| Titel: | Technisch-chemische Notizen von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 69 | 
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                        Technisch-chemische Notizen von G.
                              								Lunge.
                        Lunge, technisch-chemische Notizen.
                        
                     
                        
                           Zur Aufklärung einiger streitiger Fragen habe ich im technischchemischen Laboratorium
                              									des Züricher Polytechnikums unter meiner Aufsicht verschiedene Versuche anstellen
                              									lassen, deren Resultate hiermit in Kürze berichtet werden.
                           
                        
                           Zersetzung von Natriumsulfat durch Kalk.
                           Die früheren Versuche in dieser Richtung sind in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 289 beschrieben. Das dort erwähnte
                              									Verfahren von Hunter, welcher durch Druck die Reaction
                              									vollständiger machen
                              									will, ist von Tessié du Motay in Frankreich noch einmal
                              									als neu patentirt worden (Nr. 92312 vom 26. Juli 1871) mit der Behauptung, man könne
                              									bei Anwendung von 2 bis 20at Druck 75 bis 80
                              									Procent des Sulfates zersetzen. Alle näheren Angaben fehlen. Zur Controle des
                              									Verfahrens hat Hr. Reisz eine Reihe von Versuchen
                              									gemacht, um den Einfluſs verschiedener Drucke, d.h. zugleich Temperaturen,
                              									verschiedener Wassermengen und verschiedener Kalkmengen zu studiren. Der Druck wurde
                              									nur durch die Temperatur im Schieſskasten, also ziemlich roh, bestimmt. Zu den
                              									Versuchen wurden schwer schmelzbare Gasröhren verwendet, welche freilich unter
                              									diesen Umständen etwas angegriffen wurden und keinen höheren Druck als etwa 5at (nur in einem Falle etwas höher) aushielten.
                              									Wenn die Sache einer näheren Untersuchung verlohnte, so würde man jedenfalls in
                              									metallenen Gefäſsen arbeiten müssen. Nach Beendigung der Versuche wurde filtrirt,
                              									Kohlensäure in die Lösung eingeleitet, gekocht, um Calciumbicarbonat zu zersetzen,
                              									und das Filtrat alkalimetrisch titrirt. Ganz genaue Resultate waren eben wegen des
                              									Angriffes auf das Glas selbst hier nicht zu erwarten; aber sie reichen unbedingt
                              									hin, um zu zeigen, daſs bis zu 5at die Zersetzung
                              									eine viel zu unvollständige ist, als daſs sie praktisch verwerthet werden
                              									könnte.
                           A) Versuche bei gewöhnlichem Luftdruck, angestellt durch 48stündiges Kochen im
                              									offenen Kolben mit Rückfluss des verdampften und condensirten Wassers. Hier wie im
                              									folgenden zeigt die letzte Spalte, wie viel Procent des angewendeten Natriumsulfates
                              									umgewandelt, hier also in Natronhydrat übergeführt worden waren:
                           
                              
                                 Gewichtstheile
                                 Betragder Zersetzung
                                 
                              
                                 Na2SO4
                                 CaO
                                 H2O
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                   15
                                           6,55 Proc.
                                 
                              
                                 1
                                    1,1
                                   30
                                   9,64
                                 
                              
                                 1
                                    1,1
                                   90
                                 20,93
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                   90
                                 19,88
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                 180
                                 28,82
                                 
                              
                           Eine einigermaſsen weiter fortgeschrittene Umwandlung ist also
                              									erst bei Verdünnungsgraden zu erreichen, welche an sich jede praktische Verwerthung
                              									ausschlieſsen.
                           B) Versuche bei höherer Temperatur und Druck, angestellt durch 10 bis 12stündiges
                              									Erhitzen in zugeschmolzenen böhmischen Glasröhren:
                           
                              
                                 Temperatur
                                 Druck
                                 Gewichtstheile
                                 Zersetzung
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Sulfat
                                 Kalk
                                 Wasser
                                 Proc.
                                 
                              
                                   130 bis 140°
                                 2 bis 3at
                                 1
                                 1
                                   6
                                   3,13
                                 
                              
                                 130 bis 145
                                 2 bis 3,5
                                 1
                                 1
                                 10
                                 11,2
                                 
                              
                                 150 bis 175
                                 5 bis 8,5
                                 1
                                 1
                                 25
                                 31,7
                                 
                              
                                 150
                                 5
                                 1
                                 1
                                 50
                                  23,49
                                 
                              
                                 150
                                 5
                                 1
                                 2
                                 50
                                  23,91
                                 
                              
                                 140 bis 150
                                 4 bis 5
                                 1
                                   1,1
                                 10
                                   13,88.
                                 
                              
                           Auch hier ist also die Zersetzung eine so unvollständige,
                              									namentlich bei mäſsigen Verdünnungsgraden, daſs an praktische Verwerthung der Reaction nicht zu denken
                              									ist. Versuche bei noch höherem Drucke würden vielleicht weiter gehende Zersetzung
                              									ergeben, aber sicher nur, wie obige Versuche zeigen, wenn man in verdünnten Lösungen
                              									arbeitet, was, zusammen mit dem Hochdruck, viel zu groſse Kosten und Umstände
                              									verursachen dürfte.
                           
                        
                           Zersetzung von Natriumsulfat durch Bariumcarbonat und
                              									Aetzkalk.
                           Wie in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 292
                              									bezieh. 982 erwähnt, hatte Hill gefunden, daſs durch
                              									Kochen von Natriumsulfat mit gleichen Aequivalenten von Bariumcarbonat und Kalk
                              									unter Druck das erstere vollständig zersetzt und in Aetznatron übergeführt werde,
                              									während Wartha, der ganz unabhängig davon die gleiche
                              									Reaction auffand, angibt, daſs die Zersetzung schon durch Kochen in offenen Gefäſsen
                              									vollständig vor sich gehe. Die Versuche von Wartha,
                              									welche mir nur durch briefliche Mittheilung desselben bekannt waren, sind seitdem in
                              									ungarischer Sprache veröffentlicht worden, ohne daſs die deutschen Fachjournale
                              									etwas darüber gebracht hätten. Auf mein Ansuchen hat Hr. Prof. Wartha freundlichst gestattet, daſs das Verfahren in
                              									meinem Laboratorium untersucht werde, was Hr. Fries
                              									übernommen hat.
                           Die Versuche wurden angestellt: 1) mit nass gefälltem Bariumcarbonat, 2) mit fein
                              									gepulvertem natürlichem Witherit, – das erste, um zunächst unter den günstigsten
                              									Verhältnissen für eine vollständige Reaction zu arbeiten, wie sie durch die viel
                              									feinere Zertheilung und gröſsere Angreifbarkeit des gefällten BaCO3 gegeben sind; das zweite, um sich den Bedingungen
                              									einer praktischen Verwerthung mehr anzunähern. Die Mengenverhältnisse des gefällten
                              										BaCO3 wurden so bestimmt, daſs man eine gewogene
                              									Menge ganz reinen krystallisirten Witherits in Salzsäure auflöste, mit Soda fällte,
                              									auswusch und den breiigen Niederschlag mit einer gewogenen Menge von Natriumsulfat
                              									und Wasser je 5 bis 6 Stunden lang kochte; dann wurde verdünnt, filtrirt,
                              									ausgewaschen, das Filtrat mit Kohlensäure behandelt, gekocht, wieder filtrirt und
                              									alkalimetrisch titrirt. Die Zahlen der drei ersten Spalten in folgender Tabelle
                              									bedeuten hier nicht Gewichtstheile, sondern Aequivalente, die Wasser mengen der vierten Spalte dagegen die Gewichtstheile Wasser auf je 1 G.-Th. Sulfat. Gekocht
                              									wurde stets, wie bei Wartha, ohne Druck, aber mit
                              									Rückfluss des entweichenden Wassers.
                           
                              
                                 Aequivalente von
                                 G.-Th.
                                 Umsetzung
                                 
                              
                                 Na2SO4
                                 BaCO3
                                 CaO
                                 Wasser
                                 Proc.
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                 1
                                 28
                                 78,8
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                 1
                                 16
                                 89,8
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                 1
                                 16
                                 88,5
                                 
                              
                                 1
                                   1,5
                                   1,5
                                 16
                                 98,6
                                 
                              
                                 1
                                   1,5
                                   1,5
                                 16
                                 99,3.
                                 
                              
                           Mithin gelingt eine vollständige Umsetzung des Natriumsulfates
                              									zu Aetznatron bei Anwendung des 1½ fachen Aequivalentes von gefälltem Bariumcarbonat, bei massiger
                              									Verdünnung und beim Kochen unter gewöhnlichem Luftdruck.
                           Um nun zu versuchen, wie es sich mit natürlichem Witherit verhielte, wurde dieser
                              									zuerst in feinst geriebenem und durch Müllergaze gebeutelten Zustande angewendet, im
                              									Uebrigen aber wie oben verfahren (Versuche 1 und 2). Weil aber hierbei die
                              									Zersetzung nicht genügend war, wurde eine neue Menge Witherit geschlemmt und nun
                              									damit (Versuche 3 und 4) allerdings ein besseres Resultat erhalten.
                           
                              
                                 Aequivalente von
                                 Umsetzung
                                 
                              
                                 Na2SO4
                                 BaCO3
                                 CaO
                                 Proc.
                                 
                              
                                 
                                 gebeutelt
                                 
                                 
                                 
                              
                                 1
                                   1,5
                                 1,5
                                 36,2
                                 
                              
                                 1
                                 3
                                 1,5
                                 80,1
                                 
                              
                                 
                                 geschlemmmt
                                 
                                 
                                 
                              
                                 1
                                   1,5
                                 1,5
                                 56,1
                                 
                              
                                 1
                                 3
                                 1,5
                                 93,6.
                                 
                              
                           Mithin kann man auch mit natürlichem Witherit im Zustande der
                              									feinsten Vertheilung ein gutes Resultat erzielen, muſs aber selbst von geschlemmtem
                              									Witherit doppelt so viel anwenden als von gefälltem BaCO3 und kann doch die Zersetzung selbst dann nicht ganz vollständig
                              									machen.
                           Die Versuche weiter fortzusetzen, schien unnöthig. Es war allerdings die Richtigkeit
                              									der Wartha'schen Beobachtung vollständig erwiesen, aber
                              									an eine praktische Verwerthung derselben ist wohl kaum zu denken. Da man nämlich
                              									selbstredend gar nicht daran denken kann, mit natürlichem Witherit zu arbeiten und
                              									das erhaltene unreine Bariumsulfat fortzuwerfen, sondern jedenfalls das
                              									Bariumcarbonat aus dem Bariumsulfat regeneriren müsste, so müssen die Kosten dieser
                              									Operation in Betracht gezogen werden. Man könnte z.B. so vorgehen, wie ich es in
                              									meinem englischen Patente im J. 1866 (vgl. 1873 208 146) vorgeschlagen habe. Aber
                              									ebenso, wie ich mein damals ausgearbeitetes Verfahren gegenüber dem
                              									Ammoniak-Sodaverfahren (mit welchem es allein in Concurrenz gedacht werden könnte)
                              									nicht für lebensfähig halten kann, was ich in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 294 ausgesprochen habe, dürfte dies
                              									auch von dem Hill-Wartha 'schen Verfahren gelten.
                           
                        
                           Zersetzung von Natronsalpeter mit kohlensaurem Kalk nach den
                              									Vorschlägen von Walz (Deutsche Industriezeitung, 1869
                              									S. 238) und Lieber (1875 216 62).
                           Die betreffenden Versuche sind von Hrn. Schäppi gemacht
                              									worden, welcher zuerst in Gefäſsen von Glas, Porzellan und Schmiedeisen arbeitete,
                              									aber in allen Fällen fand, daſs die Gefäſse zu stark angegriffen wurden, um den
                              									Vorgang auch nur analytisch verfolgen zu können. Die maſsgebenden Versuche wurden
                              									daher in einem groſsen, aus starkem Platinblech hergestellten Schiffchen ausgeführt, welches in einem
                              									Porzellanrohr durch Kohlenfeuer möglichst hoch erhitzt wurde; die sich entwickelnden
                              									Gase wurden ununterbrochen durch einen trockenen Luftstrom verdrängt und mit diesem
                              									zusammen durch ein System von mit Wasser beschickten Woulff'schen Flaschen gesaugt,
                              									um die Salpetersäure zu regeneriren. Andere Versuche wurden im offenen Schiffchen
                              									über der Gasflamme gemacht. Verwendet wurde reines Natriumnitrat und vollkommen
                              									reiner Marmor. Der Glührückstand wurde mit Wasser ausgelaugt, Kohlensäure
                              									eingeleitet, um etwa aufgelösten Kalk zu fällen, gekocht, filtrirt und das Filtrat
                              									alkalimetrisch titrirt. In der neutralisirten Flüssigkeit wurde dann nach der in
                              									meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 1 S. 49
                              									beschriebenen Methode die unzersetzte Salpetersäure bestimmt. Genaue quantitative
                              									Resultate konnten nicht erwartet werden, da auch das Platinschiffchen stark
                              									angegriffen wurde und Ueberschäumen in der Porzellanröhre nicht zu vermeiden war. In
                              									der folgenden Tabelle zeigt die dritte Spalte das zu NaOH zersetzte, die vierte das
                              									unveränderte NaNO3, beides in Procent des letzteren
                              									ausgedrückt, an.
                           
                              
                                 Aequivalent
                                 Zersetzt in NaOH
                                 UnverändertesNaNO3
                                 
                              
                                 NaNO3
                                 CaCO3
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                         68 Proc
                                           8,37 Proc.
                                 
                              
                                 1
                                 1
                                 68
                                 8,0
                                 
                              
                                 1
                                   1,5
                                 Nicht bestimmt
                                   1,28
                                 
                              
                                 1
                                   1,5
                                 „
                                   0,71
                                 
                              
                                 1
                                   1,5
                                 „
                                   0,49
                                 
                              
                                 1
                                   2,5
                                 „
                                 0
                                 
                              
                                 1
                                   2,5
                                   93,7
                                 0
                                 
                              
                                 1
                                   2,5
                                   94,1
                                 0
                                 
                              
                           Die regenerirte Salpetersäure wurde nur zweimal bestimmt und wiedergefunden: 92,5 und
                              									93,0 Proc. der als Salpeter angewendeten.
                           Diese Versuche erwiesen, daſs man bei Anwendung von 2,5 Aeq. CaCO3 auf 1 Aeq. NaNO3
                              									(oder 150 Gewichtstheile CaCO3 auf 100 NaNO3) den Salpeter vollständig in Aetznatron umsetzen
                              									und dabei doch den gröſsten Theil (im Groſsen vermuthlich noch mehr als im Kleinen)
                              									der Salpetersäure wiedergewinnen kann. Hiernach würde dieses Verfahren eines der
                              									besten sein, welches es gibt; so weit sich eben die Salpetersäure verwerthen läſst,
                              									wäre sie viel günstiger als auf dem gewöhnlichen Wege herzustellen, da man die
                              									Schwefelsäure erspart und statt des sehr geringwerthigen unreinen Bisulfates gleich
                              									Aetznatron im Rückstande erhält, allerdings jedenfalls mit Aufwand von etwas mehr
                              									Brennmaterial. Leider scheint diesem Verfahren zur Zeit die unaufhaltsame Zerstörung
                              									aller zum Schmelzen angewendeten Gefäſse entgegenzustehen, wie auch Lieber a. a. O. hervorhebt. Sollte diese Schwierigkeit
                              									nicht zu heben sein? Da schon in dem offenen Schiffchen über dem einfachen
                              									Bunsen-Brenner vollständige Zersetzung eintritt, so dürfte die Temperatur der
                              									Zersetzung keine Schwierigkeiten darbieten.
                           
                        
                           
                           Verhalten der Lösungen von chlorsauren Salzen in der
                              									Hitze.
                           Bekanntlich ist es nicht möglich, durch Einleiten von Chlor in Kalkmilch eine
                              									Flüssigkeit zu bekommen, welche genau 5 Mol. Chlorid auf 1 Mol. Chlorat enthält; es
                              									wird vielmehr stets 0,3 bis 0,5 Mol. Chlorid zu viel gefunden. Jedenfalls stammt
                              									dies wenigstens theilweise daher, daſs mit dem Chlor ein wenig Salzsäure in den Kalk
                              									gelangt; aber gewöhnlich wird angegeben, daſs namentlich bei höherer Temperatur auch
                              									Sauerstoff entweiche, was natürlich die Menge des Chlorids in der Flüssigkeit
                              									vermehren muſs (vgl. Soda-Industrie, Bd. 2 S. 890).
                              									Positive Versuche scheinen in dieser Beziehung noch nicht angestellt worden zu sein,
                              									wie überhaupt die Frage, auf welchem Wege die Umsetzung des unterchlorigsauren
                              									Salzes in chlorsaures und Chlorid geschieht, noch nicht aufgeklärt ist; ich gedenke
                              									diesen Gegenstand selbst zu bearbeiten. Inzwischen habe ich doch schon endgültig
                              									feststellen wollen, ob, wie man oft in technischen Kreisen meint, die Lösung der
                              									chlorsauren Salze sich beim Kochen schon theilweise zersetzen können, oder ob ein
                              									etwaiger Sauerstoffverlust ausschlieſslich geschehen kann, so lange noch
                              									unterchlorigsauer Kalk vorhanden ist. Daſs der letztere beim Kochen in
                              									concentrirteren Lösungen Sauerstoff verliert, selbst ohne Zusatz von Kobaltsalz, ist
                              									längst erwiesen (vgl. Soda-Industrie, Bd. 2 S.
                              									708).
                           Ich habe nun Hrn. Bull folgende Versuche anstellen
                              									lassen. Eine genau titrirte Lösung von 50g reinem
                              									chlorsaurem Kali in 1l Wasser wurde: 1) mehrere
                              									Stunden in einem mit Rückflusskühler versehenen Kolben gekocht; 2) in einer offenen
                              									Schale auf die Hälfte ihres Volumens eingedampft, so daſs sich schon Salz ausschied;
                              									3) mit Zusatz von einigen Tropfen Kaliumpermanganat gekocht, um diese in der
                              									Fabrikation bestehende Bedingung nachzuahmen. Die Flüssigkeit wurde stets wieder auf
                              									das ursprüngliche Volumen gebracht und nochmals titrirt. In allen Fällen wurde ihr
                              									Gehalt genau wie früher gefunden und die völlige Abwesenheit einer Reaction mit
                              									Silbernitrat erhob es zur Gewissheit, daſs gar keine Zersetzung, mithin auch kein
                              									Sauerstoffverlust stattgefunden habe. Die Rosafarbe der dritten Lösung wurde beim
                              									Kochen zerstört.
                           Um nun zu ermitteln, wie sich der chlorsaure Kalk verhält, wurde (in Wiederholung
                              									früherer in meinem Laboratorium angestellter Versuche) eine Lösung desselben mit
                              									überschüssigem Chlorcalcium bereitet, genau wie im Groſsen, durch Einleiten von
                              									Chlor in heiſse Kalkmilch; die rothe Lösung wurde durch tropfenweise zugesetztes
                              									Schwefelammonium entfärbt und ihr Gehalt an Chlorsäure genau bestimmt. Nach
                              									1¼stündigem Kochen auf dasselbe Volumen wie früher gebracht, ergab die Lösung wieder
                              									absolut genau denselben Gehalt wie vorher.
                           Hierdurch ist wohl endgültig erwiesen, daſs ein Verlust an Sauerstoff, d.h. an
                              									Chlorat, beim Kochen der Lösung nicht mehr stattfinden kann, wenn einmal chlorsaures
                              									Salz gebildet ist, und zwar ebenso wenig im Falle des Calcium-, als des
                              									Kaliumsalzes. Es ist mithin ganz unnöthig, das Chlorkalium der Kalkmilch schon von
                              									vorn herein zuzusetzen, wie es (wenigstens früher) manchmal empfohlen wurde, um der
                              									vermeintlichen leichteren Zersetzbarkeit des Calciumchlorates zu begegnen; mit
                              									diesem Verfahren ist der Nachtheil verbunden, daſs man die Menge des Chlorkaliums
                              									nur nach Gutdünken, jedenfalls in ziemlichem Ueberschusse, nehmen muss, während man
                              									dieselbe genau berechnen kann, wenn das Chlorkalium erst nach der Umwandlung des
                              									Kalkes in Chlorat zugesetzt wird. Ferner sieht man, daſs man jedenfalls im späteren
                              									Stadium der Operation durchaus nicht ängstlich wegen zu groſser Temperaturerhöhung
                              									zu sein braucht. Fraglich bleibt es nur noch, ob es vortheilhaft ist, im ersten
                              									Stadium bei niedriger oder bei hoher Temperatur zu arbeiten, d.h. absichtlich erst
                              									Hypochlorid zu erzeugen oder gleich auf Chlorat hinzuarbeiten. Diese Frage wird
                              									durch die eintretenden Nebenreactionen complicirt und ist nur durch systematisch
                              									durchgeführte Versuche zu lösen, was ich später versuchen will, wenn nicht
                              									inzwischen von anderer Seite schon positive Erfahrungen in dieser Beziehung
                              									veröffentlicht werden sollten.
                           
                        
                           Darstellung von Ferricyankalium mit Hilfe von
                              									Bleisuperoxyd.
                           Die Umwandlung von Ferro- in Ferricyankalium geschieht vermuthlich im Fabrikbetriebe
                              									noch immer mit Hilfe von Chlor. Schon vor vielen Jahren haben ziemlich gleichzeitig
                              										Schönbein (1857 146 155) und Böttger (1859 151 430) zur Umwandlung das Bleisuperoxyd
                              									empfohlen, jedoch mit folgendem erheblichen Unterschiede. Schönbein sättigt das während der Reaction frei werdende Aetzkali (2K4FeCy6
                              									+ O + H2O = K6Fe2Cy12 + 2KOH) durch Einleiten eines Stromes von
                              									Kohlensäure, zur Vermeidung der bekannten umgekehrten Reaction zwischen Bleioxyd und
                              									Ferricyankalium, mittels welcher man ja Bleisuperoxyd darstellen kann, wenn auch
                              									nicht gerade auf sehr billigem Wege; auch gründet sich die E. de Haen'sche Methode zur Bestimmung des Ferricyankaliums auf die
                              									umgekehrte Reaction. Nach Schönbein erhält man bei
                              									seinem Verfahren eine viel höhere Ausbeute (75 Proc. gegen 60 Proc.) an
                              									Ferricyankalium, als bei der Oxydation mit Chlor, welches nur indirect angewendet
                              									wird, indem das entstandene Bleicarbonat stets von neuem durch Kochen mit Chlorkalk
                              									in Bleisuperoxyd übergeführt wird. Böttger, dagegen
                              									macht die Lösung des gelben Blutlaugensalzes mit Kali stark alkalisch und kocht dann
                              									erst mit Bleisuperoxyd. „Auch unter Mitanwendung von zweifach kohlensaurem Kali
                                 										statt des Aetzkalis sieht man das gelbe Blutlaugensalz in das rothe
                                 										übergehen.“ Die letztere Modifikation kommt fast auf dasselbe wie das Schönbein'sche Verfahren heraus, indem das zweifach
                              									kohlensaure Kali die Kohlensäure zur Sättigung des bei der Reaction entstandenen
                              									Aetzkalis abgibt. Dagegen
                              									steht die erstere Modifikation, also die Anwendung von Aetzkali, in Widerspruch
                              									nicht nur mit Schönbein's Verfahren, sondern auch mit
                              									dem sonst bekannten Verhalten der betreffenden Körper unter einander. Ich habe
                              									deshalb bei den Uebungen der Prakticanten im Laboratorium stets das Schönbein'sche Verfahren anwenden lassen und kann
                              									dieses in der That auſserordentlich empfehlen. Es entstehen dabei nicht die
                              									unangenehmen grünen Nebenproducte wie bei dem Chlorverfahren, das Ausbringen ist
                              									ausgezeichnet und das Product tadellos. Da nun auch die Wiederumwandlung des
                              									gebildeten Bleioxydes in Bleisuperoxyd durch Kochen mit Chlorkalklösung eine ganz
                              									einfache ist, so glaube ich in der That, daſs auch für den Fabrikbetrieb das Schönbein sehe Verfahren den Vorzug vor dem
                              									Chlorverfahren verdienen dürfte. Immerhin würde mir keine Veranlassung vorzuliegen
                              									scheinen, eine solche kleine, gewiſs von vielen Anderen gleichfalls gemachte
                              									Laboratoriumserfahrung zu veröffentlichen, wenn nicht vor kurzem das über 20 Jahre
                              									alte Böttger'sche Verfahren noch einmal als ein
                              										„neues“ aufgetaucht wäre und seine Runde durch eine Menge von
                              									Zeitschriften machte. Daſs es nicht neu ist, war von
                              									vorn herein klar; aber es fragt sich, ob es überhaupt auch brauchbar sei. Diese
                              									Frage wird durchaus verneint durch Versuche, welche Hr. v.
                                 										Potworowski angestellt hat.
                           Eine Lösung von 50g Ferrocyankalium wurde mit
                              									Aetzkali stark alkalisch gemacht und mit 15g
                              										PbO2 6 Stunden lang in einer Schale mit Ersatz
                              									des verdampfenden Wassers gekocht, ohne daſs sich eine Reaction auf Ferricyankalium
                              									gezeigt hätte; beim Zusatz einer Probe zu heiſser reiner Eisenvitriollösung kam ein
                              									weiſser, erst allmählich blau werdender Niederschlag. Auch nach Zusatz von weiteren
                              										10g PbO2 und
                              									nochmaligem 6stündigem Kochen fand keine Umwandlung statt. Nun wurde ein Theil der
                              									Lösung stark verdünnt und wieder weiter gekocht, worauf nach einiger Zeit sich eine
                              									Reaction auf Ferricyankalium (sofortige Bläuung mit reiner Eisenvitriollösung)
                              									einstellte, wobei jedoch das meiste Ferrocyankalium unverändert blieb. Die
                              									Flüssigkeit brauste aber mit Säuren stark auf; mithin war das Aetzkali durch die
                              									Luft-Kohlensäure gesättigt, worin der Grund der theilweisen Umwandlung liegen
                              									mochte. Dies wurde dadurch klar erwiesen, daſs ein anderer Theil derselben
                              									verdünnten Flüssigkeit, 6 Stunden lang in einem Kolben mit Bunsen'schem
                              									Kautschukventil gekocht, durchaus keine Reaction auf Ferricyankalium gab. Ein
                              									gleichzeitig unter ganz ähnlichen Umständen angestellter Gegen versuch, Kochen der
                              									Ferrocyankaliumlösung ohne Aetzkali mit Bleisuperoxyd unter Einleiten von
                              									Kohlensäure ergab dieselbe vollständige, glatte und verhältniſsmäſsig rasche
                              									Umwandlung in rothes Blutlaugensalz wie sonst. Mithin kann nur das letztere (Schönbein'sche) Verfahren empfohlen werden.
                           
                        
                           
                           Darstellung von Benzoësäure aus Benzotrichlorid und
                              									Wasser.
                           Nach A. v. Rad (1879 231 538) soll diese Umwandlung
                              									unter Druck vorgenommen werden, aber bei der Anwendung des gewöhnlichen rohen
                              									Benzotrichlorids pechartige Nebenproducte geben, jedenfalls aber der von Jenssen patentirten Umwandlung mit Schwefelsäure (1879
                              									234 160) vorzuziehen sein. Nach Versuchen, welche Hr. Fries gemacht hat, ist die Reaction: C6H5.CCl3 +
                              										2H2O = C6H5.COOH + 3 HCl eine ganz vollständige und glatte,
                              									nicht allein, wenn man in Zuschmelzröhren bei einer Temperatur von 140 bis 150°
                              									arbeitet, sondern auch dann schon, wenn man das Benzotrichlorid (welches vorher
                              									durch Fractioniren gereinigt war) mit überschüssigem Wasser 4 Stunden am
                              									Rückflusskühler bei gewöhnlichem Atmosphärendruck kocht. Das Benzotrichlorid
                              									verschwindet ganz und die Benzoesäure scheidet sich in vollkommen weiſsen Schuppen
                              									aus. Aus 5g C6H5CCl3 wurden so 3g,10 Benzoesäure (theoretische Menge 3g,12) in den Zuschmelzröhren und bei mehreren
                              									Versuchen im offenen Gefäſse, wo immerhin ein wenig Benzoesäure sich verflüchtigen
                              									konnte, immer noch 3g,0 erhalten. Da die
                              									Umwandlung durch offenes Kochen so viel bequemer als unter Druck ist, so schien mir
                              									die Mittheilung dieser Notiz der Mühe werth.
                           Zürich, August 1880.