| Titel: | Ueber Essigbildung mittels Bacterien; von Emanuel Wurm in Breslau. | 
| Autor: | Emanuel Wurm | 
| Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 225 | 
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                        Ueber Essigbildung mittels Bacterien; von
                           									Emanuel Wurm in
                           									Breslau.
                        Wurm, über Essigbildung mittels Bacterien.
                        
                     
                        
                           Die Umwandlung alkoholischer Flüssigkeiten in Essig ist seit langer Zeit Gegenstand
                              									wissenschaftlicher Besprechung. Während Pasteur die
                              									Essigbildung für einen durch die Vegetation einer Bacterienart (Mycoderma aceti) bedingten physiologischen Proceſs
                              									hält, vertritt Liebig die Ansicht der rein chemischen
                              									Einwirkung des Sauerstoffes auf Alkohol. Pasteur (1862
                              									165 303) stützte seine Theorie durch zahlreiche Beobachtungen und veröffentlichte i.
                              									J. 1862 auf Grund derselben ein neues Verfahren der Essigfabrikation, das er in
                              									seinem i. J. 1868 erschienenen Werk: „Études sur le
                                    											vinaigre“ weiter ausführte. Er schlug vor, die Essigbildung in der Weise vor
                              									sich gehen zu lassen, daſs man auf ein Gemisch von Wein und Essig oder auch Wasser,
                              									1 Proc. Essigsäure und 2 Proc. Alkohol nebst mineralischen Nährsalzen den Essigpilz
                              									aussäet und, nachdem etwa die Hälfte des ursprünglich angewendeten Alkohols in
                              									Essigsäure übergegangen ist, täglich kleine Mengen Alkohol zusetzt, bis die
                              									Flüssigkeit so viel Alkohol erhalten hat, daſs der Essig den im Handel verlangten
                              									Grad besitzt. Um die alkoholischen Flüssigkeiten zuzusetzen, ohne dabei durch
                              									unmittelbare Berührung den Pilz zu zerstören, sind auf dem Boden der Kufe zwei
                              									Röhren aus Guttapercha befestigt, die seitwärts mit kleinen Löchern versehen sind.
                              									Die Flüssigkeit darf nicht über 20cm hoch sein. Im
                              									J. 1871 theilten Breton-Laugier in Orleans (1871 201
                              									67) mit, daſs sie auf Grund der Pasteur'schen
                              									Beobachtungen eine Fabrik für Weinessig eingerichtet hätten, in welcher die
                              									Essigbildung 7 bis 10 mal rascher vor sich gehe, als nach dem bisherigen Verfahren
                              									des Säuerns der Weine in groſsen Mutterfässern. Die Société
                                 										d'Encouragement de l'industrie nationale bewilligte den Inhabern den für
                              									Verbesserungen in der Essigfabrikation ausgesetzten Preis von 1000 Franken. In
                              									Deutschland fanden die Ansichten Pasteur's keinen
                              									günstigen Boden, besonders da Liebig in seiner
                              									Abhandlung: „Ueber die Gährung und die Quelle der Muskelkraft“ (Annalen der Chemie und Pharmacie, 1870 Bd. 153 S. 137)
                              									seine schon früher ausgesprochene Ansicht, die Essigbildung aus Alkohol sei nicht
                              									bedingt durch einen physiologischen Proceſs, die Essigsäure nicht ein Product der
                              										Mycoderma aceti, sondern das Product eines
                              									chemischen Oxydationsprocesses, aufrecht hielt und zum Belege seine Beobachtung
                              									anführte, daſs ein Span aus der untersten Schicht eines Essigbildners, der seit 25
                              									Jahren zur Fabrikation diente, bei der mikroskopischen Untersuchung keinen Essigpilz
                              									enthalten habe. Prof. Otto schrieb i. J. 1866 in seinem
                              											„Lehrbuch der Essigfabrikation“, daſs er
                              									das neue Verfahren von Pasteur geprüft habe und nicht
                              									für praktisch ausführbar halte. Da die neueste Auflage des Werkes (bearbeitet von
                              									Prof. Bronner, 1876) diese Notiz ohne weitere Bemerkung
                              									bringt und auch die übrigen Technologien keine weiteren Mittheilungen enthalten, so
                              									scheint die Pasteur'sche Essigbildungsmethode in
                              									Deutschland bis jetzt technisch nicht durchgeführt zu sein, obwohl durch die
                              									Arbeiten von Mayer und v.
                                 										Knierym (Landwirtschaftliche Versuchsstation,
                              									1873 Bd. 16 S. 305) die physiologische Theorie eine wesentliche Stütze erhielt.
                              									Dieselben wiesen nach, daſs auch bei der Fabrikation mittels Essigbildnern auf den
                              									Spänen Mycoderma aceti zahlreich vorhanden sei.
                           Beobachtungen, welche ich im pflanzenphysiologischen Institut zu Breslau auf Anregung
                              									des Hrn. Prof. Ferd. Cohn zu machen Gelegenheit hatte,
                              									stellten es auſser Zweifel, daſs eine lebhafte Essigbildung mittels der Vegetation
                              									von Mycoderma aceti (Bacterium
                                 										Mycoderma, Cohn) stattfinde. Ermuntert durch die im Kleinen erhaltenen
                              									günstigen Resultate und
                              									auf Grund der Pasteur'schen Angaben suchte ich die
                              									Fabrikation von Spiritusessig technisch durchzuführen, was auch in völlig
                              									befriedigender Weise gelang. In der von mir zu diesem Zweck für einen Industriellen
                              									in Breslau errichteten Fabrikanlage benutzte ich groſse hölzerne Bottiche, welche
                              									mit 200l der Essigmischung, bestehend aus Essig,
                              									Wasser und Alkohol, sowie mit den von Pasteur
                              									angegebenen mineralischen Nährsalzen (phosphorsaures Kalium 0,01 Proc.,
                              									phosphorsaurer Kalk 0,01 Proc., phosphorsaure Magnesia 0,01 Proc., phosphorsaures
                              									Ammoniak 0,02 Proc.) beschickt wurden. Die Bottiche sind mit hölzernen Deckeln fest
                              									zugedeckt. Der Luftzutritt geschieht durch kleine Löcher in den Seitenwänden. Die
                              									Aussaat des Pilzes wird mittels eines hölzernen, dünnen Spatels bewirkt, wie schon
                              									von Breton-Laugier angegeben; die Ansatzflüssigkeit ist
                              									auf 25 bis 30° erwärmt, der Fabrikationsraum hat eine constante Temperatur von 30°.
                              									Der Essiggehalt der Ansatzflüssigkeit soll nach Pasteur
                              									1 Proc. betragen. Fortgesetzte Beobachtungen zeigten uns aber, daſs eine so schwach
                              									saure Flüssigkeit leicht von dem Kahmpilz (Saccharomyces
                                 										Mycoderma) befallen wird, welcher die Ausbreitung des Essigpilzes und die
                              									Essigbildung verhindert, indem er den in der Flüssigkeit vorhandenen Alkohol direct
                              									zu Kohlensäure verbrennt. – Versuche, welche wir über den Einfluſs des Säuregehaltes
                              									auf die Entwicklung von Bacterium Mycoderma und Saccharomyces Mycoderma anstellten, ergaben, wenn beide
                              									ausgesäet wurden, daſs bei 0,5, 1,0 und 1,2 Proc. Essigsäure eine ausschlieſsliche
                              									Vermehrung der Kahmhaut, bei 1,6 Proc. eine vorwiegende des Essigbacteriums und bei
                              									2 Proc. Säure eine Reinkultur desselben erzielt wird. Der von Pasteur angegebene Ansatz von 2 Vol.-Proc. Alkohol
                              									erwies sich als vortheilhaft. Die Essigbildung ging nun in der Art vor sich, daſs
                              									der ausgesäete Pilz in 12, 24 bis 36 Stunden die ganze Oberfläche des Bottiches
                              									bedeckte.
                           Die mikroskopische Prüfung stellte ich unter Anleitung von Prof. Cohn an, dem ich an dieser Stelle für seine rege
                              									Theilnahme und Unterstützung, welche er mir während meiner ganzen Arbeit gewährte,
                              									meinen tiefgefühlten Dank ausspreche.
                           Das Resultat war folgendes: Die bald mehr, bald weniger dicke und schleimige
                              									Bacterienhaut erwies sich nicht stets als eine gleiche, sondern es konnten deutlich
                              									drei verschiedene Formen beobachtet werden, von denen wir vorläufig unentschieden
                              									lassen müssen, ob dieselben sich aus einander entwickeln und nur verschiedene
                              									Zustände desselben Organismus sind, oder ob, wie Mayer
                              									vermuthete, verschiedene Essigsäure erzeugende Formen bestehen (vgl. Cohn: Beiträge zur Biologie der Pflanzen, 1872 Bd. 1 S.
                              									173).
                           Bei einem Säuregehalt von 1 bis 3 Proc. beobachteten wir vorzugsweise eine dicke,
                              									fettig schleimige Decke, bestehend aus äuſserst kleinen Kügelchen (Mikrokokken), die im jungen Zustande dünn und reihenförmig an einander
                              									gelagert, nach einigen Tagen durch Bildung von Intercellularsubstanz in einen
                              									dickeren Zoogloea-Zustand übergingen. Bei steigendem Säuregehalt bildeten sich in
                              									der Decke Adern, Streifen und Flecken von dünner Beschaffenheit, die sich mehr und
                              									mehr ausbreiteten, während die vorhandene Decke zu Boden sank. Die neue, zartere und
                              									weniger schleimige Haut besteht aus einer Bacillusform von wechselnder Länge, dicht
                              									an einander und neben einander gelagert. Auch diese Decke verschleimte mit der Zeit
                              									und machte einer neu entstehenden dünneren Bacillenhaut Platz, besonders wenn
                              									Unregelmäſsigkeiten im Alkoholzusatz stattfanden. Bei einem Säuregehalt über 4 bis 5
                              									Proc. zeigten sich lange und kurze unregelmäſsig gekrümmte und aufgeschwollene
                              									Fäden. Ein Unterschied im Säuerungsvermögen dieser verschiedenen Formen konnte bis
                              									jetzt nicht genau beobachtet werden; festgestellt wurde, daſs sich die Bacillen auch
                              									auf 1procentiger Mischung vermehren, während die Mikrokokkusformen nur bei niederem Säuregehalt dichte Häute bildeten. Die
                              									Beobachtung Mayer's daſs der Essigpilz sehr empfindlich
                              									gegen den Wechsel des Säuregehaltes sei, wird hierdurch auf die Mikrokokken
                              									eingeschränkt. Einen weit wesentlicheren Einfluſs auf die Vegetation der
                              									verschiedenen Formen müssen wir dem Alkoholgehalt der Flüssigkeit zuschreiben;
                              									besonders wird der schleimige Zustand stets durch einen zu niedrigen Alkoholgehalt
                              									bedingt. Zur Aussaat eignen sich nur dünne, 2 bis 4 Tage alte Häute, während
                              									schleimige Mikrokokken und Bacillenhäute langsamer auswachsen.
                           Sobald die Oberfläche des Bottiches völlig bedeckt ist, steigt bei einer Zimmerwärme
                              									von 30° die Temperatur der Flüssigkeit auf 34°; zugleich macht sich ein starker
                              									Geruch nach Essigsäure im Bottich bemerkbar. Der Säurezuwachs, welcher täglich
                              									titrimetrisch festgestellt wurde, schwankte zwischen 0,2 bis 0,4 Proc., beeinfluſst
                              									von der Höhe des Alkoholprocentsatzes. – Die zugesetzten 2 Vol.-Proc. Alkohol sollen
                              									theoretisch 2 Proc. Essigsäure liefern, die praktische Ausbeute ist aber eine
                              									geringere. Nach Bronner's Berechnungen über Spanbildner
                              									beträgt der Verlust an Alkohol bei Darstellung von gewöhnlichem Essigsprit 23 Proc.,
                              									bei stärkeren Sorten 12 bis 15 Proc. Bei dem von uns angewendeten Verfahren tritt
                              									ein Verdunstungsverlust nur anfänglich ein, später wird derselbe durch die Pilzdecke
                              									verhindert; insgesammt stellt er sich auf 10 bis 15 Proc. Dieser Alkohol dient
                              									theils dem Essigbacterium zum Aufbau seiner Bestandtheile, theils wird aus ihm durch
                              									Einwirkung der Essigsäure bei der herrschenden hohen Temperatur Essigsäureäther
                              									gebildet. Die 2 Vol.-Proc. Alkohol lieferten 1,7 bis 1,8 Proc. Essigsäure. Um
                              									stärkeren Essig zu erzielen, muſs also der Essigmischung noch Alkohol zugesetzt
                              									werden. Pasteur machte schon darauf aufmerksam, daſs
                              									hierbei die Essigbildung leicht vernichtet werden kann, wenn die zuzusetzende
                              									Flüssigkeit zu stark an Alkohol ist; nach unseren Erfahrungen darf der Alkoholzusatz erst
                              									eintreten, wenn nur noch ½ bis ⅓ Proc. Alkohol in der Mischung vorhanden ist, und
                              									darf dann nur so erfolgen, daſs die mit dem Pilz in Berührung kommende Flüssigkeit
                              									nie viel über 0,5 Proc. Alkohol enthält. Um diese Vertheilung durchzuführen,
                              									befindet sich in der Mitte des Bottiches eine groſse, starke Porzellanröhre, die vom
                              									Boden bis an den Flüssigkeitsspiegel mit Löchern versehen ist. Durch diese wird der
                              									mit Essig aus demselben Bottich stark verdünnte Alkohol in zweckmäſsiger Weise
                              									zugesetzt und zwar täglich 0,4 Proc., so daſs nie ein gröſserer Ueberschuſs
                              									vorhanden ist. Es gelang uns so die Essigbildung bis auf hohe Procentsätze
                              									auszudehnen; je höher der Säuregehalt stieg, desto genauer muſste die zuzusetzende
                              									Alkoholmenge mit der verbrauchten übereinstimmen. Hat der Essig den gewünschten
                              									Stärkegrad erlangt, so wird derselbe auf ein Klärfaſs abgelassen, um ihn von der
                              									durch die Pilztheilchen bewirkten Trübung zu befreien. Der Bottich wird hierauf
                              									durch Bürsten gut gereinigt und neu beschickt.
                           Haupterfordernisse für das Gelingen sind: reine
                                 										Bacterienaussaat, gleichmäſsige Temperatur von 30° und regulirter Alkoholzusatz.
                           Bei richtiger Beobachtung dieser Umstände ist das neue Verfahren leicht durchführbar
                              									und gewährt gegenüber dem bisherigen folgende Vortheile:
                           1) Betrachtet man die Leistung in gegebener Zeit als Werthmesser, so ergibt sich,
                              									daſs das neue Verfahren doppelt so schnell producirt als das bisherige System der
                              									Schnellessigfabrikation. Einen Maſsstab erhält man durch Vergleichung des
                              									Anlagekapitals. Nach den Angaben von Otto liefern drei
                              									zusammenarbeitende Essigbildner bei 3m Höhe und
                              									stündlichem Aufgieſsen täglich etwa 120l
                              									Essigsprit von 4,5 bis 5 Proc. Essigsäure. Dieselbe Production wird geleistet von 10
                              									Bottichen, denn jeder Bottich säuert täglich im Durchschnitt 0,3 Proc.; dies beträgt
                              									also für die 200l Inhalt eines Bottiches täglich
                              										600g Essigsäure, entsprechend etwa 13l Essigsprit von 4,5 Proc. 10 Bottiche nebst
                              									Zubehör kosten kaum die Hälfte so viel als 3 Bildner mit Füllung in obiger
                              									Gröſse.
                           2) Der Raum, welchen die Bottiche in Anspruch nehmen, muſs nicht wie bei den Bildnern
                              									von bestimmter Höhe sein, da das Gröſsenverhältniſs der Bottiche willkürlich gewählt
                              									sein kann. Er ist bei zweckmäſsiger Aufstellung noch nicht so groſs als der von
                              									Bildnern in Anspruch genommene.
                           3) Ein groſser Uebelstand der Essigfabrikation im Allgemeinen ist das Auftreten der
                              									Essigaale (Anguillula aceti), welche die Fabrikation
                              									völlig zum Stillstand bringen können. Wie Pasteur
                              									zeigte, drängen sie sich in Folge ihres starken Bedürfnisses nach Sauerstoff an die
                              									Oberfläche der Essigmischung, zerreiſsen durch ihre drehende Bewegung die Pilzdecke
                              									und verhindern eine Neubildung derselben. Auf den Bildnern überziehen sie die Späne
                              									mit ihrer schleimigen Masse und machen hierdurch eine directe Berührung des Pilzes mit der
                              									Flüssigkeit unmöglich. Sobald sie sich reichlich vermehren, sinkt die Temperatur der
                              									arbeitenden Mischung. Mitunter gelingt es, besonders wenn äuſsere Abkühlung
                              									vermieden wird, auf den Bottichen die zerstörte Pilzdecke wieder zuwachsen zu
                              									lassen; alsdann flüchten sich die Aale an den oberen Rand und bilden einen
                              									schleimigen Ring oberhalb der Bacterienhaut. Aehnlich gestaltet sich der Vorgang bei
                              									den Spanbildnern; auch hier bedecken die Aale, wenn die Bacterienbildung Oberhand
                              									gewinnt, die Wände des Fasses. Mitunter treten sie jedoch in solcher Menge auf, daſs
                              									die Essigbildung stillsteht. Die Beseitigung der Aale ist alsdann mit groſsen
                              									Schwierigkeiten verknüpft. Die Bildner müssen ihrer Späne theilweise entleert und
                              									mit kochendem Essig gebrüht werden. Hierdurch geht jedoch auch der in denselben
                              									befindliche Essigpilz zu Grunde, so daſs sie erst nach 4 bis 8 Wochen, wenn sich in
                              									Folge frischer Aufgüsse eine neue Vegetation auf den Spänen gebildet hat, wieder zu
                              									arbeiten anfangen. Es ist ersichtlich, daſs bei der Pasteur'schen Methode die Aale nicht die Zeit finden, sich in so störender
                              									Weise zu vermehren, da ein Bottich nach 10 bis 15 Tagen abgelassen und gereinigt
                              									wird. Es ist nur darauf Rücksicht zu nehmen, daſs die Pilzaussaat nicht etwa von
                              									einer aaligen Flüssigkeit stammt, was aber, da die Aale mit blosem Auge deutlich
                              									wahrnehmbar sind, leicht vermieden werden kann. Ist dennoch ein Bottich aalig
                              									geworden, so wird derselbe abgelassen, die Flüssigkeit mittels kochenden Wassers
                              									oder Dampf auf 60° erwärmt, der Bottich mit kochendem Wasser und etwas Schwefelsäure
                              									gescheuert und mit der erwärmten und wieder erkalteten Flüssigkeit von neuem
                              									angesetzt. Bei sauberer Behandlung der Bottiche und Erhitzung des zum Ansatz
                              									dienenden Essigs auf 60° können die Aale überhaupt nicht auftreten.
                           Um den fertigen Essig vor dem Aaligwerden auf dem Lager zu schützen – ein Uebelstand,
                              									welcher durch Unsauberkeit der Lagerfässer sehr häufig eintritt, ist nur das eine
                              									Mittel anwendbar, daſs der Essig in groſsen Fässern bei beschränktem Luftzutritt auf
                              									60° erhitzt wird. Pasteur gibt hierfür in seinem oben
                              									erwähnten Buche eine praktische Einrichtung an.
                           Von antiseptischen Mitteln wirkt Salicylsäure vorzüglich conservirend: 0,01 Proc.,
                              									also 10g auf 1hl
                              									genügen, um Essig vor den Aalen zu schützen, bezieh. vorhandene Aale zu tödten; doch
                              									wird die Anwendung derselben leider durch den Umstand verhindert, daſs sie mit der
                              									geringsten Spur Eisen eine tiefblaue Färbung hervorbringt. Da Essig aber sehr häufig
                              									im Haushalt mit Eisen in Berührung kommt, ferner Salicylsäure haltiger, kochender
                              									Essig auch grüne Pflanzentheile, wie z.B. Gurken, in Folge ihres reichlichen, Eisen
                              									führenden Chlorophylls schwarzblau färbt, so ist dieses bequeme Conservirungsmittel
                              									für Essig ausgeschlossen. Als Antisepticum wirkt auch Borsäure und zwar bei einem Zusatz von 0,04
                              									Proc., d.h. 40g auf 1hl. Nach 3 bis 5 Tagen wurden die in einem Essig reichlich enthaltenen
                              									Aale hierdurch getödtet. Da der Borsäure in der geringen Menge, in welcher sie bei
                              									Benutzung des Essigs in die Speisen gelangt, keine gesundheitsschädlichen
                              									Eigenschaften zugesprochen werden können, so steht ihrer Benutzung wohl nichts im
                              									Wege. Früher wurde von den Fabrikanten eine geringe Menge Schwefelsäure zur
                              									Conservirung angewendet, die Sanitätsbehörden gestatten jedoch diesen Zusatz
                              									nicht.
                           Selbstverständlich kann ein mit Chemikalien conservirter Essig nicht weiter zur
                              									Fabrikation dienen, da die benutzten Mittel auch auf das Essigbacterium antiseptisch
                              									wirken. Am rationellsten ist es daher, den Essig auf 60° nach der Pasteur'schen Methode zu erwärmen; bei der Fabrikation
                              									mit Bottichen ist hierdurch die Möglichkeit der Aalbildung völlig
                              									ausgeschlossen.
                           Die Essigfliege, Musca cellaris L., welche sich überall
                              									einfindet, wo saure Flüssigkeiten verdunsten, kann ebenfalls eine Ansteckung durch
                              									Aale bewirken, indem dieselbe, über den oben beschriebenen Aalrand hinwegkriechend,
                              									an ihren Füſsen Aale verschleppt und auf gesunde Bottiche oder Bildner überträgt.
                              									Bei den Bottichen vermeidet man dies dadurch, daſs die Deckel derselben fest
                              									schlieſsen, auch die Porzellanröhren gut verdeckt und die Luftlöcher mit Baumwolle
                              									verstopft werden. Bei den Spanbildnern kann durch das beständige Aufgieſsen auf
                              									dieselben Unsauberkeit des Arbeitsraumes durch Verdunsten vergossenen Essigs nicht
                              									leicht vermieden werden; auch der den Bildnern selbst entströmende Dunst wirkt stark
                              
                              									anziehend auf die Fliegen, deren Zutritt zu den Bildnern nicht verhindert werden
                              									kann, während die Bottiche auf oben abgegebene Weise völlig vor denselben geschützt
                              									sind.
                           4) Das Ansäuern eines neuen Spanbildners nimmt 6 bis 8 Wochen in Anspruch; nach
                              									Berechnungen von Paul Pfund (vgl. 1874 211 285) saugt
                              									ein Bildner 5 bis 6hl Essig zum Ansäuern der Späne
                              									ein, der erzeugte Essig besitzt während der ersten 4 Wochen einen starken
                              									Holzgeschmack von den Spänen; ferner müssen die Bildner in ununterbrochener Arbeit
                              									gehalten werden. Die Pasteur'sche Methode der
                              									Essigbildung mittels Bacterien liefert dagegen sofort ohne jeglichen Essigverlust
                              									gute Waare; der Betrieb kann beliebig unterbrochen werden, wenn nur für genügende
                              									Aussaat fortdauernd gesorgt wird. Diese Art der Fabrikation ist einfacher, sicherer
                              									und auch billiger bezieh. schneller als die bisherige mit Spanbildnern; allerdings
                              									ist eine tägliche genaue Controle der arbeitenden Bottiche erforderlich. Ungenügende
                              									Vertheilung des zuzusetzenden Alkohols, zu groſser Ueberschuſs desselben in der
                              									säuernden Flüssigkeit bewirken sofort Verlangsamung oder Stillstand der Gährung. Bei
                              									richtiger Befolgung der festgestellten Verhältnisse bietet jedoch die technische Ausführung keine
                              									Schwierigkeiten.
                           Für die Production von Weinessig ist dieses System das allein rationelle; da dieselbe
                              									einen Alkoholzusatz nicht erfordert, gestaltet sich dieser Fabrikbetrieb noch
                              									einfacher.