| Titel: | Ueber das Gerbmaterial „Rove“; von Dr. J. Moeller. | 
| Autor: | J. Moeller | 
| Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 152 | 
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                        Ueber das Gerbmaterial „Rove“; von Dr. J.
                              								Moeller.
                        J. Moeller, über das Gerbmaterial „Rove“.
                        
                     
                        
                           Durch die Redaction dieses Journals erhielt ich eine Probe des im Titel genannten
                              									Gerbematerials zur Untersuchung. In einem Begleitschreiben aus Smyrna wird
                              									mitgetheilt, daſs die Gerbversuche mit diesem 27 Proc. Gerbstoff enthaltenden neuen
                              									Materiale sehr günstige Resultate geliefert hätten. „Der Preis für „Rove“,
                                 										von dem sich hier (Smyrna) jährlich ein paar tausend Tonnen leicht ausführen
                                 										lieſsen, stellt sich vorläufig auf 180 M. für 1t in Säcken, frei Bord Smyrna.“
                           Die „Rove“ ist allerdings erst vor etwa 2 Jahren als Gerbematerial eingeführt
                              									worden; die Galle aber, deren grobes Pulver den Rohstoff des Handels bildet, ist
                              									schon sehr lange bekanntVgl. A. G. Olivier: Voyage dans l'Empire Ottoman,
                                       												l'Egypte et la Perse. Paris 1801/7. In deutscher Uebersetzung von
                                    												K. L. M. Muller. Leipzig 1808.Walter Elliot: Account of the Poma Sodomitica or
                                       												Dead-Sea Apples in den Transactions of the
                                       												Entomological Society of London, Bd. 2 (1837/40) S. 14 Taf.
                                    											III., befindet sich in den Sammlungen unter der Bezeichnung Bassoragalle oder Sodomsapfel und ist in GuibourtHistoire naturelle des drogues simples, 6.
                                    											Auflage, Bd. 2 S. 298. Guibourt gibt die
                                    											Abbildung der Galle von Qu. infectoria nach Olivier und der Galle von Qu. pyrenaica. Keiner von beiden gleicht der
                                    												Bassoragalle vollkommen. als pomme de chêne abgebildet. Auch ihr ansehnlicher
                              									Gerbstoffgehalt ist nicht neu. CookeTechnologist, 1862 S. 182. gab
                              									denselben mit 28 bis 30 Proc. an und sagt auch, daſs die Galle im Orient zum Färben
                              										(Rouge d' Adrinople) dient. Die Abstammnng der
                              									Galle war bis jetzt nicht zweifellos sicher gestellt. W.
                                 										EitnerDer Gerber, 1878 S. 15. hat zuerst
                              									die Vermuthung ausgesprochen, daſs sie durch Cynips
                                 										Kollari auf der Steineiche hervorgerufen werde, und erklärte den Namen „Rove“ aus der italienischen Bezeichnung der Steineiche: Rovera. Diese Ansicht hat er späterDer Gerber, 1880 S. 65. selbst
                              									widerrufen, ohne eine andere an ihre Stelle setzen zu können. Der Irrthum rührte
                              									von einer Verwechslung mit den im Handel unter den Namen „deutsche, französische
                                 										und kleine ungarische Galle“ bekannten Gallen her, welche in der That durch
                              									den Stich der Cynips Kollari Hartig auf Quercus sessiliflora Sm., Qu.
                                 										pubescens Willd. und Qu. infectoria Oliv.
                              										entstehenVgl. G. L. Mayr: Die mitteleuropäischen
                                       												Eichengallen, 1870 S. 16., aber bedeutend kleiner sind.
                              									Gröſsere Aehnlichkeit besitzt die Rovegalle mit den „groſsen ungarischen
                                 										Gallen“Vgl. die Beschreibung dieser und der vorigen in Wiesner: Rohstoffe des Pflanzenreiches, 1873 S. 801.,
                              									welche durch den Stich der Cynips hungarica Hart, auf
                              									Qu. pedunculata Ehrh. erzeugt, und mit den Gallen von
                              										Cynips argentea Hartig auf Qu. pubescens Willd., die beide durch ihren geringen Gerbstoffgehalt
                              									berüchtigt sind.
                           M. BernardinClassification de 350 matières tannantes, (Gent
                                    											1880) S. 43. vertritt die Meinung, daſs die Eiche, welche die
                              									bekannten kleinasiatischen Galläpfel trägt (Qu.
                                 										infectoria Oliv.), zugleich auch die in Rede stehenden Bassoragallen
                              									hervorbringe und daſs sich analoge Gallen in England auf Qu.
                                 										pedunculata Ehrh., in der Gegend von Bordeaux, den Landes und in den
                              									Pyrenäen auf Qu. pyrenaica W. und nach Wiesner auch auf Qu.
                                 										tauricola Kotschy vorfinden. AnderseitsG. L. Mayr a. a. O. S. 15. ist
                              									festgestellt worden, daſs dieselbe Wespe (Cynips gallae
                                 										tinctoriae Oliv.) den kleinasiatischen Gallen sehr ähnliche Wucherungen auf
                              									anderen Eichenarten (Qu. pubescens Willd. und Qu. sessiliflora Sm.) hervorruft, so daſs es nicht mehr
                              									befremden kann, wenn man dieselbe Gallenform auf verschiedenen und geographisch weit
                              									von einander getrennten Eichenarten vorfindet, sowie bekanntlich auf einer Art die verschiedenartigsten Gallenwucherungen
                              									sogar zur Regel gehören.
                           In der mir zugesendeten Probe sowohl, wie in einer anderen, welche ich der Güte des
                              									Hrn. W. Eitner verdanke, fanden sich wohlerhaltene
                              									Blätter und Bruchstücke von jungen Zweigen, die zum mindesten der Qu. infectoria angehören können, sicher aber den Eichen nicht angehören, auf welchen in Europa die
                              									der „Rove“ ähnlichen Gallen wachsen. Bei der groſsen Zahl (über 200) der
                              									Eichenarten ist aus dem verfügbaren Materiale eine exacte Bestimmung nicht möglich
                              									und nach Resten der Frucht und Blüthe suchte ich vergebens.
                           Nach einer mündlichen Mittheilung von Obs. Wachtl wird
                              									die als „Rove“ bezeichnete Gallenwucherung von Cynips
                                 										insana Eil.Vgl. A. B. Lambert: Some account of the galls found
                                       												on a species of Oak from the shores of the Dead Sea in den Transactions of the Linnean Society, London
                                    											1837 Bd. 17 S. 445. hervorgerufen. Die Stammpflanze (Qu. tinctora), das Thier
                              									und die Galle befinden sich in der Wiener Hof-Naturalien-Sammlung.
                           Die Galle – eine Knospengalle – entwickelt sich aus einem kurzen, breiten Stiele zu
                              									einer fast regelmäſsigen Kugel von 38 bis 42mm Durchmesser und
                              									trägt am oberen Pol einen sehr kleinen stumpfen Höcker (vgl. Fig. 1). Etwas oberhalb des Aequators befinden sich
                              									annähernd im Kreise geordnet 6 bis 8 linsengroſse seichte Vertiefungen, aus deren
                              									Mitte sich je ein kurzer conischer HöckerDie in der pharmacognostischen Sammlung der Wiener Universität befindlichen,
                                    											von Martins herrührenden, von Prof. Mayr von C. insana
                                    											abgeleiteten Bassoragallen besitzen einen doppelten Spitzenkranz, gleichen
                                    											aber den oben beschriebenen sonst in jeder Hinsicht. erhebt. In
                              									jeder Galle findet man ein scharfrandiges, fast 3mm weites Flugloch. Die Oberfläche ist glatt, kaffeebraun und matt,
                              									ungleich häufiger rothbraun und fettglänzend. Im Inneren zeigt die Galle ein
                              									schwammiges, mit dem Fingernagel leicht eindruckbares, ziemlich homogenes nur
                              									andeutungsweise gegen die Mitte zu strahliges Gewebe von rhabarbergelber Farbe. Das
                              									Flugloch mündet in eine central gelagerte, von derber Membran ausgekleidete, klein
                              									erbsengroſse Höhle. Das durchschnittliche Gewicht einer Galle ist 7g.
                           
                              
                              Fig. 1, Bd. 239, S. 154
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 239, S. 154
                              
                           Das poröse Gewebe der Galle besteht aus einem dünnwandigen Parenchym der
                              									verschiedenst gestalteten Zellen, so daſs kaum eine der anderen gleicht (vgl. Fig. 2). Mit einem groſsen Theile ihrer Wandungen
                              									umschlieſsen sie Intercellularräume, in der Regel grenzen nur die Ausstülpungen
                              									unmittelbar an einander. Die Membran trägt zahlreiche ziemlich groſse, einfache
                              									Poren; auf Zusatz von Alkalien quillt sie stark auf, zeigt eine zarte, aber
                              									deutliche Schichtung und die Zelle gleicht dann gewissen Steinzellen (Idioblasten) zum Verwechseln. Das
                              									Gewebe ist von spärlichen dünnen Gefäſsbündeln durchzogen. Unter fettem Oel
                              									erscheinen die Parenchymzellen geschrumpft und von einer homogenen, glasigen,
                              									bernsteingelben Masse erfüllt. Der Inhalt wird durch Wasser in eine trübe,
                              									feinkörnige, schleimähnliche Substanz verwandelt, durch Eisensalze gebläut, durch
                              									Alkalien mit rothbrauner Farbe vollständig gelöst. Stärke fehlt im Zellinhalt. Die
                              									Oberhaut besteht im Wesentlichen aus denselben Zellen wie das Innengewebe. Die
                              									Zellen werden gegen die Oberfläche zu allmählich kleiner und weniger unregelmäſsig,
                              									bis sie sich in der äuſsersten Grenzschicht zu einem fast lückenlosen, nur von
                              									wenigen elliptischen Intercellularräumen (nicht Spaltöffnungen) unterbrochenen,
                              									Mosaik verbinden. Die Oberhautzellen besitzen einen homogenen dunkel braunrothen
                              									Inhalt, den Reactionen nach eine concentrirte Form des Parenchyminhaltes. Die ganze
                              									Gallenoberfläche ist überzogen von einer continuirlichen, formlosen, glashellen,
                              									feinen Schicht Harz, welches bei Schnitten zu scholligen, muscheligen Fragmenten
                              									zersplittert, mit Alkalien zu trüben Tropfen verseift und in heiſsem Alkohol
                              									vollständig in Lösung geht.
                           Die Galle kommt gegenwärtig nicht gemahlen, sondern in grob gestoſsenem Zustande in
                              									den Handel. Die Handelswaare besteht zum geringeren Antheile aus einem mehr oder
                              									weniger feinen Mehle, hauptsächlich aus Bruchstücken der Galle, denen in geringer
                              									Menge Fragmente von Blättern und Zweigen beigemengt sind. In diesem Zustande ist
                              									ihre Erkennung leicht und eine Verfälschung mit Aussicht auf Erfolg in gröſserem
                              									Maſsstabe kaum durchführbar. Wird aber der Vertrieb des Artikels gröſseren Umfang
                              									erreicht haben, was mit Sicherheit zu erwarten ist, dann wird man ihn in gemahlenem
                              									Zustande auf den Markt bringen und seiner Verfälschung ist damit Thor und Thüre
                              									geöffnet. Es erhebt sich nun die Frage, ob man auf kurzem Wege im Stande ist,
                              									betrügerische Beimengungen zu erkennen. Die Frage kann unbedenklich bejaht werden,
                              									soweit es sich um völlig fremdartige Zuthaten handelt. Die Formelemente der Galle
                              									sind so charakteristisch, die Herstellung eines Präparates so leicht – man gibt
                              									etwas von dem Mehle der Drogue in einem Tropfen Wasser auf den Objectträger –, daſs
                              									auch der in mikroskopischen Untersuchungen weniger Bewanderte die abgebildeten
                              									Figuren finden und erkennen wird. Nur muſs bemerkt werden, daſs die der Oberhaut
                              									angehörigen kleinzelligen und dunkel rothbraun pigmentirten Gruppen sehr selten
                              									angetroffen werden, weil eben die Oberhaut einen verhältniſsmäſsig sehr kleinen
                              									Bruchtheil der Gesammtmasse der Galle ausmacht. Da ferner beim Mahlen auch die
                              									Blätter und Stengel mit verrieben wurden, so werden Spuren derselben auch bei der
                              									mikroskopischen Untersuchung des Mehles zu finden sein, aber eben blos Spuren, die
                              									zu finden nur bei
                              									groſser Ausdauer oder durch einen glücklichen Zufall gelingt. Zeigen sich im
                              									Präparate andere als die abgebildeten Zellen oder anorganischer Staub
                              									(undurchsichtig) in irgend nennenswerther Menge, so kann man mit Sicherheit eine
                              									beabsichtigte Verfälschung annehmen.
                           Die nahe liegendste Art der Verfälschung ist die, welche schon gegenwärtig in ihrem
                              									niedrigsten und wohl kaum zu vermeidenden Grade geübt wird: die Verunreinigung mit
                              									Blättern und Stengeltheilen. Wird der Rohstoff aber einmal an den Productionsorten
                              									vermählen, dann wird man der Versuchung kaum widerstehen können, mehr werthlose
                              									Bestandtheile der Stammpflanze, als gerade nöthig, in den Sammelkorb zu werfen. Eine
                              									andere Art der Verfälschung, welche kaum in dem Heimathslande der Galle geübt werden
                              
                              									dürfte, auf welche aber die europäischen Händler verfallen könnten, ist die mit
                              									minderwerthigen Gallen, namentlich mit der groſsen Galle der Stieleiche, die fast
                              									über ganz Europa verbreitet ist und dann den Knoppernsammlern eine ergiebige
                              									Nebennutzung gewähren würde. Leider ist das Mikroskop gegen diese Täuschung
                              									machtlos. Das Gewebe verschiedener poröser Gallen zeigt so wenige und nicht
                              									constante Unterschiede, daſs nur durch sehr langwierige Untersuchung von Seite eines
                              									engeren Fachmannes eine wahrscheinlich auch noch unsichere Entscheidung getroffen
                              									werden könnte. Es muſs da die Bestimmung des Gerbstoffgehaltes Platz greifen, die ja
                              									in allen Fällen ausschlaggebend für die Werthbestimmung der Gerbematerialien
                              									ist.
                           Aus einer gröſseren Reihe von Analysen, welche einen Gerbstoffgehalt von 24 bis 30
                              									Proc. ergeben hatten, gibt EitnerDer Gerber, 1880 S. 65. den
                              									Mittelgehalt mit 27 Proc. an. Von Interesse ist eine von F.
                                 										KathreinerDer Gerber, 1878 S. 52. mitgetheilte
                              									Analyse. Er trennte die Probe durch ein Drahtsieb, dessen Oeffnungen eine Weite von
                              										0mm,5 hatten, und
                              									erhielt 47,7 Proc. „fein Rove“ und 52,3 Proc. „grob Rove“. Die erstere
                              									ergab 30,74, die zweite 19.20, das Mittel aus beiden 24,7 Proc. Gerbstoff. Ich halte
                              									diesen Befund der Wirklichkeit nicht entsprechend. Allerdings ist ein geringerer
                              									Gehalt der „groben Rove“ vorauszusehen, weil in dieser die fast werthlosen
                              									Verunreinigungen mit enthalten sind. Allein sie können eine so bedeutende
                              									Gehaltverminderung unmöglich herbeiführen. Vielmehr erklärt sich diese dadurch, daſs
                              									in der „feinen Rove“ die Zellen besser isolirt und dem Extractionsmittel
                              									dadurch zugänglicher sind als in der „groben Rove“, die gewiſs einen
                              									ansehnlichen Theil ihres Gerbstoffes der Bestimmung entzogen hatte.
                           Unstreitig zählt die „Rove“ zu den gehaltreichsten Gerbematerialien und die
                              									von Fabrikanten mit ihr in gröſserem Maſsstabe ausgeführten Versuche in
                              
                              									verschiedenen Methoden der Gerbung lieferten sehr günstige Ergebnisse. Bezüglich der
                              									praktischen Verwendbarkeit der „Rove“ verweise ich auf die fachmännischen
                              									Ausführungen von Eitner an den angegebenen Stellen der
                              									von ihm herausgegebenen Zeitschrift.