| Titel: | Hüttenrauchschaden in den Waldungen des Oberharzes; von Reuss, Oberförster in Goslar. | 
| Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 124 | 
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                        Hüttenrauchschaden in den Waldungen des
                           									Oberharzes;Nach einem Vortrag, gehalten bei der Herbstexcursion der Forstakademie Eberswalde
                                 										am 26. August 1880 zu Altenau. Gef. eingesendeter Sonderabdruck. von
                           								Reuſs, Oberförster in Goslar.
                        Reuſs, über Hüttenrauchschaden in den Waldungen des
                           								Oberharzes.
                        
                     
                        
                           Der wichtigste Industriezweig des Harzes, welcher den gröſsten Theil der Bevölkerung
                              									des Oberharzes ernährt, ist der Bergbau mit dem dazu gehörigen Hüttenbetriebe. Der
                              									Bergbau ist seit dem 9. Jahrhundert am Harze heimisch, während ein geregelter
                              									Hüttenbetrieb erst in späteren Zeiten, zu Ausgang des 12. Jahrhunderts, eingeführt
                              									wurde.
                           Früher, wo schlechte oder gänzlich mangelnde Wege den Transport
                              									der Hölzer und der Kohlen sehr erschwerten, wurden die Erze auf Saumthieren nach den
                              									Stellen gebracht, wo gerade groſse Holzvorräthe waren und dort verhüttet. Später
                              									entstand eine gröſsere Anzahl kleiner Hütten, die mit zunehmender
                              									Verkehrserleichterung allmählich immer mehr zusammengelegt wurden. So finden sich
                              									alte Hüttenstellen in dem hier in Frage kommenden Bezirke zwischen Oker und Innerste
                              									im Innerstethaie, oberhalb Langeisheim und bei Wildemann, im Granethale am
                              									Grotenberg und Schünthal im Zellerfelder Thal und im Weiſswasserthal bei
                              									Schulenburg. Jetzt sind in diesem Bezirke noch 6 Hütten, von denen 3 im Harz, die
                              									Oberharzer Hütten, und 3 am nördlichen Rande des Gebirges, die Unterharzer Hütten,
                              									liegen. Die Andreasberger Hütte liegt isolirt und auſserhalb des gedachten Bezirkes.
                              									Ihr verursachter Schaden ist ziemlich unbedeutend, wenn auch in seinem Auftreten
                              									vielfach interessant und lehrreich. Von den 3 Oberharzer Hütten befinden sich die
                              									Clausthaler und Lautenthaler im Thal der Innerste, die Altenauer im Okerthale. Am
                              									Ausgange des Okerthales liegt die Frau-Marien-Saigerhütte, am Ausgange des
                              									Innerstethaies die Sophienhütte, zwischen beiden als verbindendes Glied die
                              									Juliushütte am Ausgange des Granethales. Von allgemein forstlicher Bedeutung sind
                              									bis jetzt nur die 3 Oberharzer Hütten geworden.
                           Die Verwaltung des Berg- und Forstwesens war bis 1866 zu einer
                              									Behörde vereinigt, welcher ein Berghauptmann vorstand. Der ganze Harz war
                              									bergmännisch angehaucht und bei den reichen Einkünften, welche der Bergbau
                              									aufzuweisen hatte, bei den niedrigen Forsteinnahmen, verstand es sich ganz von
                              									selbst, daſs das Forstwesen etwas stiefmütterlich beachtet wurde. Der Forst lag in
                              									erster Linie ob, die zum Berg- und Hüttenbetriebe erforderlichen Bau-, Kohl- und
                              									Röstehölzer zu liefern und die Einwohner des Oberharzes, gröſstentheils Bergleute,
                              									mit Bau- und Brennholz zu versorgen. Unter solchen Umständen erscheint es nicht
                              									auffallend, daſs früher auf den durch die Hütten verursachten Forstschaden wenig
                              									Gewicht gelegt wurde. Man ignorirte den Schaden geflissentlich und vermied es, des
                              									lieben Friedens halber, in Gesellschaft von Hüttenleuten das Thema überhaupt zu
                              									berühren. Uebrigens war der Schaden, wenn auch vorhanden, doch immerhin gegen jetzt
                              									von geringem Umfange. Erst nachdem die Forstverwaltung selbstständiger wurde, ihre
                              									Einkünfte sich erheblich steigerten und gleichzeitig die Erhöhung des
                              									Hüttenbetriebes den Schaden bedeutend erweiterte, wurde man aufmerksamer und hat
                              									sowohl von Seiten der Hütten-, als auch besonders von Seiten der Forstverwaltung
                              									redliche Anstrengungen gemacht, Abhilfe zu schaffen.
                           So sehr willkommen uns Forstwirthen der Berg- und Hüttenbetrieb
                              									mit seinem Holzverbrauch ist, so wenig sympatisch sind uns die in ihrem Gefolge
                              									befindlichen Schäden, welche in empfindlicher Weise den Forsten zugefügt werden. Der
                              									Ruf aller betheiligten Forstwirthe nach Abhilfe ist allgemein geworden und veranlaſste mich, in
                              									Gemeinschaft mit Dr. Schröder, Chemiker der
                              									Versuchsstation zu Tharand, die Hüttenrauchschäden wissenschaftlich zu bearbeiten
                              									(vgl. 1880 238 341). Ich habe seit dem J. 1867 die
                              									Fortschritte der Hüttenrauchschäden unausgesetzt verfolgt und kann leider
                              									feststellen, daſs sich dieselben seit jener Zeit mindestens verdoppelt haben. Der
                              									Schaden des Hüttenrauches, welcher sich bei Lautenthal in geringem, bei Clausthal
                              									und Altenau in groſsartigem Umfange bemerklich macht, besteht in einem allmählichen
                              									Tödten der Holzbestände; er folgt unter Einfluſs der herrschenden Windrichtung den
                              									Thälern und läſst sich nach Norden mehr als eine Meile von der Rauchquelle entfernt
                              									verfolgen, während er nach Süden nur auf wenige Kilometer hin sichtbar ist.
                           Die Beschädigungen lassen sich eintheilen in Rauchblöſsen: Blöſsen ohne jeden Baumwuchs, abgesehen
                              									von den in jüngster Zeit ausgeführten Versuchsculturen oder vereinzelten älteren
                              									Bäumen. – Stark beschädigte Bestände, welche durch
                              									Hüttenrauch bereits lückig geworden sind. – Mäſsig
                                 										beschädigte Bestände mit einzelnen trockenen Zweigen und Baumspitzen. – Schwach beschädigte Bestände mit beschädigten
                              									Blättern.
                           Die Rauchblöſsen betragen: bei Altenauer Silberhütte 120ha einschl. Hüttenterrain, desgleichen bei der
                              									Clausthaler Silberhütte 220ha und bei der
                              									Lautenthaler Silberhütte 5ha ausschlieſslich der
                              									Hüttenfläche.
                           Die stark beschädigten Bestände umfassen eine Fläche: von 130ha bei Altenau, 180ha bei Clausthal und 70ha bei
                              									Lautenthal. Ueberhaupt ist das geschädigte Waldterrain bei allen drei Hütten 4500ha, dabei sind 345ha Blöfse und 380ha lückige
                              									Bestände.
                           Nicht allein, daſs der Hüttenrauch, abgesehen von allen Schäden an
                              									Menschen, Vieh, Aeckern und Wiesen, unsere Waldungen zerstört, befördert er auch die
                              									Verödung des Bodens, er vernichtet die Bodendecke und veranlaſst Abschwemmen der
                              									Bodenkrume.
                           Wie man hieraus ersehen mag, sind die Schäden, die uns auf diese
                              									Weise durch den Berg- und Hüttenbetrieb bereits zugefügt worden sind, erheblich, und
                              									wenn wir auch gebührende Rücksicht darauf nehmen müssen, daſs der hiesige Bergbau
                              									groſse Ueberschüsse abliefert und fast 13000 Menschen ernährt, so dürfen uns diese
                              									Umstände doch nicht hindern, der Frage der Hüttenrauchsbeschädigungen näher zu
                              									treten, um in gemeinschaftlicher Arbeit mit den Hüttenverwaltungen Mittel und Wege
                              									zu suchen und hoffentlich auch zu finden, wie dem Schaden abgeholfen werden kann.
                              									Nicht nur die Gegenwart hat ein Recht, dies zu verlangen, sondern auch, in erhöhtem
                              									Grade vielleicht, die Zukunft. Man denke daran, daſs einmal ein Zeitpunkt, wenn auch
                              									noch so fern, eintreten wird, wo die reichen Gruben des Harzes erschöpft sind, wo
                              									die Verhüttung amerikanischer Erze, die jetzt schon zum Theil die Andreasberger und
                              									Altenauer Hütte erhält, nicht mehr rentabel sein, wo der Hüttenbetrieb verschwinden,
                              									wo hauptsächlich die Holzzucht und Holzindustrie an den an Wasserkraft reichen
                              									Flüſschen des Harzes blühen wird, und denke daran, daſs eine Zerstörung des
                              									Waldbestandes der Thäler der Innerste und Oker gleich ist einer Zerstörung ihrer
                              									Wasserkräfte. Man bedenke, daſs heute schon die Hüttenrauchblöſsen zu
                              									Ueberschwemmungen Anlaſs geben können und daſs die Ueberschwemmungsgefahr mit
                              									zunehmender Entwaldung für die fruchtbaren Ebenen des Oker- und Innerstethaies sich
                              									um so mehr erhöht, als der nach den Ueberschwemmungen zurückbleibende Hüttensand,
                              									den beide Flüsse führen, den Boden sehr verschlechtert. Man denke daran, daſs der
                              									Harz in Zukunft noch mehr auf Fremdenverkehr und der Fremdenverkehr noch mehr auf
                              									den Harz, als der alleinigen Gebirgswaldung Norddeutschlands, angewiesen sein wird,
                              									und denke daran, daſs es unsere Pflicht ist, den Harz in seiner ganzen Schönheit und
                              									Frische zu erhalten, damit er befähigt bleibe, die immer zarter werdenden Nerven
                              									unserer Groiſsstädter zu neuer rast- und ruhelosen Thätigkeit zu stärken. Man
                              									beachte alle diese Momente und man wird abgesehen von unseren pecuniären
                              									Forstverlusten Gründe genug finden, Abhilfe der Hüttenrauchschäden energisch zu
                              									erstreben. Doch dies beiläufig; zunächst kümmert uns Forstleute allein die
                              									Zerstörung unseres Holzbestandes.
                           
                           Um Abhilfe zu suchen, war es vor allem erforderlich, zu erforschen, welche
                              									Bestandtheile des Hüttenrauches den Schaden verursachen. Der Hüttenrauch besteht zum
                              									gröſsten Theil aus schwefliger Säure und aus dem Flugstaube, der sich der Hauptsache
                              									nach aus arseniger Säure, Schwefelsäure, Blei- und Zinkoxyden zusammensetzt. Wohl
                              									veranlaſst durch den Umstand, daſs das Blei es ist, welches die bei den Hüttenleuten
                              									unter dem Namen Hüttenkatze bekannte schmerzhafte Krankheit bewirkt, ferner daſs
                              									derselbe Staub, mit dem Futter genossen, bei dem Vieh den sogen. Kopfhammer
                              									hervorruft, und endlich, daſs sich mittels der Loupe auf Rinde und Blättern der
                              									Bäume, sowie auf dem Boden metallisches Blei nachweisen läſst, war früher die
                              									Ansicht verbreitet, daſs das Blei allein die Schädigung der Wälder hervorrufe. Daſs
                              									dem nun nicht so ist, daſs fast ausschlieſslich die schweflige Säure direct oder
                              									durch Umsetzung in Schwefelsäure den Schaden verursacht, ist zur Genüge durch Stöckhardt, Freytag und Schröder nachgewiesen. Die Beschädigungen, welche man auf gesunden
                              									Bäumchen durch künstliche Beräucherung mit schwefliger Säure hervorrief, stimmen in
                              									ihrem Erscheinen genau mit den durch Hüttenrauch verursachten überein, während man
                              									andererseits durch Bestäuben mit Blei u. dgl. eine Krankheitserscheinung nicht
                              									bewirken konnte.
                           Der Hüttenrauch äuſsert sich in seinen Graden auf verschiedene Weise. Bei schwacher
                              									Schädigung werden die Blätter der Laubhölzer fahl, bleichen aus, bleiben kümmerlich
                              									und klein. Bei verstärkter Einwirkung erhalten sie rothbraune Flecken und Spitzen
                              									und welken ab. Aehnlich verhalten sich die Nadelhölzer. Bei schwacher Schädigung
                              									werden die Nadeln, zumal die älteren, fahl, miſsfarbig, schmutzig grün und zwar
                              									zunächst auf der Oberseite, die dem Rauche ausgesetzt war. Nach und nach werden die
                              									ganzen Nadeln krank und fallen ab, und zwar zuerst die älteren Jahrgänge. Bei
                              									zunehmender Beschädigung erscheinen die ganzen Nadeln schon verkürzt und jüngere
                              									Jahrgänge bis allmählich zum jüngsten sterben ab; dann folgen einzelne Zweige und
                              									Baumspitzen nach, bis endlich der Baum nach langem Todeskampfe unterliegt, abstirbt
                              									und erst Lücken im Bestände verursacht, die sich in der Folge bei weiterem
                              									massenhaften Absterben zu Blöſsen erweitern. Trifft eine concentrirte Menge
                              									schwefliger Säure die jungen Nadeln, so werden diese rothspitzig, d.h. sie sterben
                              									von der Spitze her meist nicht über die Hälfte ab und erhalten eine intensiv
                              									braunrothe, scharf begrenzte Färbung, die erst später in grau übergeht. Seltener
                              									tritt diese Erscheinung derartig auf, daſs mittlere Theile der Nadeln roth werden,
                              									während Spitze und Grund noch grün erscheint. Diese Rothspitzigkeit bei Nadelhölzern
                              									correspondirt mit den rothen und braunen Flecken der Laubhölzer; sie ist ein sehr
                              									sicheres Merkmal von intensiver Schädigung und wird nur in der Nähe der Hütten
                              									getroffen. Auch die Baumschäfte und Aeste erleiden Aenderungen in ihrem normalen
                              									Aussehen. Die Rinde der Laubhölzer verblaſst und wird fahl. Die Nadelhölzer im
                              									jugendlichen Alter werden schwarz, färben ab und erhalten oft einen eigenthümlich
                              									rothbraunen Schimmer; die älteren Stämme bekommen rauhe abblätternde Borke.
                           Selbst der Bodenstand wird in nicht unerheblicher Weise durch den Hüttenrauch
                              									beeinfluſst. Schon bei den lückigen Beständen stellt sich zunächst Graswuchs ein,
                              									dem häufig die Heide folgt, bis auch endlich diese bei fortschreitender
                              									Raucheinwirkung verschwindet und der Boden vollständig seiner Vegetation beraubt
                              									ist. Es beginnt nun jene unheimliche Thätigkeit der Regengüsse, deren Resultat sich
                              									in scharfen Zügen in der Nähe der Hütten in dem vormals guten Waldboden eingerissen
                              									findet. In nicht allzu groſser Entfernung der Hütte tritt in der Bodendecke älterer
                              									Bestände eine charakteristische Erscheinung auf: Die abfallenden Nadeln nämlich
                              									verwesen nicht, sondern liegen oft Fuſs hoch ohne Spur von Zersetzung auf dem Boden,
                              									mit welchem sie nicht durch eine Humuschicht verbunden sind. Ob diese Erscheinung
                              									auch Folge der schwefligen Säure oder vielleicht des Flugstaubes ist, mag späterer
                              									Forschung vorbehalten bleiben.
                           Nach dem Vorgetragenen möchte es scheinen, als wenn das Erkennen des
                              									Hüttenrauchschadens nicht sehr schwierig sein könnte, was jedoch in der That der
                              									Fall ist. Die Merkmale, wie ich sie beschreibe, können wohl als normale gelten, aber
                              									durch eine Unzahl von Einflüssen werden sie bald mehr, bald weniger verwischt.
                              									Ebenso wie man in gleichmäſsig von Rauch betroffenen Beständen erst einzelne
                              									Individuen absterben sieht, ebenso wie an ein und demselben Baume einzelne Aeste
                              									todt, andere ganz gesund aussehend gefunden werden, ebenso sieht man einzelne Nadeln
                              									an den Zweigen früher, andere später absterben.Um Miſsverständnissen vorzubeugen, ist hierzu zu bemerken, daſs, wenn auch
                                    											einzelne Individuen vor anderen absterben, doch auch an den benachbarten
                                    											Bäumen schwächere Beschädigungen nachzuweisen sind und durch die Analyse in
                                    											den Blättern gleicher Bestände annähernd gleiche Säuremengen gefunden
                                    											werden, wenn die Beschädigung ausschlieſslich von Hüttenrauch
                                    										herrührt. Es ist deshalb ein Ansprechen der Schädigung nach den noch
                              									vorhandenen Nadeljahrgängen miſslich und unsicher, wenn ich auch in sehr vielen
                              									Fällen dadurch zu richtigen Bestimmungen gelangte (vgl. 1880 238 424).
                           Aehnliche Schädigungen wie durch Hüttenrauch werden durch Insekten, Pilze, durch
                              									Frost, durch Staub oder besondere Bodenarmuth hervorgerufen. Insektenschäden kann
                              									man bei genauer Untersuchung durch vorhandene Fraſsstellen und wenn auch mitunter
                              									nur durch die Loupe sicher erkennen. Auch die Schäden von Chrysomyxa abietis auf der Fichte, welche nicht selten Anlaſs zur
                              									Verwechslung mit
                              									Rauchschaden geben, lassen sich, so lange die Nadeln noch frisch sind, sicher von
                              									den intensiven Hüttenrauchschäden unterscheiden. Während bei diesen die beschädigte
                              									Stelle und zwar meist die Spitze an der rothen scharf abgegrenzten Färbung kenntlich
                              									ist, verbreitet sich der Pilzschaden, gelblich-grüne Querbänder bildend, von der
                              									Mitte aus nach beiden Seiten weiter. Nach dem Absterben der Nadeln verwischen sich
                              									diese Farbenunterschiede bis zur völligen Gleichförmigkeit.
                           Die Frostschäden bei Nadelhölzern unterscheiden sich von den Hüttenrauchschäden
                              									dadurch, daſs der Frost den ganzen jungen Trieb zerstört, während dies beim
                              									Hüttenrauch von mir wenigstens noch nicht beobachtet ist; hier beschränkte sich der
                              									Schaden nur immer auf Nadeln oder Theile derselben. Für die Laubhölzer vermag ich
                              									bezüglich der Pilze und theilweisen Frostschäden der Blätter sichere
                              									Unterscheidungsmerkmale vorläufig nicht anzugeben, es sei denn, daſs man die stets
                              									scharfe Abgrenzung der durch Hüttenrauch verursachten Tödtung der Blatttheile als
                              									solche gelten lassen will. Ebenso habe ich zwischen den Merkmalen, durch welche sich
                              									schwache Rauchbeschädigung äuſsert, und dem durch Staub oder Bodenarmuth
                              									hervorgerufenen krankhaften Aussehen der Blätter und Nadeln sichere Unterschiede
                              									nicht aufzufinden vermocht.
                           Sehr schwer ist es daher, in einer fremden Gegend ohne Kenntniſs von vorhandenen
                              									Rauchquellen beobachtete Schäden als von Hüttenrauch herrührend zu bestimmen. Ich
                              									kann wohl sagen, der Baum, der Zweig, das Blatt sieht aus, wie vom Hüttenrauch
                              									beschädigt, aber daſs es wirklich so ist, wage ich in solchem Falle nicht zu
                              									behaupten. Anders, wenn ich die Rauchquelle kenne und an der Hand von Erfahrungen
                              									den Gang des Rauches in Thälern nach den herrschenden Windrichtungen u.s.w.
                              									beurtheilen kann. Eine genaue locale Kenntniſs des Terrains, der Richtung der Winde,
                              									sogar der Nebelbildung gehört durchaus zum forstlichen Erkennen des Schadens, zumal
                              									in seinen schwächeren Graden. Daſs die von mir nach den sichtbaren Beschädigungen
                              									entworfene Rauchkarte so genau mit der chemischen Analyse, wie ich später zeigen
                              									werde, übereinstimmt, liegt, ich bekenne es gern, zum gröſsten Theil in meiner
                              									genauen Ortskenntniſs, in der Kenntniſs, wie sich der Hüttenrauch bei jedem Winde
                              									verbreitet, in der Kenntniſs, wie er sich bei Nebel und Windstille in die Thäler oft
                              									Tage lang lagert.
                           Es galt daher zunächst, Mittel und Wege zu finden, um wissenschaftlich sicher
                              									nachzuweisen, daſs sichtbare Schäden wirklich von Hüttenrauch herrührten. Ein
                              									solches Mittel schien lediglich die chemische Untersuchung der Nadeln auf
                              									Schwefelsäure zu bieten. Doch auch dieser Nachweis war nicht ohne weiteres frei von
                              									jedem Einspruch der Unrichtigkeit. Alle Pflanzen, somit auch die Fichte, mit welcher
                              										allein wir es jetzt
                              									zu thun haben, zeigen in ihrem normalen Zustande ein gewisses Procent Schwefelsäure,
                              									dessen Höhe durch den Boden, durch Klima, Höhenlage und Jahreszeit beeinfluſst wird.
                              									Um daher zu richtigem Resultate bei der chemischen Analyse zu gelangen, war es
                              									nöthig, möglichste Gleichförmigkeit dieser Factoren herzustellen. Der Bezirk,
                              									welcher uns, Hrn. Dr. Schröder und mir, nun zum
                              									Untersuchungsobject dienen sollte, die Fluſsgebiete der Oker und Innerste im
                              									Oberharze, bot diese Gleichförmigkeit in jeder nur wünschenswerthen Weise. Boden,
                              									Klima, Meereshöhe, namentlich Bestandesverhältnisse stimmen im Wesentlichen überall
                              									überein.
                           Die Auſsenarbeiten, dabei auch das Einsammeln der Proben, wurden innerhalb 4 Wochen
                              									im Herbst 1878 ausgeführt. Von den Hütten ausgehend wurden auf die Karte alle
                              									Beschädigungen nach dem Augenscheine mit Unterscheidung ihrer Grade durch
                              									Abschreiten und Taxiren der Entfernungen eingetragen; dabei wurden aus allen
                              									Beschädigungsgraden Nadelproben aus den Wipfeln der Bäume entnommen und die
                              									Standorte derselben nach Lage, Alter, Bonität und Bestandesschluſs beschrieben. So
                              									allmählich nach allen Seiten von der Rauchquelle bis zu unzweifelhaft reinen, d. i.
                              									nicht durch Hüttenrauch beschädigten, Beständen fortschreitend, wurde über den
                              									ganzen Bezirk ein Netz von 147 Probepunkten gelegt. Die diesen entnommenen
                              									Nadelproben wurden dann von Dr. Schröder getrocknet und
                              									durch Analyse auf den Schwefelsäuregehalt untersucht (vgl. 1880 238 337).
                           Die bei der Excursion nach den sichtbaren Aeuſserungen der Schäden entworfene Karte
                              									gibt eine übersichtliche Darstellung von dem Auftreten des Hüttenrauchschadens. In
                              									der Nähe der Hütten befindet sich zunächst ein ausgedehntes Blöſsenterrain, welches
                              									vollständig vegetationslos ist. An diese schlieſst sich ein gleiches, spärlich
                              									bestanden mit Heide oder Gras und einzelnen Laubholzkrüppeln, denen sich nach dem
                              									Rande der Blöſsen zu einige Nadelholzüberreste abgestorben und absterbend
                              									zugesellen. Um die Blöſsen legt sich in verhältniſsmäſsig geringer Breite ein Gürtel
                              									von stark geschädigten Beständen, die lückig oder theilweise absterbend sind. In
                              									weiter Ausdehnung um diese zieht sich ein Strich von mäſsig beschädigten Beständen
                              									mit Bäumen, von denen einzelne zopftrocken sind, oder dürre Aeste und Zweige, auch
                              									alle überaus deutliche Spuren des Hüttenrauches an Nadeln und Stämmen zeigen. An
                              									diese Zone reiht sich nun die schwach beschädigte, welche allmählich, nicht überall
                              									deutlich begrenzt, in die reine Zone übergeht. Es zeigt sich, daſs die Rauchschäden
                              									durch die Richtung des Thales auſserordentlich beeinfluſst sind. Nur an einigen
                              									Stellen, bei den Hütten in Sattelbildungen die thalbegrenzenden Gebirgsrücken
                              									überschreitend, zieht sich der Hüttenrauchschaden meist nicht höher als bis zu ⅔ des
                              									Rückens hinauf. Diese Höhe nimmt thalwärts ab, wo die relative Höhe des Berges zu- und die
                              									Intensität des Hüttenrauches abnimmt. Bei vorspringenden Rücken und Nasen tritt die
                              									Schädigung stets stärker auf und wird weit thalabwärts immer wieder als starker
                              									Schaden sichtbar. Thalaufwärts nimmt der Schaden rasch ab und verschwindet bald.
                           Alle diese Erscheinungen lassen sich zunächst auf die Windrichtung und Nebelbildung
                              									zurückführen. Eine Eigenthümlichkeit der Thäler ist der bei nicht allzu heftiger
                              									entgegengesetzter Windrichtung Abends und Morgens eintretende Thalzug, eine
                              									thalabwärts führende Luftströmung. Gerade zu dieser Zeit tritt die Thau- und
                              									Nebelbildung ein und, da der Rauch erwiesen er maſsen am meisten in Verbindung mit
                              									feuchten Niederschlägen schadet, so findet die Hauptschädigung hier thalwärts statt.
                              									Bei der Clausthaler Silberhütte würde der Westwind, der hier das flache Thal
                              									bestreichen kann, eine erheblich gröſsere Verwüstung verursacht haben, wenn nach
                              									Osten zu sich Waldbestände befänden. So liegen hier nur Wiesen, welche
                              									verhältniſsmäſsig wenig vom Rauch geschädigt werden. Entsprechend mit der
                              									Nebelbildung zeigt sich die Erscheinung, daſs die Sohle unserer engen Thäler weit
                              									weniger vom Hüttenrauch geschädigt wird als die vielleicht 10m höher belegenen Hänge. Dieser Umstand erklärt,
                              									daſs die Bäume an den Thalstraſsen überall näher an die Hütte herangehen als an den
                              									begleitenden Berghängen. Alle die Flächen, namentlich die in das Hauptthal
                              									einspringenden und vorgeschobenen Rücken, gegen welche der Rauch prellt und sich
                              									dann seitwärts abweisen läſst, leiden stärker, wahrscheinlich weil der Rauch hier
                              									länger zurückgehalten wird und den ganzen Bestand durchdringt, während er an den
                              									Parallelwänden des Thales mehr auf den Beständen hinwegstreicht. Die Flächen hinter
                              									diesen vorliegenden Rücken erscheinen minder verletzt und ist hieraus, wenn auch mit
                              									Vorsicht, zu folgern, daſs die Bestände durch diese Rücken geschützt werden.
                              									Uebrigens wirkt bei diesen beiden Erscheinungen noch ein absonderliches Verhalten
                              									der Bäume bezüglich ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Hüttenrauch mit, auf welche ich
                              									später zurückkommen werde.
                           Die 147 Nadelproben ergaben nun bei der chemischen Analyse sehr verschiedene
                              									Schwefelsäuregehalte, welche zwischen 0,06 und 1,33 Procent der Trockensubstanz
                              									schwankten. 41 Proben waren aus unzweifelhaft reinen Beständen entnommen, z.B. von
                              									der Wolfswarte, vom Heinrichsberge bei Grund, vom Iberge, von der Schalk u.s.w. Der
                              									Schwefelsäuregehalt dieser Punkte betrug höchstens 0,2 Proc. der Trockensubstanz, im
                              									Durchschnitt 0,162 Proc. Alle über 0,21 Proc. haltenden Proben wurden nun so
                              									eingetheilt, daſs alle über 0,5 Proc. Schwefelsäure, alle von 0,3 bis 0,5 Proc. und
                              									endlich alle von 0,21 bis 0,3 Proc. Schwefelsäure enthaltenden Bestandesproben
                              									zusammengefaſst wurden. Werden die einer Gruppe angehörigen Punkte durch Linien verbunden, so ergibt sich
                              									zunächst an schlief send an die Blöſsen die stark beschädigte Zone von Beständen
                              									über 0,5 Proc. Schwefelsäuregehalt der Nadeln mit 45 Probepunkten. Diese wird
                              									umfaſst mit regelmäſsig verlaufenden Begrenzungslinien durch die mäſsig beschädigte
                              									mit 53 Probepunkten von 0,3 bis 0,5 Proc., welche ihrerseits wieder von der schwach
                              									beschädigten Zone umschlossen wird, welche 0,21 bis 0,3 Proc. Schwefelsäuregehalt
                              									der Nadeln an 28 Probepunkten nachweist.
                           Auch hierbei zeigt sich, wie in nächster Nähe der Hütten am Rande der Blöſsen die
                              									Schädigung am kräftigsten, der Schwefelsäuregehalt der Nadeln am höchsten ist. So
                              									findet sich am Eichelnberge bei Clausthaler Silberhütte 1,332 Proc., am Bromberg bei
                              									Lautenthal 1,04 Proc., am Schwarzenberge bei Altenauer Silberhütte 0,9 Proc.
                              									Schwefelsäuregehalt. Thalaufwärts nehmen ähnlich den sichtbaren Beschädigungen die
                              									Schwefelsäuregehalte rasch ab, während sie thalabwärts ganz allmählich geringer
                              									werden. Die kleinsten Gehalte finden sich in weitester Entfernung der Hütte und an
                              									den Höhen der eingrenzenden Thalrücken, welche vom Rauche nicht getroffen werden.
                              									Verfolgt man die abnehmenden Schwefelsäuregehalte im Innerstethaie abwärts nach
                              									Lautenthal zu, so zeigt sich in der Nähe der Hüttschenthaler Sägemühle am
                              									Kratzenthal wieder eine plötzliche Steigerung. Die nahe liegende Erklärung dieser
                              									Erscheinung findet sich in der Mitwirkung des Lautenthaler Rauches und kann diese
                              									Stelle mit annähernder Sicherheit als die Thal aufwärts liegende Beschädigungsgrenze
                              									der Lautenthaler Hütte bezeichnet werden. Auf gleiche Weise lassen sich die
                              									südlichen Beschädigungsgrenzen der Frau-Marien-Saigerhütte vor dem Okerthale und der
                              									Sophienhütte vor dem Innerstethaie erkennen und liegt erstere etwa in der Gegend des
                              									Waldhauses, letztere am Ottersberge oberhalb Langelsheim.
                           Sehr interessante Schlüsse lassen sich nun aus dem Vergleich der sichtbaren
                              									Beschädigungen mit den Resultaten der chemischen Analyse ziehen. Zunächst findet man
                              									eine im Ganzen vollkommene Uebereinstimmung der Beschädigungsgebiete; wo die äuſsere
                              									Bonitirung eine Schädigung ansprach, hat sie auch die chemische Analyse bestätigt.
                              									Ueberall, wo die äuſsere Bonitirung keine Schädigung nachwies, hat auch die
                              									chemische Analyse die Reinheit der Bestände nachgewiesen. In dieser Uebereinstimmung
                              									der beiden Bonitirungen liegt nun der beste Beweis, daſs die chemische Analyse mit
                              									vollkommener Schärfe das Gebiet des Hüttenrauches zu bestimmen vermag. Auch in den
                              									einzelnen Graden der Beschädigung herrscht auffallende Gleichmäſsigkeit der
                              									Bonitirungen und lassen sich Abweichungen stets auf den Einfluſs der
                              									Bestandesbonität zurückführen. Betrachten wir nämlich die einzelnen
                              									Schwefelsäuregehalte näher, so fällt es auf, daſs diese selbst am Rande der
                              									Rauchblöſse sehr verschieden sind. Am Eichelnberge bei Clausthal z.B. ist der Schwefelsäuregehalt
                              									am Rande der Rauchblöſse 1,332 Proc., gegenüber am Einertsberge, gleichfalls am
                              									Rande der Blöſse, nur 0,7 und 0,6 Proc., am Kahberge im Okerthale sogar nur 0,323
                              									Proc. Diese Unterschiede erklärt die Bestandesbeschreibung. Vom Eichelnberge sagt
                              									sie: Fichtenboden 2., vom Einertsberge 3. bis 4. und vom Kahberge nur schlechte 5.
                              									Bonität.
                           Stellt man alle von den Rändern der Rauchblöſsen entnommenen Proben unter Beifügung
                              									ihrer Bonität zusammen, so ergibt sich durchschnittlich als Gehalt der Nadeln:
                           
                              
                                 für
                                 zweite
                                 Bonität
                                   1
                                 Probe
                                 1,332
                                 Proc. Schwefelsäure
                                 
                              
                                 „
                                 2.
                                 bis
                                 3.
                                 und
                                 3.
                                 „
                                   4
                                 „
                                 0,852
                                 
                                 
                              
                                 „
                                 3.
                                 bis
                                 4.
                                 und
                                 4.
                                 „
                                 11
                                 „
                                 0,699
                                 
                                 
                              
                                 „
                                 4.
                                 bis
                                 5.
                                 und
                                 5.
                                 „
                                   5
                                 „
                                 0,551
                                 
                                 
                              
                           Wenn ich auch gerne zugebe, daſs diese Probenzahl nicht
                              									hinreicht, ein nicht unrichtiges Gesetz für das Verhalten der Bäume im Hüttenrauch
                              									allein zu begründen, so wird es doch durch so viele auffallende Erscheinungen im
                              									Verhalten einzelner Bäume und Bestände, die lediglich hierdurch ihre naheliegende
                              									Erklärung finden, unterstützt, daſs die Wahrheit des Satzes nicht angezweifelt
                              									werden kann: Unter sonst gleichen Verhältnissen widersteht ein Baum auf gutem Boden
                              									dem Hüttenrauche länger als auf schlechtem. Dieser Satz begründet auch zum Theil die
                              									stärkeren äuſseren Beschädigungen der vorspringenden Rücken und die schwächeren der
                              									durch diese geschützten Bestände. In beiden Thälern liegen alle die dem Rauche
                              									zugewendeten Seiten der vorspringenden Rücken nach Süd und Südwest, eine Stellung,
                              									die bei uns immer eine geringe Bonität bedingt. Die dem Rauche abgewendeten Seiten
                              									liegen dagegen nach Nord und Nordost, Lagen, in denen man bei uns die besseren
                              									Fichtenbonitäten zu finden pflegt.
                           Die eben angeführten Zahlen geben auch einen Anhalt, wie viel Schwefelsäure Bestände
                              									in verschiedenen Bonitäten durchschnittlich durch die Nadeln aufzunehmen vermögen,
                              									bevor sie absterben. Daraus, daſs in der besten Bonität 2 über 1,332 Proc.
                              									Schwefelsäure nicht aufgefunden ist, daſs in der schlechtesten Bonität 5 am
                              									Blöſsenrande noch 0,323 Proc. festgestellt wurde, darf gefolgert werden, daſs bei
                              									allen Beständen von den schlechtesten bis zu den besten des Oberharzes (denn über 2.
                              									Bonität kommen wir wohl nicht hinaus) der Tod innerhalb der Grenzen von 0,323 bis
                              									1,332 Proc. Schwefelsäure der Nadeln eintreten muſs.
                           
                              
                                 (Forts. folgt.)