| Titel: | Selbstregistrirender Zerreissapparat von Detlef Reusch aus Bergen. | 
| Fundstelle: | Band 235, Jahrgang 1880, S. 415 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Selbstregistrirender Zerreiſsapparat von
                           									Detlef Reusch aus
                           									Bergen.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 41.
                        Reusch's selbstregistrirender Zerreiſsapparat.
                        
                     
                        
                           Der im Nachfolgenden zu beschreibende Zerreiſsapparat verdankt sein Entstehen den im
                              									technologischen Laboratorium des Dresdener Polytechnikums zur Untersuchung der
                              									Textilfabrikate zur Zeit in Verwendung befindlichen Apparaten, welche – mit einer
                              									einzigen Ausnahme – nur die Beobachtung von Einzelwerthen der Dehnung und Spannung auf Zug
                              									beanspruchter faden- und streifenförmiger Körper gestatten. Der einzige hier in
                              									Benutzung gekommene selbstregistrirende Zerreiſsapparat – nach einem Entwurf von Hartig ausgeführt – liefert Diagramme, welche erst
                              									einer punktweisen Reduction bedürfen, um das wahre Festigkeitsdiagramm zu ergeben,
                              									welches den Zusammenhang zwischen Dehnungen und Spannungen, von dem ungespannten
                              									Zustand bis zum Bruch überblicken läſst.
                           Die groſse Zahl von Einzelversuchen, welche bezüglich der Rohstoffe und Fabrikate der
                              									Textilbranchen, der Papierfabrikation, der Kautschuk-Industrie, der Gerberei u.s.w.
                              									ausgeführt werden müssen, um den verschiedenartigen, hier der Beantwortung harrenden
                              									Fragen näher zu treten, macht die Zuhilfenahme eines dynamographischen Apparates
                              									sehr erwünscht, welches die rasche Prüfung vieler Probestücke desselben Materials
                              									unter zuverlässiger Aufzeichnung der Spannungscurve selbst ermöglicht. Das auf Tafel
                              									41 dargestellte Instrument dürfte den angedeuteten Forderungen in einer
                              									befriedigenden Art entsprechen und hat sich bei einer gröſseren Zahl von
                              									Festigkeitsstudien bereits gut bewährt.
                           Das zu untersuchende Probestück wird in die zwei Schraubklemmen x, x1 (Fig. 2 und
                              										3) eingespannt, von denen die eine an dem festen Support a, die andere an dem Wagen b befestigt ist. Dieser lauft mit vier Rädern c auf den Schienen d des Gestelles e; er steht durch die Feder f mit der Schraubenspindel g in Verbindung,
                              									die durch Drehung der mit Handrad h ausgerüsteten
                              									Mutter i nach links verschoben werden kann; um hierbei
                              									jede Drehung der Schraubenspindel zu verhindern, ist zwischen f und g ein Gleitstück k eingefügt, welches auf den Schienen d geführt wird. An k ist
                              									eine feine Zahnstange l angeschlossen, die mittels des
                              									am Wagen gestützten Röllchens m in horizontaler Lage
                              									und im Eingriff mit dem Zahnsector n erhalten wird;
                              									derselbe sitzt auf einer im Wagen b gelagerten
                              									horizontalen Achse o fest. Auf der Auſsenseite des
                              
                              									Wagens trägt diese Achse einen zweiten Sector p (Fig.
                                 										4), im Eingriff mit der vertical am Wagen geführten Zahnstange q, deren unteres Ende mit Schreibstift r versehen ist. Auf der mit s bezeichneten Tafel wird das zu beschreibende Papier mittels der Schienen
                              										t befestigt. Das Ganze ist auf einer hölzernen
                              									Grundplatte u aufgeschraubt, deren Gesammtlänge so
                              									bemessen ist, daſs die Einspannung von Probestücken bis zu 1m Länge möglich ist; die zwischen den
                              									Schraubklemmen x, x1
                              									enthaltene (also der Dehnung unterliegende) Länge kann an einer auf der Grundplatte
                              										u angebrachten Theilung unmittelbar abgelesen
                              									werden.
                           Die Wirkungsweise des Apparates erklärt sich nun folgendermaſsen. Ist das
                              									eingespannte Material nicht dehnbar, oder ist der Wagen
                              										b mittels einer bei y
                              										(Fig. 3) übergeschobenen Klammer mit dem Gestellsupport a1 fest verbunden, so
                              									wird bei Umdrehung des Handrades h zwar die Feder f mehr und mehr gespannt, der Wagen bleibt aber in Ruhe; Gleitstück k und Zahnstange l
                              									empfangen eine Verschiebung nach links, welche durch die Sectoren n und p in eine
                              									Verticalschiebung der Zahnstange q und des
                              									Schreibstiftes r umgesetzt wird: Die Verticale r1 (Fig. 4) wird
                              									beschrieben, deren Länge der Federspannung entspricht.
                           Ist dagegen kein Material eingespannt, so wird bei
                              									Umdrehung des Rades h der Wagen b so lange in Ruhe verbleiben, bis der geringe Reibungswiderstand
                              									desselben überwunden ist, die Feder eine entsprechende Spannung angenommen hat, der
                              									Stift r also um einen entsprechenden kleinen Betrag
                              									abwärts gegangen ist; alsdann bleibt der Abstand zwischen Gleitstück k und Wagen b unverändert
                              									und der Schreibstift beschreibt eine horizontale Gerade r2, welche als Abscissenachse (Null-Linie) der zu zeichnenden Curven zu
                              									benutzen ist, wenn man in der einfachsten Art die inneren Reibungswiderstände des
                              									Apparates ausscheiden will.
                           Hat man nun wie gewöhnlich ein Probestück eingespannt, welches sowohl Festigkeit, als
                              									Dehnung zeigt, so ist ersichtlich, daſs die Verschiebung des Wagens b unmittelbar die Ausdehnung des Probestückes darstellt
                              									und die eintretende Streckung der Schraubenfeder f (als
                              									Relativbewegung von k gegen b) durch die gleichzeitige Verticalschiebung der Zahnstange q und des Stiftes r
                              									wiedergegeben wird, daſs also Stift r einen Curvenzug
                              										r3 beschreibt, dessen Abscissen die Dehnungen und
                              									dessen Ordinaten die zugehörigen Spannungen vorstellen. Wurde der Versuch bis zum
                              									Bruch des Probestückes fortgesetzt, so hindert eine Sperrung v, v1 plötzliche Verkürzung der Feder f; die Abscisse r2 stellt
                              									dann die Bruchdehnung, die Ordinate 2 3 die
                              									Bruchspannung oder die Zerreiſsfestigkeit dar. Bei langfaserigen Materialien
                              									(Kammzug u. dgl.) kann die Sperrung v, v1 auſser Benutzung bleiben, da hier Diagramme der in
                              										Fig. 8 dargestellten Art entstehen; nach Eintritt der Maximalspannung 2 3 (nach Erreichung der Bruchgrenze im gewöhnlichen
                              									Sprachgebrauch) ist erst noch eine weitere Ausdehnung 2
                                 										4 erforderlich, um den Zusammenhang vollständig zu zerstören, und es liegt
                              									ein erheblicher Theil der Zerreiſsungsarbeit hinter der Maximalspannung 2 3. Doch lehrt eine nähere Erwägung, daſs die
                              									vollständige Aufzeichnung des Curvenzuges 3 4 nur dann
                              									erfolgt, wenn die Dehnung 2 4 gröſser ist als die
                              									entsprechende Federdehnung; im anderen Falle zeichnet der Stift die 45°-Linie 3 5. Die mit Gewichtsvergleichung arbeitenden
                              									Zerreiſsapparate – auch der selbstregistrirende von Ritter (* 1878 229 518) – versagen indessen über diesen Punkt jegliche
                              									Auskunft.
                           Der Support a enthält noch eine besondere Einrichtung zu
                              									dem Zwecke, eine bestimmte Anfangsspannung in dem Probestück herbeizuführen; es ist
                              									nämlich hier die Klemme x1 an eine Stange α
                              									befestigt, welche
                              									zunächst in a frei verschiebbar liegt und durch eine
                              									schwache Schraubenfeder β nach rechts gehalten wird;
                              									verschiebt man den Support a (nach Einspannung des
                              									Probestückes und nach Lösung der Flügelschraube γ) nach
                              									rechts, so wird die Feder β gespannt und es zeigt ein
                              									an α eingerissener Strich auf einer kleinen, an a befestigten Scale δ
                              										(Fig. 3) die Gröſse der Anspannung in Feder und Probestück an; es wird nun
                              									bei einer angemessen erscheinenden Spannung (z.B. bei 50g) die Flügelmuster γ fest angezogen und
                              									mittels einer Schraubklemme ε (Fig. 5) das
                              									Stäbchen α im Support a
                              									festgeklemmt, worauf der eigentliche Versuch beginnen kann. Daſs man dem Probestück
                              									vorher eine bestimmte Zahl von Zwirnungen ertheilen kann (durch Drehung des
                              									Stäbchens α) ist sofort ersichtlich.
                           Nach Beendigung eines Versuches müssen alle Theile in ihre Anfangslage zurückgebracht
                              									werden; hierbei wird eine merkliche Zeitersparniſs dadurch erzielt, daſs die Mutter
                              										i des Handrades h
                              									zweitheilig ausgeführt ist (vgl. Fig. 6) und
                              									daſs ihre Hälften durch Abschlagen des Hebels η und
                              									Drehung um den Bolzen ζ von dem Gewinde der
                              									Schraubspindel g entfernt werden können. Löst man die
                              									Sperrung v, läſst die Feder f vorsichtig zusammengehen und macht, wie angegeben, die Schraubenspindel
                              										g von ihrer Mutter frei, so kann man die Theile b, k, f und g rasch nach
                              										a1 hin
                              									zurückführen. Nur bei der stärksten Feder ist es rathsam, das Schraubenpaar g i als solches auch zur Entlastung der Feder zu
                              									benutzen. Damit der Wagen bei plötzlichem Abreiſsen stärkerer Probestücken nicht
                              									ausläuft, trägt er zwei die Schienen d untergreifende
                              									Winkel μ, wie Verticalschnitt Kg. 7 erkennen läſst.
                           Die Feststellung der Federscale geschieht mittels eines besonderen (nach Wegnahme des
                              									Supportes a aufzubringenden) Hilfsapparates, der in
                              										Fig. 4 dargestellt ist. Die Klemme x wird
                              									durch eine kräftige Hanfschnur w1 mit dem aufrechten Arm des Winkelhebels w in Verbindung gesetzt, der mit einer Stahlschneide in
                              									der Pfanne des auf u zu verschraubenden Klötzchens π gelagert ist; an den horizontalen Arm werden
                              									Gewichtsstücke angehängt, worauf durch Drehung des Handrades h die Feder gespannt und der Registrirapparat in Thätigkeit gesetzt wird;
                              									wiederholt man dies unter Versetzung des Apparates nach links nochmals, so erhält
                              									man auf dem Papierblatt den Linienzug r 6 7 8 9 10 und
                              									es entspricht eine durch 6 7 9 10 gelegte Gerade dem
                              									gesuchten Theilungsstrich der Federscale.
                           Der dargestellte Apparat hat drei Federn von verschiedener Stärke, deren Daten aus
                              									folgender Uebersicht sich ergeben:
                           
                              
                                 
                                 I
                                 II
                                 III
                                 
                              
                                 Dicke des Stahldrahtes
                                   3,5
                                   3,5
                                   5,4mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Windungen
                                 68,6
                                 51,6
                                 79,6mm
                                 
                              
                                 Zahl der Windungen
                                 10,5
                                 11,5
                                 6,5
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 
                                 I
                                 II
                                   III
                                 
                              
                                 Gröſste Belastung
                                      3,5
                                      8,0
                                 20k
                                 
                              
                                 Gröſste Dehnung
                                 83
                                 85
                                 75mm
                                 
                              
                                 Dehnung für 1k
                                    											Belastung
                                    23,7
                                    10,6
                                   3,75mm.
                                 
                              
                           Die Dehnungen ergaben sich den Belastungen durchaus
                              									proportional.
                           Wie mit dem beschriebenen Apparat – nach gehöriger Ueberwindung der bekannten
                              									Einspannungsschwierigkeiten – alle auf die absolute Festigkeit bezüglichen Daten
                              									(Bruchdehnung, deren Vertheilung auf elastische und unelastische Dehnung,
                              									Bruchbelastung, ReiſslängeVgl. Hartig, über die Festigkeitseigenschaften
                                    											faseriger Gebilde, 1879 233 191.,
                              									Arbeitsmodul u.s.w.) schnell und sicher erhoben werden können, ist leicht
                              									ersichtlich.
                           Besonders werthvoll erweisen sich die mittels des Apparates erzielten Diagramme, wenn
                              									die Ermittelung der den Bruch herbeiführenden Arbeitsgröſse beabsichtigt wird. Versteht man – wie für Textilfabrikate
                              									angezeigt ist – nach dem Vorschlag Hartig's unter
                              									Arbeitsmodul (A) die mechanische Arbeit, welche
                              									erforderlich ist, um ein Probestück von der (metrischen) Feinheitsnummer 1 und der
                              									Länge 1m zu zerreiſsen, in Meterkilogramm, und
                              									bezeichnet man mit:
                           
                              l die Länge des wirklich verwendeten Probestückes in Millimeter,
                              N die metrische Feinheitsnummer desselben,
                              p die Federdehnung in Millimeter für 1k
                                 										Belastung,
                              F den Flächeninhalt des erhaltenen Festigkeitsdiagrammes in
                                 										Quadratmillimeter, der bequem mit dem Planimeter zu ermitteln ist,
                              
                           so berechnet sich unter naheliegenden Voraussetzungen:
                           
                              A=\frac{N}{l}\,\frac{F}{p}\mbox{
                                 										Meterkilogramm}.
                              
                           Beispielsweise mögen einige der so erhaltenen Werthe unter
                              									gleichzeitiger Beifügung der Bruchdehnung und der Reiſslänge hier mitgetheilt
                              									werden:
                           
                              
                                 Material
                                 Reiſs-länge
                                 Bruch-dehnung
                                 Arbeits-modul
                                 
                              
                                 
                                 km
                                 Proc.
                                 mk
                                 
                              
                                 Kammzug (metrische Nummer 0,075)
                                   0,141
                                   47,9
                                   0,031
                                 
                              
                                 Streichgarn-Vorgespinnst
                                   0,093
                                   85,5
                                   0,040
                                 
                              
                                 Roh-Jute
                                 10,34
                                        0,932
                                   0,064
                                 
                              
                                 Englisches Zeichenpapier (Whatman)
                                   2,76
                                      4,00
                                   0,078
                                 
                              
                                 Kalbleder rothgar
                                   1,64
                                   17,1
                                   0,145
                                 
                              
                                 Pergament
                                   3,73
                                      5,50
                                   0,154
                                 
                              
                                 Wollfilz, gewalkt, schwarz
                                   1,03
                                   48,5
                                   0,250
                                 
                              
                                 Manilahanf, roh
                                 31,7
                                      2,44
                                   0,387
                                 
                              
                                 Rindsleder, rothgar
                                   4,09
                                   21,6
                                   0,421
                                 
                              
                                 Baumwoll. Nähzwirn, weiſs (metr. Nummer 18¾)
                                 17,33
                                      8,02
                                   0,597
                                 
                              
                                 Filz von Kaninchenhaaren, stark gewalkt
                                   5,62
                                   48,9
                                   1,368
                                 
                              
                                 Darmseite (Violine A, Dicke 0mm,90)
                                 20,0
                                   17,6
                                 1,72
                                 
                              
                                 Pferdehaar (vom Schweif, roh, metr. Nummer 17,9)
                                   9,2
                                   35,2
                                 2,57
                                 
                              
                                 Japanische Rohseide
                                 31,6
                                   15,7
                                 3,31
                                 
                              
                                 Vulkanisirter Kautschuk
                                   4,32
                                 362,1
                                  8,65.
                                 
                              
                           Der beschriebene Apparat dürfte sich nicht allein für wissenschaftliche
                              									Untersuchungen in den Laboratorien der mechanischen Technologie, sondern auch für Spinnereien,
                              									Webereien und Papierfabriken, für Leder- und Kautschukfabriken u. dgl. zu
                              									umfassender Controlirung der Fabrikate eignen. Er wird durch den Mechaniker Oscar Leuner in Dresden für den Preis von 250 M.
                              									hergestellt; etwaige Bestellungen vermittelt der Verfasser, Polytechnikum Dresden.
                              									(Vom Verfasser gef. eingesendeter Sonderabdruck aus dem Civilingenieur, 1879 Bd. 25 S. 585.)
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
