| Titel: | W. D. Marks' Construction des Fehlergliedes im Zeuner'schen Schieberdiagramm; von Ingenieur Müller-Melchiors. | 
| Autor: | Müller-Melchiors | 
| Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 161 | 
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                        W. D. Marks' Construction des Fehlergliedes im
                           								Zeuner'schen Schieberdiagramm; von Ingenieur Müller-Melchiors.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 13.
                        Müller-Melchiors, über Marks' Construction des
                           								Fehlergliedes.
                        
                     
                        
                           Der wahre Abstand des Schiebermittels vom Achsmittel bei der einfachen
                              									Schiebersteuerung ist nach Zeuner:
                           
                              s=r\,sin\,(\omega+\delta)+l\,\sqrt{1-\left(\frac{r}{l}\right)^2\,cos^2\,(\omega+\delta)}
                              
                           mit den bekannten Bezeichnungen von r,
                                 										l, δ und ω für den Radius des Excenterkreises,
                              									die Excenterstangenlänge, den constanten Voreilwinkel und den variablen
                              									Kurbelwinkel; die Schieberstangenlänge ist dabei gleich Null gesetzt. Nach einer
                              									unter allen Umständen erlaubten Reduction ergibt sich:
                           
                              s=r\,sin\,(\omega+\delta)+l-\frac{r^2}{2\,l}\,cos^2\,(\omega+\delta)
                              
                           und der Ausschlag des Schiebers aus seiner wirklichen
                              									Mittelstellung ist:
                           \xi=r\,sin\,(\omega+\delta)-\frac{r^2}{2\,l}\,cos^2\,(\omega+\delta).
                           Für unendlich lange Excenterstangen wird
                              										\xi=r\,sin\,(\omega+\delta) und man begeht, denselben Werth
                              									auch für endliche Excenterstangenlängen beibehaltend, einen Fehler vom Betrag
                              										z'=\frac{r^2}{2\,l}\,cos\,(\omega+\delta). Dieser Ausdruck
                              									nimmt für \omega=0 und \omega=180
                              									entgegengesetzt bezeichnete Werthe an, bedingt somit ungleiches lineares Voreilen,
                              									verschwindet nur bei den äuſsersten Schieberstellungen, erreicht sein Maximum in der
                              									Nähe des Dampfabschlusses und beeinträchtigt so die Anwendung des Diagrammes auf
                              									praktische Fälle in hohem Grade.
                           Darum stellte Zeuner die früher auch von den Praktikern
                              									allgemein anerkannte Bedingung auf, das lineare Voreilen solle beiderseits gleich,
                              									d.h. das Fehlerglied solle in den todten Punkten gleich Null werden; gleichzeitig
                              									damit wurde als der wahre Schwingungsmittelpunkt des Schiebers nicht der zwischen
                              									den äuſsersten Ausschlägen in der Mitte liegende Punkt, sondern die Halbirung der
                              									Todtpunktstellungen erklärt und der Schieberausschlag aus diesem Punkte mit ξ
                              									bezeichnet. Dieser
                              									Schwingungsmittelpunkt steht nun nicht mehr um den Betrag l vom Achsmittel ab, sondern um den Werth:
                           
                              d=\frac{s\,(o^\circ)+s\,(180^\circ)}{2}=l-\frac{r^2}{2\,l}\,cos^2\,\delta
                              
                           und der Schieberausschlag wird:
                           \xi=s-d=r\,sin\,(\omega+\delta)+\frac{r^2}{2\,l}\,[cos^2\,\delta-cos^2\,(\omega+\delta)].
                           Das Fehlerglied
                              										z=\frac{r^2}{2\,l}\,[cos^2\,\delta-cos^2\,(\omega+\delta)]
                              									wird gleich Null für \omega=0,\ 180,\ 180-2\,\delta,\
                                 										360-2\,\delta und erreicht sein Maximum für
                              										\omega=90-\delta,\ 270-\delta positiv, für
                              										\omega=180-\delta und 360-\delta
                              									negativ.
                           Hier wird also thatsächlich der störende Einfluſs des Fehlergliedes auf ein Minimum
                              									reducirt und war sonach Zeuner gewiſs berechtigt, die
                              									Berücksichtigung des Fehlergliedes im Diagramm gar nicht zu versuchen. Einen
                              									praktischen Werth hat ein näheres Eingehen unter gar keinen Umständen, nachdem das
                              									einfache Diagramm es ermöglicht, alle Hauptmaſse in wenig Minuten festzustellen, das
                              									Ausmitteln aber, wie durch kleine Aenderungen und Verschiebungen die unvermeidlichen
                              									Fehler, welche vor Allem aus der endlichen Treibstangenlänge entstehen, thunlichst
                              									zu vermindern wären, doch nur an einem Modell oder an der fertigen Maschine
                              									stattfinden kann. In noch höherem Grade eilt dies selbstverständlich bei
                              									Coulissensteuerungen, wo auch die genaueste Darstellung jedes einzelnen Fehlers ganz
                              									werthlos ist, so lange es nicht gelingt, den combinirten Einfluſs sämmtlicher
                              									Fehlerquellen – und wie viele bleiben hier noch selbst bei günstigen
                              									Stangenverhältnissen bestehen – zu charakterisiren.
                           Dies muſste vorausgeschickt werden, um den richtigen Standpunkt zur Betrachtung der
                              									Diagrammconstruction von Prof. William D. Marks in
                              									Philadelphia einzunehmen. Dieselbe ist von überraschender Einfachheit und basirt auf
                              									einer höchst originellen Entwicklung, kann jedoch nur wesentlich theoretisches
                              									Interesse erwecken und wird sich nie einen Weg in die Praxis bahnen.
                           Zur graphischen Darstellung des Fehlergliedes wandelt Marks dasselbe in eine Function des theoretischen Schieberausschlages ξ um und transformirt zunächst in dem oben entwickelten
                              									Werth von z das zweite Glied
                              										cos^2\,(\omega+\delta) in
                              										1-sin^2\,(\omega+\delta); demnach ergibt sich:
                           
                              2\,l\,z=r^2\,cos^2\,\delta-r^2+r^2\,sin^2\,(\omega+\delta)=r^2\,cos^2\,\delta-r^2+\xi^2
                              
                           und endlich
                           \xi^2=2\,l\,z+C, wobei
                              										C=r^2\,(1–cos^2\,\delta).
                           Dies ist die Gleichung einer Parabel, deren Scheitel um
                              										\frac{r^2\,(1-cos^2\,\delta)}{2\,l} hinter der Ordinatenachse
                              									liegt, deren Ordinaten die theoretischen Schieberausschläge sind, die Abscissen
                              									dagegen die den betreffenden Werthen von ξ
                              									entsprechenden Werthe des Fehlergliedes, positiv oder negativ, je nachdem sie vor
                              									oder hinter der Ordinatenachse liegen.
                           
                           Da von der Parabel nur die nächst dem Scheitel liegenden Strecken benutzt werden,
                              									genügt die Einsetzung des im Scheitel osculirenden Kreises mit dem halben Parameter
                              										l als Radius und es ergibt sich die in Fig.
                                 										1 Taf. 13 dargestellte einfache Construction.
                           Die Schieberkreise o und o'
                              									sind mit dem Voreilwinkel δ und dem halben Excenterhub
                              									als Radius in normaler Weise aufgetragen. Die Kreise der inneren und äuſseren
                              									Deckung, der äuſseren Kanalkante und des Kurbelzapfens ergaben die verschiedenen
                              									kritischen Punkte und die Projectionen vom Kreise R auf
                              									die parallel zur X-Achse gezogene Linie X'X' die entsprechenden Kolbenstellungen für unendlich
                              									lange Excenter- und Treibstangen.
                           Um nun zunächst das Fehlerglied der Steuerung zu construiren, wird über der
                              									Mittellinie oo' der Schieberkreise das betreffende
                              									Parabelstück aufgetragen, dessen Scheitel um den Betrag
                              										\frac{C}{2\,l} hinter dem Ursprung O liegt. Nachdem jedoch noch die zweite Bestimmung besteht, daſs für die
                              									todten Punkte z=0 wird, so ist es einfacher mit dem Werthe
                              										\xi=Om_0 die Stücke Om und Om' auf der Linie oo'
                              									abzuschneiden und durch diese den Kreis vom Radius l zu
                              									legen. Für einen beliebigen Kurbelwinkel ω wird der
                              									Werth von z erhalten, indem das Stück OP auf der Linie oo'
                              									abgeschnitten und der Abstand des Parabelbogens genommen wird; diese Maſse, je nach
                              									der Lage der Curve positiv oder negativ vom Schieberkreis auf die Radienvectoren
                              									aufgetragen, geben endlich zwei neue kreisähnliche Curven, welche die wahren
                              									Schieberausschläge darstellen. Dieselben tangiren nicht mehr die Normale auf die
                              									Schieberkreismittellinie und gehen auch nicht mehr nothwendig durch den Punkt O.
                           Obwohl in Folge des ungewöhnlichen Excenterstangenverhältnisses
                              										l:r=4 das Fehlerglied auſsergewöhnlich groſs ist, macht sich
                              									dessen Einfluſs nicht allzu sehr geltend; bei guten Steuerungen ist dieser Werth 20,
                              									30 und mehr und läſst sich das Fehlerglied absolut nicht mehr nachweisen. Uebrigens
                              									ist es bei den hier angenommenen grellen Verhältnissen interessant zu bemerken, wie
                              									der Einfluſs des Fehlergliedes an den beiden Cylinderenden gerade entgegengesetzt
                              									ist. So wird der obere Schieberkreis gröſser, der untere kleiner, und während für
                              									das der Achse abgewendete Cylinderende der Maximalausschlag die Compression und die
                              									Vorausströmung vergröſsert, die Voreinströmung und die Füllung verkleinert wird,
                              									findet für die Achsseite des Cylinders in allen Punkten das gerade Entgegengesetzte
                              									statt. Doch ist hervorzuheben, daſs der in diesem speciellen Falle charakterisirte
                              									Einfluſs des Fehlergliedes nicht immer gleich auftritt und unter Umständen die
                              									Aenderungen des Füllungsgrades auch umgekehrt auftreten können.
                           In gleicher Weise wie die endliche Excenterstangenlänge berücksichtigt Prof. Marks auch die endliche Treibstangenlänge und entwickelt aus der
                              									allgemeinen Gleichung derselben:
                           
                              x=R\,(1-cos\,\omega)-\frac{R^2}{2\,L}\,sin^2\,\omega
                              
                           die Formel für das Fehlerglied Z,
                              									nämlich: (R\ sin\ \omega)^2=2\ LZ.
                           Der Werth R sinω läſst sich direct aus dem Diagramm
                              									abstechen; für die Parabel wird ein mit dem Scheitel in M geschlagener Kreis vom Radius L gezogen und
                              									der Abstand SU = Z gibt
                              									sofort den Betrag, um welchen der Kolben näher der Achse rückt als wie er bei
                              									unendlich langer Treibstange stehen würde. Hier ergibt sich sofort, um wie viel mehr
                              									die endliche Schubstange den Füllungsgrad an beiden Cylinderenden beeinfluſst, so
                              									daſs gerade aus diesem Grunde das Justiren auf gleiches Voreilen im Allgemeinen
                              									unzulässig wird.
                           In ähnlicher Weise hat Marks auch den Einfluſs studirt,
                              									welchen bei Coulissensteuerungen die Anordnung des Excenterstangenangriffes hinter der Mittellinie des Coulissenbogens
                              									hervorbringt, und vergleicht die Richtigkeit all seiner Entwicklungen durch die
                              									entsprechenden direct vom Modell als Polardiagramme aufgezeichneten Diagramme.
                           Von speciellem Interesse sind noch die Untersuchungen, welche an demselben Modelle
                              									angestellt wurden über die störenden Bewegungen des Coulissensteins bei
                              									verschiedenen Arten der Aufhängung einer Stephenson'schen Coulisse. Auf Taf. 13
                              									zeigt Fig. 2 das vom Apparat geschriebene Diagramm des Coulissensteins für eine
                              									Stephenson-Coulisse mit Angriff der Excenterstange in der Mittellinie des
                              									Coulissenbogens und Angriff des Hängeeisens in der Mitte des Bogens, Fig. 3
                              									dieselbe Coulisse in der Mitte der Sehne aufgehängt, Fig. 4 im
                              									unteren Excenterstangenbolzen und Fig. 5
                              									halbwegs zwischen diesem und dem Coulissenmittel, aber auch in der Mittellinie des
                              									Bogens aufgehängt. Die Curven folgen sich von oben nach unten entsprechend der
                              									tiefsten Stellung der Coulisse (Ausschlag des Steins u
                              									= c, halbe Coulissenlänge) bis zur höchsten Stellung
                              									und geben ein klares Bild der dabei auftretenden Veränderungen, deren Einfluſs wohl
                              									kein Diagramm jemals vollständig darstellen wird.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
