| Titel: | Schleppschieber-Steuerung von Ehrhardt und Sehmer in Malstadt-Saarbrücken. | 
| Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 93 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Schleppschieber-Steuerung von Ehrhardt und Sehmer in
                           									Malstadt-Saarbrücken.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 9.
                        Ehrhardt und Sehmer's Schleppschiebersteurerung.
                        
                     
                        
                           Das Wesen dieses auf Taf. 9 in Fig. 1 und
                              										2 dargestellten SchiebersVgl. * D. R. P. Nr. 6540 vom 19. Januar 1879 und Zusätze * Nr. 6801 vom 19.
                                    											Januar 1879 sowie * Nr. 7371 vom 15. März 1879. kann dahin
                              									erklärt werden, daſs ein Trick'scher Kanalschieber in zwei Theile zerlegt ist, von
                              									denen jeder einen vollständigen Muschelschieber bildet. Der innere Schieber
                              									überdeckt den Ausströmungskanal und besorgt nur die Dampfausströmung. Der äuſsere
                              									Schieber überdeckt den innern vollständig ringsum, wird durch Excenter oder Coulisse
                              									angetrieben und vermittelt nur die Dampfeinströmung. Der äuſsere
                              									Dampf-Einlaſsschieber ist daher direct gesteuert, der innere Auslaſsschieber wird
                              									nur zeitweise durch den ersteren mitgeschleppt (Verschleppung v), wobei zwischen Einlaſs- und Auslaſsschieber stets
                              									ein freier Zwischenraum bleibt, daher die Doppeleinströmung genau so stattfindet wie
                              									beim Trick'schen Schieber.
                           Das Diagramm für die Ehrhardt-Sehmer'sche
                              									Schleppschiebersteuerung ist in Fig. 3 für
                              									halbe Cylinderfüllungen dargestellt. Es construirt sich für den Dampfeinlaſs wie das
                              									Diagramm des gewöhnlichen Schiebers. Die innere Deckung i wird jedoch nicht direct von o aus als
                              									Kreis aufgetragen, sondern abwechselnd in positivem und negativem Sinne zum
                              									Halbmesser eines Kreises o s, dessen Radius selbst
                              									gleich der Verschleppungsgröſse v ist. Nachdem die
                              									innere Deckung zu dieser Verschleppung sich summirt, um den Beginn des
                              									Dampfaustrittes zu verzögern, sich dagegen von derselben subtrahirt hinsichtlich der
                              									Beendigung des Dampfaustrittes, so gibt der negative Theil eines Kreises vom
                              									Halbmesser v + i den Beginn des Dampfaustrittes und die
                              									negative Hälfte eines Kreises vom Radius v – i die
                              									Beendigung des Dampfaustrittes.
                           Die Ehrhardt-Sehmer'sche Schieberanordnung gewährt
                              									gegenüber der von Trick so mäſsige Voreilung des
                              									Dampfaustrittes und so mäſsige Compression, daſs dieselbe offenbar noch für viel
                              									geringere Füllungsgrade als 50 Proc. verwendbar wird.
                           Die ganz vorzüglichen Eigenschaften der neuen Schieberanordnung ergeben sich
                              									unzweifelhaft bei Betrachtung der Diagramme (vgl. Fig. 4).
                           
                           Der Schieber ist durch eine Umsteuerungscoulisse, welche constantes lineares Voreilen
                              									des Schiebers gibt, gesteuert gedacht und es sind die Diagramme für drei
                              									verschiedene Füllungsgrade, also für drei verschiedene Stellungen der Coulisse
                              									verzeichnet.
                           Für die Coulissenstellung „Grad 2“ erfolgt die Absperrung
                              									des Dampfzuflusses schon bei 20 Procent des Kolbenlaufes.
                           Der punktirte Kreis gibt diejenige Weite der Oeffnung des
                              									Dampfzufluſskanales an, welche einer Dampfgeschwindigkeit von 47m entspricht. Der Punkt, in welchem der
                              									Schieberkreis diesen Kreis durchschneidet, bezeichnet den Moment, wo die
                              									Dampfgeschwindigkeit über 47m wächst, von welchem
                              									an Druckverminderung durch Drosselung, also ein Einsinken der Druckcurve des
                              									Indicatordiagrammes zu erwarten ist. Zur Zeit des wirklichen Dampfabschlusses wird
                              									die Indicatorcurve schon so eingesunken sein, daſs sie vollständig in der
                              									Expansionscurve liegt und das Diagramm den Eindruck machen wird, als ob der
                              									Dampfabschluſs schon viel früher, spätestens bei 15 Procent des Kolbenlaufes,
                              									stattgefunden hätte.
                           Das Diagramm des „2. Grades“ zeigt, daſs bis nahezu 10
                              									Procent des Kolbenlaufes voller Dampfdruck im Cylinder herrschen wird. Von da ab
                              									beginnt Drosselung, welche bis 20 Procent des Hubes andauert, um nach erfolgtem
                              									Dampfabschluſs in die wirkliche Expansionsperiode überzugehen. Diese reine
                              									Expansionsperiode dauert bis 89 Procent des Kolbenhubes und erst 11 Proc. vor
                              									Beendigung desselben beginnt der Dampfaustritt, welcher 83 Proc. des
                              									Kolbenrücklaufes andauert. Dann beginnt die Compression auf 16 Procent des Hubes und
                              									Voreilung für frischen Dampfzufluſs auf 1 Procent des Hubes.
                           Der Ehrhardt-Sehmer'sche Schleppschieber gibt demnach
                              									bei 20 Proc. Füllung viel richtigere Dampfvertheilung als der Trick'sche Schieber
                              									selbst bei halber Füllung.
                           Die Dampfvertheilung durch den Ehrhardt-Sehmer'schen
                              									Schieber ist für mäſsig rasch laufende Maschinen (normal 2m Kolbengeschwindigkeit) eine vollkommene und hat
                              									gegenüber den vielgliedrigen Steuerungseinrichtungen den Vorzug der gröſsten
                              									Einfachheit und einer weitgehenden Verwendbarkeit für Betriebsdampfmaschinen,
                              									Locomotiven, Walzenzugsmaschinen, stationäre Maschinen mit Umsteuerung,
                              									Fördermaschinen u.a.
                           Ein weiterer Vorzug, der volle Beachtung verdient, bezieht sich auf Dichtheit dieses
                              									Schiebers. Der Einlaſsschieber umhüllt den Auslaſsschieber vollständig und schlieſst
                              									den vollgespannten Dampf des Schieberkastens zunächst ab von dem Durchlaſskanal. Die
                              									mittlere Dampfspannung in diesem Durchlaſskanal wird aber nur wenig höher sein als
                              									die mittlere Dampfspannung im Cylinder selber, und diese ist erheblich niedriger als
                              									die des Schieberkastens. Eine Undichtheit des Einlaſsschiebers läſst nie den Dampf
                              									direct entweichen, sondern arbeitend in den Cylinder strömen.
                           Der Auslaſskanal hingegen ist stets überdeckt und abgedichtet durch den
                              									Auslaſsschieber, dessen Form und Gröſse an sich schon groſse Dichtheit und Dauer
                              									erwarten läſst; derselbe hat nur die Druckdifferenz zwischen Durchlaſskanal und
                              									Auspuffkanal abzudichten und macht wesentlich kleinere Wege als der Einlaſsschieber.
                              									Dem Entweichen des Dampfes in Folge mangelnder Abdichtungen stellen sich also zwei Schieberabdichtungen
                              									nach einander entgegen, so daſs schon aus diesem Grunde die Dampfverluste geringer
                              									ausfallen müssen als bei gewöhnlichen Schiebern; auſserdem kann bei starker
                              									Compression der Auslaſsschieber nie abgehoben und directer Dampfverlust bewirkt
                              									werden.
                           Die richtige Dampfvertheilung der Ehrhardt-Sehmer'schen
                              									Steuerung zeigen die Diagramme Fig. 5,
                              									abgenommen an der ersten, mit dieser Steuerung ausgeführten Betriebsmaschine von
                              										200mm Durchmesser, 500 Hub bei etwa 100 Touren
                              									in der Minute.
                           Die Steuerung in Verbindung mit einfachem Excenterantrieb gibt fixe Expansion.
                              									Veränderliche Expansion kann durch Aenderung des Schieberhubes bei Einschaltung
                              									einer Coulisse o. dgl. erzielt werden.
                           Dasselbe Steuerungsprincip wurde von Ehrhardt und Sehmer für VentilsteuerungenVgl. * D. R. P. Nr. 6745 vom 19. Januar 1879. angewendet, welche
                              									unten ausführlicher besprochen sind.
                           Hinsichtlich der constructiven Ausführung sei noch erwähnt, daſs der unelastische
                              									Schlag des Schleppschiebers während der Arbeit zwar keinen praktischen Nachtheil mit
                              									sich bringt, jedoch lästig wird und durch entsprechende Detailconstruction behoben
                              									wurde. Für groſse Maschinen (Walzenzugsmaschinen) wurde der Schieber als entlasteter
                              									Kolbenschieber ausgeführt.
                           Die Anordnung des Verschleppungsmechanismus bei Ventilmaschinen ist in Fig.
                                 										6 bis 8 Taf. 9
                              									dargestellt.
                           An Stelle der äuſseren und inneren Deckung des Schiebers treten hier todte Wege
                              									zwischen Ventilhebedaumen und den Anschlagflächen der Ventilspindelköpfe. Die
                              									Verschleppung wird bewirkt durch die lose drehbaren Hebel v, deren vordere Hebedaumen Nasen untergreifen, die seitlich an den
                              									Spindelköpfen der Auslaſsventile vorspringen. Das Gewicht g hängt an einem elastischen, durch kurze Zugstangen mit den Gegenenden
                              									der Verschleppungshebel verbundenen Balancier und ist so groſs, daſs es dem
                              									Eigengewicht der Auslaſsventile, vermehrt um das Gewicht der Spindel, Spindelköpfe
                              									und dem aufgesetzten Belastungsgewicht, das Gleichgewicht hält. So lange also die
                              									Wirkung des elastischen Gewichtsbalancier auf die Auslaſsventile nicht aufgehoben
                              									wird, können die Auslaſsventile nicht auf ihren Sitz zurücksinken. Dies wird aber
                              									geschehen, sobald der stellbare Mitnehmer a, der
                              									seitlich starr mit dem Hebedaumen des Einlaſsventiles verbunden ist, den
                              									Verschleppungshebel v untergreift und mitnimmt. Der
                              									elastische Balancier mit dem Gewichte g macht dabei nur
                              									schwingende Bewegungen, indem annähernd gleichzeitig ein Verschleppungshebel
                              									aufgeht, wenn der andere niedergeht. Die Gröſse der Verschleppung ist durch eine in
                              									dem Mitnehmer a angebrachte Stellschraube
                              									regulirbar.
                           Fig.
                                 										9 gibt ein Diagramm dieser Steuerung nach Zeuner,
                              									Fig.
                                 										10 dasselbe Diagramm in der Darstellung durch Ellipsen. Ohne die
                              									Verschleppung würde der
                              									Abschluſs der Auslaſsventile längs der Linie ib
                              									stattfinden. Es gäbe dies bei 10 Proc. Füllung Compressionen auf 66 Procent des
                              									Kolbenrücklaufes, und bei 20 Proc. Füllung solche auf 55 Procent; derartige
                              									Compressionen sind absolut unbrauchbar. Durch die Verschleppung werden sie verlegt
                              									auf die Linie ms und auf 22 bezieh. 15 Proc.
                              									vermindert.
                           Fig.
                                 										10 zeigt auch, daſs sich die Verschleppungen bis in die Nähe des Punktes
                              										e vergröſsern und dadurch die Compressionen bis zu
                              									jeder praktisch wünschenswerthen Kleinheit bringen lassen. Es ist diese Eigenschaft
                              									von hoher Bedeutung für Fördermaschinen, deren Auslauf, d.h. die letzten 3 bis 4
                              									Umdrehungen stets mit Nulllullungen (Mittelstellung der Steuercoulisse) stattfinden;
                              									dann gibt die Gerade vv die Wege der Steuerorgane. Die
                              									Verschleppung muſs besonders bei niedrigen Kesselspannungen sehr weit ausgedehnt
                              									werden, wenn die Compressionsspannung nicht höher werden soll als die
                              									Kesselspannung.
                           In Fig. 11 ist
                              									die Verschleppung dargestellt. Das Auslaſsventil bleibt in seiner höchsten Lage
                              									durch das Verschleppungsgewicht in der Schwebe; der niedergehende Ventilhebel
                              									durchläuft die Ellipsenstrecke am, während das
                              									Auslaſsventil entsprechend der horizontalen Geraden am1 geöffnet bleibt. Ist der Ventilhebel
                              									um die Gröſse der Verschleppung mm1 niedergegangen, so wird das Gegengewicht gehoben
                              									und das Auslaſsventil übereinstimmend mit dem Ventilhebel, d. i. im Sinne der
                              									Ellipsenstrecke mn, nach abwärts bewegt.
                           Die Ehrhardt-Sehmer'sche Schleppventilsteuerung ist in
                              									dem Saarbrückener Reviere für Reconstructionen gewöhnlicher Ventilmaschinen (mit
                              									Coulissen-Steuerung und Winkelhebel-Uebertragung) mehrfach in Verwendung
                              									gekommen.
                           Bezüglich der Diagramme und Betriebsresultate dieser Maschinen sei auf unsere
                              										QuelleA. Riedler: Dampfmaschinen. Bericht über die
                                    											Weltausstellung in Paris 1878. Heft 9. (Wien 1879. Faesy und Frick.) Dieser gediegene Ausstellungsbericht verdient
                                    											allgemeine Beachtung.Die Red. (S. 97 ff. Taf. 19 Fig. D, E und F) verwiesen,
                              									worin die bemerkenswerthen Resultate, welche sich mit dem beschriebenen
                              									Schleppschieber, gegenüber gewöhnlichen Coulissensteuerungen, erreichen lassen, klar
                              									und ausführlich dargelegt sind.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
