| Titel: | Ueber die Producte der Destillation des Petroleumgastheers; von W. Rudnew. | 
| Autor: | W. Rudnew | 
| Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 72 | 
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                        Ueber die Producte der Destillation des
                           								Petroleumgastheers; von W.
                              									Rudnew.
                        Rudnew, über Destillation des Petroleumgastheeres.
                        
                     
                        
                           Der niedere Preis des Erdöles (Petroleums) und die geringe Ausbreitung der
                              									Steinkohlen in Ruſsland, besonders in Gegenden der Wolga, sind die Ursachen, daſs
                              									die Bereitung des Leuchtgases aus Erdöl in diesen Gegenden billiger ist als die
                              									Fabrikation des Steinkohlengases. Man benutzt in Ruſsland Petroleumgas nicht nur in
                              									Fabriken, welche eigene Gasanstalten besitzen, sondern es wird auch zur Beleuchtung
                              									einiger Städte, wie Kasan, verwendet. Bei der Fabrikation des Petroleumgases, wie
                              									bei der des Leuchtgases aus Steinkohlen, erhält man als Nebenproduct eine
                              									beträchtliche Menge Theer. Die Entwicklung der Beleuchtung mit Petroleumgas
                              									veranlaſste uns vor einigen Jahren, die Anwendung des dabei erhaltenen Theers zu
                              									probiren. Die ersten Versuche der Destillation dieses Theers wurden in der hiesigen
                              									Petroleumgasfabrik von H. Lomann, ehemaligem Techniker
                              									dieser Fabrik, ausgeführt. Derselbe hat dabei hauptsächlich Benzol und Toluol, auch
                              									kleine Mengen anderer aromatischer Kohlenwasserstoffe erhalten. Später untersuchte
                              										A. Letny (1878 229 353) die Producte der trockenen
                              									Destillation des Theers, welcher sich bei der Fabrikation des Petroleumholzgases
                              									bildet, und fand ebenso, daſs derselbe aromatische Kohlenwasserstoffe enthält.
                           Auf der Provinzial-Gewerbeausstellung in Kasan 1880 waren von hiesiger Gasfabrik
                              									Producte der Destillation des Theers, welchen man in dieser Fabrik bei der
                              									Darstellung des Petroleumgases erhält, ausgestellt. Diese in hiesiger Gasfabrik
                              									ausgeführte Destillation des Petroleumgastheers ist, meines Wissens, der erste
                              									Versuch der fabrikmäſsigen Verarbeitung dieses Nebenproductes. Man bereitet in der
                              									Gasfabrik zu Kasan hydrogenisirtes Petroleumgas, indem man nämlich das mit Wasser
                              									vermischte Erdöl in Retorten zersetzt. Um die Bildung von groſsen Mengen
                              									Retortenkohle zu vermeiden, bringt man einmal täglich in jede Retorte eine kleine
                              									Ladung von Sägespänen; doch ist die Menge der letzteren so gering, daſs die aus
                              									derselben gebildeten Zersetzungsproducte keinen bemerkbaren Einfluſs auf die
                              									Zusammensetzung und Eigenschaften des Gases und Theers ausüben können. Die Fabrik
                              									verarbeitet jährlich ungefähr 491400k (30000 Pud)
                              									Erdöl aus Baku und erhält dabei 13100 bis 16380k
                              									(8000 bis 10000 Pud) Theer. Derselbe ist flüssig und konnte deshalb keine
                              									unmittelbare Anwendung finden, ein Umstand, welcher die Direction der Gasfabrik
                              									veranlaſste, eine Verarbeitung desselben vorzunehmen. Man gewinnt gegenwärtig aus
                              									diesem Theer folgende Producte:
                           1) Benzol Farblose Flüssigkeit von 0,875 sp. Gew. bei
                              									19°, welche in der That
                              									fast reines Benzol darstellt. Beim Erkalten unter 0° erstarrt sie in eine
                              									krystallinische Masse. Bei der Destillation gehen 94 Procent der Flüssigkeit
                              									zwischen 80 und 100° über, wobei fast diese ganze Menge bei 81° bis 83°
                              									überdestillirt und nur zuletzt die Temperatur von 100° erreicht wird.
                           2) Benzin. Farblose Flüssigkeit von 0,870 sp. Gew. bei
                              									19,5°, beginnt bei 80° zu destilliren. Bei der Destillation gehen 64,6 Procent der
                              									Flüssigkeit zwischen 80° und 108° über und 26,9 Proc. zwischen 100° und 120°. In
                              									einer Kältemischung erstarrt der gröſste Theil der zwischen 80° und 100°
                              									übergehenden Portion krystallinisch; der zwischen 100° und 120° überdestillirte
                              									Antheil verwandelt sich bei der Einwirkung von rauchender Salpetersäure in ein
                              									Nitroproduct. Dieses Benzin ist also ein Gemisch von aromatischen
                              									Kohlenwasserstoffen, vorwiegend Benzol und Toluol. Man kann dieses Benzin
                              									wahrscheinlich unmittelbar zur Darstellung des Anilinöles verwenden. – Der
                              									Petroleumgastheer ist sehr reich an leichten Kohlenwasserstoffen; man gewinnt aus
                              									demselben 10 bis 12 Proc. „Benzin“ und Benzol.
                           3) Naphtalin. Die Menge des Naphtalins, welche man aus
                              									dem Theer gewinnt, erreicht bis 5 Proc. Die Proben, welche auf der Ausstellung
                              									waren, stellten ganz reines sublimirtes Naphtalin dar.
                           Bei der Bereitung dieser Producte aus Theer verfährt man in hiesiger Gasfabrik auf
                              									folgende Weise. Der Theer wird (ohne vorher das Wasser zu trennen) der Destillation
                              									in einem groſsen eisernen Kessel durch directes Feuer unterworfen. Zuerst gehen
                              									leichte Oele mit Wasser über, später destillirt Naphtalin. Die leichten Oele werden
                              									nochmals rectificirt, mit concentrirter Schwefelsäure und Aetzkalk behandelt und
                              									zuletzt mit Wasser ausgewaschen. Die auf diese Weise gereinigten Oele werden der
                              									fractionirten Destillation unterworfen. Der zwischen 80° und 83° gesammelte Antheil
                              									ist das Benzol, welches die oben beschriebenen Eigenschaften besitzt. Die vor 80°
                              									und nach 83° übergehenden Antheile des Destillates werden vereinigt und die
                              									erhaltene Flüssigkeit wird Benzin genannt. Berücksichtigt man die Zusammensetzung
                              									dieser Producte, so ist es ersichtlich, daſs bei der Anwendung passender
                              									Destillirapparate aus Petroleumgastheer ganz reines Benzol und Toluol bereitet
                              									werden können.
                           Nach dem Abdestilliren des Naphtalins unterwirft man den Theer keiner weiteren
                              									Verarbeitung; doch besteht die Absicht, später die Gewinnung des Anthracens
                              									vorzunehmen. Bei den Versuchen im technischen Laboratorium der hiesigen Universität
                              									wurde in diesem Theer eine nicht geringe Menge Anthracen gefunden. Zur Untersuchung
                              									auf Anthracen wurde nicht der Theer, welcher in der Fabrik verarbeitet wird,
                              									genommen, sondern nur der in der Hydraulik gesammelte Theil desselben, welcher keine
                              									leicht flüchtigen Bestandtheile enthält, da die aus den Retorten sich entwickelnden
                              									Gase und Dämpfe das Wasser in der Hydraulik bis zum Sieden erwärmen und die leicht flüchtigen Producte sich
                              									theils in Röhren, welche aus der Hydraulik das Gas fortführen, theils im Kühler
                              									sammeln. Beim Erhitzen des Theers aus der Hydraulik beginnt die Destillation bei
                              									150°, die Temperatur erreicht schnell 200° und steigt allmählich bis zu 270°, wobei
                              									eine beträchtliche Menge Naphtalin erhalten wird; von 270° steigt die Temperatur
                              									fast augenblicklich über 350° und bei weiterem Erhitzen geht dann die gröſste Menge
                              									des Destillates über. Der über 350° siedende Antheil ist eine dicke, grün gefärbte,
                              									ölige Flüssigkeit, aus welcher beim Stehen eine groſse Menge fester
                              									Kohlenwasserstoffe sich absetzt; diese können von flüssigen Antheilen des
                              									Destillates durch Auswaschen mit Petroläther oder Petrolbenzin vollständig befreit
                              									werden. Dieses Gemisch von festen Kohlenwasserstoffen besteht hauptsächlich aus
                              									Anthracen.
                           Es ist bemerkenswerth, daſs der Petroleumgastheer fast keine Phenole enthält.
                              									Behandelt man den Theer mit Aetznatron und zersetzt die alkalische Lösung mit
                              									Salzsäure, so werden nur Spuren von Phenol mittels Bromwasser entdeckt.
                           Kasan, Universitätslaboratorium, November 1880.