| Titel: | Photophon, Radiophon und Thermophon. | 
| Fundstelle: | Band 240, Jahrgang 1881, S. 318 | 
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                        Photophon, Radiophon und Thermophon.
                        Photophon, Radiophon und Thermophon.
                        
                     
                        
                           Es war zu vermuthen, daſs die am Schlüsse des Artikels über das Photophon (1880 238
                              									413) aufgeführten Erscheinungen wesentlich anderer Natur waren als jene vorher
                              									beschriebenen, an ältere Thatsachen sich anschlieſsenden Versuche Bell's mit einer Selenplatte. Inzwischen haben Untersuchungen, welche von
                              									drei verschiedenen Physikern unabhängig von einander über diese Art der
                              									Schallbewegung angestellt wurden, diese von Bell noch
                              									dunkel gelassene Seite seiner neuen Erfindung wissenschaftlich aufgeklärt und für
                              									weitere Aufgaben verwerthet.
                           Zuerst hat sich E. Marcadier mit der Lösung der Aufgabe
                              									ganz unmittelbar beschäftigt (vgl. Comptes rendus, 1880
                              									Bd. 91 S. 929 und 982. Naturforscher, 1881 S. 29 La Lumière électrique, 1881 Nr. 1 bis 3). Er ging
                              									zunächst darauf aus, die Empfindlichkeit des Apparates zu erhöhen, um unabhängig von
                              									der Intensität der Lichtquelle zu sein, da das reine Sonnenlicht, namentlich in den
                              									Wintermonaten, nicht beliebig zur Verfügung steht. Den Tongeber stellte er sich,
                              									abweichend von Bell, nicht durch ein an dem Rande mit
                              									Löchern versehenes Rad her, bei welchem Geräusch durch Reibung der Luft gegen die
                              									Ränder der Locher schwer zu vermeiden ist, sondern er wählte ein solides Rad aus
                              									blas und beklebte dasselbe mit schwarzem Papier, das concentrisch mehrere Reihen von
                              									Löchern besaſs, durch welche das Licht beim Drehen des Rades je nach der Wahl der
                              									Reihe, auf welche der Lichtstrahl auffiel, bestimmte bekannte Intermittenzen erfuhr.
                              									Der Empfänger bestand aus einer Platte, welche am den unteren Rand eines Höhrrohres
                              									durch einen aufgeschobenen und etwas übergreifenden Ring festgemacht wurde, so daſs
                              									sehr leicht die Platten gewechselt und die verschiedensten Stoffe angewendet werden
                              									konnten. Die Versuche Marcadier's haben nun dargethan,
                              									daſs die Töne, welche die intermittirenden Lichtstrahlen hervorrufen, nicht
                              									veranlaſst werden durch die transversalen Schwingungen der empfangenden Platte. Auch
                              									die Beschaffenheit der Molecüle der Empfänger zeigte keinen wesentlichen Einfluſs
                              									auf den Wahrgenommenen Ton. Denn bei gleicher Dicke und Oberflächenbeschaffenheit
                              									haben die allerverschiedensten Stoffe, als Empfänger, keinen Unterschied in der Höhe
                              									und im Klang des Tones erkennen lassen. Nur in Betreff der Intensität des Tones
                              									stellte sich in so fern ein Unterschied heraus, daſs bei den undurchsichtigen
                              									Stoffen die Intensität zunahm mit abnehmender Dicke der empfangenen Platte, so daſs
                              									man bei Empfängern von 5mm Dicke nichts mehr
                              									hörte. Bei den durchsichtigen Stoffen aber war ein solcher Einfluſs der Dicke nicht
                              									nachzuweisen innerhalb der Grenzen von 0mm,5 und
                              										3cm.
                           Viel bedeutender war hingegen der Einfluſs der Oberfläche auf die Intensität des
                              									Tones. Jede Aenderung welche das Reflexionsvermögen der Oberfläche des Empfängers
                              									vermindert und ihr Absorptionsvermögen steigert, erhöht die Intensität des
                              									photophonischen Tones. Geritzte, matte, oxydirte Oberflächen erwiesen sich zur
                              									Herrufung der Töne sehr geeignet, während eine Glasplatte mit versilberten
                              									Oberfläche gegen die intermittirenden Strahlen ganz unempfindlich war. Noch
                              									überzeugender erwies sich der Einfluſs der Oberflächenbeschaffenheit wenn man die
                              									Oberflächen mit dünnen Schichten von Bedecken von Stoffen bedeckte, welche die
                              									Strahlen mehr oder weniger gut absorbiren. Das Bedecken von Glasplatten mit
                              									Bleiweiſs, Zinkweiſs und Chromgelb macht die Erzeugung von Tönen unmöglich, während
                              									das Bedecken mit chinesischer Tusche, Platinschwarz und besonders mit Ruſs die
                              									Intensität der Erscheinung bedeutend steigerte. Die Wirkung des Ruſses zeigt sich
                              									bei undurchsichtigen Empfängern in hohem Grade wenn dieselbe sehr dünn sind und die
                              									beruſste Seite der Lichtquelle zugekehrt ist; wird Sie dem Ohre zugewendet, so
                              									erzeugt sie keine Wirkung. Noch überraschender ist die Wirkung des Ruſses bei
                              									Stoffen, welche, wie z.B. dünnes Papier an sich keine deutliche Wirkung bei
                              									intermittirender Beleuchtung zeigen; mit Rusſ bedeckt geben sie sehr deutliche Töne.
                              									Hiernach wurden aus dünnem Glimmer, der einseitig beruſst ist, sehr empfindliche
                              									Empfänger hergestellt, mit deren Hilfe die Rolle der Lichtstrahlen eingehender
                              									studirt   werden konnte. Die empfindlichen Empfänger gestatteten auch, statt der
                              									Sonnenstrahlen elektrisches Licht, Drummond'sches Licht, eine mit Sauerstoff
                              									gespeiste Erdöllampe, eine gewöhnliche Erdöllampe und endlich eine Gasflamme
                              									anzuwenden.
                           Während Bell die Erscheinung  Photophonie genannt hatte, um auszudrücken, dasſ die leuchtenden Strahlen die wirksamen wären, belegte Marcadier die Erscheinung mit dem Namen der Radiophonie und bezeichnete ohne weiteren Vorbehalt die Strahlung im
                              									Allgemeinen als Quelle der Töne. Um zu entscheiden, welche Art von Strahlen die
                              									wirksamen seien, zerlegte er das von einer elektrischen Lampe ausstrahlende
                              									intermittirende Licht durch ein Prisma in ein Spectrum von 5 bis 6cm Länge; das Licht fiel auf einen Schirm, durch
                              									dessen Oeffnung nur ein Theil desselben auf die dahinter liegenden empfindlichen
                              									Empfänger fallen konnte. Dabei hörte man keinen Ton in dem Theil des Spectrums, der
                              									sich vom unsichtbaren Violett bis zum Gelb erstreckt; in den orange Strahlen begann
                              									man einen Ton zu vernehmen; derselbe wurde allmählich stärker in den rothen Strahlen
                              									und erreichte seine gröſste Kraft in den unsichtbaren Strahlen jenseits des Roth, um
                              									dann sehr schnell abzunehmen. Da die radiophonischen Wirkungen vorzugsweise
                              									hervorgebracht werden durch die rothen und ultrarothen Strahlen, also durch die
                              									Strahlen von groſser Wellenlänge, so ist man vollkommen berechtigt, den Namen
                              									Photophon durch den Namen Radiophon zu ersetzen, besonders da die Strahlen
                              									vorzugsweise durch ihre thermischen Eigenschaften wirken. In wie hohem Grade dies
                              									der Fall sei, lehrte folgender Versuch: Vor dem die Strahlen unterbrechenden Rade
                              									stand eine Kupferscheibe von etwa 2mm Dicke, die
                              									an ihrer hinteren Seite durch eine Gasflamme erhitzt wurde. War die Scheibe auf
                              									dunkle Rothglut erhitzt, so hörte man die radiophonischen Töne ganz deutlich. Nun
                              									löschte man die Flamme aus und, während die Scheibe sich abkühlte, hörte man die
                              									radiophonischen Töne noch immer weiter, selbst als die Scheibe so weit abgekühlt
                              									war, daſs man sie im Dunkeln nicht mehr sehen konnte. Hier kann natürlich von einer
                              									Photophonie nicht mehr die Rede sein, man könnte schon viel eher den Ausdruck Thermophonie anwenden.
                           Bei der Tonerzeugung durch intermittirendes Licht in Platten beliebiger Substanzen
                              									handelt es sich somit um Wärmewirkungen der durch das Rad unterbrochenen Strahlen;
                              									die einander sehr schnell folgenden Erwärmungen des betreffenden Empfängers
                              									erzeugten Schwingungen, deren Zahl von der Zahl der Erwärmungen bedingt ist, und
                              									daher ist die Höhe der Töne ausschlieſslich abhängig von der Anzahl der
                              									Unterbrechungen der Wärmestrahlen.
                           Im November vorigen Jahres machte Prof. Röntgen in
                              									Gieſsen den Versuch, die intermittirende Bestrahlung statt auf feste plattenförmige
                              									Empfänger auf Gas wirken zu lassen (vgl. 20. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft
                              									für Natur- und Heilkunde durch Naturforscher, 1881 S.
                              									23). In einer 40cm langen Röhre, die an beiden
                              									Seiten mit Steinsalzplatten geschlossen ist, befindet sich das zu untersuchende Gas;
                              									von der unteren Seite, in der Mitte der horizontalen Röhre, begibt sich ein langes
                              									Seitenrohr in ein Gefäſs mit farbiger Flüssigkeit, von welcher man einen Theil in
                              									dieser Röhre aufsteigen läſst. Läſst man nun die Strahlen einer Wärmequelle durch
                              									das Gas in der Röhre gehen, so wird dieses durch die absorbirte Wärme ausgedehnt und
                              									drückt die farbige Flüssigkeit hinab. Diese Druckzunahme ist bei stark absorbirenden
                              									Gasen sehr merklich.
                           Wenn man nun durch eine ähnlich eingeschlossene Gassäule intermittirende
                              									Wärmestrahlen nach der Methode Bell's durchschickt, so
                              									war zu erwarten, daſs das Gas ebenso viel Ausdehnungen erfahren werde, als
                              									Lichtpulse durch die Löcher der rotirenden Scheibe zu demselben gelangen, daſs es
                              									also tönen werde. Röntgen machte den Versuch erst mit
                              									Luft und konnte keinen Ton wahrnehmen, vermuthlich wegen der vielen fremden
                              									Geräusche, die seinem Versuche nicht ausgeschlossen waren. Hingegen war ein Ton
                              									auſserordentlich deutlich wahrnehmbar, wenn die Röhre mit Leuchtgas gefüllt war. Mit
                              									Ammoniakgas erzielte er gleichfalls deutliche Töne; dagegen verhielten sich
                              									trockener Wasserstoff und Sauerstoff wie die atmosphärische Luft. Es war ihm somit –
                              									die erste wissenschaftliche Verwerthung des Radiophons – hier ein Mittel geboten,
                              									das Wärmeabsorptionsvermögen von Gasen und Dämpfen in ganz unzweideutiger Weise zu
                              									untersuchen.
                           Unterdeſs ist diese Untersuchung in sehr ausgedehntem Maſse von Tyndall in London ausgeführt und die Ergebnisse
                              									derselben der Royal Society am 13. Januar 1881
                              									mitgetheilt worden (vgl. Nature, 1881 Bd. 22 S. 374).
                              										Tyndall hatte in jüngster Zeit beschlossen, eine
                              									neue Methode zur Prüfung der Wärmeabsorption der Gase anzuwenden, nämlich die, auf
                              									welche auch Röntgen
                              									gekommen war. Er wollte,
                              									statt wie bisher die durch eine Gassäule wirklich hindurchgegangene Wärme mit der
                              									Thermosäule zu messen, die Ausdehnung der Gase durch die von ihnen absorbirte Wärme
                              									beobachten. Da lernte Tyndall die Versuche Bell's kennen und kam ebenso wie Röntgen auf den Gedanken, diese Versuche mit Gasen und
                              									Dämpfen zur Prüfung ihres Wärmeabsorptionsvermögens anzustellen.
                           Die Strahlen einer Siemens'schen elektrischen Lampe werden durch Linsen auf den Rand
                              									einer rotirenden Zinkscheibe concentrirt, welche mit Zähnen in entsprechenden
                              									Zwischenräumen besetzt ist, die so intermittirend gemachten Strahlen fallen dann auf
                              									eine Flasche, welche das zu untersuchende Gas oder den zu prüfenden Dampf enthält;
                              									der Hals der Flasche steht durch ein Gummirohr mit dem Ohre in Verbindung. In dieser
                              									Weise hat Tyndall in bequemer Weise Gase und Dämpfe auf
                              									ihre Fähigkeit, Wärme zu absorbiren, prüfen können. Unter den untersuchten
                              									zeichneten sich durch ihr starkes Wärmeabsorptionsvermögen aus: Kohlensäure,
                              									Ammoniak, Wasserdampf und Grubengas. Die Dämpfe waren sämmtlich sehr wirksam und
                              									manche gaben Töne, die man in einer Entfernung von 30m hören konnte.
                           Bei diesen Untersuchungen überzeugte sich Tyndall
                              									wiederholt davon, daſs es sich, wie die Anstellung der Versuche es voraussetzte, um
                              									Wärmewirkungen handelte, die durch eine Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff nicht
                              									beeinträchtigt wurden, hingegen durch eine Alaunlösung, welche die Wärmestrahlen
                              									absorbirt, aufgehalten werden. Im Gegensatze hierzu zeigte sich an den Dämpfen von
                              									Brom und Jod keine Wirkung, wenn die Strahlen durch eine Lösung von Jod in
                              									Schwefelkohlenstoff gegangen waren und somit ihre leuchtenden Strahlen verloren und
                              									die thermischen behalten hatten; hingegen tönten diese Dämpfe deutlich, wenn die
                              									Strahlen durch Alaunlösung und Eislinsen gegangen waren, welche ihre thermischen
                              									Strahlen absorbiren und die leuchtenden hindurchlassen.
                           Schon jetzt ist also das Radiophon Bell's, denn dieser
                              									Namen wird wohl als passendster beibehalten werden müssen, als ein sehr wichtiges,
                              									dem Telephon ebenbürtiges Hilfsmittel für die physikalische Untersuchung
                              									anzuerkennen. (Nach der Elektrotechnischen Zeitschrift,
                                 									1881 S. 95.)