werden, um ein brauchbares Weiſs
                              									nach der Färberei zu erhalten. Auf der anderen Seite liefern alle
                              									Model-Druckmaschinen gleich dem Handdruckmodel eine plumpe, schwerfällige Arbeit und
                              									können für einigermaſsen feinere Muster, wie sie jetzt in Stadt und Land verlangt
                              									werden, nicht verwendet werden.
                           Im J. 1785 wurde Bell's
                              									Walzendruckmaschine in Lancashire eingeführt, welche nachmals für den Kattundruck so
                              									wichtig geworden ist, seit dem J. 1820 alle anderen Druckmaschinen überflügelte und
                              									wiederholt ausführlich beschrieben worden ist.Vgl. *1837 63 180. *1852 125 7. *1875 215 111. 1877 223 102. Die Walzen waren anfänglich
                              									aus zusammengelöthetem starkem Kupferblech gefertigt; dann kamen die gegossenen
                              									Messingwalzen, zuletzt die aus maſsivem Kupfer hergestellten Kupferwalzen in
                              									Gebrauch (vgl. 1850 115 75). Sie wurden in den ersten
                              									Zeiten, wie die Platten, von Hand gestochen, bis der Engländer Locket im J. 1808 die von dem Amerikaner Perkins für das Graviren der kupfernen
                              									Banknotendruckplatten erfundene Stahlmolette auch in das Graveuratelier der
                              									Indiennefabriken übertrug (vgl. * 1876 221 355).
                           Im J. 1834 gab sodann der beim Silhouettiren verwendete Storchschnabel die Idee zu
                              										Hooten Deveril's Pantograph (vgl. * 1843 89 110. * 1866 180 30).
                              									Derselbe hatte in England keinen besonderen Erfolg. Erst der im J. 1848 erfundene
                              										Taylor'sche Pantograph wuſste sich vom J. 1856 an, gleichzeitig mit
                              									dem Rigby'schen Apparat (1858) Eingang in die
                              									Druckereien zu verschaffen. Eine kritische Besprechung und Vergleichung der
                              									Moletten- und der Pantographengravüre, sowie der verschiedenen Systeme dieser
                              									Gravirmaschine, insbesondere auch der Shield'schen vom
                              									J. 1862 sammt den neuesten an derselben von Locket, Leak und
                                 										Comp. angebrachten Verbesserungen habe ich in diesem Journal *1875 215 501
                              									veröffentlicht, auf welche Abhandlung nun einfach verwiesen werden muſs.
                           In Frankreich wurde für den Druck der langen Waare mit
                              									ununterbrochenem Muster im J. 1800 die Plombine erfunden (vgl. *1836 59 349), eine Walzendruckmaschine mit hölzerner
                              									Druckwalze und erhabener Stecherei. Natürlich konnte sie mit der im gleichen Jahr
                              									von Oberkampf in Jouy eingeführten englischen
                              									Walzendruckmaschine nicht lange concurriren. Doch traf ich zu meiner gröſsten
                              									Verwunderung vor einigen Jahren eine solche originelle Druckmaschine noch vollkommen
                              									montirt in einer Fabrik an, und es wurde mir von dem Besitzer derselben sogar
                              									versichert, daſs diese Maschine immer noch ungefähr 4 Wochen im Jahr mit dem Druck
                              									von ein Paar ganz alten Mustern beschäftigt werde.
                           Für den mehrfarbigen Druck wurde im J. 1845 die Mulemaschine, eine Vereinigung der
                              									Plombine mit der Bell'schen Maschine, in England
                              									erfunden. Auch dieses wunderliche Zweigespann muſste bald dem eleganten, modernen
                              									Rouleau mit zwei Kupfer walzen weichen, und seitdem hat sich die Construction der
                              									Walzendruckmaschinen stufenweise bis zu 6- und 8färbigen, in England sogar bis zu
                              									12-und 16 färbigen Maschinen ausgebildet und vervollkommnetverkollkommnet.
                           Der Baumwolldruck dehnte sich auf Kosten der Garn- und Stückfärberei, seiner
                              									Lehrmeisterin, immer weiter aus. Je gröſser die Schwierigkeiten waren, welche die
                              									Zusammenstellung der gleichzeitig zu behandelnden Farben bereitete, je höhere
                              									Anforderungen an ihn gestellt wurden, desto gröſser wuchs die Summe seiner
                              									Erfahrungen und Kenntnisse, mit welchen er bereits der Glattfärberei aushelfen
                              									konnte. Schon bietet die Musterkarte einen recht bunten Anblick mit den
                              									verschiedenen in Krapp gefärbten rothen, braunen, violetten und rosafarbigen
                              									Ausarbeitungen, zum Theil mit, zum Theil ohne Illumination durch die Tafelfarben,
                              									welche schon im J. 1740 schüchtern aufgetaucht, seit 1815 von Bancroft eingehend studirt worden waren.
                           Als echte Illuminationsfarbe nach den Operationen der Färberei wurde das Eisenchamois
                              									häufig und mit Vortheil verwendet. Das Aussehen der violetten und der chemisch
                              									blauen Stücke vor dem Eingehen in die Farbflotte hatte frühzeitig (im J. 1750) und
                              									in ganz natürlicher Weise dazu geführt, diese brauchbare, echte und leicht zu
                              									behandelnde Farbe sowohl zum Einpassen in gefärbte Waare zu gebrauchen, als auch dieselbe für
                              									selbstständige Druckartikel zu benutzen (vgl. 1873 208
                              									439). Das Seitenstück zu ihr bildet das von Hartmann
                              									(1815) eingeführte Manganbraun, die sogen. Bisterfarbe, welche längere Zeit sich
                              									einer besonderen Beliebtheit erfreute, jedoch heute fast gänzlich verschwunden ist,
                              									während das Chamois immer noch eine reichliche Verwendung findet. – Allen bisherigen
                              									Artikeln kam die englische Erfindung (1805) des Aetzdruckes zu gut, welcher sich im
                              									J. 1812 in Wesserling ebenfalls Eingang verschaffte. Das Aetzweiſs für die Üniböden
                              									der verschiedenen Farben wurde mit Weinsäure, Schwefelsäure, saurem schwefelsaurem
                              									Kali, Oxalsäure, Citronensaft und später mit Citronensäure hergestellt; es hat eine
                              									bleibende Verwendung gefunden und hat zugleich die Entstehung der in Blauholz
                              									gefärbten Trauerkattune veranlaſst (vgl. 1824 15 162.
                              									1826 19 318. 1827 25 76. 1866
                              										180 247). Gleichlaufend mit diesem Aetzdruck ist der
                              									Reservagedruck für das Küpenblau in seinen verschiedenen Variationen, wie er im J.
                              									1812 in Jouy auf die Eigenschaft der Kupferoxydsalze, Indigoweiſs zu oxydiren,
                              									begründet wurde. Endlich beschenkte im J. 1815 Kurrer,
                              									unser schwäbischer Landsmann und erster Mitarbeiter des Polytechnischen Journals,
                              									die Druckindustrie mit der Cachoufarbe, welche, eine Zeit lang von ihm allein
                              									Augsburg fabricirt, seit dem J. 1829 eine allgemeine und dauernde Bedeutung für die
                              									gesammten Druckereien und Färbereien gewonnen hat.Vgl. 1834 52 77. 1840 76 206. 78 129. 1841 81 139. 143. 1862 163
                                    											146. 1874 211 310.
                           Aber noch ist die Ernte dieser fruchtbaren Periode nicht fertig,
                              									noch sind wichtige Errungenschaften dieser Zeit zu verzeichnen. Durch die
                              									Combination der kalten Vitriolküpe mit der Krappfärberei entstand eine der
                              									sinnreichsten, wirkungvollsten, aber auch schwierigsten Fabrikationen, die heute
                              									fast ganz vernachlässigte Lapisfabrikation (vgl. 1865 176
                              									407. 1870 197 546). Dieser Artikel kam wieder zuerst in
                              									England auf, wurde dort in mangelhafter, dagegen seit dem J. 1811 von Daniel Köchlin in vollkommenster Weise hergestellt. Er
                              									gründet sich auf eine eigens zusammengesetzte Aetzreserve für Weiſs, welche durch
                              									ihren Gehalt an arsensaurem Kali und Sublimat nicht blos das stellenweise Anfallen
                              									des Indigos in der Küpe verhindert, sondern welche zugleich die gewöhnlichen rothen,
                              									braunen und schwarzen, eben auf diese zuvor gedruckte Aetzreserve fallenden
                              									Küpenreserven im Kuhmistbad vor dem Krapp- oder Quercitronfärben abzuwerfen hat, so
                              									daſs man Weiſs in Blau und Weiſs in Roth, Schwarz u.s.w. mit einem Schlag und in
                              									feinster Ausarbeitung erhält. Die Vortheile des Verfahrens fallen am besten ins
                              									Auge, wenn man sie mit den Umständlichkeiten und Schwierigkeiten des entsprechenden
                              									anderen Verfahrens zusammenstellt, nach welchem zuerst die gewöhnliche Küpenreserve
                              									gedruckt, blau gefärbt, gesäuert und gereinigt wurde, worauf hernach in das Weiſs
                              										die krapprothen
                              									Farben höchst unsicher und mühsam eingepaſst, dann degummirt, gefärbt, gekleit und
                              									geseift wurden.
                           Die Türkischrothgarnfärberei war seit dem Anfang ihres Bestehens
                              									ein blühender, ausgebreiteter Industriezweig geworden. Sie hatte schon im J. 1785 in
                              									den Rouener Färbereien eine sehr wichtige Verbesserung durch die Anwendung des
                              									Zinnsalzes beim Aviviren der gefärbten Garne erhalten – eine Neuerung, die
                              									vielleicht dem Cochenillescharlach ihr Entstehen verdankte und welche in der Folge
                              									doppelt wichtig wurde, als sie auch in die gewöhnliche Krapprosafärberei überging,
                              									gleichwie der Gedanke D. Köchlin's, das Krapprosa trotz
                              									aller von theoretischer und praktischer Seite ihm entgegengehaltenen Bedenken mit
                              									Seife anstatt nur mit Kleie zu behandeln (1804), ebenfalls dem Türkischroth
                              									verfahren entnommen sein mag. Aber noch hatte man es nicht unternommen, gewebte
                              									Stoffe türkischroth zu färben.Vgl. 1846 101 205. 207. 1847 104 64. 1872 205 207. 1873 210 213. 215. 1875 217
                                    											158. 343. Die Ehre dieser Erfindung blieb wieder D. Köchlin vorbehalten. Er machte seine
                              									Erstlingsversuche gemeinsam mit Gottfried Dingler im J.
                              									1810. Sie bedruckten ihre ersten gelungenen türkischroth gefärbten Zeuge mit
                              									leichten Mustern in Tafelschwarz und legten damit den Grund zur Fabrikation der
                              									illuminirten Merinos. Ein Jahr später fügte Köchlin
                              									noch die Chlorkalkküpe hinzu und begründete damit den Bandana-Artikel (vgl. *1823
                              										12 72. 1824 13 407).
                           Um ein weiſses Muster in rothem Grund zu erhalten, wird verdickte Weinsäure auf
                              									fertig gefärbtes, avivirtes türkischrothes Baumwolltuch aufgedruckt. Nach dem
                              									Trocknen der Farbe wird die Waare auf dem der Blaufärberei entlehnten Sternhaspel in
                              									die mit überschüssigem Kalk angesetzte, schwach erwärmte, kräftige Chlorkalkküpe
                              									eingehängt, oder besser fortlaufend über Rollen mit langsamem Gang durch die
                              									Chlorkalkflüssigkeit gezogen, wo die mit Säure bedruckten Stellen vollkommen weiſs
                              									gebleicht werden. Wird der weinsaueren Farbe Berlinerblau zugefügt, so wird wieder
                              									das Roth vom Chlorkalk weggeätzt und auf den geätzten Stellen bleibt reines Blau
                              									befestigt zurück. Druckt man Berlinerblau ohne Säure, so wird das Roth nicht
                              									weggeätzt, sondern dieses mischt sich mit dem auf ihm befestigten Blau zu einem
                              									echten Schwarz. Um Rosaeffecte in Roth zu erhalten, wird entweder vor dem Färben und
                              									Kreideln eine schwachsaure Aetzfarbe auf die geölte und alaunirte Waare oder eine
                              									ebensolche auf den für die Chlorkalkküpe fertigen rothen Stoff gedruckt. Die
                              									geätzten Stellen haben die gute Eigenschaft beibehalten, sich mit gewöhnlichen
                              									Tafelfarben ohne Dämpfen durch bloses Verhängen so fest zu vereinigen, daſs
                              									dieselben herzhaft in Wasser gewaschen werden können, so namentlich Kreuzbeergelb,
                              									welches die gelbe und, wo es auf Blau fällt, die grüne Illumination gibt, ferner
                              									Methylgrün und Blauholzviolett, in neuester Zeit natürlich durch Anilinviolett
                              									ersetzt. Ebenso empfänglich für Tafelfarben ist auch der rothe, vom Chlorkalk nicht
                              									angegriffene Grund, daher in der Türkischrothdruckerei die häufige Verwendung einer
                              									aus Blauholz, Kreuzbeeren, Rothbeize und Kupfersalz zusammengesetzten Tafelfarbe, um
                              									einen in Wasser waschbaren braunen Boden auf das Roth zu drucken. Dagegen ist das in
                              									der Hauptsache aus Blauholz und salpetersaurem Eisen bestehende Tafelschwarz in
                              									Wasser nicht waschbar, wird aber dennoch ziemlich häufig als Eindruck- und als
                              									Bodenfarbe benutzt (vgl. 1826 22 70).
                           Als im J. 1819 gleichzeitig Geittner und Lassaigne, nachdem 1812 Dulong das chromsaure Blei dargestellt hatte, die erste praktische
                              									Anwendung von der Chromsäure in der Färberei machten, indem sie baumwollene Garne
                              									Chromgelb färbten (vgl. 1828 27 53), da wurde der Druck
                              									auf türkischrother Waare wieder um eine Ausarbeitung bereichert. Es wurde nun eine
                              									saure Aetzfarbe halb aus Weinsäure, halb aus Citronensäure zusammengesetzt, in
                              									dieser verdickten Säurelösung eine genügende Menge salpetersaures Blei aufgelöst,
                              									auf avivirten rothen Stoff gedruckt und derselbe geradeso wie die Bandana in der
                              									Chlorkalkküpe behandelt. Hier befestigt sich auf den geätzten Stellen
                              									Bleioxychlorid, welches hernach in Chromkalilösung gelb gefärbt wird. Fügt man
                              									diesem Aetzgelb zugleich Berlinerblau hinzu, so erhält man beim Färben in Chromkali
                              									statt des gelben Musters ein grünes.
                           Die Fähigkeit der geölten Baumwolle, auch ohne vorhergegangene Mordancirung sich mit
                              									Farbstoffen der verschiedensten Art, so auch mit den Krappfarbstoffen zu vereinigen,
                              									hat Karl Köchlin im J. 1815 in Cosmanos benutzt für die
                              									Herstellung seiner prachtvollen doppelrothen Merinos. Er bedruckte die wie
                              									gewöhnlich geölten, nicht gallirten und nicht mit Alaunlösung imprägnirten Zeuge mit
                              									verdickter essigsaurer Thonerde und färbte sie nach dem Degummiren wie Türkischroth
                              									aus. Die bedruckten Stellen bildeten das Dunkelroth, die nicht bedruckten färbten
                              									sich schön Rosa.
                           Endlich wurde der Türkischrothartikel im J. 1824 noch durch das mit Eisenmordant oder
                              									einer Mischung von Eisen- und Thonerdemordant auf geölter Waare hergestellte und mit
                              									verschiedenen Illuminationsfarben versehene Türkischviolett und Türkischbraun und
                              									durch die aus ihnen sich ergebenden Farbenzusammenstellungen vervollständigt (vgl.
                              									1826 22 134. 1828 27 53). Die
                              									Fabrikation dieser Artikel schloſs sich genau der Rothfärberei an; nur fiel das
                              									Galliren unter allen Umständen weg, und sie gab vielleicht hierdurch den Anlaſs,
                              									daſs diese Behandlung von Vielen später auch für das Türkischroth selbst aufgegeben
                              									wurde.
                           Die Türkischrothfärberei war und ist immer noch eine höchst umständliche, langwierige,
                              									deshalb auch vielen Zufälligkeiten ausgesetzte Fabrikation, wenn schon nach dem
                              									Vorgang der Schweizer Fabriken die unendliche Reihe von Oel- und Lauterbeizen
                              									bedeutend abgekürzt, auch das doppelte und einfache Galliren vor dem Alauniren
                              									meistentheils aufgegeben worden ist. So alt sie geworden, so wenig ist man bis jetzt
                              									über die wichtigsten Fragen derselben im Klaren. Man hat nur eine unbestimmte Ahnung
                              									von der eigentlichen Wirkung des Oeles auf die Krappfärberei; man weiſs nicht, ob
                              									dasselbe neben seiner theilweisen Verseifung auf dem Stoff noch eine andere tiefer
                              									gehende chemische Veränderung erleidet, ob es sich in den Hängen unter dem Einfluſs
                              									der Luft und der kohlensauren Alkalien oxydirt oder nicht, und ebenso wenig vermag
                              									man sich von der Aufgabe des Sumachs, welcher in Gesellschaft mit dem durch seinen
                              									Albumingehalt irgendwie wirksamen Ochsenblut zu dem Krapp in das Färbebad gegeben
                              									wird, genaue Rechenschaft zu geben.
                           Höchst unklar ist ferner die Wirkung des beim Oelen verwendeten
                              									Schaf- oder Kuhmistes. Es fragt sich eben wieder, ob derselbe mehr als die blos
                              									mechanische Aufgabe hat, vermöge seiner schleimigen dicken Consistenz die Emulsion
                              									des Oeles mit der Potasche oder der Soda zusammenzuhalten, ein Auseinandergehen
                              									derselben, eine Oelausscheidung im Beiztrog zu verhindern, oder ob ihm auf dem
                              									weiten Weg der Fabrikation bis zum Weiſswaschen wegen seiner reducirenden
                              									Eigenschaften oder vielleicht wegen seines höchst unbedeutenden Gehaltes an
                              									phosphorsaurem Kalk und Kieselsäure auf dem noch weiteren Weg bis zum Kreidedurchzug
                              									auſser der mechanischen noch eine chemische Rolle zuzutheilen ist (vgl. 1831 39 394. 1833 50
                              									131. 1835 57 370).
                           In den ersten Zeiten der gewöhnlichen Krappfärberei und Druckerei wurden die
                              									bedruckten Stoffe vor dem Färben nur durch Einhängen in flieſsendes Wasser oder
                              									durch heiſses Wasser von der Verdickung und von dem Ueberschuſs der mit der
                              									Baumwolle nicht verbundenen Beizen befreit. Doch schon i. J. 1750, also kurze Zeit
                              									nach dem Auftreten der Türkischrothfabrikation, fand der Kuhmist in den Schweizer
                              									und vom J. 1790 an in den französischen Druckereien Verwendung (vgl. 1858 150 318). Auch in dieser Fabrikation wurde dem Kuhmist
                              									eine gröſsere Rolle zugetheilt, als ihm zuzukommen scheint. Es ist leicht
                              									einzusehen, daſs die meist in Stärke verdickten, trockenen Farben auf der Baumwolle
                              									eine dicke schleimige Flüssigkeit besser annehmen, deshalb leichter von ihr erweicht
                              									werden als von reinem Wasser. In der das Kuhmistbad enthaltenden Rollenkufe werden
                              									die Farben, wenn sie einigermaſsen schwere Muster bilden, während ihres 1 bis 2
                              									Minuten langen Aufenthaltes nur unvollständig degummirt, sie werden nur erweicht;
                              									denn die bedruckten Stellen fühlen sich beim Herauskommen aus der Kufe klebrig an
                              									und zeigen noch deutlich ihre Rothholz-, Blauholz-, Querholz- oder Fuchsinblendung. Deshalb ist
                              
                              									auch anzunehmen, daſs die nur erweichte Farbe den gröſseren Theil der mit der
                              									Baumwolle nicht verbundenen Beizen noch zurückhält, so daſs der geringe Gehalt des
                              									Kuhmistes an Eiweiſs, kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk die ihm zugetheilte
                              									Wirkung, den vom Stoff sich ablösenden Beizüberschuſs theils zu umhüllen, theils
                              									niederzuschlagen, jedenfalls nur auf einen Theil desselben ausüben konnte. Also
                              									bleibt die schlieſsliche vollständige Entfernung des nicht fixirten Mordant aus den
                              									im Kuhmistbad erweichten Farben doch zur Hälfte dem gründlichen Waschen in kaltem
                              									Wasser überlassen und dieses kann auch wirklich nicht gründlich genug vorgenommen
                              									werden, wenn man sicher färben und ein gutes Weiſs erhalten will. Wenn der Kuhmist
                              									die angegebene mechanische Wirkung und die andere, den namentlich bei den
                              									Aetzartikeln bedeutenden Kreidezusatz in Suspension zu halten, ausgeübt hat, so hat
                              									er wohl seine Dienste zur Genüge geleistet.
                           Der Gehalt des Kuhmistes an phosphorsaurem Kalk führte in den von
                              									Druckereien dicht besetzten Industriegegenden zur Anwendung der Kleienbäder (vgl.
                              									1843 87 38), wenigstens für zartere Farben, und im J.
                              									1839 zur Verwendung des in einer amerikanischen Druckerei erfundenen, von Mercer hernach in den Handel gebrachten Kuhkothsalzes,
                              									einem Gemenge von phosphorsaurem Natron und phosphorsaurem Kalk (vgl. 1840 77 291). Aber Mercer
                              									lieferte mit dem Kuhkothsalz zugleich die aus den Knochen gewonnene Gallerte an die
                              									Druckereien, als Ersatz für den Kuhmist, welchen letztere immer noch, wenn auch in
                              									geringerer Menge als früher, zur Lösung des Kuhkothsalzes hinzufügten. Und als
                              									später D. Köchlins Vorschlag vom J. 1834 zur
                              									praktischen Ausführung kam, die Krappwaare mit arsensaurem Natron auszusieden, so
                              									wurde zu diesem Kuhkothersatz auch wieder Kuhmist in die Rollenkufe zugegeben – ein
                              									erneuerter Beweis, daſs man gerade auf seine mechanische Wirkung, trotz der
                              									unverhältniſsmäſsig groſsen Mengen von im Aussiedebad gelösten Phosphorsäure- oder
                              									Arsensäuresalzen, nicht verzichten konnte. Läſst man den Kuhmist ganz weg, oder
                              									setzt man ihn in zu geringer Menge zu den Aussiedesalzen hinzu, so erhält man zwar
                              									keine eigentlich geflossene Waare, aber die Schärfe des Druckes, die Reinheit der
                              									Zeichnung geht gänzlich verloren (vgl. 1861 162 50. 1864
                              										174 323. 1865 176 131. 177 318). Zuletzt kam das Wasserglas als Aussiedesalz an
                              									die Reihe, anfänglich für den Artikel Schwarz-Roth-Chromorange, dann, wie es bei
                              									neuen Präparaten zu gehen pflegt, eine Zeit lang für fast alle Färberwaare, bis es
                              									sich zeigte, daſs dieser Kuhkothersatz, welcher, trotzdem er die Bedingungen zur
                              									Gallertbildung in der allmälig mit sauren Verbindungen sich sättigenden
                              									Aussiedeflotte selbst mit sich führt, doch wiederum nur in Gesellschaft mit Kuhmist
                              									benutzt wird, wohl für Thonerdemordant geeignet, aber immerhin mit gröſster Vorsicht
                              									zu verwenden ist, daſs dagegen für eisenhaltige Mordants das arsensaure Natron bei weitem den Vorzug vor
                              									dem Wasserglas verdient (vgl. 1854 134 143. 1856 140 285. 287).
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)