| Titel: | Der Stahlschnurtrieb. | 
| Autor: | A. Jarolimek | 
| Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 1 | 
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                        Der Stahlschnurtrieb.
                        A. Jarolimek's Stahlschnurtrieb.
                        
                     
                        
                           Nachdem sich dieses neue überaus constructive Maschinenelement bei den zahlreichen
                              									damit angestellten Versuchen durchaus bewährt hat, so gestatte ich mir hierdurch,
                              									das technische Publikum damit in Kürze bekannt zu machen.
                           Daſs der Stahl auch in Hinsicht seiner Anwendung für biegsame Kraftübertragungsmittel – sobald die richtige
                              									Form dafür gefunden – das vorzüglichste und dauerhafteste Constructionsmaterial
                              									darbieten müsse, konnte leicht vorausgesetzt werden. Weniger sicher durfte man aber
                              									schlieſsen, daſs sich der Stahl für diesen Zweck zugleich als das weitaus billigste Material erweisen werde.
                           Da sich nun die Anschaffungskosten meines Stahlschnurtriebes unter gleichen
                              									Verhältnissen thatsächlich kaum halb so hoch beziffern wie jene des Riementriebes,
                              									so dürfte der Gegenstand vielleicht um so mehr Anspruch auf Beachtung verdienen.
                           Wesen des Stahlschnurtriebes. Der Stahlschnurtrieb hat
                              									sowohl den Riemen-, als den Seiltrieb zu ersetzen und besteht in der Anwendung von
                              									eigenthümlichen Stahlschnüren, welche auf den Schnurscheiben je nach Bedarf in
                              									kleinerer oder gröſserer Anzahl neben einander gelegt und deren Enden in einfachster
                              									Weise verbunden werden.
                           Um die Reibung zwischen Schnur und Scheibe zu vermehren, ist es vortheilhaft, an der
                              									Felge der letzteren keilförmige Rinnen einzudrehen, in welche sich die Schnüre fest
                              									hineinlegen. In vielen Fällen, namentlich, wo es sich um eine einfache Ausrückung
                              									handelt, können die Schnüre übrigens auch auf glatten Scheiben laufen.
                           Die Eigenthümlichkeit der Schnüre, welche nichts anderes sind, als lange
                              									schraubenförmig gewundene Federn (sogen. „Spiralfedern“), besteht in ihrer
                              									Dimensionirung. Vermuthlich wird man mit derlei Drahtfedern bislang überhaupt keine
                              									oder doch nur wenige Versuche zu dem fraglichen Zwecke gemacht haben, weil die viel
                              									zu groſse Dehnbarkeit aller gewöhnlichen für verschiedene Zwecke angewendeten
                              									Spiralfedern davon abschrecken muſste, wenn auch andererseits die Biegsamkeit
                              									solcher Federn in Ansehung des gedachten Zweckes jedenfalls sehr günstig
                              									erschien.
                           
                           Vielfache Versuche und damit verbundene theoretische Untersuchungen führten mich nun
                              									dazu, die Spiralfedern für die Bewegungsübertragung mittels Riemen- oder
                              									Schnurrädern schlieſslich vollkommen geeignet zu machen dadurch, daſs ich den zu den
                              									Federn bestimmten Stahldraht auf Spindeln von der praktisch
                                 										zulässigen geringsten Dicke verspann. Der hierin liegende Vortheil wird aus
                              									der folgenden Betrachtung sofort klar.
                           Bezeichnet δ die Dicke des Drahtes,
                              										r den mittleren Krümmungshalbmesser desselben, so
                              									berechnet sich:
                           
                              
                                 die Tragkraft der Spiralfeder
                                 
                                    P=a\ \frac{\delta^3}{r},
                                    
                                 
                              
                                 die Federung
                                 
                                    f=b\ \frac{r^2}{\delta^4}.
                                    
                                 
                              
                           Soll also die Tragkraft groſs, die Federung aber klein
                              									sein, so muſs unter allen Umständen bei constanter Dicke δ der Krümmungshalbmesser so klein als nur möglich genommen werden.
                           Praktische Rücksichten, besonders jene auf die Endverbindung, lassen es nicht
                              									räthlich erscheinen, mit der Spindeldicke – bezieh. der inneren Weite der Federn –
                              									unter das Maſs der Drahtdicke zu gehen. Mit diesem inneren Maſse sind die Federn
                              									aber noch ganz gut ausführbar, und ich wende dieses Verhältniſs auch ganz allgemein
                              									an. Es fällt dann r : δ =
                              									1, und eine ganze Reihe von Versuchen ergibt für die Tragkraft und Federung von aus
                              									gutem, vor dem Verspinnen gehärtetem und entsprechend angelassenem Guſsstahldraht
                              									mit obigen Dimensionsverhältnissen erzeugten Federn folgende Relationen:
                           Maximaltragkraft in Kilogramm (bis zur Elasticitätsgrenze):
                           
                              P_{max}=1,4\ d^2\mbox{ bis }1,5\ d^2,
                              
                           wenn d den äuſseren
                              									Durchmesser der Feder bezeichnet und derselbe mit d = 3
                              										δ der 3fachen Dicke des Drahtes gleichkommt.
                           Federung oder elastische Streckung in Procent der Länge:
                           
                              f=\frac{8p}{d^2},
                              
                           wenn p Belastung der Feder
                              									in Kilogramm.
                           Daher die Maximalfederung fmax = 11,6 Proc., welche für alle Draht- oder Federstärken
                              									constant bleibt.Die Tragkraft der Federn läſst sich bedeutend erhöhen, wenn die letzteren
                                    											nach dem Aufspinnen auf die zwei- bis dreifache Länge gestreckt werden, und
                                    											da das Gewicht von 1m Feder hierdurch in
                                    											gleichem Maſse vermindert wird, so könnte dieses Verfahren ökonomisch
                                    											erscheinen. Ich kann dasselbe aber aus dem Grunde nicht empfehlen, weil die
                                    											Biegsamkeit der Federn in diesem Falle wesentlich leidet. Solche gestreckte
                                    											Federn können nicht mehr als einfache Torsionsfedern betrachtet werden; sie
                                    											werden durch die Zugbelastung sowohl auf Torsion, als auf Biegung im Drahte
                                    											beansprucht und verlangen weit gröſsere Scheibendurchmesser.
                           Diese geringe Ziffer der Maximalfederung, bezieh. der hohe Elasticitätsmodul der
                              									Federn als solche, welcher durch das enge Zusammenspinnen derselben erreicht wurde,
                              									läſst schon erwarten, daſs die Streckung der Federn bei normaler Inanspruchnahme
                              									klein genug ausfallen werde, um keinen zu groſsen Schlupf oder Gleitungsverlust beim
                              										Betriebe zu bedingen.
                              									Diese Erwartung bestätigt sich auch als vollkommen richtig, wie aus den weiteren
                              									Ausführungen deutlich hervorgehen wird.
                           Was die Biegsamkeit der Federn betrifft, so wird diese durch Wahl einer geringen
                              									inneren Weite allerdings vermindert; aber selbst bei den engst gesponnenen Federn
                              									macht die Biegungsspannung unter gewöhnlichen Verhältnissen nur einen kleinen
                              									Bruchtheil der zulässigen Zugspannung aus und bleibt es immer vortheilhaft, eine
                              									gewünschte gröſsere Biegsamkeit durch Wahl einer dünneren Schnur anstatt einer
                              									Schnur von gröſserer innerer Weite zu erzielen.Hier mag bemerkt werden, daſs die aus hartem Drahte gesponnenen
                                    											Schraubenfedern erst dann eine der Belastung proportionale Federung zeigen,
                                    											wenn dieselben etwas über die Elasticitätsgrenze beansprucht, also um einige
                                    											wenige Procente gestreckt werden. Vordem besitzen die dicht gesponnenen
                                    											Federn eine Rückspannung, welche ihre Windungen noch dichter an einander zu
                                    											schlieſsen sucht, weshalb sich die Feder anfänglich weniger streckt, als der
                                    											Belastung – der Rechnung nach – entsprechen würde. So streckt sich eine Im
                                    											lange Feder von 1mm,3 Drahtdicke und 8mm äuſserem Durchmesser bei der Belastung
                                    											von:1234567  8kum26104190281364455546650mm, daherfür 1k um26  52  63  70  73  76  78  81mm,somit durchaus nicht proportional der Belastung. Bei
                                    												9k Belastung nimmt die Feder auch
                                    											schon eine dauernde Streckung an–, daneben geht die elastische Streckung für
                                    												1k in folgender Reihe weiter: 83, 87,
                                    											91, 91, 88, 83... und findet sowohl das absolute Maſs der elastischen, als
                                    											jenes der bleibenden Streckung ein Maximum bei etwa 13k,5 Belastung. Es treten dabei auch andere
                                    											interessante Maxima auf; z.B. was die aufgenommene Arbeit, nämlich das
                                    											Product aus der Last und der elastischen Streckung anbelangt, und zwar
                                    											sowohl, wenn diese Arbeit auf 1k oder auf
                                    												1m Feder bezogen wird.
                           Reibungsverhältnisse. Der Reibungscoefficient wurde bei
                              									den Stahlschnüren, wenn:
                           
                              
                                 
                                 auf
                                 glattem
                                 Eisen
                                 laufend
                                 mit
                                 φ = 0,13
                                 
                              
                                 und
                                 „
                                 „
                                 Holz
                                 „
                                 „
                                 φ = 0,24
                                 
                              
                           erhoben. Werden die Schnüre in Keilrinnen gelegt, so stellt
                              									sich für beginnendes Gleiten das Verhältniſs der Spannungen zwischen dem treibenden
                              									und getriebenen Schnurstück auf:
                           
                              \frac{T}{t}=e^{\frac{\varphi\gamma}{sin\,^1/_2\,\alpha}},
                              
                           wobei e die Grundzahl des
                              									natürlichen Logarithmensystemes, φ den
                              									Reibungscoefficienten, γ den umspannten Bogen und α den Winkel der Keilrinne bedeutet.
                           Für γ = π ergibt dies bei den Winkeln:
                           
                              
                                 der
                                 Keilrinnen von α
                                 = 180
                                 120
                                 90
                                 60
                                 40
                                 30°
                                 
                              
                                 bei
                                 Eisenscheiben T : t
                                 = 1,5
                                 1,6
                                 1,8
                                 2,2
                                 3,3
                                 4,9
                                 
                              
                                 „
                                 Holzscheiben T : t
                                 = 2,1
                                 2,4
                                 2,9
                                 4,5
                                 9,1
                                 18,4,
                                 
                              
                           was mit dem Resultate der angestellten Versuche ganz
                              									gut übereinstimmt. Es wurde nämlich gefunden:
                           
                              
                                 
                                    α
                                    
                                 = 180
                                 120
                                 90
                                 60
                                 40
                                 30°
                                 
                              
                                 bei Eisen T : t
                                  = 1,51
                                 1,62
                                 1,70
                                 2,20
                                 3,30
                                 5,40
                                 
                              
                                 und bei glattem Holz (α = 180°)
                                 
                                 2,0.
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                           Spannungsverhältnisse. Da die Spannung der richtig
                              									erzeugten Federn mit deren Streckung in genauem Verhältnisse steht, so kann man
                              									jederzeit von der letzteren auf die erstere schlieſsen, und ich ziehe es vor, mit
                              									der procentuellen Federung zu rechnen, weil diese von der Schnurstärke ganz
                              									unabhängig ist, somit die Rechnung für alle Federnummern gilt. Ich habe schon
                              									bemerkt, daſs die Maximalfederung bei den Federn meines Systemes 11,6 Proc. beträgt.
                              									Bis zu dieser Streckung müssen alle Federn vor dem Gebrauche belastet werden, theils
                              									um sich ihrer Tragkraft zu versichern, theils um ihre Windungen etwas zu öffnen und
                              									eine regelmäſsige Federung sicherzustellen. Es schadet durchaus nicht, ja ist nur
                              									von Vortheil, wenn die Federn bei der Belastungsprobe eine dauernde Streckung von
                              									etwa 5 Proc. erleiden. Rechnet man nun mit einer dreifachen Tragsicherheit, was mehr
                              									als genügend ist, da die Federn auch bei übergrosser Beanspruchung nicht reissen,
                              									sondern sich höchstens ausstrecken, so kann man bei der der theoretischen Tragkraft
                              									entsprechenden (Maximal-) Federung von 11,6 Proc. bei der praktischen Tragkraft eine
                              									Federung von 4 Proc. annehmen.
                           Die durch die Biegung auf der Scheibe in den äuſsersten Drahtfasern hervorgerufene
                              									Streckung berechnet sich aus der Formel f_b=\frac{d}{D}, wenn d die Federdicke und D den
                              									Scheibendurchmesser bedeutet. Ich setze das Verhältniſs d : D im Allgemeinen mit 0,01 fest, so daſs
                              									die Schnur nach der Scheibengröſse gewählt und mit so viel Millimeter Stärke
                              									genommen wird, als die Scheibe Decimeter im Durchmesser miſst. Die Biegungsstreckung
                              									beträgt dann 1 Proc. daher von der zulässigen Gesammtstreckung mit 4 Proc. noch 3
                              									Proc. für die Zugstreckung verbleiben.
                           Nach der Gleichung f=\frac{8p}{d^2} erhalten
                              									wir also allgemein: 3=\frac{8T}{d^2} und,
                           wenn T:t=m, also die Umfangskraft
                              										P=T-t=T-\frac{T}{m}=T\left(\frac{m-1}{m}\right) ist:
                           
                              d^2=\frac{8}{3}\left(\frac{m}{m-1}\right)P
                              
                           wobei der Schlupf:
                           
                              \sigma=3\,\frac{P}{t}=3\left(\frac{m-1}{m}\right)
                              
                           beträgt: z.B. für:
                           
                              
                                 m = 2,
                                 d2 = 16/3
                                    											P,
                                 σ = 1,5 Proc.
                                 
                              
                                 m = 5,
                                 d2 =10/3
                                    											P,
                                 σ = 2,4 Proc.
                                 
                              
                           Letzterer Schlupf ist noch immer nicht gröſser als bei
                              									Riementrieb.
                           Auf diese Weise ist denn die nachfolgende Tabelle berechnet worden, deren Richtigkeit
                              									übrigens durch vielfache Versuche sichergestellt wurde:
                           
                           
                              
                                 Schnur Nr. d =
                                 10
                                 9
                                 8
                                 7
                                 6
                                 5
                                 4
                                 3
                                 2
                                 1mm,5
                                 
                              
                                 Bestimmt für den  Scheibendurchm. =
                                 1000
                                 900
                                 800
                                 700
                                 600
                                 500
                                 400
                                 300
                                 200
                                 150mm
                                 
                              
                                 Gewicht der Schnur
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 bis 25
                                 
                              
                                    für 1m
                                 0,43
                                 0,35
                                 0,27
                                 0,21
                                 0,155
                                 0,105
                                 0,070
                                 0,040
                                 0,017
                                 0k,010
                                 
                              
                                 Theoret. Tragkraft   Pmax = 1,45 d2 =
                                 145
                                 117
                                 93
                                 71
                                 52
                                 37
                                 23
                                 13
                                 6
                                 3k
                                 
                              
                                 Bei T :
                                       												t = 1,5, wo die Streckung der ruhenden Schnur 2,5%, die des
                                    											führendenStückes 3% und des geführten 2%
                                 
                              
                                 Uebertragbare Kraft   P = ⅛
                                    												d2
                                    											=
                                 12,5
                                 10
                                 8
                                 6
                                 4,5
                                 3
                                 2
                                 1
                                 0,5
                                 0k,3
                                 
                              
                                 Bei T :
                                       												t = 2, wo die Streckung der ruhenden Schnur 2,25%, die des
                                    											führendenStückes 3% und des geführten 1,5%
                                 
                              
                                 P = 3/16
                                    											d2 =
                                 19
                                 15
                                 12
                                 9
                                 6
                                 4,7
                                 3
                                 1,7
                                 0,75
                                 0k,4
                                 
                              
                                 Bei T :
                                       												t = 5, wo die Streckung der ruhenden Schnur 1,8%, die des
                                    											führendenStückes 3% und des geführten 0,6%
                                 
                              
                                 P = 0,3 d2 =
                                 30
                                 24
                                 19
                                 15
                                 11
                                 7,5
                                 5
                                 2,7
                                 1,2
                                 0k,7
                                 
                              
                           Nimmt man als Beispiel an, es seien 500e bei 12m,5
                              									Umlaufgeschwindigkeit, also 3000k Zagkraft zu
                              									übertragen, so sind, bei T : t = 5, 100 Schnüre Nr. 10
                              									nöthig. Hierfür ist eine mindestens 1m im
                              									Durchmesser messende Trommel von 100 × 1,4 d = 1m,4 Breite nöthig, wogegen eine
                              									Hanfseiltransmission für diese Kraft Trommeln von 2m,5 Breite erfordert.
                           Die Constructionstheile sind so einfach, daſs darüber
                              									sehr wenig zu sagen erübrigt. Bei Uebertragung gröſserer Kräfte wird es sich stets
                              									empfehlen, die Schnüre in Rinnen von etwa 30° zu legen, indem hierdurch der
                              									Achsendruck wesentlich reducirt und auch am Gewicht der Schnüre gespart wird.
                           Bei T:t=5 ist das Verhältniſs des Achsendruckes
                              									zur übertragenen Kraft \frac{T+t}{T-t}=\frac{m+1}{m-1}=1,5.
                           Bei T:t=2, welches Verhältniſs bei
                              									Riementrieben gewöhnlich vorkommt, aber \frac{T+t}{T-t}=3, daher
                              									der Achsendruck beim Schnurtrieb gerade halb so groſs ausfällt als beim
                              									Riementrieb.
                           Laufen die Schnüre auf glatten Scheiben, dann ist allerdings
                              										T:t=1,5, und das Verhältniſs des Achsendruckes zur
                              									übertragenen Kraft = 5, daher 5/3 mal so groſs als beim Riementrieb, weshalb man die
                              									Anwendung der Keilrinnen nur dort vermeiden wird, wo es sich um Uebersetzung kleiner
                              									Kräfte handelt und der Achsendruck nicht wesentlich in Betracht kommt.
                           Die gleiche Reibung wie beim Riementrieb und also das Verhältniſs
                              										T:t=2, erzielt man bei den Stahlschnüren übrigens schon bei
                              									einem Winkel der Keilrinnen von 60°, und bei diesem Winkel ist das Auslösen der
                              									Schnüre auf Losscheiben in gewöhnlicher Weise wie bei Riemen ganz gut ausführbar,
                              									besonders wenn die Verschiebung statt durch eine Gabel durch einen Kamm erfolgt.
                           Bei kleinen Maschinen können die Schnüre wohl auch in Bündeln laufen und auf die
                              									verschiedenste Art combinirt und gekreuzt werden. Auch sind die Stahlschnüre sowohl
                              									auf die gröſsten, wie auf die kürzesten Distanzen verwendbar.
                           Die Endenverbindung wird ganz einfach dadurch
                              									bewerkstelligt, indem an
                              									jedem Ende der Schnur eine Windung halb umgebogen und dadurch Häkchen gebildet
                              									werden, welche man in Eingriff bringt, oder indem ein ganz kurzes Schräubchen mit
                              									entsprechender Ganghöhe zur einen Hälfte in das eine und zur anderen in das andere
                              									Schnurende eingeschraubt wird. Diese Verbindung geht nie auf, bildet gar keine Wulst
                              									auf der Schnur, ja ist darauf kaum zu bemerken und versteift auch die Schnur, wie
                              									die Erfahrung lehrt, durchaus nicht.
                           Kosten des Stahlschnurtriebes im Vergleiche zu jenen des
                                 										Riementriebes. Nach der von Roper, Radinger
                              									und G. Schmidt (vgl. 1880 236 177) empfohlenen
                              									amerikanischen Formel ist die Riemenbreite in Centimeter mit
                              										b=20\,\frac{P}{D} zu nehmen, wobei P die zu übertragende Kraft in Kilogramm und D den Durchmesser der kleineren Riemenscheibe in Centimeter bedeutet.
                              									Zufolge der Ausführungen von Prof. Weiſs ergibt obige
                              									Formel häufig zu groſse Werthe von b. Man wird aber für
                              									gewöhnlich vorkommende Fälle, wenn z.B. D mit etwa
                              										50cm und die Riemendicke mit etwa 0cm,4 veranschlagt wird, die Riemenbreite
                              									sicherlich nicht übermäſsig groſs rechnen, wenn man dieselbe mit
                              										b=12\,\frac{P}{D} wählt.
                           Ist also z.B. bei D=50^{cm} eine Kraft von
                              										P=50^k zu übertragen, so folgt hierfür ein Riemen von
                              										b=12^{cm} Breite.
                           Sollen statt der Riemen Stahlschnüre in Verwendung kommen, so ist mit Rücksicht auf
                              									den Scheibendurchmesser von 50cm die Schnursorte
                              									Nr. 5 zu wählen, wovon 1m 0k,105 Gewicht besitzt. Sieht man davon ab, daſs
                              									sich bei den Stahlschnüren das Verhältniſs T:t leicht auf 5
                              									bringen läſst, und nimmt es zur Vergleichsberechnung wie bei Riemen nur mit
                              										T:t=2 an, so kann man mit einer solchen Schnur nach meiner
                              									Tabelle 4k,7 übertragen. Es werden also zur
                              									Uebertragung von P=50^k 11 bis 12 Schnüre erfordert, welche den
                              										12cm breiten Riemen ersetzen.
                           Da Lederriemen, ja selbst schwache (4fache) Baumwollriemen in der
                              									Breite von 120mm unter 2,50 fl. für 1m kaum erhältlich sind, die Schnüre Nr. 5 aber mit
                              									1,20 fl. für 1k verkauft werden, demnach obige 12
                              									Schnüre mit zusammen 1k,26 Gewicht auf 1m nur 1,50 fl. kosten, so beträgt der
                              									Anschaffungspreis des Stahlschnurtriebes unter den ungünstigsten Voraussetzungen nur
                              									ungefähr 60 Procent der Kosten des Riementriebes. Die Scheibenbreite fällt im
                              									vorliegenden Falle mit 12\times 0,7=84\mbox{ bis }90^{mm}, also
                              									auch schmäler als bei Anwendung von Riemen. Die Schnüre werden unter meiner Leitung
                              									in der Fabrik von M. W. Schloss in Hainburg a. d. Donau
                              									erzeugt und unter Garantie der Qualität zu folgenden Preisen geliefert:
                           
                              
                                 Nr.
                                 10
                                 9
                                 8
                                 7
                                 6
                                 5
                                 4
                                 3
                                 2
                                 1½
                                 
                              
                                 für 1k
                                 fl. 1,10
                                 1,20
                                 1,30
                                 1,50
                                 1,70
                                 2,00,
                                 
                              
                           wonach sich 1m Schnur
                              									berechnet:
                           
                              
                                 für Nr. 10
                                 9
                                 8
                                 7
                                 6
                                 5
                                 4
                                 3
                                 2
                                 1½
                                 
                              
                                 mit kr. 47
                                 38,5
                                 30
                                 23
                                 17
                                 12,5
                                 9
                                 6
                                 3
                                 2.
                                 
                              
                           Vortheile des Stahlschnurbetriebes:
                           1) Die überaus einfache Endenverbindung und die stets leichte, im
                              									Augenblick zu bewirkende Reparatur. Der Fall, daſs alle Schnüre eines Triebes zugleich den Dienst
                              									versagen, kann im Hinblick auf deren geringe Beanspruchung gewiſs nie vorkommen.
                              									Geschieht es also durch einen Unfall, daſs eine oder die andere Schnur herabfällt,
                              									so kann, wenn nur wenige Schnüre in Vorrath gehalten werden, der Schaden sofort
                              									wieder gut gemacht werden.
                           2) Der aus der gleichmäſsigen elastischen Streckung der Schnüre
                              									und dem Fehlen aller Aufdopplungen oder Nahten resultirende ausserordentlich
                              									gleichmäſsige und ruhige Gang.
                           3) Der geringe Achsendruck, welcher bei Anwendung 30 grädiger
                              									Schnurrinnen nur halb so groſs ist als beim Riementrieb.
                           4) Die groſse Dauer des Triebes, indem sich die aus gehärtetem
                              									Stahldraht erzeugten Schnüre auch durch die Länge der Zeit kaum merkbar abnutzen und
                              									weder durch feuchte oder dumpfe Luft, noch auch durch andere den Riemen verderbliche
                              									Umstände Schaden leiden.
                           5) Die allgemeine Verwendbarkeit von Reservestücken. Da der Trieb
                              									meist aus mehreren Schnüren besteht, so hat man einem vorhandenen schwächeren Trieb,
                              									um ihn zur Uebertragung gröſserer Kraft geeignet zu machen, nur einige Schnüre
                              									beizufügen, wogegen ein vorhandener Riemen gewisser
                              									Breite dort, wo er für eine gegebene Kraft unzureichend ist, überhaupt unverwendbar
                              									bleibt.
                           6) Das Erforderniſs einer geringeren Scheibenbreite als bei
                              									Riemen.
                           7) Bei kleinen schnelllaufenden Wellen, wenn die Stahlschnüre an
                              									Stelle von Baumwollschnüren gesetzt werden, der Wegfall des durch letztere erzeugten
                              									lästigen Staubes.
                           8) Die auſserordentliche Billigkeit des Triebes.Auf den Stahlschnurtrieb sind in den meisten Staaten Patente genommen. Im
                                    											deutschen Reiche wurde mir das Patent mit der Motivirung versagt, „daſs die Verwendung einer bekannten Schnurart
                                          													zum Treiben von Transmissionen als eine Erfindung nicht angesehen
                                          													werden könne, da dieselbe in geeigneten Fällen ohne jede
                                          													Schwierigkeit ins Werk zu setzen ist und auch sehr nahe verwandte
                                          													Schnüre, wie gedrehte Posen, Drahtseile etc. zu gleichem Zwecke in
                                          													Anwendung sind.“Auf meine Beschwerde entschied das deutsche Patentamt am 29. April 1880: „daſs die abweisenden Gründe der Abtheilung 1 als
                                          													zutreffend anzuerkennen sind, da es Niemandem verwehrt werden könne,
                                          													eine bekannte Stahlschnur zu gleichem Zwecke an Stelle der zum
                                          													Treiben von Schnurscheiben bisher angewendeten Leder- oder
                                          													Kautschuk- oder Saitenschnüre zu verwenden.“ (Diese
                                    											Entscheidung erscheint in so fern nicht ganz gerechtfertigt, weil die
                                    											Antriebstahl schnüre in ganz anderen eigens für
                                       												diesen Zweck durch Versuche ausgemittelten Dimensionen hergestellt
                                    											werden müssen, also nicht mit den zu anderen Verwendungen dienenden bekannten Stahlschnüren verwechselt werden
                                    											dürfen. Ref.)Dies geschah, ohngeachtet das deutsche Reichsgericht in einem ausnehmend
                                    											ähnlichen Falle am 17. April 1880 folgendermaſsen entschied: „Auch in der Combination bereits bekannter Mittel
                                          													kann eine Erfindung enthalten sein, und die Annahme einer solchen
                                          													ist gerechtfertigt, wenn durch die Combination ein eigentümlicher
                                          													Erfolg erzielt wird, sollte derselbe auch nur darin bestehen, daſs
                                          													die bisherige Wirkung der Vorrichtung durch die Anwendung eines
                                          													bisher nicht angewendeten Mittels vollkommen erreicht
                                          												wird.“Aus dieser Entscheidung geht aufs klarste hervor, daſs auch die gegen mich
                                    											getroffene Entscheidung des Patentamtes vor dem Reichsgerichte unmöglich
                                    											Stand gehalten hätte. Leider kann aber an das letztere nur bei
                                    											Nichtigkeitserklärungen oder Zurücknahme schon ertheilter Patente appellirt
                                    											werden, nicht aber, wenn das Patentgesuch vom Patentamte noch vor
                                    											geschehener Anmeldung einfach zurückgewiesen wird.
                           Hainburg a. D., 30. Juli 1880.
                           
                              A. Jarolimek.