| Titel: | Die Bestimmung unzersetzten Fettes in Fettsäuregemengen; von Dr. Oskar Hausamann. | 
| Autor: | Oscar Hausamann | 
| Fundstelle: | Band 240, Jahrgang 1881, S. 63 | 
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                        Die Bestimmung unzersetzten Fettes in
                           								Fettsäuregemengen; von Dr. Oskar Hausamann.
                        Hausamann's Bestimmung unzersetzten. Fettes in
                           								Fettsäuregemengen.
                        
                     
                        
                           Die unvollständige Zersetzung der Neutralfette in der Stearinfabrikation hat zur
                              									Folge, daſs die Massen bei überhaupt schlechterer Verarbeitung geringere Ausbeute an
                              									Stearin geben und so die Gestehungspreise erhöhen. Eine genaue Kenntniſs der
                              									Verseifungsproducte der Neutralfette, bezieh. deren Gehalt an unzersetztem Fette,
                              									ist somit von Belang nicht nur für die Controle der einzelnen Operationen, sondern
                              									auch für die angewendete Zersetzungsmethode selbst.
                           Die bisher üblichen Methoden der Bestimmung der Neutralfette in den Fettsäuremassen sind, soviel
                              									bekannt, die von Mische (1876 220 459) vorgeschlagene und die schon ältere Bestimmung des Glycerins des
                              									vorhandenen Neutralfettes. Die Nitsche'sche Methode beruht auf der Unlöslichkeit,
                              									bezieh. Schwerlöslichkeit der Neutralfette in Alkohol. Da die Neutralfette in
                              									Fettsäure haltigem Alkohol löslich sind, wird so viel Alkohol angewendet, daſs nur
                              									mehr eine 2procentige Lösung vorhanden ist. Nun sind aber die Neutralfette auch in
                              									reinem Alkohol durchaus nicht unlöslich; daher wird sich bei der gebrauchten
                              									verhältniſsmäſsig groſsen Menge ziemlich viel Neutralfett nicht ausscheiden und
                              									somit der Wägung entgehen. Abgesehen von dieser sehr bedenklichen Fehlerquelle hat
                              									die Methode noch den Nachtheil, daſs sie ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt. – Die
                              									andere Methode der Wägung des Glycerins des anwesenden Neutralfettes ist an und für
                              									sich freilich etwas genauer; die Arbeit ist aber eine ungemein zeitraubende,
                              									überdies nur mit groſsen Mengen, mindestens 100g,
                              									vorzunehmen, also noch weniger für den Fabriksbetrieb geeignet als das von Nitsche angegebene Verfahren.
                           Viel sicherer und rascher aber erreicht man seinen Zweck, wenn man die in der
                              									Fettsäuremasse vorhandene Fettsäure bestimmt und zwar durch Titration. Hat man eine
                              									alkoholische Lösung von Fettsäure und Neutralfett und gieſst tropfenweise Alkali
                              									dazu, so wird nur die freie Fettsäure gebunden und das Neutralfett bleibt
                              									unverändert; gibt man aber gleich einen Ueberschuſs von Alkali hinzu, so zersetzt
                              									sich das Neutralfett und geht mit der Fettsäure zusammen in Seife über. Fügt man
                              									also zur fraglichen Fettsäuremasse eine Alkalilösung von bestimmtem Gehalte bis zur
                              									Neutralisation, so miſst man hierdurch nur die Fettsäure. Da nun aber
                              									bekanntermaſsen die Fettsäuren der Stearinfabrikation ein Gemenge dreier bezieh.
                              									zweier verschiedener Säuren sind, so wird man, ohne das Verhältniſs zwischen diesen
                              									Säuren zu kennen, die titrirte Fettsäuremenge nicht in Zahlen ausdrücken können.
                              									Dieses Mischungsverhältniſs aber bestimmt man, indem man die zu untersuchende Masse
                              									erst einer vollständigen Verseifung unterwirft.
                           5g der fraglichen Fettsäuremasse
                              									werden in etwas Alkohol gelöst und mit 1 oder 2 Tropfen alkoholischer
                              									Phenolphtaleïnlösung versetzt; dann wird bis zum Erscheinen der rothen Farbe
                              									alkoholisches Normalalkali zugegeben, oder aber man gibt etwas mehr zu und titrirt
                              									mit Normaloxalsäure zurück bis zum Verschwinden selbst des letzten röthlichen
                              									Schimmers. Die Anzahl der verbrauchten Cubikcentimeter Normalalkali sei
                              									beispielweise = 17; somit ist in der Fettsäuremasse die 17cc Normalalkali entsprechende Menge freier
                              									Fettsäure enthalten. Nun werden weitere 5g der
                              									Masse mit 25cc alkoholischem Normalalkali im
                              									Wasserbade bis zur völligen Lösung erwärmt. Das Alkali im Ueberschusse verseift das
                              									Neutralfett mit der Fettsäure zugleich. Dann titrirt man mittels Normaloxalsäure
                              									zurück. Angenommen, es wären 6cc,7 Normalsäure
                              									gebraucht worden, so hatten demnach 18cc,3
                              									Normalalkali zur Neutralisation der Fettsäure sowohl, wie des Neutralfettes
                              									genügt.
                           War die untersuchte Masse beispielweise eine Autoclavenmasse, also
                              										bestehend aus
                              									Stearin-, Palmitin- und Oleïnsäure, deren Moleculargewichte 284, 256 und 282 sind,
                              									so hat man die Beziehung: 18cc,3 Normalalkali
                              									entsprechen 5g des Fettsäuregemenges, somit
                              										1000cc Normalalkali = (5000 : 18,3) = 273g,2, d.h. 273g,2
                              									des Fettsäuregemenges entsprechen 1l Normalalkali,
                              									daher ist 273,2 das Moleculargewicht der Mischung. Nun brauchten aber 58 der Masse
                              										17cc Normalalkali; also sind in ihnen 17 ×
                              										0g,2732 = 4g,644 Fettsäure enthalten, in 100g somit
                              									92,8 Proc., d.h. es sind in der untersuchten Autoclavenmasse 7,2 Proc.
                              									Neutralfett.
                           Hat man die Masse ein und derselben Autoclavenoperation in den verschiedenen Phasen,
                              									so braucht man die zweite Titration zur Ermittlung des Moleculargewichtes nur einmal
                              									zu machen, da das Verhältniſs der Fettsäuren unter sich stets dasselbe ist und auch
                              									kein Grund vorliegt, anzunehmen, daſs die Spaltung der Neutralfette sich nicht auf
                              									alle drei gleichmäſsig erstrecke. Man wird diese Bestimmung natürlich erst am
                              									Schlüsse der Operation vornehmen, wenn der Gehalt an Neutralfett der kleinste ist,
                              									indem bei gröſseren Mengen unzersetzten Fettes das Glycerin desselben, welches in
                              									der Substanz doch mitgewogen wird, die Genauigkeit des Resultates beeinflussen
                              									könnte. Man wird dann, wie überhaupt, wenn man es mit einer Masse zu thun hat,
                              									welche vermuthlich viel Neutralfett enthält, eine Probe behufs Bestimmung des
                              									Moleculargewichtes abweichend vom angegebenen Wege behandeln; man wird diese Probe
                              									zunächst vollständig verseifen und mit den abgeschiedenen Fettsäuren erst die
                              									Titrirung vornehmen.
                           Am besten verfährt man hierbei folgendermaſsen: Man erhitzt etwa
                              										50g der Fettsäuremasse, bis sich Dämpfe zu
                              									entwickeln anfangen, gieſst dann unter stetem Umrühren eine Mischung von etwa 25cc Alkohol (95procentig), 40cc concentrirte Lauge und 25cc Wasser zu; die Verseifung ist eine
                              									augenblickliche. Nun kocht man mit 11 destillirtem Wasser etwa 1 Stunde lang, bis
                              									aller Alkohol weg ist. Dies muſs streng eingehalten werden, da sich sonst beim
                              									Ausfällen der Fettsäuren mit Schwefelsäure unvermeidlich Fettsäureäther mitbilden
                              									würde. Die niedergeschlagenen Fettsäuren werden gewaschen, zusammengeschmolzen und
                              									durch vorsichtiges Erhitzen von aller Feuchtigkeit befreit; sind etwa mechanische
                              									Unreinigkeiten vorhanden, so kann man die Fettsäuren durch ein Papierfilter (ohne
                              									Trichter) filtriren. Von dieser Fettsäuremasse nun, welche frei von Neutralfett ist,
                              									wiegt man 5g ab und titrirt mittels Normalalkali
                              									das mittlere Moleculargewicht heraus.
                           Bei Fettsäuremassen, welche nur wenig Neutralfett enthalten, kann man aber, ohne
                              									einen groſsen Fehler zu begehen, verfahren, wie es zuerst angegeben wurde.
                              									Vortheilhaft ist es auf jeden Fall, nicht mit Normallösung zu arbeiten, sondern mit
                              									halbnormalen oder noch schwächeren Lösungen, aus dem leicht ersichtlichen Grunde,
                              									weil die Rechnung mit hohen Zahlen geführt werden muſs.
                           Die Anwendung dieser Methode ist nun eine mannigfaltige. Zur Untersuchung des Ganges
                              									der Zersetzung im Autoclaven z.B. kann man durch zeitweise Titration die vorhandene
                              									Menge der bereits entstandenen Fettsäuren ermitteln; eine zweite Titration kann die
                              									Menge der an Kalk gebundenen Fettsäure noch dazu fügen. Hierzu wird die Masse erst
                              									mit Schwefelsäure zersetzt. Zu Ende der Operation bestimmt man dann das
                              									Moleculargewicht. Man kann ferner binnen kurzer Zeit in allen Massen, von der
                              									Autoclavenmasse bis zum Oleïn des Handels, das darin enthaltene Neutralfett genau
                              									bestimmen.
                           Bei Anwesenheit von nur zwei Fettsäuren, wie z.B. im Stearin, ergibt sich aus der
                              									Titration auch das Mischungsverhältniſs beider; ein Stearin, welcher auf 5g 18cc,2
                              									Normalkali braucht, hat ein Moleculargewicht von 274,7; dies entspricht einem
                              									Verhältniſs von etwa 67 Th. Stearinsäure und 33 Th. Palmitinsäure, wie aus
                              									nachstehender Tabelle ersichtlich ist:
                           
                              
                                 Palmitinsäure
                                 Stearinsäure
                                 MittleresMolecular-gewicht
                                 
                                 
                              
                                  100%908070605040302010–
                                 256,0230,4204,8179,2153,6128,0102,4  76,8  51,2  25,6–
                                 –    10%  20  30  40  50  60  70  80  90100
                                 –  28,4  56,8  85,2113,6142,0170,4198,8247,2255,6284,0
                                 256,0258,8261,6264,4267,2270,0272,8275,6278,4281,2284,0
                                 Differenz 2,8
                                 
                              
                           Ist ein Stearin mit Paraffin vermischt, so wird die Menge des letzteren rasch und
                              									sicher nach der angegebenen Methode bestimmt, indem man einfach die Fettsäure
                              									titrirt; das Moleculargewicht läſst sich in diesem Falle ohne Abscheidung des
                              									Paraffins freilich nicht bestimmen; da aber eine groſse Reihe von Versuchen ergab,
                              									daſs Stearin aus Talg, sei er nun durch Pressung oder durch Destillation erhalten,
                              									ein Moleculargewicht von 273,2 besitzt, so kann man sich zur Berechnung füglich
                              									dieser Zahl bedienen. Stearin anderer Abkunft mag eine andere Durchschnittszahl
                              									ergeben.
                           Hieran anschlieſsend sei bemerkt, daſs Destillationsstearin stets frei von
                              									Neutralfett gefunden wurde, auch wenn das Destillationsgut solches in ziemlicher
                              									Menge enthielt; es spricht dies für die Nichtdestillirbarkeit der Neutralfette,
                              									wenigstens bei Gegenwart freier Fettsäuren; da aber auch die Verluste und die
                              									Acroleïnbildung bei solchen Massen keine abnormen sind, so läſst sich annehmen, daſs
                              									die hohe Destillationstemperatur, verbunden mit dem Dampfe, ähnlich dem Autoclaven
                              									wirkt.
                           Daſs endlich diese Methode auch zur Bestimmung unverseiften Fettes in Seifen geeignet
                              									ist, liegt auf der Hand; überhaupt läſst sie sich nach verschiedenen Seiten hin
                              									anwenden und der nur einigermaſsen Geübte wird sie stets den herrschenden
                              									Verhältnissen entsprechend anzuwenden wissen.
                           Millykerzenfabrik in Liesing bei Wien.