| Titel: | Anwendung von essigsaurem Natron für Heizzwecke. | 
| Autor: | H. Rietschel | 
| Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 106 | 
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                        Anwendung von essigsaurem Natron für
                           								Heizzwecke.
                        Ancelin's Anwendung von essigsaurem Natron für
                           								Heizzwecke.
                        
                     
                        
                           Der Engineering, 1881 Bd. 31 S.
                                 										96 bringt einige kurze Mittheilungen über ein Verfahren, welches A. Ancelin in Paris (* D. R. P. Kl. 20 Nr. 12 678 vom
                                 									8. April 1880)Nach der Patentschrift will A. Ancelin
                                    											Wärmeflaschen nicht mit Wasser, sondern mit gewissen Salzen – vorzugsweise
                                    											essigsaurem Kali oder Natron – füllen, welche in ihrem
                                    											Krystallisationswasser schmelzen. Die Füllung wird  nie gewechselt, die
                                    											Flaschen werden dicht verschlossen; ihre Erhitzung erfolgt in einem
                                    											Wasserbad, in welches sie senkrecht eingetaucht werden. Bei einer gewissen
                                    											Temperatur schmilzt die Füllung und bleibt beim Erkalten auch dann noch
                                    											flüssig, wenn ihre Temperatur unter den Schmelzpunkt gesunken ist. In diesem
                                    											Zustand, welcher sich bis auf 20° über Null erhalten kann, genügt eine
                                    											geringe Erschütterung an einem Punkt der Masse, um sie plötzlich zum
                                    											Erstarren zu bringen, wobei die latente Wärme frei wird. Auf die
                                    											Nutzbarmachung dieser Wärme ist dieses Verfahren berechnet. Um diese nicht
                                    											zu verzögern, wird der geschmolzenen Füllmasse essigsaures wasserfreies Salz
                                    											im Verhältniſs von etwa 3 bis 4 Proc. beigemengt. Um beim Erstarren der
                                    											Masse die Bildung eines leeren Raumes zu hindern, wird in der Mitte der
                                    											Wärmflaschenfüllung eine mit Luft gefüllte Kautschuktasche eingeschlossen,
                                    											welche sich beim Zusammenziehen der Masse entsprechend aufbläht. Solche
                                    											Wärmflaschen sollen 6mal länger warm bleiben als mit Wasser
                                    										gefüllte. bei den auch in Deutschland zur Erwärmung der Eisenbahnwagen
                              									gebräuchlichen Fuſswärmer in Vorschlag gebracht hat und das darin besteht, die
                              									Fuſswärmer statt mit Wasser mit essigsaurem Natron zu füllen. Letzteres besitzt die
                              									Eigenschaft bei etwa 59° in flüssigen Zustand überzugehen, hierbei 42c,5 für 1k zu
                              									binden und diese Wärmemenge beim Erstarren wieder abzugeben.
                           Ein Fuſswärmer, welcher beispielsweise 10l Wasser
                              									aufzunehmen vermag, kann etwa 13k,5 essigsaures
                              									Natron in geschmolzenem Zustand fassen und da nach den a. a. O. gemachten Angaben
                              									die specifische Wärme des genannten Salzes im festen Zustand 0,32, im flüssigen 0,75
                              									beträgt, würden unter der Annahme, daſs man den Fuſswärmer zunächst auf 90° erwärmt
                              									und alsdann im Eisenbahnwagen auf 40° abkühlen läſst, 969c,71 an die Luft übertragen werden und zwar:
                           
                              
                                 Bei Abkühlung von 90 auf 59°
                                 13,5 × 31 × 0,75
                                 =
                                 313,88c
                                 
                              
                                 Während des Ueberganges vom flüssigen in    den festen
                                    											Zustand
                                 13,5 × 42,5
                                 =
                                 573,75
                                 
                              
                                 Bei Abkühlung von 59 auf 40°
                                 13,5 × 19 × 0,32
                                 =
                                   82,08
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Zusammen
                                 
                                 969,71c.
                                 
                              
                           Wäre der Fuſswärmer mit Wasser angefüllt, so würde derselbe
                              									bei Abkühlung von 90 auf 40° nur 500c abgeben
                              									können. Das Resultat mit essigsaurem Natron ist für den vorliegenden Fall also
                              									beinahe doppelt so günstig als bei Anwendung von Wasser.
                           Wie bereits erwähnt, dürfte das essigsaure Natron zu Erwärmungszwecken noch
                              									mannigfache Anwendung finden können, z.B. überall, wo es auf eine constante
                              									Temperatur wesentlich ankommt (Brüteapparate u. dgl.); aber auch für häusliche
                              									Zwecke und besonders für Erwärmung unserer Wohnräume könnte das essigsaure Natron
                              									nutzbringend verwerthet werden, ganz besonders in Verbindung mit Dampfheizung.
                           Es ist jetzt, man möchte sagen, Mode geworden, bei Anwendung von Dampfheizung
                              									dieselbe in Form der Dampfwasserheizung auszubilden,
                              									d.h. die Heizkörper so zu construiren, daſs sie ganz oder zum Theil mit Wasser gefüllt sind,
                              									welches innerhalb dieser Heizkörper durch Dampf erwärmt wird. Dieser Construction
                              									liegt die Absicht zu Grunde, nach Absperren des Dampfes in Folge der im Wasser
                              									aufgespeicherten Wärme ein Nachheizen zu erzielen. Thatsächlich ist nun dieses
                              									Nachheizen, falls nicht der Heizkörper eine über jedes ästhetische Maſs
                              									hinausgehende Gröſse erhalten soll, ein geringes, besonders aber ein äuſserst
                              									ungleichmäſsiges, da die Wärmeabgabe des Ofens mit der Abkühlung des Wassers stetig
                              									abnimmt.
                           Ein Umstand aber, welcher bisher noch keine Beachtung gefunden hat, dürfte geeignet
                              									scheinen, die Anwendung der Dampfwasserheizung sogar entschieden zu verwerfen. Die
                              									mit Wasser gefüllten Heizkörper müssen geschlossene Gefäſse sein, da in denselben
                              									das Wasser auf die Temperatur des Dampfes erwärmt werden soll. Dieselben gleichen
                              									also in gewisser Weise einem Dampfkessel und das Bersten derselben einer
                              									Dampfkesselexplosion. Die Gefahr einer solchen Explosion wächst mit der höheren
                              									Erwärmung und gröſseren Menge des Wassers und ist um deſswillen noch besonders auf
                              									eine solche Gefahr aufmerksam zu machen, weil sich die innere Abnutzung der Oefen,
                              									mithin die mit der Zeit eintretende geringere Widerstandsfähigkeit nur dann der
                              									Beurtheilung nicht entzieht, wenn zeitweise die Heizkörper – was aber in der Praxis
                              									nicht geschieht – einer Druckprobe unterworfen werden. Je mehr also danach
                              									getrachtet wird, durch bedeutende Wassermengen langes Nachheizen zu erzielen, um so
                              									gefährlicher erscheint die Anwendung der Dampfwasserheizungen. Man ist in neuerer
                              									Zeit damit umgegangen, die Heiſswasserheizungen unter behördliche Aufsicht zu
                              									stellen und die Anlage von behördlicher Genehmigung abhängig zu machen; wenn man
                              									aber bedenkt, daſs ein einziger Dampfwasserofen oft mehr Wasser enthält als eine
                              									gesammte Heiſswasserheizung, so wird man zugeben müssen, daſs eher die
                              									Dampfwasserheizung unter Aufsicht gestellt werden sollte, zumal die
                              									Heiſswasserheizungen vor Inbetriebnahme hergebrachter Weise auf einen Druck von
                              										150at geprüft werden, während die
                              									Dampfwasserheizkörper oft gar keinem Druck, höchstens aber einem solchen von 4 bis
                              										5at, unterworfen werden.
                           Es scheint wichtig genug, auf diese Thatsachen aufmerksam zu machen, zumal, wie
                              									bereits bemerkt, die Dampfwasserheizung sich in der allerneuesten Zeit ganz
                              									besonderer Beliebtheit erfreut, Erfahrungen aber noch nicht vorliegen und man der
                              									Anordnung der Dampfwasserheizungen keine gröſsere Aufmerksamkeit schenkt als etwa
                              									einer gewöhnlichen Warmwasserheizung. Man könnte nun allerdings die Gefahr einer
                              									Explosion beseitigen, wenn man die Heizkörper statt mit Wasser mit einer Flüssigkeit
                              									füllte, deren Siedepunkt höher liegt als die Temperatur des Dampfes, mit dem
                              									dieselbe erwärmt wird, und würde Referent dieses Verfahren für die bestehenden
                              									Dampfwasserheizungen als
                              									ganz empfehlenswerth vorschlagen. Natürlich läſst sich dies nur anwenden, wenn die
                              									Construction des Heizkörpers eine derartige ist, daſs der Inhalt desselben mit dem
                              									Dampf und Condensationswasser in keine directe Berührung kommt, letzteres also
                              									besonders abgeleitet wird. Hierdurch würde die Explosionsgefahr allerdings gehoben,
                              									die Ungleichmäſsigkeit des Nachheizens aber in Folge der stetigen Abkühlung der
                              									Flüssigkeit nach erfolgter Absperrung des Dampfes nicht geändert werden.
                           Anders gestaltet es sich, wenn man die Heizkörper mit essigsaurem Natron füllen und
                              									dieses mittels Dampfspiralen innerhalb der Oefen erwärmen würde. Es wäre hierdurch
                              									die Explosionsgefahr ebenfalls ausgeschlossen; ebenso brauchte der Heizkörper selbst
                              									keinem höheren Druck als dem durch das Gewicht der Füllmasse selbst hervorgebrachten
                              									zu widerstehen, könnte mithin billig hergestellt werden; vor allen Dingen würde man
                              									aber innerhalb gewisser Grenzen ein vollkommen gleichmäſsiges Nachheizen
                              									erzielen.
                           Der Vorgang beim Gebrauch der Heizung würde nun der sein, daſs zunächst die Füllmasse
                              									bis zur Temperatur des Schmelzpunktes sich erwärmen, eine längere Zeit auf dieser
                              									Temperatur verharren und alsdann rasch eine höhere Temperatur annehmen würde. Sobald
                              									die genügende Zimmerwärme erreicht worden wäre, könnte man den Dampf absperren und
                              									es würde nun die Abkühlung der Füllmasse bis zur Erstarrungstemperatur erfolgen und
                              									auf dieser alsdann längere Zeit sich erhalten. Es dürfte allerdings der Umstand
                              									hierbei zu berücksichtigen sein, daſs die Temperatur während der Erstarrungsperiode
                              									stets dieselbe, das Wärmebedürfniſs aber je nach der äuſseren Temperatur ein
                              									verschiedenes ist. Diesem Umstand, welcher bei der Dampf- und Dampfwasserheizung
                              									ebenfalls besteht, würde man durch indirecte Regulirung am besten Rechnung tragen,
                              									d.h. man müſste Vorkehrungen treffen, um je nach Umständen einen gröſseren oder
                              									kleineren Theil der Oberfläche des Heizkörpers vor Wärmeabgabe an die Luft schützen
                              									zu können.
                           Selbstverständlich dürfte noch eine gröſsere Anzahl von Versuchen erforderlich
                              									werden, ehe man direct zu der praktischen Verwerthung schreiten könnte; insbesondere
                              									müſste die Wärmeleitungsfähigkeit des essigsauren Natrons festgestellt werden; denn
                              									von dieser hängt die Schnelligkeit des Schmelzens ab und demgemäſs auch die
                              									Oberfläche des Dampferwärmungsrohres. Voraussichtlich wird der Schmelzproceſs
                              									langsam von statten gehen, da nicht wie bei dem Wasser ein Kreislauf in der
                              									Füllmasse des Ofens stattfinden kann. Der Heizkörper selbst muſs bei Anwendung von
                              									essigsaurem Natron dicht geschlossen sein, da das Salz hygroskopisch ist; man wird
                              									es daher in geschmolzenem Zustand in den Heizkörper füllen und diesen alsdann fest
                              									verschlieſsen müssen. Da sich das essigsaure Natron während des Schmelzens bedeutend ausdehnt, wird
                              									man Sorge zu tragen haben, daſs die Heizkörper darunter nicht leiden; doch scheint
                              									diese Sorge nicht eben bedeutend, denn da man das Dampfrohr stets von oben her durch
                              									den Heizkörper führen wird und da mithin der Schmelzproceſs von oben beginnt und
                              									alsdann zunächst längs des Dampfrohres stattfindet, kann das geschmolzene Salz stets
                              									nach dem bei der Erstarrung gebildeten luftleeren Theil des Ofens entweichen. Eisen
                              									wird von essigsaurem Natron nicht angegriffen.
                           Voraussichtlich wird es noch eine Reihe anderer Körper geben, welche in gleicher
                              									Weise wie das essigsaure Natron für die vorgeschlagenen Zwecke Verwendung finden
                              									können, und würde es Sache der Chemiker und Physiker sein, derartige Körper namhaft
                              									zu machen. Der Chemiker Alwin Nieske in Dresden will
                              									durch Mischung verschiedener Körper ein Präparat hergestellt haben, welches die
                              									Eigenschaften des essigsauren Natrons in noch erhöhtem Maſse besitzt.
                              									Veröffentlichungen liegen indeſs zur Zeit nicht vor.
                           Vielleicht geben diese Zeilen Veranlassung, weitere Versuche und Untersuchungen nach
                              									der angedeuteten Richtung anzustellen.
                           H.
                                 										Rietschel.