| Titel: | Sollen wir hoch oder niedrig gekohlten Stahl zu Constructionszwecken benutzen? | 
| Autor: | –r. | 
| Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 318 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        Sollen wir hoch oder niedrig gekohlten Stahl zu
                           								Constructionszwecken benutzen?
                        [Sollen wir hoch oder niedrig gekohlten Stahl zu
                           								Constructionszwecken benutzen?]
                        
                     
                        
                           Es herrscht bis heute noch groſse Unsicherheit über die Widerstandsfähigkeit von
                              									Eisen und Stahl gegen oft wiederkehrende Stöſse oder wiederholte Belastungen. Die
                              									hierüber angestellten praktischen Versuche haben zu den widersprechendsten
                              									Resultaten geführt. Es ist nachgewiesen, daſs eine Eisenstange durch häufige Schläge
                              									ihre Structur verändert, ein krystallinisches Gefüge annimmt und dadurch schwächer
                              									wird (vgl. jedoch Bauschinger S. 169 d. Bd.), daſs
                              									eiserne oder stählerne Fabrikate, wenn sie einer groſsen Anzahl von Stöſsen
                              									ausgesetzt werden, selbst dann brechen, wenn die Stärke dieser Stöſse weit unterhalb
                              									desjenigen Maſses bleibt, welches der theoretischen Widerstandsfähigkeit des
                              									betreffenden Fabrikates entspricht, sondern auch, daſs dasselbe erreicht wird bei
                              									oft wiederholter Anwendung eines Gewichtes im ruhenden Zustand, auch wenn dieses
                              									tief unter der gröſsten Tragfähigkeit steht. Namentlich in unserer Zeit, wo der
                              									Stahl das Eisen auf fast allen Gebieten zu verdrängen beginnt, ist es von der
                              									gröſsten Wichtigkeit, zu erfahren, ob derselbe sich überhaupt besser als
                              									Schmiedeisen zu Constructionszwecken eignet; ob er bei wiederholten Schlägen durch
                              									eintretende Krystallisation geschwächt wird, bei welchem Kohlenstoffgehalt er die
                              									gröſste Stärke aufweist, welche anderen Elemente seine Widerstandsfähigkeit
                              									beeinflussen, welche Beziehung zwischen seiner Tragkraft und Dehnbarkeit besteht,
                              									wie er sich nicht nur einzelnen schweren Schlägen, sondern auch oft wiederholten
                              									kleineren Erschütterungen gegenüber verhält und endlich, ob bei Stahl derselbe
                              									Sicherheitsfactor erforderlich ist wie bei Schmiedeisen.
                           Will. Kent (Iron, 1879 Bd.
                              									14 S. 489) in Pittsburg hat zu diesem Zwecke eine kleine Maschine construirt, welche
                              									es ermöglicht, Stäbe aus Eisen oder Stahl in ihrer Längsrichtung einer beliebig
                              									groſsen Anzahl genau abgepaſster Schläge auszusetzen und hierbei deren Verhalten zu
                              									beobachten. Die Versuchsstäbe werden in Längen von je 254mm angewendet und sind auf 25mm,4 Dicke abgedreht. Das obere Ende des Stabes
                              									ist in einer starken Metallhülse eingeklemmt und letztere in einem kräftigen Balken
                              									durch Schraube mit doppelter Mutter befestigt. Der so senkrecht aufgehängte Stab
                              									steht an seinem unteren Ende mit einem kleinen freihängenden Amboſs in Verbindung.
                              									Unmittelbar neben dem Stab befindet sich die Versuchsmaschine, bestehend aus einer
                              									durch Dampf betriebenen und mit Hebedaumen versehenen horizontalen Welle. Ein
                              									ringförmiges 11k,34 schweres Gewicht, welches den
                              									Versuchsstab umschlieſst, kann durch die Hebedaumen auf eine Höhe von 254mm über den Amboſs gehoben werden, worauf dasselbe
                              									frei auf letzteren herabfällt. Zu seiner Führung dient ein an dem unteren Ende der
                              									oben erwähnten Hülse befestigtes Messingrohr. Die Maschine ist im Stande, in der
                              									Minute 60, also in der Woche mehr als eine halbe Million Schläge hervorzubringen.
                              									Bei beginnender Verlängerung des Versuchsstabes, kann durch Anziehen der die Hülse
                              									befestigenden Schraube der Amboſs für jeden Schlag in gleicher Höhe gehalten werden.
                              									Ein Hubzähler ermöglicht das Ablesen der gegebenen Schläge zu jeder gewünschten
                              									Zeit. Eine von Kent hergestellte Maschine dieser Art,
                              									deren Welle mit 6 unter verschiedenen Winkeln angebrachten Hebedaumen versehen war
                              									und demnach zur gleichzeitigen Untersuchung von 6 Normalstäben benutzt werden
                              									konnte, wog ungefähr 816k, hatte eine Höhe von
                              										1m,22 und kostete 200 bis 300 M.
                           
                              
                                 –r.