| Titel: | Ueber eine Ananasfaser; von Dr. J. Moeller. | 
| Autor: | J. Moeller | 
| Fundstelle: | Band 240, Jahrgang 1881, S. 231 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber eine Ananasfaser; von Dr. J.
                              								Moeller.
                        Mit Abbildungen.
                        J. Moeller, über eine neue Ananasfaser.
                        
                     
                        
                           Ich erhielt aus der Schweiz die getrockneten Blätter einer Bromeliacee unbekannter
                              									Abstammung zur Untersuchung. Dieselben sollen von den Indianern Südamerikas zur
                              									Herstellung von Seilen, Bogensehnen, Fischnetzen und ganzer Kleidungsstücke
                              									verwendet werden. Die letzteren sollen sehr schön und dauerhaft sein, in allen
                              									möglichen Farben hergerichtet werden; auch lasse sich die Faser an der Sonne leicht
                              									bleichen u.s.w.
                           Die Blätter sind mehrere Decimeter lang, durchschnittlich 4cm breit, von der Dicke eines Kartenblattes. Ihr
                              									Rand ist etwas zugeschärft und in Abständen von etwa 2cm mit starken, sehr scharfen, vogelklauenartig gekrümmten, 6mm langen Stacheln bewehrt. Sie gehören der Ananassa Sagenaria Schott an, deren Blätter im frischen
                              									Zustande eine glatte, wachsartig glänzende, fahlgrüne Oberseite und eine sehr fein
                              									und dicht parallelstreifige Unterseite besitzen. Die getrockneten braunen Blätter
                              									der Drogue zeigen auch auf der Oberseite in Folge der Schrumpfung eine zarte und
                              									dichte, aber minder regelmäſsige Parallelstreifung. Sie sind ziemlich zähe, lassen
                              									sich leicht in zwei Lamellen spalten, die dem Querbruche keinen erheblichen
                              									Widerstand entgegensetzen. Schwieriger ist es, die Blätter der Quere nach zu
                              									zerreiſsen; aus der Riſsfläche ragen einige Millimeter lange, äuſserst feine,
                              									weiche, seidig glänzende, hellgelbe Haarbüschel heraus, die trotz ihrer Zartheit
                              									eine überraschende Festigkeit besitzen.
                           
                              
                              Fig. 1, Bd. 240, S. 232
                              
                           Die Oberhaut der Blätter besteht beiderseits (Textfig. 1 und 2, o) aus wellig conturirten, stark abgeplatteten
                              									Tafelzellen mit dünnwandiger Auſsenseite und sehr stark verdickter Innenseite. Die
                              									Spaltöffnungen, die besonders zahlreich auf der Blattunterseite vorkommen, liegen
                              									vertieft und bestehen aus zwei halbmondförmigen Schlieſszellen der Oberhaut und
                              									ihrer Form angepaſsten Nebenzellen der subepidermidalen Schicht. Diese besteht aus
                              									einer mehrfachen Lage skierotischer, am Querschnitte rundlicher oder polygonaler
                              									Zellen (Fig. 2, s) mit
                              									sehr engem Lumen, deutlich abgegrenzter Primärmembran und zahlreichen einfachen
                              									Poren. Auf der Blattoberseite, welche vollkommen eben verläuft, ist schon die zweite
                              									Zellenlage auf der Innenseite bedeutend weniger verdickt und die dritte und vierte
                              									Lage bildet den Uebergang zu weitlichtigen, äuſserst dünnwandigen, rechteckigen,
                              									inhaltslosen Zellen (Fig. 1, l) welche nahezu die Hälfte der Blattdicke einnehmen, trotzdem sie nur 3
                              									oder 4 Schichten enthalten. Die mit freiem Auge sichtbare feine longitudinale
                              									Streifung der Blattunterseite wird dadurch veranlaſst, daſs die skierotische Schicht
                              									derselben, die hier etwas breiter ist als auf der Oberseite, regelmäſsige, nach
                              									auſsen convexe Bogen von etwa 0mm,3 Weite bildet.
                              									In den Furchen geht das Sklerenchym unmittelbar in das Chlorophyll führende
                              									Mesophyll über (Fig. 1, m), während die Concavität der Bogen von inhaltslosen Zellen ausgefüllt
                              									ist. Nur die untere Hälfte der Blattspreite enthält Chlorophyll in rundlichen, am
                              									Längsschnitte tonnenförmigen, dünnwandigen Zellen und in den bekannten zierlichen
                              									sternförmigen Mesophyllzellen, die in scharf abgegrenzten rundlichen Gruppen vorkommen. Im
                              									Chlorophyll führenden Mesophyll liegen in einer Reihe geordnet in Abständen von
                              									ungefähr 0mm,5 die Gefäſsbündel (Fig. 1, g), im
                              									Querschnitte bisquitförmig mit unterem Siebtheile und gegen die Blattoberseite zu
                              									gelagertem Gefäſstheile. Ueberdies kommen kleine Bastfaserbündel (Fig. 1, b) – von etwa
                              										0mm,045 Durchm. – unregelmäſsig zerstreut vor,
                              									am Querschnitte mit ausgebuchteten Conturen, gewissermaſsen die Intercellularräume
                              									erfüllend.
                           
                              
                              Fig. 2, Bd. 240, S. 233
                              
                           Wenn man die Verwendbarkeit des Blattes zur Gewinnung einer spinnbaren Faser
                              									beurtheilen will, können nur zwei Zellformen in Frage kommen: die derbwandigen
                              									Faserschichten unmittelbar unter der Oberhaut und die Bastfasern. Das Blatt enthält
                              									sonst keinerlei zellige Elemente, die auch nur annähernd die Eigenschaften einer
                              									Gespinnstfaser besitzen würden. Es gelingt nun sehr leicht (durch Maceration des
                              									Blattes in verdünnter Natronlauge) zu erweisen, daſs auch die subepidermidalen
                              									Faserschichten als Spinnfasern untauglich sind. Sie verdienen überhaupt kaum Fasern
                              									genannt zu werden (vgl. Fig. 2, s), da sie nur 0mm,2
                              									lang und etwa 0mm,02 breit sind. Es sind Stäbchen
                              									mit stumpfen Enden und sehr verschiedener Wandverdickung, da, wie schon bemerkt,
                              									Uebergänge von sehr stark verdickten Formen bis zu dünnwandigem Parenchym vorkommen.
                              									Die Verholzung der Membran ist nicht bedeutend, was in so fern von Bedeutung sein
                              									mag, als durch die Vermischung derselben mit tauglichen Fasern (in Folge
                              									mangelhafter Trennungsmethoden) diese in der Qualität keine sehr erhebliche Einbuſse
                              									erleiden würden. Die im Mesophyll vertheilten Bastfasern (Fig. 1,6) bieten nämlich eine seltene Vereinigung ausgezeichneter
                              									Eigenschaften. Sie sind sehr lang – ich maſs isolirte Fasern bis 6mm Länge und es gibt deren sicher noch längere –,
                              									dabei sehr dünn (0mm,006!), geschmeidig und
                              									glänzend. Der überwiegend gröſsere Theil der in lange und feine Spitzen sich
                              									verjüngenden Fasern ist bis zum Schwinden des Lumens verdickt und selbst in der
                              									Mitte der Fasern entfällt auf das Lumen nur ⅓ der Breite (vgl. Fig. 2, b).
                           Die mikrochemischen Reactionen auf Holzstoff weisen einen äuſserst geringen Grad von
                              									Verholzung auf; nur gröſsere Faserbündel zeigen eine leichte Färbung. Uebrigens sind
                              									auch die Faserbündel zumeist wenig umfangreich, oft nur 0mm,05 dick und von dünnwandigem Parenchym umgeben,
                              									die ihrer Isolirung auf mechanischem oder chemischem Wege wenig Hindernisse bereiten
                              									dürften.
                           Da dieser Rohstoff die Aufmerksamkeit technischer Kreise erregt hat, schien es mir
                              									angezeigt, die Kenntniſs desselben zu verallgemeinern und die Aussichten zu erörtern,
                              									welche vom theoretischen Standpunkte aus sich für oder gegen die technische
                              									Ausbeutung desselben ergeben. Daſs die Blätter dieser AnanasartIch darf wohl als allgemein bekannt voraussetzen, daſs viele verwandte
                                    											Bromeliaceen seit langer Zeit zu den Faserpflanzen gezählt
                                    										werden. einen ausgezeichneten Faserstoff enthalten, unterliegt keinem
                              									Zweifel. Bei der Gewinnung desselben wird man zunächst trachten müssen, die
                              									oberflächlichen Blattschichten zu entfernen. Dies wird sehr leicht gelingen bei der
                              									Blattoberseite wegen des ungemein lockeren Palisadengewebes, schwieriger bei der
                              									Blattunterseite, wo der Uebergang in das faserhaltige Mesophyll durch keine
                              									differente Gewebezone geschieden ist. Verluste an Faserbündeln dürften da schwer zu
                              									vermeiden sein und diese fallen hier um so mehr ins Gewicht, als nach meinem
                              									Dafürhalten der wunde Punkt gerade in dem nicht sehr erheblichen Faserreichthum der
                              									Blätter gelegen ist.
                           Es war mir trotz vieler Mühen nicht möglich, Fabrikate der Eingeborenen Südamerikas
                              									oder auch nur ihre Halbfabrikate aus diesem Rohstoffe zu erlangen, um meine
                              									Vermuthung zu begründen, daſs von den Indianern die in den Blättern vorhandenen
                              									feinen Fasern gar nicht gewonnen werden; wahrscheinlich wird auch hier wie in vielen
                              									anderen Fällen durch Spaltung der Blätter eine grobe Faser hergestellt, welche wohl
                              									eine mannichfaltige Verwendung zuläſst, die aber für die Groſsindustrie bisher ohne
                              									Bedeutung war. Die Faser scheint mir auch keine Zukunft zu besitzen trotz ihrer
                              									hervorragenden Eigenschaften. Sie kann selbst unter Voraussetzung einer
                              									zweckmäſsigen Gewinnungsmethode doch kaum in einer Menge beschafft werden, daſs sie
                              									in der Textilindustrie eine Rolle spielen sollte, und noch aussichtsloser ist ihre
                              									Verwendung zur Papierfabrikation.
                           Die beigegebene Textfig. 1 stellt den Querschnitt
                              									durch das Blatt dar und zeigt das quantitative Verhältniſs der brauchbaren Fasern
                              									(die Gruppen b und zum Theile g) zu dem übrigen Blattgewebe; Fig. 2 gibt
                              									die durch Maceration isolirten Zellformen aus dem Blatte.
                           Mariabrunn, März 1881.