| Titel: | Kühn's Neuerungen am Infanteriegewehr M/71. | 
| Autor: | F. H. | 
| Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 189 | 
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                        Kühn's Neuerungen am Infanteriegewehr
                           								M/71.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 17.
                        Kühn's Neuerungen am Infanteriegewehr.
                        
                     
                        
                           Wie bekannt, haften dem Schloſsmechanismus des deutschen Infanteriegewehres M/71
                              									(vgl. 1875 216 * 145) verschiedene Mängel an, zu welchen
                              									besonders die vielen Versager zu rechnen sind, die vornehmlich in früherer Zeit
                              									vorkamen. Wenn nun auch ein Theil derselben durch die mangelhafte Beschaffenheit der
                              									anfangs aus England bezogenen Patronen entstanden ist, so blieben doch selbst nach
                              									Verbesserung der Munition genug übrig und konnte der immer noch zu hohe Procentsatz Versager nur
                              									allein der Schloſsconstruction zur Last gelegt werden. Als Ursache dafür hat sich
                              									denn auch herausgestellt, daſs die Kraft der ursprünglich verwendeten Spiralfeder zu
                              									gering bemessen war. Es besteht nämlich die Aufgabe derselben nicht allein darin,
                              									den Schlagbolzen mit Schlagbolzenmutter, sondern auch zugleich mit diesen Theilen
                              									das Schlöſschen und zwar mit solcher Gewalt vorzuschnellen, daſs der Schlagbolzen
                              									fähig ist, das Zündhütchen zur Explosion zu bringen. Es reichte indessen die Kraft
                              									der Feder zur Bewegung solcher Massen unter Ertheilung genügender Percussionskraft
                              									nicht aus und zwar um so weniger, sobald das Vorschnellen des Schlöſschens noch
                              									dadurch erschwert wurde, daſs bei nicht gänzlichem Schlieſsen des
                              									Verschluſscylinders eine Reibung zwischen den schiefen Flächen des
                              									Schlöſschenansatzes und des Verschluſscylinders entstand. Es wird deshalb jetzt
                              									neben der schwächeren, zu Zielübungen u. dgl. im Gebrauche befindlichen Spiralfeder
                              									eine kräftigere Feder verwendet und sind dadurch die Versager fast gänzlich
                              									beseitigt. Allein diese starken Spiralfedern haben wieder den Uebelstand im Gefolge,
                              									daſs die Schloſstheile sehr schnell abgenutzt werden, abgesehen von den Uebelstand
                              									en, welche ein Vorräthighalten zweier verschiedener Spiralfedern nach sich ziehen
                              									muſs.
                           Um diese Nachtheile zu beseitigen und um zu ermöglichen, mit schwächeren Spiralfedern
                              									dasselbe Resultat zu erzielen, sind von Hauptmann Kühn,
                              									Subdirector der kgl. Gewehrfabrik in Spandau (* D. R. P. Kl. 72 Nr. 12 831 vom 29.
                              									Juni 1880), wesentliche Verbesserungen in Vorschlag gebracht worden. Dieselben
                              									bestehen darin, daſs die Schlagbolzenmutter gänzlich unabhängig von dem Schlöſschen
                              									gemacht worden ist und die Aufgabe der Spiralfeder nur in dem Vorschleudern des
                              									Schlagbolzens mit Mutter, also einer erheblich geringeren Masse, besteht. Um dies zu
                              									ermöglichen, sind die in Fig. 1 bis
                              										6 Taf. 17 dargestellten Aenderungen an dem Infanteriegewehre M/71
                              									vorgenommen worden; es zeigen Fig. 1 und
                              										2 Seitenansicht, bezieh. obere Ansicht des geschlossenen und gespannten
                              									Gewehres; Fig. 3 und
                              										4 Schnitt und Ansicht der Schlagbolzenmutter bezieh. des Schlöſschens,
                              										Fig. 5 Ansicht der Sicherung von hinten und von der Seite, Fig.
                                 										6 Ansicht des Verschluſscylinders von oben und von der Seite.
                           Die Schlagbolzenmutter hat an der vorderen Fläche einen cylindrischen Ansatz, welcher
                              									in eine Erweiterung der Bohrung des Schlöſschens tritt, und an der unteren Seite
                              									dieses Ansatzes vorn eine Nase erhalten, welche sich bei gespanntem Gewehre hinter
                              									den Abzugsfederstollen legt, während bei dem Armeegewehre das Schlöſschen sich gegen
                              									letzteren stützt. Das Schlöſschen besitzt an der unteren Seite eine Nuth, um den
                              									Abzugsfederstollen ungehindert passiren lassen zu können; auſserdem ist seine
                              									Bohrung im hinteren Theile, wie bereits bemerkt, erweitert und endlich in seinem
                              									oberen, vorderen, über den Verschluſscylinder tretenden Ansatz ein nach unten
                              									hervorragender Stift d angebracht; letzterer führt sich
                              									in einer Nuth e, welche auf dem hinteren Ende des
                              									Verschluſscylinders eingeschnitten ist und dieselbe Neigung besitzt wie die schiefen
                              									Spannflächen dieses Cylinders und des Schlöſschens. Endlich ist die Sicherung
                              									verkürzt und in der unteren Fläche ihres stärkeren, unmittelbar vor ihrem Flügel
                              									gelegenen Theiles mit einer runden Aussenkung versehen.
                           Durch diese Aenderung ist nun im Zusammengreifen der einzelnen Schloſstheile folgende
                              									Abänderung bewirkt: Bei dem Oeffnen des Gewehres, also Aufdrehen des
                              									Verschluſscylinders, gleitet der Stift d des
                              									Schlöſschens in der Nuth e des Verschluſscylinders
                              									zurück, die untere Nase der Schlagbolzenmutter tritt hinter den Abzugsfederstollen.
                              									Bei dem Schlieſsen der Waffe, also Drehen des Verschluſscylinders nach rechts,
                              									gleitet der Stift d in der Nuth e vor und zwingt das Schlöſschen vorzugehen und sich gegen die hintere
                              									Fläche des Verschluſscylinders, wie bei abgeschossenem Gewehre, zu legen. Die
                              									Schlagbolzenmutter nebst Schlagbolzen wird durch den Abzugsfederstollen
                              									zurückgehalten und das Gewehr dadurch gespannt. Beim Abschieſsen braucht somit die
                              									Schlagfeder nur diese Theile vorzuschnellen.
                           Das Sichern des Gewehres geschieht in der Weise, daſs sich der hintere, stärkere und
                              									cylindrische Theil der Sicherung bei Rechtsdrehung des Flügels vor den cylindrischen
                              									Ansatz der Schlagbolzenmutter legt; bei Linksdrehung des Flügels kann die letztere
                              									unter der Sicherung hinweg vorschnellen.
                           
                              
                                 F. H.
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
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