| Titel: | Beiträge zur technischen Rohstofflehre; von Dr. Franz R. v. Höhnel, Privatdocent an der techn. Hochschule in Wien. | 
| Autor: | Franz R. v. Höhnel | 
| Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 407 | 
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                        Beiträge zur technischen Rohstofflehre; von Dr.
                           								Franz R. v. Höhnel, Privatdocent an der techn. Hochschule in Wien.
                        R. v. Höhnel, Beiträge zur technischen Rohstofflehre.
                        
                     
                        
                           I. Ueber den Bau und die Abstammung
                                 										der Tillandsia-Faser.
                              								
                           Von dieser Faser, welche, wie Prof. Dr. Julius Wiesner
                              									in seinem bekannten WerkeDie Rohstoffe des Pflanzenreiches (Leipzig 1873)
                                    											S. 443. hervorgehoben hat, wie kein anderer Pflanzen- Rohstoff den Namen
                              										„vegetabilisches Roſshaar“
                              									(crin vegetal) verdient, war man bislang der Meinung,
                              									daſs sie von den Luftwurzeln der als Tillandsia
                                 										usneoides bekannten Bromeliacee abstamme. An mir von dem Genannten gütigst
                              									zur Verfügung gestellten Rohmaterial konnte ich mich aber davon überzeugen, daſs es
                              									nicht die Luftwurzeln, sondern reich beblätterte und verästelte hängende
                              									Zweigsysteme der in den Baumkronen der Wälder Guyanas und der angrenzenden Länder
                              									lebenden Tillandsia sind, welche das Material zur Erzeugung der in Rede stehenden
                              									Faser sind. Diesem Umstände entsprechend gestaltet sich auch die Auffassung des
                              									Baues der Faser anders wie bisher, was aus dem Folgenden zur Genüge hervorgeht.
                           Die hängenden Zweige der Tillandsia usneoides sind nur
                              									0,3 bis 0mm,5 dick und mögen wohl die Länge von
                              										1m erreichen. Es bestehen dieselben aus
                              									Internodien von 5 bis 10, meist aber 6 bis 7cm
                              									Länge, welche zweizeilig angeordnete, halbstielrunde, fadenförmige und bis über 4
                              									bis 6cm lange Blätter tragen. Diese besitzen eine
                              									0,5 bis 1cm lange Blattscheide, deren Ränder fest
                              									über einander liegen und auf diese Weise zur Entstehung einer Röhre Veranlassung
                              									geben, aus welcher die in den Blattachseln entspringenden Seitenzweige hervortreten.
                              									Letztere sind nur wenig schwächer als der Muttersproſs und können ebenfalls eine
                              									Länge von vielen Centimetern erreichen. Sie können ähnlich wie der Muttersproſs
                              									verzweigt sein. Häufig finden sich in den Scheiden nur kurze Blattbüschel statt den
                              									Zweigen.
                           Schon mit freiem Auge erscheint das ganze Rohmaterial mit zarten, etwas abstehenden,
                              									silberglänzenden Schüppchen bedeckt; mit der Loupe bemerkt man auſserdem noch
                              									zahlreiche feine, gleichmäſsig vertheilte braune Pünktchen. Betrachtet man nun die
                              									nach Wiesner mit Hilfe eines sehr einfachen
                              									Röstprocesses gewonnene fertige Faser, so erkennt man deutlich die Internodien und
                              									die sie trennenden Knoten, an welchen die Verästelungen der verzweigten Faser entspringen. Die Ansatzstellen der Blätter und
                              									Seitenzweige erscheinen als schwache längliche Anschwellungen der Faser, welche in
                              									der Regel in der Entfernung von 6cm von einander
                              									stehen. Die Faser erreicht eine Länge bis über 35cm und besitzt eine Dicke von etwa 0,14 bis 0mm,1. Sie ist schwarzbraun gefärbt.
                           Um über das Wesen des Baues der Faser ins Klare zu kommen, ist es nöthig, einen Blick
                              									auf den Bau der unverletzten Ausläufer zu werfen. Der mehr oder weniger kreisrunde
                              									Querschnitt durch die Mitte eines Internodiums zeigt von auſsen nach innen 3
                              									Gewebeschichten: zunächst die Epidermis mit den eigenthümlichen, durch Jul. Wiesner kannten Schuppenhaaren; dann 4 bis 5 Lagen
                              									dünnwandiger Parenchymzellen und endlich einen centralen, aus derben
                              									Sklerenchymfasern zusammengesetzten Strang, in welchen 8 Gefäſsbündel symmetrisch
                              									eingelagert sind. Die Zellen der Epidermis haben stark wellige Seitenwandungen; ihre
                              									Auſsenwandungen sind stärker verdickt als die übrigen, was bemerkenswerth erscheint,
                              									nachdem bei den Bromeliaceen das entgegengesetzte Verhalten die Regel ist und in der
                              									That die Blätter der Tillandsia z. Th. das normale Verhalten der Bromeliaceen
                              									aufweisen. Die Schuppenhaare bestehen aus einer einfachen Zellschicht und sitzen im
                              									Mittelpunkte auf einem kurzen vierzelligen Stielchen auf. Die Auſsenwände sind sehr
                              									bedeutend verdickt, braun gefärbt und deutlich geschichtet; sie lassen merkwürdiger
                              									Weise keine Spur einer Cuticula erkennen, was ich übrigens auch bei den
                              									Schuppenhaaren einer anderen Bromeliacee (Ananassa
                                 										Lageriana, Blattunterseite) fand. Die randständigen Zellen der Schuppen
                              									haben sehr verdickte Seitenwandungen, die zu einem hyalinen, die Schuppen
                              									einfassenden Flügel verbreitert sind.
                           Das Rindenparenchym ist fast farblos und scheinbar inhaltsleer. Von einer schwach
                              									collenchymatischen Verdickung der Kanten der Zellen abgesehen, sind die Wandungen
                              									sehr dünn. Die äuſserste und innerste Lage sind kleinzelliger als die übrigen. Der
                              									centrale Sklerenchymstrang mit den Gefäſsbündeln ist nun direct von dem
                              									beschriebenen Parenchym eingeschlossen; er ist es allein, welcher die fertige Faser
                              									bildet und sein Bau daher von besonderem Interesse. Er besteht aus einer Grundmasse
                              									von derben langgestreckten Sklerenchymelementen, von welchen die inneren hell-, die
                              									äuſseren dunkelbraun gefärbt erscheinen. Erstere sind kürzer und dünner, 8 bis 12
                              										μ, letztere 15 bis 18 μ breitμ = 1 Mikrometertheil = 0mm,001. und im Mittel 1,4mm lang; doch kommen auch sehr kurze und 2 bis
                              										3mm lange vor. Die einzelnen
                              									Sklerenchymelemente, welche die Festigkeit der Faser bedingen, zeigen zahlreiche
                              									einfache Porenkanäle und nach Quellung in verdünnter Schwefelsäure eine deutliche
                              									Schichtung und Schalenbildung. Jede Schale (deren 2 bis 3 vorkommen) weist ihr
                              									eigenes System von Porenkanälen auf. In dieser festen Grundmasse sind nun 8
                              									Gefäſsbündel eingelagert, welche ohne Anastomosen und Verzweigungen parallel durch
                              									das ganze Internodium verlaufen und in den Knoten zum Theil in die Blätter
                              									austreten. Die Anordnung dieser Gefäſsbündel im Querschnitte ist eine derartige,
                              									daſs zwei derselben in der Mediane (d.h. der Ebene der Blattansätze) und die übrigen
                              									sechs zu beiden Seiten symmetrisch liegen, den Holztheil nach innen wendend. Da nun
                              									Holz- und Siebtheil der Bündel fast sämmtlich durch Sklerenchymbrücken von einander
                              									getrennt sind, so erscheinen die 8 Bündel in 15 durch Sklerenchym von einander
                              									scharf getrennte Gruppen zertheilt, die man bei der Kleinheit und Schwierigkeit des
                              									Objectes leicht als eben so viele Bündel betrachten könnte. Von dem
                              									Bündelsklerenchym abgesehen, das begreiflicher Weise von der sklerenchymatischen
                              									Grundmasse nicht scharf abzutrennen ist, bestehen die Gefäſsbündel: 1) aus Spiral-, Netz- und
                              									Ringfasergefäſsen; 2) aus sehr dünnwandigem, farblosem und gestrecktem Holzparenchym
                              									und 3) aus Cambiformzellen im Baste. Siebröhren scheinen gänzlich zu fehlen, oder
                              									doch nicht in charakteristischer Weise entwickelt zu sein.
                           Die Gefäſse stehen im Querschnitte in Gruppen zu 3 bis 4, welche theils an Parenchym,
                              									theils an Sklerenchym angrenzen. Im Basttheile liegen zwischen den Cambiformzellen
                              									relativ dünnwandige, porenreiche Sklerenchymelemente. Bei der Bereitung der Faser
                              									werden Epidermis und Rindenparenchym durch den Röstproceſs zerstört und nach Wiesner durch Durchziehen zwischen den Fingern
                              									entfernt, so daſs nur der aus 8 Gefäſsbündeln und der Sklerenchymmasse bestehende
                              									Centralcylinder – als fertige Faser – übrig bleiben.
                           Soweit sich die Internodien in den Blattscheiden befinden, entbehren sie der
                              									Schuppenhaare und sind halbstielrund. Sie sind daselbst auch bedeutend dünner, was
                              									sich schon an der fertigen Faser zeigt, welche unmittelbar über und im Knoten am
                              									leichtesten zerreiſst.
                           Die Blattscheiden bestehen am Rücken aus 7 Zellschichten. Die Epidermis der
                              									Auſsenseite besitzt sehr stark verdickte Innenwände und dünne Auſsenwände, die der
                              									Innenseite hingegen zeigt den gewöhnlichen Bau. Im Blattparenchym der Scheiden,
                              									welches farblos und hyalin ist, mit kleinen Interzellularräumen sind in gleichen
                              									Abständen fünf parallel laufende Gefäſsbündel eingelagert, von welchen jederseits
                              									die beiden äuſseren dort, wo die Lamina des Blattes beginnt, zusammenlaufen, so daſs
                              									in dem halbstielrunden Blatte nur drei Bündel vorhanden sind. Die Gefäſsbündel der
                              									Blätter sind von einer 2 bis 3-schichtigen, derb- und braunwandigen
                              									Sklerenchymscheide umgeben und sind wie im Stamme Gefäſs- und Siebtheil derselben
                              									durch eine zweilagige Sklerenchymbrücke von einander getrennt.
                           Die Epidermis der Blattlamina besitzt Auſsenwände, die etwas dicker sind als die
                              									Innenwände, und spärliche Spaltöffnungen auf der Blattober- und Unterseite, welche
                              									im Gesammtumrisse kreisrund, oder sogar noch querbreiter sind, mit sehr dicken
                              									Auſsenwanden.
                           Im Blattparenchym, das innerhalb der Scheide nur kleine, in der Lamina aber weite
                              									Interzellularräume enthält, finden sich hier und da groſse Raphidenschläuche
                              									eingeschaltet, von etwa 150 μ Länge, mit 35 bis 50 μ langen Raphidenbündeln.