| Titel: | Callier's neue Compensationsunruhe für Seeuhren. | 
| Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 193 | 
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                        Callier's neue Compensationsunruhe für Seeuhren.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 18.
                        Callier's neue Compensationsunruhe für Seeuhren.
                        
                     
                        
                           Bei den älteren Chronometerunruhen hatten die aus einem
                              									Doppelmetall zusammengesetzten Compensationsstreifen ungefähr die Gestalt zweier mit
                              									ihren Enden befestigter Halbkreise, an welchen behufs Regulirung gewisse Massen oder
                              									Gewichtchen verschoben werden konnten. Allein bei dieser Anordnung ist es die
                              									Centrifugalkraft, welche vermöge ihres Bestrebens, die Krümmung zu erweitern und das
                              									Trägheitsmoment zu vermehren, als ein den Isochronismus störender Factor auftritt.
                              									Dieser Einfluſs ist bei Seeuhren empfindlicher als bei den kleineren
                              									Taschenchronometern, weil die Centrifugalkraft dem Halbmesser proportional ist. Da
                              									sie aber auch dem Quadrate der Winkelgeschwindigkeit proportional ist, so wird ihre
                              									Wirkung, z.B. bei Schwingungen von 270°, neun Mal so groſs sein als bei den
                              									isochronen Schwingungen von 90°. Dazu kommt noch der Umstand, daſs die
                              									Centrifugalkraft sich mit der Lage der Hilfsmassen ändert, welche man der Regulirung
                              									wegen auf den nicht vollkommen kreisförmig bleibenden Bogen verschiebt.
                           Duchemin scheint der erste gewesen zu
                              									sein, welcher sich in Frankreich mit Abhilfe dieser Unregelmäſsigkeiten beschäftigt
                              									hat. Nach ihm hat Winnerl eine Verbesserung eingeführt,
                              									indem er statt der halbkreisförmigen Streifen einen geradlinigen diametralen
                              									Stahlsteg anwendet, von dessen beiden rechtwinklig abgebogenen Enden zwei
                              									Compensationsstreifen (Stahl oben, Messing unten) parallel zum Steg zurücklaufen. An
                              									dem Ende jedes dieser Streifen ist, unter einem Winkel von 45° bezüglich der Ebene
                              									des Systemes, eine Schraubenspindel befestigt, auf welcher sich eine kleine
                              									Metallmasse zum Zweck der Regulirung auf- und niederschrauben läſst. Bei zunehmender
                              									Temperatur krümmen sich nun die Compensationsstreifen nach oben, wodurch jene
                              									kleinen Massen sich dem Mittelpunkt nähern und das Trägheitsmoment des Ganzen
                              									vermindern.
                           Harttrup, Director der Sternwarte zu
                              									Liverpool, hat dieses System noch weiter vervollkommnet, indem er den diametralen
                              									Steg durch eine Compensationslamelle aus einem Doppelmetalle ersetzte, bei welcher,
                              									im Gegensatze zu den eben erwähnten Streifen, der Stahl unten, das Messing oben
                              									liegt. Bei zunehmender Temperatur krümmt sich diese Lamelle nach unten, so daſs ihre
                              									Enden dem Mittelpunkt sich nähern. Die mit diesen Enden verbundenen alten Compensationsstreifen
                              									aber krümmen sich auf eigene Rechnung im entgegengesetzten Sinne und rücken also mit
                              									ihren Enden gleichfalls der Centralachse näher.
                           Callier endlich hat folgende weitere wichtige
                              									Verbesserung an dem Compensationssystem angebracht. Auf Taf. 18 stellen Fig.
                                 										19 und 20 die
                              									Unruhe seiner Seeuhr im Grundrisse und in der Ansicht dar. m ist der diametrale Steg aus einem Doppelmetall (Kupfer oben, Stahl
                              									unten), mit welchem die Compensationsstreifen n (Stahl
                              									oben, Kupfer unten) durch ein Knie verbunden sind. An dem freien Ende jedes der
                              									beiden Streifen ist ein Träger o befestigt; auf einem
                              									seitlichen Vorsprunge desselben ist in senkrechter Stellung eine Schraubenspindel
                              										p angebracht, auf welcher sich ein Platingewicht
                              									auf- und niederschrauben läſst. Eine zweite Schraubenspindel p1 auf welche sich ein zweites aber
                              									kleineres Platingewichtchen schraubt, ist an einen drehbaren Cylinder befestigt, der
                              									mittels der Schraube q in jeder Lage festgestellt
                              									werden kann. Die Spindel p1 mit ihrem Gewichtchen läſst sich also bezüglich der festen Spindel p in verschiedene Winkellagen bringen und in diesem
                              									fixiren. Zu diesem Zwecke ist an der inneren Seite des Trägers o eine Gradtheilung angebracht, welcher eine Theilung
                              									des genannten Cylinders entspricht, rr ist ein
                              									Stahlstab mit den Schrauben s, welche dazu dienen, den
                              									Chronometer auf die mittlere Zeit zu reguliren und die Unruhe im Gewichte
                              									auszugleichen.
                           Die Vortheile des verbesserten Compensationssystems lassen sich in
                              									folgenden Hauptpunkten zusammenfassen. Aus dem Umstände, daſs die Schrauben p und p1 sich auf den Durchmesser und nicht auf die Sehnen
                              									des Schwingungskreises projiciren, ergibt sich eine befriedigende Symmetrie, somit
                              									auch eine gröſsere Wirkung, weil die Massen in directerem und genau radialem Sinne
                              									der Centralachse sich nähern. Ein zweiter Vortheil liegt in der Abkürzung der
                              									verzweifelt langwierigen Operation des Regulirens, bevor der Chronometer in Gebrauch
                              									genommen werden kann. Damit die Ortsveränderung der Correctionsmassen das
                              									Trägheitsmoment in keiner Weise beeinflusse, müſsten, so schloſs Callier, die Schraubenspindeln auf der Ebene der
                              									Compensationslamellen senkrecht stehen und der Rotationsachse parallel sein. Auf
                              									diese Weise würden in der That die Abstände jener Massen von der Achse durch ihre
                              									Verschiebung längs der Spindeln sich nicht ändern. Und dies hat der Erfinder ins
                              									Werk gesetzt. Um aber zugleich seine Correctionsmittel nicht nur nicht aus der Hand
                              									zu verlieren, sondern sie sogar zu vermehren, dazu dienen jene beiden Schrauben p, p1 an den Enden der
                              									Compensationsstreifen n. Mit der Masse an der
                              									senkrechten Spindel p gelangt man schnell zu einer sehr
                              									annähernden Regulirung. Die kleinere Correctionsmasse p1 dient zum endgültigen Einstellen, indem
                              									ihre Ortsveränderung eben wegen ihrer Kleinheit nur sehr geringfügige Störungen im
                              									Gefolge hat. Dadurch endlich, daſs Callier seinen
                              									Schrauben mittels Gelenken eine veränderliche Neigung gibt, statt sie ein für
                              									allemal unter einem Winkel von 45° zu befestigen, und überdies zur Sicherung der
                              									Gleichheit ihrer Winkelstellung und zur Erhaltung der Symmetrie eine kleine
                              									Gradtheilung anbringt, ist man im Stande, die Massen unter dem Einflüsse der
                              									Temperatur veränderliche Curven durchlaufen zu lassen, wenn man ihre Neigung ändert.
                              									Hieraus ergibt sich noch ein weiterer Spielraum, um zu den günstigsten Bedingungen
                              									zu gelangen. (Nach dem Bulletin de la Société
                                       											d'Encouragement, 1879 Bd. 6 S. 568.)
                           
                        
                     
                  
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