| Titel: | Ueber das Elutionsverfahren in der Zuckerfabrikation. | 
| Autor: | W–n. | 
| Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 53 | 
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                        Ueber das Elutionsverfahren in der
                           								Zuckerfabrikation.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 7.
                        Ueber das Elutionsverfahren in der Zuckerfabrikation.
                        
                     
                        
                           An alle groſsen Industrien tritt, sobald sie einen gewissen Grad der Vollendung
                              									erreicht haben, die Frage der Abfallverwerthung
                              									unabweisbar heran; dann
                              									wird mit einem Mal in der weiteren Vervollkommnung des Arbeitsprocesses innegehalten
                              									und statt dessen auf alle Weise versucht, die Fabrikationsabfälle voll auszunutzen,
                              									sie einer ökonomischen Verwendung zuzuführen.
                           Unter den mechanischen Industrien konnten wir dies im vergangenen Jahrzehnt im
                              									ausgedehntesten Maſse bei den Textilmanufacturen beobachten (vgl. die
                              									Abfallspinnerei, Shoddy- und Mungofabrikation * 1871 189 15 u.a.); in gleichem Sinne
                              									wird die Verhüttung und weitere Ausnutzung der Hochofenschlacke, die
                              									Wiederverarbeitung der Stahlabfälle von stets wachsender Bedeutung, und was vor
                              									nicht allzu langer Zeit als „werthloser Abfall“ in den Kohlenzechen bei Seite
                              									geschoben wurde, brennt heute als Kohlenklein in den einstmals nur Kokes
                              									vertragenden Feuerbüchsen unserer Locomotiven.
                           In noch weit höherem Grade ist die Abfallverwerthung in den rein chemischen
                              									Industriezweigen durchgeführt; ein Blick in die Sachregister von „Dingler's
                                 										polytechnisches Journal“ genügt, um das ausgesprochene Ueberwiegen dieser
                              									Richtung darzulegen, und es gibt vielleicht kein schöneres Beispiel, um deren
                              									Bedeutung zu charakterisiren, als die epochemachende Entdeckung der
                              									Anilinfabrikation, welche durchaus auf der Abfallverwerthung beruht.
                           Bei der in beide Gebiete hinübergreifenden Zuckerindustrie, welche durch die Gröſse
                              									der darin angelegten Kapitalien und vermöge ihrer Bedeutung für die Landwirthschaft
                              									einen wichtigen Factor in dem wirtschaftlichen Gefüge unseres Vaterlandes bildet,
                              									ist die Frage der rationellen Abfallverwerthung erst in den letzten Jahren zu einer
                              									brennenden geworden. Die früheren Leistungen dieser Richtung beschränkten sich
                              									darauf, die Preſslinge und ausgelaugten Schnitzel zur Viehmast verwendbar zu machen,
                              									höchstens noch die Waschwässer zur Berieselung oder Düngung des Bodens auszunutzen;
                              									dagegen ist der wichtigste Abfallstoff der Zuckerfabrikation, die Melasse, bis heute
                              									für die Zwecke der Zuckergewinnung fast werthlos geblieben, indem die groſse
                              									Mehrzahl der Fabriken sich darauf beschränkt, ihre letzten in den Reserven nicht
                              									weiter ausbringbaren Syrupe an die Spiritusfabriken abzugeben, wo sie allerdings
                              									auch einer gewissen, jedenfalls aber höchst irrationeller Verwerthung zugeführt
                              									werden.
                           Die groſsen wirtschaftlichen Verluste, welche dieser Art von
                              									Abfallverwerthung entspringen, sind schon wiederholt betont und in klassischer Weise
                              									in R. v. Wagner's Ausstellungsnotiz über Vincent's Verfahren zur Verwerthung der bei der
                              									Spiritusfabrikation verbleibenden Melasseschlempe (vgl. 1878 230 263) besprochen worden. Es wird darauf hingewiesen, daſs bei einer
                              									jährlichen Melasseproduction des deutschen Reiches von beiläufig 100000t der Werth des darin enthaltenen Zuckers (etwa 50
                              									Procent des Melassegewichtes bewerthet mit 60 M. für 100k) allein 30 Millionen Mark, auſserdem die Kalisalze (etwa 5½ Proc., Werth
                              									40 M. für 100k) und der Stickstoff (etwa 2 Proc., Werth
                              									200 M. für 100k) weitere 6 Mill. Mark ausmachen,
                              									während der Verkauf jener 100000t Melasse an die
                              									Spiritusfabriken (durchschnittlich 8 Mark für 100k) kaum mehr als 8
                              									Millionen Mark ergibt. Mag nun allerdings der Fabrikationsgewinn der
                              									Spiritusfabriken an jenen 100000t mit 4 M. für
                              										100k und mögen andererseits die directen
                              									Gewinnungsspesen des in der Melasse enthaltenen Zuckers sammt Nebenbestandtheilen
                              									mit gleichfalls 4 M. für 100k berechnet werden, so
                              									stellt sich noch immer der Handelswerth des aus der Melasse ausbringbaren Zuckers
                              									sammt Stickstoff und Salzen auf 32 gegenüber den für die Spiritusfabrikation
                              									erreichbaren 12 Millionen Mark, somit, nach der jetzt noch allgemein üblichen
                              									Verfahrungsweise, eine jährliche Werthvernichtung von 20 Millionen Mark, allein für
                              									den Umfang des deutschen Reiches.
                           So klar diese Rechnung auf die Vortheile der Wiedergewinnung des in der Melasse
                              									enthaltenen Zuckers hinweist, so kann es andererseits doch nicht überraschen, daſs
                              									bis in die jüngste Zeit die Zuckerindustrie diesen Gegenstand kaum beachtete. Sie
                              									hatte noch nicht jenen Grad der Vollkommenheit in der Urfabrikation selbst erreicht,
                              									welcher, wie eingangs angedeutet, nothwendig vorangehen muſs, ehe der immerhin
                              									ferner stehenden Frage der Abfallverwerthung allgemeinere Beachtung gewidmet
                              									wird.
                           So lange die Art der Saftgewinnung nicht endgültig entschieden war und so lange – wie
                              									selbst heute noch in Oesterreich, in Folge des irrationellen Steuersystemes der
                              									Pauschalirung – das principiell einzig richtige Diffusionsverfahren durch
                              									überhastete Arbeit ungenügend ausgenutzt wird, ist kein Raum für jene mehr
                              									verfeinerten Processe, welche sich mit der rationellen Abfallverwerthung
                              									beschäftigen. Darum blieben die in dieser Richtung seit Jahrzehnten eifrigst
                              									betriebenen Versuche und Studien der Gelehrten von der Praxis völlig unbeachtet, um
                              									erst in neuester Zeit, als jene Vollendungsstufe der Urfabrikation erreicht worden,
                              									wie mit einem Schlage actuellste Bedeutung zu erlangen.
                           Schon anfangs der fünfziger Jahre wurde von Dubrunfaut
                              									und Leplay (1850 117 136. 275. 1851 121 308. 1854 131
                              									47. 1863 167 398. 1865 178 230. * 1871 202 164) die Entdeckung gemacht, daſs der in
                              
                              									der Melasse enthaltene Zucker durch Zusatz von Baryt von den die Kristallisation
                              									hemmenden Salzen getrennt und aus der entstehenden Barytverbindung ohne
                              									Schwierigkeit gewonnen werden kann. Auch wurde dieser Proceſs in gröſserem Maſse
                              									praktisch durchgeführt und dürfte selbst heute noch in Anwendung sein; einer
                              									weiteren Durchführung stand zur Zeit der Entdeckung die damals noch andere Ziele
                              									erstrebende allgemeine Richtung der Zuckerfabrikation entgegen; heute ist das
                              									Verfahren, welches zudem in Folge der giftigen Eigenschaften des Baryts hygienisch
                              									nicht ganz unbedenklich erscheint, durch die neueren Elutionsmethoden überflügelt.
                           Dieselben beruhen ausschlieſslich auf der Eigenschaft des in der Melasse enthaltenen
                              									Zuckers sich mit Kalk zu dreibasischem Zuckerkalk zu verbinden und von dem
                              									Nichtzucker der Melasse dadurch zu trennen, daſs der dreibasische Zuckerkalk im
                              
                              									reinen Alkohol unlöslich bleibt, wogegen die fremden Bestandtheile der Melasse stets
                              									einen gröſseren oder
                              									geringeren Grad von Löslichkeit behalten. So wird die Möglichkeit geboten, die mit
                              									Kalk versetzte Melasse so lange mit Alkohol auszuwaschen, bis reiner Zuckerkalk
                              									zurückbleibt, welcher, durch Destillation entgeistet, entweder direct auf Rohzucker
                              									verarbeitet, oder statt des sonst üblichen Kalkzusatzes zur Saturation der
                              									Rübensäfte verwendet werden kann.
                           Dieses Fabrikationsprincip wurde zum ersten Male von Dr. C.
                                 										Scheibler klar ausgesprochen (vgl. Zeitschrift des
                                 										Vereines für Rübenzuckerindustrie, 1865 S. 117), um das J. 1865 von ihm zur
                              									praktischen Ausführung gebracht und demselben, gemäſs der charakteristischen
                              									Gewinnungsart durch Auswaschen, der Name
                              										„Elution“ gegeben, unter welchem nunmehr alle neuen Systeme der
                              									Zuckergewinnung und Melasse zusammengefaſst werden.
                           Auſser der Elution kommt heute nur mehr das Osmose-Verfahren von Dubrunfaut (1856 139 305. * 1867 184 149. 186 44. *
                              									1868 189 143. 154. * 1869 194 60. 1870 196 361) in Betracht, beruhend auf dem
                              									Geschwindigkeitsunterschied, mit welchem einerseits der Zucker, andererseits die
                              									Salze der Melasse durch dünne Scheidewände – (Pergamentpapier) diffundiren – eine
                              									Geschwindigkeitsdifferenz, welche jedoch unter Umständen so klein wird, daſs sie nur
                              									einen geringen Procentsatz des in der Melasse enthaltenen Zuckers rein zu gewinnen
                              									gestattet. Darum scheint, wenigstens für die nächste Zukunft, in der richtigen
                              									Durchbildung der Elution allein die Möglichkeit einer vollkommenen Ausnutzung der
                              									Melasse zur Zuckerfabrikation zu beruhen.
                           Die hier in Frage kommenden Systeme scheiden sich naturgemäſs in solche, welche den
                              									Zuckerkalk durch Bildung eines thunlichst reinen Niederschlages aus der Melasse
                              									direct zu erzielen streben, während eine zweite Gruppe von Verfahrungsweisen
                              									zunächst ein Zwischenproduct den „Melassekalk“ bildet, welcher noch alle Melasse enthält und hierauf
                              									erst allmählich von dem Nichtzucker befreit wird. Zur ersteren Gruppe rechnen wir
                              									die Versuche von Stammer (1862 163 215), die Ausführung
                              									von Schröter und Wellmann
                              									(1866 179 68), das in verschiedenen Fabriken im Groſsen durchgeführte Verfahren von
                              										Sebor (1872 204 496. 1873 207 410. Zeitschrift für Zuckerindustrie, [Prag] 1873 S. 564.
                              									1874 Heft 1) und endlich eine bis jetzt noch nicht näher bekannte Erfindung von A. Drevermann in Berlin (* D. R. P. Nr. 2890 vom 30.
                                 									März 1878). Nachdem die drei erstgenannten Verfahrungsweisen schon eingehend
                              									besprochen sind und das letztere seine praktische Ausbildung bis jetzt noch nicht
                              									gefunden hat, mag hier nicht näher auf dieselben eingegangen werden; zudem
                              									repräsentirt auch diese Art der Melasseverarbeitung eine wohl schon veraltete
                              									Richtung.
                           Dagegen hat sich die Methode der Bildung von rohem
                                 										Melassekalk aus der Melasse und Elution desselben zu reinem Zuckerkalk in
                              									den letzten Jahren stetig ausgebreitet und dürfte allem Anschein nach alle früheren Verfahren
                              									verdrängen. Dieses System wurde verkörpert durch die Elutionsverfahren von Scheibler, Weinrieb., Scheibler-Seyferth und Manoury.
                           Wie oben erwähnt, begann Dr. C. Scheibler Mitte der 60er
                              									Jahre das Elutionsverfahren im Fabriksbetrieb durchzuführen. Er versetzte, den
                              									Laboratoriumsversuch ins Groſse übertragend, die in ihrem gewöhnlichen Zustand der
                              									Eindickung befindliche Melasse mit der beiläufig zur Bildung des dreibasischen
                              									Zuckerkalkes erforderlichen Menge von Kalk in Gestalt von Kalkmilch und gewann dadurch ein breiartiges Product, welches jedoch in
                              									dieser Form zum Auslaugen absolut ungeeignet war. Dagegen lieſs sich dasselbe in
                              									getrocknetem und zerkleinertem Zustand aufs erfolgreichste auslaugen und gab als
                              									Endproduct der Fabrikation einerseits ziemlich reinen Zuckerkalk, andererseits
                              									concentrirte Laugen, welche die Nichtzuckerbestandtheile der Melasse in sich
                              									gesammelt enthielten und in gewöhnlichen Blasen entgeistet, das denkbar
                              									vollkommenste Düngmaterial für Rübenböden lieferten, da si denselben geradezu alles
                              									zurückliefern, was ihnen die Rübe bei ihrem Wachsthum entzogen hatte.Die ersten Forschungen über die Natur des Zuckerkalkes und dessen
                                    											Unlöslichkeit in Alkohol und heiſsem Wasser sind von Peligot (1851 120 302), welcher
                                    											angeblich schon im J. 1838 den Zuckerkalk entdeckt hat (vgl. 1851 121 309).
                           So einfach sich aber dieses Verfahren in all seinen Theilen auf den theoretischen
                              									Grundlagen aufbaute und so günstig die Fabrikationsproducte sich gestalteten, so
                              									scheiterte es doch an einem anscheinend geringfügigsten Zwischenprocesse. Das Trocknen des breiartigen Scheibler'schen Melassekalkes
                              									bereitete von Anfang an die gröſsten Schwierigkeiten, und als es dem unermüdlichen
                              									Forscher endlich gelungen war, die geeignete Art des Trockenprocesses zu finden,
                              									indem er den Melassekalk in dünnen Schichten in die einzelnen Fächer geheizter
                              									Trockenräume eintrug, so stellte sich ein derart groſser Brennmaterialverbrauch
                              									heraus, daſs die Fabrikationsspesen jeden Gewinn von vorn herein unmöglich
                              									machten.
                           Nachdem so der eigentliche Urheber aller späteren Elutionsverfahren, Dr. C. Scheibler, einige Jahre vergeblich an der
                              									Ueberwindung dieser Schwierigkeit gearbeitet hatte, wendete er sich, im Verein mit
                              									Dr. Seyferth, einem völlig neuen Verfahren zu –
                              									offenbar der Ueberzeugung, daſs auf dem zuerst betretenen Wege ein Erfolg unmöglich
                              									sei. Und doch lag, wie dies in der Entwicklungsgeschichte der Technologie so oft
                              									schon vorgekommen, auch hier die von Scheibler
                              									erstrebte Lösung so nahe, daſs es geradezu unbegreiflich erscheint, wie ihm dieselbe
                              									entgehen konnte. Wenn die künstliche Trocknung des Scheibler'schen Melassekalkes so unüberwindliche Schwierigkeiten
                              									bereitete, was lag da, sollte man glauben, näher, als die Trocknung des Gemisches
                              									durch 
                              									entsprechende Behandlung der einzelnen Theile vor der
                                 										Mischung vorzubereiten. War doch die Form des Kalkzusatzes in Gestalt von
                              									Kalkmilch lediglich eine Erleichterung des mechanischen Mischungsprocesses – für die
                              									theoretische Grundlage des Verfahrens war nur gelöschter Kalk (Calciumhydroxyd) erforderlich, ob dieser trocken gelöscht
                              									in Pulverform, oder mit Wasserüberschuſs gelöscht als Kalkmilch erschien, blieb
                              									völlig gleichgültig. Andererseits läſst sich mit nur geringen Kosten die Melasse
                              									beliebig anwärmen und in heiſsem Zustande mit dem trocknen Pulver gelöschten Kalkes
                              									zusammenmischen, das so gebildete breiartige Gemisch erhärtet von selbst nach kurzer Zeit und die künstliche
                              									Trocknung des Melassekalkes entfällt. Würde in dieser Weise der rohe Melassekalk
                              									sofort nach der Mischung in entsprechende Form gebracht, so wäre das Endresultat,
                              									das gleiche wie bei der Scheibler'schen Methode nach
                              									der künstlichen Trocknung des mit Kalkmilch und kalter Melasse hergestellten
                              									Gemenges, und so dieses Verfahren, das nur an den übermäſsigen Spesen in der
                              									künstlichen Trocknung scheiterte, vielleicht erfolgreich durchführbar geworden.
                              									Dieser Versuch fand thatsächlich nicht statt und erst einem späteren Verfahren, dem
                              										Weinrich'schen war es vorbehalten, diese einfachste
                              									Lösung der Aufgabe aufzufinden.
                           In der Zwischenzeit hatte sich Scheibler mit Seyferth vereinigt, ein ganz neues System auf Grundlage
                              									der Bildung von porösem Melassekalk durchgearbeitet und i. J. 1875/76 in
                              									Wassersleben am Harz praktisch eingerichtet. Ganz augenscheinlich hat bei der
                              									Begründung dieses Verfahrens die Idee der künstlichen Trocknung ihren Einfluſs
                              									ausgeübt; auch hier findet, wie bei Scheibler, eine Art
                              									künstlicher Trocknung des angemischten Melassekalkes statt; doch erhält er die
                              									hierzu nöthige Wärme nicht von auſsen, sondern bildet sie aus sich selbst – durch
                              									chemische Reaction. Statt der Kalkmilch wird beim Scheibler-Seyferth'schen Verfahren frisch gebrannter ungelöschter Kalk
                              									verwendet, dieser zu Pulverform zermahlene Aetzkalk wird der auf etwa 30° erwärmten
                              									Melasse zugesetzt, innig mit derselben vermischt und der gebildete Brei in
                              									Blechgefäſse abgelassen, in welchen sich nach wenig Minuten eine höchst energische
                              									Reaction entwickelt. Denn jetzt verbindet sich das in der Melasse enthaltene Wasser
                              									(durchschnittlich an 20 Proc.) mit dem Aetzkalk, welcher bisher pulverförmig nur
                              									mechanisch beigemengt war, der Kalk wird gelöscht, in Folge dessen quillt die Masse
                              									auf, geräth in heftige Bewegung, bis als Resultat des ganzen Processes, nachdem
                              									aller Kalk gelöscht ist, ein trockner, poröser Melassekalk entsteht, welcher nun
                              									ohne weiteres zerkleinert und ausgelaugt wird.
                           Dieses Verfahren, welches zu einer Zeit auftauchte, wo der Frage der
                              									Melasseverarbeitung schon allgemeines Interesse gesichert war, fand rasch gröſsere
                              									Verbreitung und wurde, speciell unter thätiger Mitwirkung von H.
                                 										Bodenbender, in all seinen Theilen in vollendeter Weise durchgearbeitet.
                              									Wir verweisen diesbezüglich auf die Neue Zeitschrift für
                                 										Rübenzuckerindustrie, 1879 S. 373 und 412.
                           Ziemlich gleichzeitig mit dem Verfahren von Seyferth
                              									wurde von Frankreich aus ein anderes System der Bildung von Melassekalk bekannt
                              									gemacht, welches den Zuckerfabrikanten H. A. J. Manoury
                              									in Capelle (* D. R. P. Nr. 5003 vom 1. November 1877) zum Urheber hat.
                           Dasselbe bringt, als wesentlichen Unterschied von den übrigen Elutionsverfahren, den
                              									Melassekalk in halbweicher Form zum Auslaugen und erspart so die Kosten der
                              									Vorbereitung des harten Melassekalkes zur Elution. Hier wird die gekühlte Melasse
                              									mit theilweise gelöschtem Kalk in Pulverform in einem eigenartigen Mischgefäſs
                              									vereinigt und das entstehende Product, aus halbweichen Pillen bestehend, in den
                              									Lauggefäſsen mit verdünntem Spiritus behandelt. Zur richtigen Führung des Processes
                              									und zur Hervorbringung der gewünschten Zähigkeit des körnigen Melassekalkes ist es
                              									nöthig, mehr als die theoretisch nöthige Menge von Kalk, statt beiläufig 35 Proc.
                              									Kalkpulver, 80 bis 100 Proc. zuzusetzen; eine weitere Eigenthümlichkeit des
                              									Verfahrens beruht in den vor der Mischung erfolgenden Zusätzen von Natron und Soda,
                              									welche der bei etwa 100° eingedickten und später wieder abgekühlten Melasse
                              									beigefügt werden, um durch Herstellung von leichter löslichen Verbindungen der
                              
                              									Kalksalze der Melasse das Auslaugen zu beschleunigen.
                           Kurz nach Bekanntwerden dieser beiden Verfahren tauchte endlich die letzte hier zu
                              									besprechende Ausbildung des Elutionsverfahrens auf, herrührend von dem
                              									Zuckerfabrikanten Moritz Weinrich in Pecek und Wien
                              									(vgl. * D. R. P. Nr. 7171 vom 17. Juli 1878). Dasselbe kehrt in seinen
                              									Grundprincipien wieder vollständig zu dem Ausgangspunkt der Scheibler'schen Versuche zurück und ist als eine vollendete Lösung
                              									derselben zu bezeichnen. Wie bei Weinrich's Verfahren
                              									aus heiſser Melasse unter Zusatz von trocken gelöschtem Kalk ein Melassekalk
                              									gebildet wird, welcher alsbald nach der Mischung ohne Reaction und ohne künstliche
                              									Trocknung von selbst erstarrt, wurde schon oben gelegentlich der Scheibler'schen Methode erörtert. Doch wird diese Masse
                              									nicht nach Analogie des letzteren Verfahrens in complicirten Lauggefäſsen der
                              									Elution unterzogen, sondern gestattet, vermöge ihrer charakteristischen spröden
                              									Structur eine ganz eigenthümliche Vorbereitung zum Zwecke schneller und möglichst
                              									vollständiger Auslaugung. Da über dieses interessante Verfahren bis jetzt noch keine
                              									Veröffentlichung erfolgt ist, so benutzen wir die Wiedergabe Fig. 1 bis
                              										4 Taf. 7 einer in Prag kürzlich ausgestellten Zeichnung, um es kurz zu
                              									erörtern.
                           Die für eine tägliche Verarbeitung von 18t Melasse
                              									berechnete Fabriksanlage zerfällt in einen mehrstöckigen Tract, das Mischhaus, und
                              									einem einstöckigen, das Lauglocal. In ersterem befinden sich im oberen Stock die Wasser- und
                              									Spiritusbehälter c, im ersten Stock die mit Rührwerken
                              									und geheizten Doppelböden versehenen Gefäſse e, in
                              									welchen die Melasse bis gegen 100° erwärmt und durch die in Fig. 2
                              									ersichtliche Rohrleitung zu dem Mischgefäſs g
                              									abgelassen wird. Gleichzeitig gelangt in dieses Gefäſs die theoretisch zur Bildung
                              									des dreibasischen Zuckerkalkes erforderliche, genau nach dem Zuckergehalt der
                              									Melasse berechnete Menge von trocken gelöschtem Kalk, welcher vorher durch ein
                              									gewöhnliches Cylindersieb f gegangen ist. Diese beiden
                              									Bestandtheile werden in dem mit Dampfmantel und geheizten Boden versehenen
                              									Mischgefäſs g durch rasch sich umdrehende Rührarme
                              									innig gemengt, während der gebildete Melassekalk in Gestalt eines heiſsen flüssigen
                              									Breies ununterbrochen vom Boden des Mischers in die Erstarrungskästen abgezogen
                              									wurde. Dort erstarrt derselbe in einigen Stunden zu einer harten und spröden Masse
                              									und gelangt, nachdem derselbe in etwa 24 Stunden völlig ausgekühlt ist, durch einen
                              									Aufzug in das oberste Stockwerk des Mischhauses, um zunächst durch ein doppeltes
                              									Brechwerk i und hierauf durch die Schleudermühle k zu Staub und Gries zerkleinert zu werden. Nachdem der
                              									gemahlene Melassekalk den Siebcylinder m passirt hat,
                              									gelangt er zu dem im Lauglocale aufgestellten Rührwerk n (Fig. 1 und
                              										3), das mit Spiritus gefüllt ist, welcher, durch Rührarme in steter
                              									Bewegung erhalten, die einfallenden Staub- und Griestheilchen suspendirt, dieselben
                              									allseitig durchdringt und ihnen jene eigenthümliche Beschaffenheit ertheilt, welche
                              									vom Erfinder ganz bezeichnend „Melassekalk-Sand“ genannt wird. Nach kurzem
                              									Ummischen im Rührwerke wird der Melassekalk-Sand durch eine Pumpe abgezogen und
                              									durch zerlegbare Rohrleitung in einen der liegenden Eluteurs o geschafft, aus welchem dann zunächst der zum Anmischen verwendete
                              									Spiritus als schwer beladene Lauge abgezogen wird. Diese gelangt sofort in
                              									Laugenblasen r zur Destillation und liefert, nachdem
                              									sie entgeistet werden, den werthvollsten Dünger in concentrirter Form.
                           Bei weiterem Fortschreiten des Laugprocesses wird frischer Spiritus im Eluteur
                              									aufgegeben und dienen die hiervon abgezogenen leichteren Laugen am vortheilhaftesten
                              									zum neuerlichen Anmischen von Malassekalk-Sand im Rührwerk. Nach 50 bis 60 Stunden
                              									ist das Auslaugen eines Eluteur beendigt, der zurückgebliebene reine Zuckerkalk wird
                              									theils im Eluteur selbst, theils in der Kalkmilchblase q durch Destillation von dem Spiritus befreit und als Zuckerkalk direct
                              									verarbeitet, oder zur Scheidung der Rübensäfte verwendet. Dabei ist als wesentlicher
                              									Vorzug des neuen Systemes die hohe Reinheit des gebildeten Zuckerkalkes anzuführen,
                              									welche ein, bei den älteren Verfahren unmögliches, directes Verarbeiten auf
                              									Rohrzucker gestattet; während der Campagne gelangt der Zuckerkalk selbstverständlich
                              									mit den – Rübensäften zur Verarbeitung und wird hier denselben an Stelle von Kalk
                              									zugesetzt.
                           
                           Ueber die praktischen Resultate des Weinrich'schen
                              									Verfahrens dürften wohl bald entscheidende Daten bekannt werden, nachdem
                              									verschiedene Fabriken die Arbeit nach demselben aufgenommen haben. Die Raschheit des
                              									Laugprocesses, sowie die durch Wegfall des Batteriensystemes erreichte Einfachheit
                              									der ganzen Anlage gestatten auch in dieser Richtung einen günstigen Schluſs.
                           
                              
                                 W–n.
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
