| Titel: | Ueber das Verhalten der Infusorienerde gegen Farbstoffe; von Gustav Engel. | 
| Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 150 | 
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                        Ueber das Verhalten der Infusorienerde gegen
                           								Farbstoffe; von Gustav
                              									Engel.
                        Engel, über das Verhalten der Infusorienerde gegen
                           								Farbstoffe.
                        
                     
                        
                           Es ist eine alte Streitfrage, ob die Aufnahme der Farben von Seiten der thierischen
                              									und pflanzlichen Gewebsfasern auf einem chemischen oder physikalischen Vorgang
                              									beruht. G. Engel ist der Ansicht, daſs die
                              									physikalischen Eigenschaften der Gewebsfasern für das Färben derselben von viel
                              									gröſserer Wichtigkeit sind als die chemischen, wenn nicht die ersteren vielleicht
                              									die allein Ausschlag gebenden sind. Zur Unterstützung dieser Annahme hat er sich
                              									seit mehreren Jahren damit beschäftigt, die Infusorienerde nach den verschiedenen
                              									Färbeverfahren der Wolle und Baumwolle zu behandeln, und hat diesen Färbe versuchen
                              									noch eine Reihe von mikroskopischen Untersuchungen der Infusorienerde hinzugefügt,
                              									deren Ergebnisse er im Bulletin de Mulhouse, 1879 S.
                                 										659 mittheilt.
                           Nach der früher allgemeinen Annahme hielt man die Infusorienerde für ein Product
                              									thierischen Ursprungs; nach neueren Forschungen jedoch scheint sie dem
                              									Pflanzenreiche zu entstammen, wodurch natürlich an ihrer bekannten chemischen
                              									Zusammensetzung nichts geändert wird. Die häufigste Form, welche man in der
                              									Infusorienerde unter dem Mikroskop beobachtet, ist eine aus einer bald gröſseren,
                              									bald kleineren Reihe von Ringen zusammengesetzte Röhre mit einem durchlaufenden
                              									inneren leeren Canal. Die einzelnen Ringe lassen sich sehr leicht durch Verkochen in
                              									einem schwach angesäuerten Wasser von einander trennen. Diese Form ist so
                              									vorherrschend, daſs die in diesem Sand in anderer Gestalt vorkommende Kieselsäure
                              									auf die verschiedenen Färbeversuche keinen nennenswerthen Einfluſs ausüben kann.
                           Engel hat solchen Sand mit schwefelsaurem Anilin und mit
                              									Kupfervitriol gebeizt, dann mit chlorsaurem Kali getränkt, getrocknet, der Luft
                              									ausgesetzt und schlieſslich mit verdünntem wässerigem Ammoniak behandelt. Oder die
                              									Infusorienerde wurde mit rothem chromsaurem Kali vorbereitet und dann in einer kochenden Lösung von
                              									schwefelsaurem Anilin und sehr wenig Kupfervitriol ausgefärbt. Beide Male erhielt er
                              									ein Anilinschwarz wie auf Baumwolle. Ebenso färbt sich dieselbe, nachdem sie mit der
                              									Lösung von rothem Chromkali getränkt worden, in der Lösung eines Bleisalzes gelb,
                              									ganz entsprechend dem Bleiorange-Verfahren der Baumwollfärberei. – Wird der Sand 10
                              									Min. mit einer klaren Indigoküpe behandelt, dann feucht zum Vergrünen der Luft
                              									ausgesetzt und gesäuert, so hat man eine echt küpenblau gefärbte Kieselsäure.
                           Rosa gefärbte Infusorienerde läſst sich herstellen durch Beizen derselben mit
                              									essigsaurer Thonerde, Röschen, Aussieden in Wasserglas und Färben in künstlichem
                              									Alizarin. Man kann sie alsdann schönen wie die Rosazitze in den Druckereien.
                              									Dunkelrosa hat Engel erhalten, indem er die Masse nach
                              									dem Verfahren der Wollfärberei mit dem Alizarin und der Thonerdebeize in einem Bad
                              									auf einmal ausfärbte. Hierauf wurden zwei Seifen und zwischen beiden eine Avivage
                              									mit salpetersalzsaurem Zinn und Seife gegeben, wobei sich das letzte Seifenbad nur
                              									schwach rosa färbte. – Wiederum nach dem Wollverfahren wurde die Kieselsäure in
                              									Galleïn und Cöruleïn gefärbt, d.h. durch Ansieden mit rothem chromsaurem Kali,
                              									Reduciren desselben mittels doppeltschwefligsaurem Natron und Ausfärben bei 80°. Die
                              									gefärbte Masse läſst sich waschen, ohne an der Nuance oder Stärke der Farbe etwas zu
                              									verlieren.
                           Nachdem Engel noch das Verhalten der Infusorienerde beim
                              									Färben in Chemischblau, sowie in Kreuzbeergelb geprüft und mit dem der Baumwolle und
                              									Wolle übereinstimmend gefunden, kommt er zu dem Schluſs, daſs diese Kieselsäure,
                              									deren träges chemisches Verhalten gegenüber den Farbstoffen auſser Zweifel ist, nur
                              									durch ihre physikalische Beschaffenheit, durch den freien Kanal in der Mitte der die
                              									Röhren zusammensetzenden Ringe, also nur durch die Haarröhrchenanziehung geeignet
                              									ist, Farbstoffe und Beizen in sich aufzunehmen, entsprechend der Wolle und
                              									Baumwolle, und von hier aus schlieſst er wieder zurück auf diese beiden
                              									Gewebsfasern, daſs auch ihre Färberei weniger auf einem chemischen Vorgang beruhe,
                              									daſs sie vielmehr überwiegend, wenn nicht ausschlieſslich, durch den Bau dieser
                              									beiden Fasern und durch deren physikalische Eigenschaften bedingt sei.