| Titel: | Ueber Mogdad-Kaffee; von Dr. J. Moeller. | 
| Autor: | J. Moeller | 
| Fundstelle: | Band 237, Jahrgang 1880, S. 62 | 
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                        Ueber Mogdad-Kaffee; von Dr. J. Moeller.
                        Mit Abbildungen.
                        J. Moeller, über Mogdad-Kaffee.
                        
                     
                        
                           Zu Ende des vorigen Jahres erhielt das Chemisch-Technologische Institut an der Wiener
                              									Technischen Hochschule eine Samenprobe zur Analyse, welche angeblich aus Spanien
                              									stammen und als Mogdad-Kaffee Verwendung finden sollte. Man sprach demselben einen
                              									Gehalt an Caffein zu. Der Vorstand des oben genannten Institutes, Hr. Prof. J. J.
                              										Pohl, übergab mir die Samen zur Bestimmung. Sie
                              									stammen von Cassia occidentalis L. In Columbien werden
                              									sie unter dem Namen „Café chilen chile“ als Kaffeesurrogat verwendet. Auf Martinique heiſst die Pflanze „Zherbe puante“, „pied-poule“, „Negerkaffee“ und die Schwarzen benutzen dieselbe bei schlechter Kaffee-Ernte. Am Senegal
                              									gilt sie als „Benta-maré“ für den besten Ersatz des Kaffees. Der Katalog der französischen Colonien
                              									(Paris 1878) führt an, daſs das Pulver der leicht gerösteten Samen sich dem
                              									gemahlenen Kaffee derart einverleibt, daſs es unmöglich ist, durch den Geschmack
                              									oder durch den Augenschein die Mischung zu erkennen, wenn sie 1/5 nicht
                              									übersteigt. England, Belgien und Deutschland beziehen schon ziemlich ansehnliche
                              									Mengen, und der Senegal könnte noch viel mehr zu sehr mäſsigen Preisen liefern. Auch
                              									am Gabon wächst die Pflanze wild und auf Reunion braucht man den Kaffee artigen
                              									Aufguſs der gerösteten Samen gegen Magenbeschwerden. In Ostindien verwendet man die
                              									gepulverten Samen auch bei Augenkrankheiten, wie bei jener Probe verzeichnet war,
                              									welche der Prinz von Wales von seiner Reise mitgebracht
                              									hatte.
                           Die Samen der Cassia occidentalis L. sind eiförmig,
                              									seitlich abgeflacht, durch das hervorragende Würzelchen etwas zugespitzt, die
                              									Samennaht ist kaum angedeutet. Die Länge beträgt im Mittel 4mm,5, die Breite und die Dicke sind weniger
                              									constant, und zwar schwankt die erstere zwischen 2,9 und 3mm,6, die letztere zwischen 1,2 und 1mm,9. Die extremen Formen sind bei diesen
                              									Maſsangaben nicht berücksichtigt; es kommen auch einzelne unter 1mm Dicke und andererseits fast kugelige Samen vor.
                              									Das Gewicht eines Samenkornes beträgt durchschnittlich 16mg.
                           Die Farbe der Samen im trockenen Zustande ist am besten mit dem fahlen Graugelb der
                              									Platanenrinde oder mancher roher Kaffeesorten zu vergleichen. Beim Quellen wird ein
                              									durchscheinendes weiſses Häutchen abgestoſsen und die Oberfläche der namhaft vergröſserten (6mm,5 lang, 4 bis 5mm breit und 2m,5 dick) Samen erscheint
                              									nunmehr braunroth. Die Samen sind glatt, haben matten Glanz, nur bei starker
                              									Loupenvergröſserung sieht man auf der Oberhaut eine feine, unregelmäſsig zerstreute
                              									und wenig dichte Stichelung. Bei sehr vielen Samen (Fig.
                                 										1) ist dieses fein punktirte Häutchen gesprengt und zum Theil in Schülfern
                              									abgestoſsen Das Zerreiſsen der Oberhaut findet sehr regelmäſsig statt, immer in
                              									einer Längsspalte, die sich zu einem elliptischen Zwischenraum erweitert. Der Keim
                              										(Fig. 2 und 3) ist
                              									in einer geringen Menge von hornartig durchscheinendem Eiweiſs central gebettet und
                              									besteht aus einem kurzen, dicken, conischen Würzelchen und zwei groſsen, flach an
                              									einander liegenden Samenlappen. Diese sind dottergelb, umgreifen das Würzelchen mit
                              
                              									herzförmiger Basis (Fig. 3), sind breit eiförmig, an
                              									der Spitze etwas eingebuchtet, strahlnervig.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 237, S. 62
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 237, S. 62
                              
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 237, S. 62
                              
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 237, S. 62
                              
                           
                              
                              Fig. 5., Bd. 237, S. 62
                              
                           Mikroskopischer Bau: Die Oberhaut besteht aus einer
                              									doppelten Lage prismatischer, sehr stark verdickter Zellen. An den inneren
                              									Palisadenzellen ist die ungleichmäſsige Verdickung der Wand beachtenswerth, das
                              									Lumen erweitert sich im unteren Drittel der Zellen und enthält da krümelige
                              									Protoplasmareste. An der äuſseren Palisadenschicht ist die zellige Natur nur sehr
                              									schwer kenntlich. Sie besteht zum Theile aus einer feinstreifigen, 0mm,035 breiten Platte, z. Th. aus einer vollkommen
                              									structurlosen, hellen, 0mm,02 breiten Membran. An
                              									gequollenen Samen bildet sie ein im Ganzen leicht abhebbares Häutchen, welches in
                              									der Flächenansicht das zierliche Mosaik der Palisadenzellen (Fig. 4 und 5) als
                              									feinmaschiges Netz zeigt.
                           Auf die Palisadenschicht folgt nach innen eine Lage kleiner rechteckiger Zellen und
                              									weiterhin unregelmäſsig rundliche Zellen mit braunrothem Inhalt. Die tiefsten Zellen
                              									dieser Schicht werden wieder klein und schlieſsen sich unvermittelt an das
                              									Sameneiweiſs, welches als eine 0mm,45 dicke Platte
                              
                              
                              									den Keimling umschliefst. Das Sameneiweiſs ist ein typisches Collenchymgewebe,
                              									dessen Zellen kleine Aleuronkörner enthalten. Die Cotyledonen endlich zeigen den
                              									typischen Bau der Blätter. Unter der Epidermis der Oberseite befindet sich eine
                              									doppelte Palisadenschicht. Das Mesophyll besteht aus einem lückenlosen Parenchym
                              									sechsseitiger Zellen.Es würde an dieser Stelle zu weit führen, den vom anatomischen Standpunkte
                                    											sehr interessanten Umbildungsproceſs der Oberhautzellen in Schleim und endlich in eine
                                    											nicht näher bestimmbare, dem Cutin sehr ähnliche Substanz, wie ich sie aus
                                    											dem Vergleich der Samen mehrerer Cassia-Arten erschlossen habe, eingehender
                                    											zu erörtern. Ich beschränke mich hier auf die Mittheilung jener
                                    											mikroskopischen Kennzeichen, welche zum Nachweis einer etwa vorkommenden
                                    											Verfälschung dienlich sein können. Eine ausführlichere Darstellung der
                                    											anatomischen und mikrochemischen Verhältnisse der Samen dieser und einiger
                                    											verwandter Cassia-Arten wird in der Botanischen
                                       												Zeitung erscheinen.
                           
                           Ueber den Werth der Samen als Kaffeesurrogat gibt die Analyse Ausschluſs, deren
                              									Mittheilung ich Professor Dr. J. J. Pohl verdanke:
                           
                              
                                 Mogdad-Kaffee
                                 
                              
                                 Cellulose
                                 21,21
                                 
                                 
                              
                                 Fettes Oel
                                 2,55
                                 
                                 
                              
                                 Pflanzenschleim
                                 36,60
                                 
                                 
                              
                                 Gerbsäure eisengrünend
                                 5,23
                                 
                                 
                              
                                 Unorganische Salze
                                 4,33
                                 
                                 
                              
                                 Stickstoff haltige organische Stoffe
                                 15,13
                                 und Verluste bei
                                 
                              
                                 Stickstoff freie organische Stoffe
                                 3,86
                                 [der Analyse.
                                 
                              
                                 
                                    Caffein
                                    
                                 0,00
                                 
                                 
                              
                                 Wasser
                                 11,09
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                                 
                              
                           Demnach ist ein ziemlich ansehnlicher Nährwerth den Samen
                              									nicht abzusprechen; warum sie aber gerade als Kaffeesurrogat Vorzüge besitzen
                              									sollen, ist nicht abzusehen; vielmehr dürfte der groſse Schleimgehalt dieser
                              									Verwendung hinderlich sein.
                           Es ist mir nicht bekannt, ob Cassiasamen als Kaffeesurrogat bei uns schon Eingang
                              
                              									gefunden haben; es wäre aber zu verwundern, wenn es nicht der Fall sein sollte,
                              									nachdem die Industrie auf dieselben einmal aufmerksam wurde. Nach den oben
                              									angeführten Merkmalen ist ihre Unterscheidung von geriebenem Kaffee und den anderen
                              									gebräuchlichen Surrogaten auſserordentlich leicht mit Hilfe des Mikroskopes
                              									durchzuführen. Namentlich ist der echte Kaffee in jedem seiner Bestandtheile so
                              									wesentlich verschieden von den analogen Theilen der Cassiasamen, daſs auch eine
                              									geringe Beimengung der letzteren sicher nachgewiesen werden kann.