| Titel: | Die Entwicklung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer. | 
| Autor: | A. Kielmeyer | 
| Fundstelle: | Band 234, Jahrgang 1879, S. 477 | 
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                        Die Entwicklung der Färberei, Druckerei und
                           								Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer.
                        (Nachdruck behalten.)
                        (Schluſs der Abhandlung S. 411 dieses
                           								Bandes.)
                        Kielmeyer, ü. Entwicklung der Färberei, Druckerei und
                           								Bleicherei.
                        
                     
                        
                           Nachdem es nicht gelungen war, das Colorin in die Druckerei und
                              									Färberei einzuführen, wurde der Gedanke, die Farbstoffe des Krapps in voller
                              									Reinheit und in möglichst concentrirter Form auf den Markt zu bringen, keineswegs
                              									aufgegeben; es wurden vielmehr die Versuche, ein brauchbares KrappextractVgl. 1842 85 204. 1856 140 237. 1857 146 217. 1858 147 320. 450. 1859 151
                                    											287. 153 374. 428. 431. 1860 155 447. darzustellen, in groſser
                              									Anzahl und durch eine Reihe von Jahren fortgesetzt, doch ohne nennenswerthe
                              									praktische Erfolge zu Tage zu fördern. Um so gröſseres Aufsehen erregten i. J. 1860
                              										Kopp's Krapppräparate (vgl. 1861 160 73. 1864 172 293. 296),
                              									welche das Alizarin und Purpurin jedes für sich in einer für technische Zwecke
                              									vollkommen genügenden Reinheit vorstellten, zu den schönsten Hoffnungen für die
                              									Praxis berechtigten und insbesondere für die weitere Erkenntniſs der Eigenschaften
                              									der Krappfarbstoffe eine hervorragende Bedeutung erlangten. Kopp stützte sich auf die Arbeiten von Schunck und von Rochleder, welche im Krapp
                              									die Anwesenheit von Farbe gebenden Glucosiden nachgewiesen hatten, und statt daſs er
                              									die Gährung derselben zu begünstigen suchte, trachtete er dieselben in unverändertem
                              									Zustand aus dem Krapp auszuziehen, von den Holztheilen und Pectinstoffen zu trennen,
                              									dann erst zu spalten und die Farbstoffe zu isoliren. In dieser Absicht wurde der
                              									gemahlene Krapp 3mal mit Schwefligsäure haltigem Wasser kalt behandelt, vom
                              									zurückbleibenden Satz abfiltrirt, dem Filtrat 3 bis 4½ Proc. starke Salzsäure oder 2
                              									bis 3 Proc. Schwefelsäure zugesetzt und auf 50° erwärmt. Bei dieser Temperatur
                              									scheidet sich das Handelspurpurin aus, in der Hauptsache ein Gemenge von wirklichem
                              									Purpurin und von Pseudopurpurin, theoretisch wichtig geworden, weil es Schützenberger bei seinen Arbeiten über das Purpurin
                              									als Rohmaterial benutzte, wie das Pincoffin bei seinen Alizarinuntersuchungen. Die
                              									erhaltene Mutterlauge wird nun 2 Stunden lang gekocht, um ebenso das schwerer zerlegbare
                              									Alizaringlucosid zu spalten, und es scheidet sich jetzt aus der zuckerhaltigen
                              									Flüssigkeit das grüne Alizarin aus, welches als solches zum Färben benutzt oder
                              									durch Reinigung mittels Weingeist, Holzgeist, Benzol oder leichtem Schieferöl in
                              									gelbes Alizarin für Violett übergeführt werden kann. Während jenem Handelspurpurin
                              									wenig Alizarin beigemengt ist, enthält Kopp's Alizarin
                              									nach Rosenstiehl's Färbeversuchen (vgl. 1875 216 449) auf 70 Th. reines Alizarin 30 Th. Purpurin. Die
                              									sonstige Reinheit der beiden getrockneten Producte kennzeichnet sich dadurch, daſs
                              									nach Kopp's Angaben das grüne Alizarin die 18 bis
                              									20fache, das Purpurin aber die 50 bis 55fache Färbekraft des Krapps besitzt.
                           Es ist auffallend, jedoch heute schwer zu bestimmen, daſs und
                              									warum diese Fabrikate nur eine kleine und kurze Rolle in dem Baumwolldruck spielten.
                              									Hierzu mögen verschiedene Ursachen zusammengewirkt haben, vielleicht der hohe Preis
                              									oder die mangelhafte Behandlung in den Druckereien und namentlich in den Färbereien,
                              									wie auch 10 Jahre später das künstliche Alizarin, da man es nothwendig anwenden
                              									muſste, den meisten Schwierigkeiten gerade bei der Anwendung in der Farbflotte
                              									begegnete. Zudem erhielten sie i. J. 1866, bald nach ihrem Auftreten, in dem
                              									Rochlederin, hauptsächlich aber in dem Krappextract von Pernod eine sehr gefährliche Concurrenz. Ersteres erhielt allerdings keine
                              									Bedeutung auf dem Farbwaarenmarkt, da Rochleder's
                              									Erfindung sogleich von einer österreichischen Druckfabrik käuflich erworben, jedoch
                              									schlieſslich nach vergeblichen und mit erheblichen Verlusten verbundenen Versuchen
                              									dieses gelbe, pulverförmige, aus fast reinem Alizarin bestehende Extract für echte
                              									Dampffarben verwendbar zu machen, wieder bei Seite gelegt wurde. Um so rascher und
                              									vollkommener war der Erfolg von Pernod's Extract,
                              									erhalten durch Ausziehen des Krapps, der Krappblumen oder des Garancines mittels
                              									kochendem angesäuertem Wasser im Verdrängungsapparat. Das zehnprocentige
                              									teigförmige, Alizarin und Purpurin in dem ungefähren Verhältniſs von 45 zu 55
                              									enthaltende Pernod'sche KrappextractVgl. 1867 183 304. 1868 187 329. 409. 1869 191 157. 1870 197 438. wurde bald von verschiedenen
                              									Fabriken, in gröſster Vollkommenheit jedoch von Meissonnier dargestellt und von den Druckereien in bedeutenden Mengen
                              									verarbeitet. Die Vorbereitung des Gewebes mit essigsaurer Thonerde wurde endlich
                              									aufgegeben, die unzweckmäſsige Gummiverdickung durch Stärkepaste ersetzt und das
                              									Extract, mit essigsaurem Eisen oder mit essigsaurer Thonerde und essigsaurem Natron
                              									oder besser mit essigsaurem Kalk vermengt, neben Chromgrün, Chromschwarz,
                              									Ultramarinblau, Albuminorange und Albuminchamois gedruckt, gedämpft, gewaschen und
                              									geseift. Das Verfahren eignete sich vorzüglich für einfarbige und zweifarbige
                              									Hemdenmuster, sowie für echte mehrfärbige färbige Weiſsbodenwaare, insbesondere für den von jeher
                              									beliebten Millefleur-Artikel. Daſs das Blutalbumin und das echtfarbige Guignetgrün
                              									schon bekannt waren, trug wesentlich zu dem raschen Erfolg des neuen Krappextractes
                              									bei.
                           Kaum hatte man die Wirkung der Chromsäure auf die natürlichen
                              									organischen Farbstoffe beobachtet, so fing man i. J. 1832 auch schon an, das auf die
                              									eine oder andere Weise im Laboratorium reducirte chromsaure Kali, d.h. die
                              									Chromoxydsalze in Cachou- oder Holz-, namentlich in Blauholzfarben zu geben, oder
                              									man benutzte sie als Beize für die Färberei des Wollschwarz (vgl. 1853 153 213. 1878 229 288), sowie
                              									für verschiedentlich ausgefärbte Modetöne auf Baumwolle oder endlich für sich allein
                              									als gefärbten Mordant, welcher als Mattgrün in irgend einem Durchzugsbad auf den
                              									Kattunen befestigt wurde. Um diesem Grün einen lebhafteren Ton zu verleihen, wurde
                              									es mitunter in Form von arsenigsaurem Chromoxyd auf dem Gewebe niedergeschlagen;
                              									doch war seine Bedeutung für die Druckerei immer eine sehr untergeordnete (vgl. 1848
                              										107 129. 1849 112 125).
                              									Mit Guignet's Erfindung (1858) des teigförmigen,
                              									giftfreien, seif- und lichtechten ChromgrünsVgl. 1859 151 391. 152
                                    											191. 1864 172 315. 1865 176 386. 1866 182 255. 1874 211 386. 1878 228
                                    											95. jedoch ist das Chromoxydhydrat einer der wichtigsten
                              									Farbstoffe für den Baumwoll- insbesondere den Krappdampfartikel geworden. Wenn es
                              									auch jetzt gerade für einfarbige Muster weniger beliebt ist, so wird es um so mehr
                              									als Nebenfarbe, sowie als Mischfarbe mit Ultramarinblau und Ruſsgrau für imitirtes
                              									Solidblau oder mit Albuminchamois, d.h. mit Ocker, für beliebig nüancirtes
                              									Albuminolive verwendet.
                           Die i. J. 1868 ungemein in die Höhe geschraubten Krapp- und Garancinepreise mögen zum
                              									Theil durch groſse Einkäufe amerikanischer Druckereien hervorgerufen worden sein;
                              									noch mehr dürften sie von dem augenblicklichen Bedarf der seit dem J. 1867 in
                              									gröſserem Maſsstabe schnell sich entwickelnden Fabrikation des Krappextractes
                              									beeinfluſst worden sein. So veranlaſste indirect das Krappextract die Einführung der
                              									längst vorbereiteten, jedoch bisher nur in untergeordneter Weise zur Anwendung
                              									gekommenen Fabrikation der Chromfarben für dunkelbodige Kattune. Diese bestehen aus
                              									sauren oder alkalischen Cachoufarben für sich allein, oder werden dieselben mit
                              									Sumach, Kreuzbeeren-, Blauholz- und Rothholzextract sowie mit Thonerde- oder
                              									Eisenmordant gemischt. Für Schwarz wird Blauholzextract mit Stärke verdickt und mit
                              									holzsaurer Thonerde vermengt, Nach dem Druck wird gedämpft und hernach langsam durch
                              									eine 70° warme Chromkalilösung oder durch ein kaltes Chrombad und einen mit frei
                              									ausströmendem Dampf geheizten Holzkasten genommen, um so neben Schwarz eine Reihe
                              									brauner, grauer und cachoufarbiger Töne zu erhalten, welche sich durch besondere Sattheit
                              									und Wärme auszeichnen und deren Echtheit wenigstens hinter den Holz-Garancinefarben
                              									jener Zeit nicht zurücksteht. Das Weiſs bietet, wenn der Chromirungsapparat nicht
                              									ganz vortheilhaft eingerichtet ist, ziemliche Schwierigkeiten. Für Roth druckte man
                              									neben diesen Farben anfänglich ein Limaroth, später Alizarinroth, für Violett das
                              									schon besprochene Anilinviolett mit arsenigsaurer Thonerde und für Gelb ein
                              									Kreuzbeerengelb, durch überschüssiges gefälltes Zinnoxydulhydrat gegen die dem Gelb
                              									schädliche Wirkung des Chromkalibades geschützt. Die Chromfarben waren bei ihrer
                              									Einführung ein willkommenes Aushilfsmittel in der Zeit der Garancinenoth, und die
                              									wenige dunkle sogenannte Krappwaare, welche der Baumwolle für die Wintersaison übrig
                              									gelassen worden ist, wird immer noch auf diesem Wege, unter Umgehung der
                              									Garancinefärberei, hergestellt.
                           Auch dem Pernod'schen Extract war nur eine kurze Zeit
                              									vergönnt, um sich in die Fabrikation einzuleben. Die ersten Druckversuche fielen ins
                              									J. 1867. Im darauffolgenden Jahr entdeckten Gräbe und
                              										Liebermann (1869 191
                              									342) mit Hilfe von Baeyer's Zinkreaction die
                              									Zusammensetzung und Darstellung des künstlichen Alizarins, und i. J. 1870 hatte nach
                              									einer Reihe rasch auf einander folgender Verbesserungen in der Bereitungsweise schon
                              									der technische Betrieb der Alizarinfabrikation in Deutschland begonnen. Wenn man
                              									zurückblickt, wie lange andere Erfindungen gebraucht haben, um ihren Bestand in der
                              									Industrie zu sichern, so staunt man über die ungemein schnelle Aufnahme, welche das
                              									künstliche Alizarin mit seinem ersten Erscheinen aller Orten gefunden hat. Der Krieg
                              									hatte die Bezugsquellen des Krappextractes verstopft und letzteres hatte als
                              									Vorläufer dem Alizarin den Weg in die Druckfabriken geebnet. Man hatte in die
                              									Druckvorschriften einfach die 10procentige Alizarinpaste an Stelle des Extractes zu
                              									setzen und der Uebergang von einem zum anderen war gemacht. Nur Diejenigen, welche
                              									im Extractroth einen Theil der Schwefelsäure der essigsauren Thonerde mit
                              									essigsaurem Natron abgestumpft hatten, waren beim Alizarin genöthigt, die Vorschrift
                              									mit essigsaurem Kalk anzunehmen. Ich erwähne diese kleine Abänderung aus dem Grund,
                              									weil sie eine neue Bestätigung von Hausmann's alter
                              									Theorie enthält, daſs ein seifenechtes Krapp- oder Alizarinroth den Zusatz von
                              									Kreide oder sonst einem Kalksalz zur Flotte oder zur Druckfarbe verlangt, welche
                              									Ansicht neuerdings durch Rosenstiehl's Untersuchungen
                              									(1874 214 486. 1875 216 447)
                              									als vollkommen richtig nachgewiesen wurde. Jenes Extractdampfroth mit essigsaurem
                              									Natron war ganz brauchbar, weil das Purpurin haltige Extract den Kalkzusatz nicht so
                              									dringend verlangt, als das Flavo- und Anthrapurpurin haltige oder das ganz von
                              									Purpurin freie Alizarin.
                           In der ersten Zeit wurde von den chemischen Fabriken nur eine
                              									Sorte Alizarin geliefert; erst seit ungefähr 5 Jahren, nachdem der Gang der AlizarinfabrikationVgl. 1869 192 513. 193
                                    											140. 321. 1870 195 77 356. 196 359. 585. 197 285. 547. 198 358. 1871 200 505.
                                    											1872 203 155. 1873 209
                                    											236. 238. 1874 211 314. 382. 212 444. 213 262. 1875
                                    												215 161. 217 238.
                                    											1878 227 302. 228 192.
                                    											1879 231 384. in seinen Einzelheiten
                              									studirt worden ist, unterscheidet man streng zwischen Alizarin für Rosa und Violett,
                              									sowie zwischen Alizarin für Roth mit mehr oder weniger Gelbstich für den Druck und
                              									zum Färben. Ersteres besteht aus fast reinem Alizarin, letztere Sorten aus einem
                              									wechselnden Gemenge von Alizarin, Flavo- und Anthrapurpurin (vgl. 1876 222 275. 1879 233 264). Die
                              									Rosa, welche heute auf mit Sulfoleïnsäure vorbereiteter Baumwolle gedruckt, gedämpft
                              									und geseift werden, sind bei weitem einfacher und viel schöner fabricirt als das
                              									alte, in Krapp oder Krappblumen gefärbte, umständlich mit Säure und Seife behandelte
                              									Krapprosa.
                           Das Alizarinviolett wird in seltenen Fällen gedruckt. Wie schon
                              									oben erwähnt, hat das Publikum den Geschmack für Violett verloren; fürs zweite hat
                              									das neue Violett nach der gewöhnlichen Vorschrift nicht genug Leben, es ist zu blau
                              									und zu rauh. Bekanntlich wurde für den alten Violettdruck das holzsaure Eisen, vor
                              									dem Verdicken mit lichtgebrannter Stärke, mit weiſsem Arsenik abgekocht. Ich habe
                              									über dieses Verfahren (1873 208 439) berichtet und als
                              									Zweck der Abkochung angegeben, daſs die im holzsauren Eisen aufgelöste arsenige
                              									Säure die Oxydation des Mordant auf dem Gewebe zu regeln und von der Ueberschreitung
                              									über einen bestimmten Punkt zurückzuhalten habe. Dem entsprechend habe ich die
                              									Vorschrift für Dampfalizarin violett dahin abgeändert, daſs ein Theil des holzsauren
                              									Eisens durch solches ersetzt ward, welches zuvor mit Arsenik abgekocht worden
                              										ist.1k,120 Alizarin Nr. I 22procentig, 770g essigsaurer Kalk von 1,0901 sp. G.,
                                    												340g holzsaures Eisen von 1,074 sp. G.
                                    											und 112g abgekochtes holzsaures Eisen von
                                    											1,1152 sp. G. werden in 16k Verdickung
                                    											eingerührt. (2k,5 Stärke, 4l Traganthschleim zu 75g im Liter, 1l Essigsäure von 1,0506 sp. G., 12l Wasser und 0l,5 Baumöl.) Für
                                    											die abgekochte Eisenlösung werden 4l
                                    											holzsaures Eisen und 0l,25 Essigsäure,
                                    											beide von angegebener Dichte, mit 0l,25
                                    											Wasser und 250g Arsenik abgekocht und auf
                                    												2l Flüssigkeit eingedämpft.
                              									Das nach der unten angegebenen Vorschrift auf nicht geölten Stoff gedruckte, vor dem
                              									Dampfenregelmäſsig oxydirte Violett hat nach dem Waschen und zweimaligen Seifen
                              									einen angenehmen, freundlichen Lilaton mit schwach röthlicher Nüancirung, welche von
                              									dem Verhältniſs zwischen abgekochtem und gewöhnlichem holzsaurem Eisen abhängig ist
                              									und durch Vermehrung des ersteren und entsprechende Verminderung des letzteren bis
                              									zu einer röthlichen Modefarbe getrieben werden kann. Ich finde in diesem Verhalten
                              									sowohl eine Bestätigung meiner damals ausgesprochenen Ansicht, als eine
                              									Rechtfertigung des alten Verfahrens für den Liladruck.
                           Im J. 1876 hat Strobel (1876 220 351) durch Einwirkung von Salpetrigsäuredämpfen auf fertig gefärbtes
                              									oder gedämpftes Krapproth ein Orange auf Baumwolle erhalten, welches durch Seifen nicht wieder in das
                              									ursprüngliche Roth zurückgeführt werden konnte (vgl. 1876 222 96. 472. 1877 224 643. 1878 227 214). Die interessante Reaction wurde sofort von den
                              									Alizarinfabriken zur directen Darstellung von Alizarinorange benutzt. Leider ist die
                              									Verwendung dieses Farbstoffes durch den Uebelstand sehr beschränkt, daſs er sich,
                              									mit essigsaurer oder salpetersaurer Thonerde und mit essigsaurem Kalk vermengt, in
                              									der Druckfarbe selbst sehr schnell verändert. Die ursprünglich gelbe Druckfarbe
                              									nimmt in kürzester Zeit eine rothe Farbe an und gibt alsdann nach dem Dämpfen und
                              									Seifen ein mattes Ledergelb statt eines lebhaften Orange. Und doch hätte die neue
                              									Farbe vor dem Chromorange für den Druck und die weitere Behandlung bedeutende
                              									Vorzüge voraus. Ich habe deshalb versucht, das Alizarinorange in der Druckfarbe
                              									durch Zusatz von unterschwefligsaurem statt essigsaurem Kalk vor der raschen
                              									Zerlegung zu schützen, und gefunden, daſs ein so zusammengesetztes Orange sich einen
                              									Tag lang gebrauchen laſst, wenn man es einmal unter Tags mit frisch bereiteter Farbe
                              									vermengt. Man bringt es damit wenigstens so weit, daſs alle Stücke von einem Tag ein
                              									gleiches und lebhaftes Orange zeigen, und daſs man nur den kleinen Rest vom
                              									vorhergehenden Tag wegzuwerfen braucht. Vielleicht dürfte die Anwendung von Kopp's unterschwefligsaurer Thonerde (1856 141 63) neben unterschwefligsaurem Kalk noch bessere
                              									Resultate versprechen.
                           Die beiden anderen Alizarinderivate, das Alizarinblau (1878 229 546. 230 433. 1879 233 337), sowie das Anthracenviolett (1879 233
                              									340) haben bis jetzt keine besonderen praktischen Erfolge weder für die Druckerei,
                              									noch für die Färberei aufzuweisen. Für das erste insbesondere ist nachgewiesen, daſs
                              									es gegen die Einwirkung des Lichtes sehr empfindlich ist; doch ist die Hoffnung
                              									nicht aufzugeben, daſs es gelingen wird, ein lichtechteres Product in den Handel zu
                              									bringen. Einstweilen hat seine Anwendung mit dem Ferrocyankalium als Mordant einen
                              									ganz neuen Gedanken in die Druckfabriken gebracht, welcher interessant genug ist, um
                              									besonders hervorgehoben zu werden.
                           Gegen das Ende der 60er Jahre wurden nach Mercer's altem
                              									Verfahren in einigen Fabriken die in Krapp gefärbten Rosa vor dem Seifen, Rosiren
                              									und Aviviren mit Seifenlösung oder mit einer heiſsen, aus 700g Seife, 500g
                              									Kolophonium und 20l Wasser bestehenden Flüssigkeit
                              									geklotzt, getrocknet und gedämpft, um dem gefärbten Roth und Rosa eine gewisse Menge
                              									Fettsäure einzuverleiben und so dasselbe dem Türkischroth näher zu bringen. Die
                              									Farben erhielten dadurch wirklich mehr Kraft und Leben, aber das Weiſs wurde durch
                              									die heiſse Klotzflüssigkeit nicht unerheblich verunreinigt. Als man dann anfing, das
                              									Alizarin nicht blos für Dampffarben, sondern auch zum Färben zu benutzen und die
                              									Farben wenig befriedigend und trüb aus dem Farbkessel herauskamen, so wurde dieses Mal
                              									die weiſse Waare, vor dem Bedrucken oder Mordanciren, mit Seifenlösung geklotzt, um
                              									so neben lebhaftem Roth ein besseres Weiſs zu erreichen. Statt Seife allein wurde
                              									auch die Oelbeize für Anilinfarben angewendet, eine Emulsion von 700g Marseiller Seife, 800g Tournantöl, 140g Oleïnsäure (Abfall von der Stearinsäure-Fabrikation), 80g Terpentinöl und 301 Wasser. Rich. Forster in Augsburg (1876 219 539) kam sodann i. J. 1873 auf den Gedanken, die
                              									Fettsäure gleichzeitig mit dem Alizarin ins Farbbad zu bringen, indem er das
                              									Alizarin in Seife gelöst der Farbflotte zusetzte und mit Schwefelsäure
                              									neutralisirte. Das sich abscheidende Gemenge von Alizarin und Fettsäure färbte den
                              									Mordant sehr leicht und sehr schön an. Forster's
                              									Färberei wurde im Groſsen angewendet und lieferte gute Resultate. Doch wurden alle
                              									diese Verfahren i. J. 1875 durch die ebenfalls von den Anilinfarben her bekannte
                              									Sulfoleïnsäure verdrängt, deren Natronsalz H. Köchlin
                              									in Wesserling zuerst für die Färberei und Druckerei des Alizarins benutzte. In
                              									neuester Zeit wurde dem sulforicinölsauren Natron oder einem Gemenge desselben mit
                              									sulfoleïnsaurem Salz der Vorzug gegeben (vgl. 1878 229
                              									544. 1879 233 264). Das sogenannte Präpariröl ist nunmehr
                              									ein sehr wichtiger, unentbehrlicher und in groſsen Mengen, in ganzen Wagenladungen,
                              									verbrauchter Artikel für die Druckereien geworden, welcher erst ein sicheres und von
                              									den schönsten Erfolgen begleitetes Arbeiten mit dem künstlichen Alizarin
                              									ermöglichte. Es wird in die schwachsaure Farbflotte gegeben, um ein reines Weiſs und
                              									ein lebhaftes Roth neben dem Anilinschwarz, welches jetzt ganz an die Stelle des
                              									alten Echtschwarz getreten ist, zu erhalten; es dient ebenso zum Klotzen der in
                              									Alizarin gefärbten Stücke vor dem Seifen, sowie zum Vorbereiten der weiſsen Waare
                              									für Dampfroth und Dampfrosa und ist seine Anwendung in allen Fällen von der
                              									überraschendsten Wirkung auf das mit dem Türkischroth concurrirenden Roth und Rosa
                              									begleitet, welchen es ein in der Färberei bisher nicht gekanntes Leben und Feuer
                              									ertheilt.
                           So hat denn das Alizarin in kurzer Zeit die Hoffnungen, welche sein Erscheinen in den
                              									Kreisen der Färberei und Druckerei erweckte, mehr als erfüllt. Es hat nicht blos die
                              									Fabrikation vereinfacht, neue Druckartikel geschaffen und die alten mit ungeahnter
                              									Pracht vollendet, sondern es hat auch der gesammten Färberei-Industrie eine solidere
                              									Richtung gegeben – ein Verdienst, welches nach den groben Fehlern und Verirrungen
                              									aus der Zeit vor dem Alizarin nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Ob es auch
                              									den in allen Ländern bemerkbaren Niedergang der Kattundruckerei aufzuhalten im
                              									Stande ist, wage ich nicht zu entscheiden. Für die nächste Zeit jedenfalls scheint
                              									die Glattfärberei der Wolle und der Halbwolle, sowie die Buntweberei in den
                              									Vordergrund treten zu wollen, und es ist jezt Sache dieser Industrien, den reichen
                              
                              									Schatz von Erfahrungen und Vorschriften, welchen die gesammte Druckerei nach ihrer halb
                              									wissenschaftlichen, halb empirischen Methode gesammelt hat, für ihre Zwecke richtig
                              									zu verwerthen. Der nicht mehr wegzuläugnende Niedergang des Baumwolldruckes hat
                              									schon mit der Zeit des amerikanischen Krieges seinen Anfang genommen, als die rohe
                              									Baumwolle der wildesten Speculation anheimfiel und jedes andere Interesse hinter dem
                              									rein kaufmännischen auch für die Zukunft zurücktreten muſste. Die Ursachen liegen
                              									also nicht blos auf dem technischen., sondern mehr noch auf dem mercantilen Gebiet,
                              									dessen Mängel und Schäden aufzudecken ich mich heute am wenigsten berufen fühle, da
                              									ich meine Arbeit nicht mit einem unfreundlichen Bilde schlieſsen möchte. Denn sie
                              									soll einem freudigen Ereigniſs, dem 50jährigen Jubiläum des Stuttgarter
                              									Polytechnikums, gewidmet sein.
                           Angeregt durch das Motto, welches Dr. E. Dingler unter
                              									sein freundliches Bild gesetzt hat (vgl. 1874 Bd. 214), war es mir längst ein
                              									Bedürfniſs geworden, auf dem Feld meiner Thätigkeit den Zusammenhang der Theorie und
                              									Praxis, wo er sich nachweisen läſst, bis in die alten Zeiten zurück zu verfolgen,
                              									und ich hielt diese Studie für geeignet, um sie dem Polytechnikum zu seinem
                              									Ehrentage als Zeichen der Dankbarkeit und Anhänglichkeit eines früheren Schülers zu
                              									übersenden und mit ihr, zugleich im Namen des Polytechnischen Journals, Professoren
                              									und Studirende der technischen Hochschule auſs Herzlichste am 26. October zu
                              									begrüfsen.
                           Böhmisch-Leipa, im September 1879.