| Titel: | Ueber das Celluloid; von Fr. Böckmann. | 
| Autor: | Fr. Böckmann | 
| Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 62 | 
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                        Ueber das Celluloid; von Fr. Böckmann.
                        Böckmann, über das Celluloid.
                        
                     
                        
                           Das Celluloid (vgl. 1880 235 203. 468) ist, abgesehen von seinen anderen zahlreichen
                              									Verwendungen, namentlich für Schmuckwaaren, sowie für die Herstellung von Kämmen und
                              									künstlichen Zahngebissen von Wichtigkeit geworden. Eine nähere Kenntniſs der
                              									Eigenschaften dieses merkwürdigen Stoffes erschien mir deshalb um so mehr von
                              									Interesse, als derselbe in Zukunft vielleicht noch dazu berufen ist, in der Technik
                              									eine Rolle zu spielen.
                           Ehe ich die vorläufigen Resultate meiner Untersuchung mittheile, mögen hier noch
                              									einige kurze Angaben über die Fabrikation des Celluloids Platz finden.Vgl. meine Broschüre: Das Celluloid (Wien 1880.
                                    												A. Hartleben),
                                    											sowie die speciell für Zahnärzte berechnete Broschüre von Zahnarzt H. Hamecher (Berlin 1880. Denicke's Verlag). Zu seiner
                              									Herstellung wird Pyroxylin entweder unter Druck mit schmelzendem Kampher, oder mit
                              									einer alkoholischen Lösung von Kampher behandelt, oder man läſst auf das Pyroxylin
                              									eine Mischung von Kampher mit Aether-Alkohol bezieh. Methylalkohol einwirken.
                              									Letztere beiden Methoden werden gegenwärtig vorzugsweise angewendet, das
                              									Aether-Alkohol-Verfahren von der Celluloidfabrik von Magnus
                                 										und Comp. in Berlin, das Methylalkohol-Verfahren von der Celluloidfabrik zu
                              									Stains bei Paris. Die Fabrik zu Stains stellt unbestritten das beste Celluloid
                              									unseres Continentes her. Lebhafte transparente Farben und angenehme Verarbeitung
                              									sind seine Vorzüge, welche den um 1/4 bis ⅓ höheren Preis reichlich aufwiegen.
                           Das Celluloid wird gewöhnlich in Platten von etwa 30 × 75cm Fläche oder in Form runder Stäbe von 1m Länge verarbeitet. Das rohe Celluloid besitzt blonde Hornfarbe.
                              									Gewöhnlich jedoch wird dasselbe in gefärbtem Zustande verarbeitet und ist
                              									gegenwärtig die Korallen-Imitation entschieden am beliebtesten. Nicht nur das
                              									ungefärbte, sondern auch das gefärbte Celluloid besitzt in nicht unbedeutendem Maſse die Eigenschaft,
                              									durchscheinend zu sein. Gegenstände, welche beispielsweise hinter eine roth gefärbte
                              									Celluloidplatte von 4mm
                              									Dicke gehalten werden, sind in ihren Umrissen auf der vorderen Seite noch sehr
                              									deutlich erkennbar.
                           Erwähnt sei hier noch, daſs eine der gröſsten Celluloidfabriken, sowie ein Hauptsitz
                              									der Celluloid-Waarenfabrikation zu Newark in New-Jersey ist. In Deutschland bestehen
                              									meines Wissens nur zwei Celluloidfabriken, die oben schon genannte Fabrik in Berlin,
                              									sowie in Mannheim eine Filialfabrik der Fabrik zu Stains, welche sich hauptsächlich
                              									mit der Herstellung von Frisir- und Aufsteckkämmen beschäftigt.
                           Für meine Untersuchung stand mir Celluloid der Fabrik zu Stains in Platten- und
                              									Stabform, sowie Celluloidplatten einer (mir nicht näher bekannten) Celluloidfabrik
                              									zu London zur Verfügung. Sämmtliche Proben waren korallenroth gefärbt.
                           Mit Ausnahme der Ermittlung des specifischen Gewichtes und des Verhaltens des
                              									Celluloids gegen höhere Temperatur habe ich für sämmtliche andere analytische
                              									Operationen stets geraspeltes Celluloid angewendet. Die
                              									von der Feile in das geraspelte Celluloid etwa übergehenden Eisenflitter wurden mit
                              									einem Magnet ausgelesen. Die Wägungen des Celluloids müssen rasch oder zwischen
                              									Uhrgläsern vorgenommen werden, da dasselbe in fein vertheiltem Zustande schnell
                              									Feuchtigkeit absorbirt. Das geraspelte Celluloid läſst natürlich die chemischen
                              									Stoffe weit schneller und vollständiger auf sich einwirken als das Celluloid in
                              									Stückform.
                           1) Verhalten des Celluloids bei höherer Temperatur.
                              									Weder durch Wärme, wie sie durch directes Erhitzen hervorgebracht wird, noch durch
                              									Stoſs, Schlag oder Reibung kann das Celluloid zur Explosion gebracht werden; es
                              									läſst sich nur durch Körper entzünden, welche selbst brennen. Glimmende Körper
                              									bringen das Celluloid ebenfalls nur zum Glimmen. Wirkt eine concentrirte
                              									Wärmequelle, wie z.B. Lampenlicht, auf das Celluloid ein, so entzündet sich dasselbe
                              									in einer Entfernung von etwa 20cm von der oberen
                              									Cylinderöffnung, d.h. in demselben Abstand, in welchem auch Papier sich unter
                              									Entwicklung von Rauchwolken zu bräunen beginnt. Bläst man die Flamme von brennendem
                              									Celluloid aus, so glimmt dasselbe weiter fort, indem der Kampher unter Entwicklung
                              									starker Rauchwolken abdestillirt, während das Pyroxylin eine unvollständige
                              									Selbstverbrennung auf Kosten des eigenen Sauerstoffgehaltes erleidet. Ein Theil des
                              									Kohlenstoffes des Pyroxylins bleibt unverbrannt in Form eines feinen gitterförmigen
                              									Kohlenskeletts zurück, welches jedoch theilweise verascht. Man kann an derartigem
                              									glimmendem Celluloid deutlich folgende Zonen unterscheiden: Eine sehr schmale
                              									schmelzende Zone, aus welcher der Kampher abdestillirt, und hinter derselben eine
                              									breite Kohlenzone, inmitten welcher sich ein rothglühender Fleck befindet. Derselbe
                              									verbreitet sich durch Anblasen rasch über den gröſsten Theil der Kohlenzone, indem er dieselbe
                              									gleichzeitig verascht. Durch Abschlagen des glimmenden Theiles kann man dem
                              									Weiterglimmen sofort Einhalt thun. Die Stelle des Celluloids, an welcher sich der
                              									abgeschlagene glimmende Theil befand, markirt sich durch eine scharf abgeschnittene
                              									Linie. Sowohl das Celluloid von Stains wie das von London zeigten dieses
                              									Weiterglimmen nach dem Ausblasen der Flamme. Ich will jedoch bemerken, daſs ich auch
                              									schon Celluloid von mir unbekannter Herkunft unter den Händen hatte, welches dieses
                              									Weiterglimmen nicht zeigte. Erhitzt man Celluloid im Platintiegel bei aufgelegtem
                              									Deckel, so entweichen starke, graugelb gefärbte Rauchwolken, Tiegeldeckel und
                              
                              									Tiegelwand bedecken sich mit einem Sublimat von den Anlaſsfarben des Stahles,
                              									während auf dem Boden des Tiegels ein äuſserst zartes Kohlenskelett von der
                              									ursprünglichen Form des Celluloids sich vorfindet. Wirft man Celluloid in eine
                              									glühende Platinschale, so schlägt sofort die Flamme aus derselben, weil nun die
                              									entweichenden Gase und Kampherdämpfe entzündet werden. Das zurückbleibende
                              									Kohlenskelett glimmt fort bis zur völligen Veraschung. Die Aschenmenge, welche man
                              									bei dem Verbrennen erhält, schwankt nur sehr unbedeutend bei dem Celluloid
                              									verschiedener Herkunft. Ich erhielt bei der Veraschung folgende Zahlen:
                           
                              
                                 Platten-Celluloid    von Stains
                                 1,0652g1,3110
                                 gaben„
                                 0,0168g0,0202
                                 oder„
                                 1,581,54
                                 Proc. Asche    „       „
                                 
                              
                                 Stab-Celluloid    von Stains
                                 1,31291,5186
                                 gaben„
                                 0,01810,0200
                                 oder„
                                 1,371,31
                                 Proc. Asche    „       „
                                 
                              
                                 Platten-Celluloid    von London
                                 1,31103,0182
                                 gaben„
                                 0,02860,0640
                                 oder„
                                 2,182,12
                                 Proc. Asche    „       „
                                 
                              
                           Die Eigenschaft des Celluloids, durch Eintauchen in kochendes Wasser oder durch
                              									Erwärmen in mit Dampf geheizten Wärmeplatten plastisch zu werden und sich alsdann in
                              									jede beliebige Form bringen sowie mit anderen Celluloidplatten und mit eingelegten
                              									Metalltheilchen verbinden zu lassen, darf ich wohl um so mehr als allgemein bekannt
                              									voraussetzen, als hierauf die Verwendung des Celluloids zu Schmuckwaaren, zur
                              									Herstellung von Zahngebissen, von Aufsteckkämmen u.s.w. beruht.
                           2) Das specifische Gewicht zeigt, ebenso wie der
                              									Aschengehalt, nur unbedeutende Differenzen bei dem Celluloid verschiedener Fabriken.
                              									Diese Unterschiede erklären sich durch die wechselnde Zusammensetzung des Celluloids
                              									verschiedener Abkunft, sowie durch die mehr oder weniger starke Pressung, welche
                              									dasselbe erfuhr.
                           
                              
                                 Platten-Celluloid von Stains:
                                 Sp. G. = 1,3543 und 1,3512,
                                 Mittel = 1,3527.
                                 
                              
                                 Stab-Celluloid von Stains:
                                 Sp. G. = 1,3112 und 1,3094,
                                 Mittel = 1,3103.
                                 
                              
                                 Platten-Celluloid von London:
                                 Sp. G. = 1,3928 und 1,3924,
                                 Mittel = 1,3926.
                                 
                              
                           3) Verhalten des Celluloids gegen Aether. Beim Erwärmen
                              									des Celluloids mit Aether (am Rückfluſskühler) geht der ganze Kamphergehalt in
                              									Lösung und kann durch Filtration von dem Pyroxylin und den Aschenbestandtheilen
                              									getrennt werden. Zur analytischen Bestimmung des Pyroxylins auf diesem Wege bringt
                              									man am besten das geraspelte Celluloid auf ein bei 100° getrocknetes Filter und
                              									wäscht es auf demselben mit erwärmtem Aether aus. Man gieſst hierauf die abfiltrirte
                              									Aetherlösung nach abermaligem Erwärmen 2mal auf das Filter zurück und erneuert den
                              									Aether etwa 3mal, so daſs im Ganzen das Celluloid ungefähr 12mal mit Aether
                              									ausgewaschen wird. Dies genügt vollkommen zur quantitativen Extraction des
                              									Kamphers.
                           I) 0g,1879 Stab-Celluloid von
                              									Stains gaben nach dieser Methode 0g,1263 oder
                              									67,21 Proc. in Aether unlöslichen Rückstand, welcher 0g,0043 oder 2,28 Proc. Asche hinterlieſs. Es verbleiben also 64,93 Proc.
                              									Pyroxylin.
                           II) 0g,3058 Stab-Celluloid
                              									(ebenfalls von Stains) gaben 0g,2051 oder 67,07
                              									Proc. Rückstand und letzterer lieferte 0g,0068
                              									oder 2,22 Proc. Asche. Es bleiben also noch 64,85 Proc. Pyroxylin.
                           Als Mittel beider Bestimmungen ergibt sich für das Celluloid von
                              									Stains folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Pyroxylin
                                 64,89
                                 
                              
                                 Kampher
                                 32,86
                                 
                              
                                 Asche
                                 2,25
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           0g,2392 Platten Celluloid von
                              									London lieſsen 0g,1847 oder 77,21 Proc. in Aether
                              									unlöslichen Rückstand. Derselbe gab 0g,0084 oder
                              									3,51 Proc. Asche. Es bleiben also noch 73,70 Proc. Pyroxylin, entsprechend:
                           
                              
                                 Pyroxylin
                                 73,70
                                 
                              
                                 Kampher
                                 22,79
                                 
                              
                                 Asche
                                 3,51
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           Wie man sieht, ist bei dem Celluloid von Stains das Verhältniſs von Pyroxylin zu
                              									Kampher etwa wie 1 zu 2, beim Londoner Celluloid wie 1 zu etwas über 3.
                           4) Verhalten gegen absoluten Alkohol. Wird geraspeltes
                              									Celluloid mit absolutem Alkohol am Rückfluſskühler mehrere Stunden gekocht, so wird
                              									die Flüssigkeit allmählich etwas dickflüssig und auf Wasserzusatz scheidet sich in
                              									Lösung gegangenes Pyroxylin in Form einer Gallerte aus. Dieselbe hinterläſst beim
                              									Eindampfen auf dem Wasserbade einen beträchtlichen Rückstand von Pyroxylin.
                           0g,8365 geraspeltes
                              									Stab-Celluloid von Stains, mit 60g absolutem
                              									Alkohol 3 Stunden am Rückfluſskühler gekocht, gaben 0g,2956 oder 35,33 Proc. in Alkohol lösliches Pyroxylin. Ein zweiter
                              									Versuch ergab 39,07 Proc. in Alkohol lösliches Pyroxylin.
                           0g,4831 Londoner
                              									Platten-Celluloid hinterlieſsen 0g,1781 oder 36,86
                              									Proc. in Alkohol lösliches Pyroxylin.
                           Die auf den ersten Augenblick überraschende Thatsache, daſs das Pyroxylin des
                              									Celluloids in absolutem Alkohol theilweise löslich ist, erklärt sich einfach
                              									dadurch, daſs das Pyroxylin sich löst in einer alkoholischen Lösung von Kampher bei
                              									gleichzeitiger Anwendung von Druck. Es wird also bei diesem Versuche zuerst der
                              									Kampher des Celluloids in Alkohol gelöst und es genügt alsdann der schwache Druck,
                              									wie er bei Anwendung eines Rückfluſskühlers vorhanden ist, um eine theilweise Lösung
                              									des Pyroxylins herbeizuführen.
                           
                           5) Verhalten gegen Aether-Alkohol. Geraspeltes Celluloid
                              									löst sich in Aether-Alkohol (mit Ausnahme der hierin unlöslichen Aschen- und
                              									Farbstoffbestandtheile) schon bei gewöhnlicher Temperatur vollkommen auf.
                           Etwa 0g,3 Celluloid werden in
                              									einem Kolben mit einer Mischung von 18g Aether,
                              										3g Alkohol und 1g WasserEin geringer Wasserzusatz bewirkt, daſs das Pyroxylin in einer festeren, für
                                    											die analytische Bestimmung geeigneteren, nicht klebrigen Form ausgefällt
                                    											wird. derart übergossen, daſs man die Flüssigkeit langsam an der
                              									Kolbenwandung hinabflieſsen läſst. Ein rasches directes Herabgieſsen der Flüssigkeit
                              									auf die Substanz bewirkt leicht ein Ankleben der Celluloidtheilchen an einander und
                              									an die Kolbenwandung und verhindert auf diese Weise die vollständige Lösung. Man hat
                              									sich überhaupt beim Arbeiten mit Celluloidlösungen stets daran zu erinnern, daſs
                              									dieselben ähnliche Eigenschaften wie ein rasch trocknender und kittartig anklebender
                              									Firniſs besitzen.
                           Das mit der Aether-Alkohol-Mischung übergossene Celluloid läſst
                              									man über Nacht im zugekorkten Kolben stehen und bringt alsdann die aufgequollene
                              									Masse durch gelindes Schwenken des Kolbens leicht in Lösung. Man gieſst die
                              									Flüssigkeit, ohne von dem Farbstoff abzufiltriren, direct in 150 bis 200cc Wasser, wodurch das Pyroxylin in dichten,
                              									weiſsen Flocken sich wieder ausscheidet. Unter öfterem Umrühren läſst man das
                              									Becherglas unbedeckt einige Stunden stehen, bis der gröſste Theil des Aethers
                              									verdunstet ist. Vorher ist eine vollständige Ausfällung des Pyroxylins nicht zu
                              									erreichen; es scheidet sich vielmehr beim Filtriren noch theilweise in der
                              									Trichterröhre oder im Filtrat aus. Nach Ablauf einiger Stunden hat sich das
                              									Pyroxylin meist in Form einer einzigen zusammenhängenden Haut auf der Oberfläche der
                              									Flüssigkeit angesammelt. Man filtrirt nun auf ein bei 100° getrocknetes Filter und
                              									wäscht wiederholt mit warmem Aether aus.
                           
                                I) 0g,6831 Stab-Celluloid
                                 										von Stains gaben (nach Abzug der Asche) 0g,4408 oder 64,52 Proc. Pyroxylin,
                               II) 0g,3665 desselben
                                 										lieferten 0g,2355 oder 64,25 Proc.
                                 										Pyroxylin,
                              III) 0g,1959 desselben gaben
                                 											0g,1319 oder 67,33 Proc. Pyroxylin.
                              
                           Wie man also sieht, eignet sich diese Methode keineswegs zu einer genauen
                              									analytischen Bestimmung des Pyroxylingehaltes des Celluloids und ist in dieser
                              									Hinsicht die Extraction mit Aether bei weitem vorzuziehen.
                           6) Verhalten gegen Holzgeist. Derselbe übt auf Celluloid
                              									dieselbe Wirkung wie Aether. Man gibt auch hier das geraspelte Celluloid zweckmäſsig
                              									auf ein bei 100° getrocknetes Filter und wäscht wiederholt mit heiſsem Holzgeist
                              									aus. Ich erhielt hierbei zu hohe Zahlen für das Pyroxylin, was mit daran liegen mag,
                              									daſs ich nicht chemisch reinen Methylalkohol anwendete.
                           
                               I) 0g,2763 Stab-Celluloid
                                 										von Stains lieſsen 0g,2058 oder 74,48 Proc. in
                                 										Holzgeist unlöslichen Rückstand. Derselbe gab 0g,0057 oder 2,06 Proc. Asche. Somit bleiben für das Pyroxylin 72,42
                                 										Proc.
                              II) 0g,3251 Platten-Celluloid
                                 										von London gaben 0g,2633 oder 80,99 Proc.
                                 										Filterrückstand und dieser lieferte 0g,0072
                                 										oder 2,21 Proc. Asche. Es bleiben also noch 78,78 Proc. Pyroxylin.
                              
                           Soviel jedoch geht wohl auch aus diesen um einige Procent zu hohen Zahlenresultaten
                              									hervor, daſs der Methylalkohol ebenso wie der Aether den Kamphergehalt des
                              									Celluloids in Lösung überführt und auf diese Weise von dem zurückbleibenden
                              									Pyroxylin trennt.
                           
                           7) Verhalten gegen Natronlauge. Das Celluloid ist
                              									ziemlich leicht löslich in concentrirter kochender wässeriger Natronlauge. Die
                              									Lösung färbt sich zuerst hellgelb, dann braun. Ein geringer Theil des Celluloids
                              									bleibt ungelöst. Der Kampher verflüchtigt sich beim Auflösen des Celluloids und
                              									scheidet sich an einem auf den Kochkolben gesetzten Trichter krystallinisch ab. Die
                              									mit Flieſspapier getrockneten Krystalle zeigen den Schmelzpunkt des Kamphers
                              									(175°).
                           8) Verhalten gegen Salpetersäure. Celluloid löst sich
                              									rasch in warmer Salpetersäure, welche auf 1 Vol. concentrirter Säure nicht mehr als
                              									1,5 Vol. Wasser enthält. Kampher verflüchtigt sich auch hier und wurde an seinem
                              									Schmelzpunkt als solcher erkannt. Es verbleibt ein etwa 0,5 Proc. betragender, in
                              									Salpetersäure unlöslicher Rückstand. Das Filtrat hinterläſst einen rothgelben
                              									Trockenrückstand, dessen Menge je nach der Concentration und der Dauer der
                              									Einwirkung der Salpetersäure wechselt. Ich fand in verschiedenen Analysen 10 bis 35
                              									Proc. Trockenrückstand und etwa 1,7 Proc. Glührückstand im Filtrate der
                              									salpetersauren Lösung des Celluloids.
                           9) Verhalten gegen Essigsäure. Mit concentrirter
                              									Essigsäure am Rückfluſskühler behandelt, löst sich geraspeltes Celluloid rasch auf.
                              									Aus der erhaltenen Lösung fällt auf Wasserzusatz neben Kampher das Pyroxylin wieder
                              									aus. Man dampft die mit Wasser gefällte Flüssigkeit in einer Platinschale im
                              									Wasserbade wiederholt unter erneutem Wasserzusatz ein und filtrirt alsdann, nachdem
                              									der Kampher und der gröſste Theil der Essigsäure verjagt ist, auf ein bei 100°
                              									getrocknetes Filter ab. Die erhaltenen Zahlen fallen jedoch etwas zu hoch aus.
                           0g,4286 Stab-Celluloid von
                              									Stains gaben 0g,3057 oder 71,32 Procent durch
                              									Wasser ausgefällten Niederschlag. Derselbe hinterlieſs 0g,0873 oder 2,03 Proc. Asche. Es bleiben also 69,29 Proc. für das
                              									Pyroxylin.
                           10) Verhalten gegen Schwefelsäure. In mäſsig verdünnter
                              									und erwärmter Schwefelsäure löst sich das Celluloid auf. Durch concentrirte warme
                              									Schwefelsäure wird es völlig verkohlt.
                           11) Sonstige bemerkenswerte Eigenschaften des
                                 										Celluloids. Das Celluloid enthält noch eingeschlossenes Gas (wahrscheinlich
                              									Luft), welches beim Behandeln des Celluloids mit verschiedenen Reagentien, sowie
                              									beim Einlegen desselben in kaltes Wasser besonders aus frischen Schnittflächen in
                              									zahlreichen Blasen entweicht.
                           Für die Verarbeitung und den Gebrauch des Celluloids (namentlich auch zu künstlichen
                              									Zahngebissen) ist seine Eigenschaft des Werfens unangenehm. Es bleiben nämlich die
                              									Celluloidplatten, wie sie aus den Kalanderwalzen und den Pressen herauskommen, nicht
                              									vollkommen eben, sondern sie ziehen sich an den beiden Enden in die Höhe, eine
                              									Eigenschaft, welche zu ihrer Erklärung ganz unnöthigerweise den Scharfsinn der
                              									Zahnärzte herausgefordert hat. Die Erscheinung läſst sich vielmehr sehr einfach
                              									dadurch erklären, daſs an den beiden Enden der Platte die stärkste Verdunstung des Aether-Alkohols,
                              									Methylalkohols oder Wassers und demgemäſs in der Mitte die gröſste Ansammlung dieser
                              									Flüssigkeiten stattfindet. Die nach aufwärts entweichenden Flüssigkeitsdämpfe üben
                              									aber einen gewissen Druck auf die im nassen Zustande noch sehr plastische Masse aus,
                              									der demgemäſs an den beiden Enden der Platte stärker sein muſs als in der Mitte. In
                              									Folge dessen werden die Enden der Platte nach aufwärts gebogen.
                           Der rothe Farbstoff des gefärbten Celluloids wird beim Erwärmen violett, dann schwarz
                              									und beim Erkalten wieder roth. Mit Salzsäure entwickelt er unter Bleichung Chlor,
                              									ist also Mennige.
                           Schluſsfolgerungen. Die von mir untersuchten
                              									Celluloidsorten enthalten keine Schieſsbaumwolle (Cellulosehexanitrat), sondern nur
                              									Collodiumpyroxyline. Beweis hierfür ist die völlige Löslichkeit des Celluloids in
                              									Aether-Alkohol bei gewöhnlicher Temperatur. – Das Celluloid ist keine chemische Verbindung im engeren Sinne des Wortes. Für
                              									diese Annahme spricht das Verhalten des Celluloids gegen Aether und Methylalkohol,
                              									sowie auch das Verhalten von glimmendem Celluloid. Ich glaube vielmehr, daſs das
                              									Celluloid eine seinem Charakter nach dem Leder ähnliche Verbindung ist.
                           Schlieſslich sage ich auch an dieser Stelle meinen Dank den HH. Schreiner und Sievers, Hartgummi- und
                              									Celluloidwaaren-Fabrikanten in Offenbach a. M., für die freundliche Ueberlassung von
                              									Celluloidproben, sowie Hrn. Handels-Chemiker Dr. Mertens in Cöthen für die Bereitwilligkeit, mit welcher er mich diese
                              									Untersuchung in seinem Laboratorium ausführen lieſs.
                           Cöthen, im September 1880.