| Titel: | Ueber den Nachweis und die Giftigkeit des Kohlenoxydes und sein Vorkommen in Wohnräumen. | 
| Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 219 | 
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                        Ueber den Nachweis und die Giftigkeit des
                           								Kohlenoxydes und sein Vorkommen in Wohnräumen.
                        M. Gruber, über Kohlenoxyd in Wohnräumen.
                        
                     
                        
                           Im Anschluſs an die Mittheilungen von F. Fischer (1880
                              										235 438), Weyl und Fodor (1880 237 455), Biefel und Poleck (1881
                              										240 199) über die Schädlichkeit des Kohlenoxydes in der Zimmerluft
                              									entnehmen wir einer von M. Gruber in der Sitzung der
                              									Münchener Akademie der Wissenschaften am 5. Februar 1881 vorgelegten Arbeit folgende
                              									Angaben. Die Versuche wurden mit sorgfältig hergestellten Gemischen von Luft mit
                              									0,02 bis 0,5 Proc. Kohlenoxyd an Kaninchen, Hühnern und weiſsen Mäusen angestellt
                              									und schwankte die Dauer der Versuche von 10 Stunden bis 3½ Tagen.
                           Schon bei einem Gehalte der Athemluft von etwa 0,06 bis 0,07 Proc.
                              									Kohlenoxyd ist eine Veränderung im Verhalten des Thieres wahrnehmbar. Längstens ½
                              									Stunde nach Beginn der Einathmung werden die Athemzüge flach und sehr zahlreich,
                              									ohne daſs Dyspnoe vorhanden wäre. Die Thiere verhalten sich aber möglichst ruhig, da
                              									jede Bewegung eine lebhafte weitere Beschleunigung der Respiration bedingt. Bei
                              									gleichbleibender Concentration ist aber auch bei tagelanger Einwirkung ein weiteres
                              									Symptom von Erkrankung nicht wahrzunehmen. Bei Steigerung des Kohlenoxydgehaltes bis
                              									0,1 Proc. etwa treten keine anderen Veränderungen ein, als daſs das Athmen sehr
                              									rasch erfolgt und erschwert ist; der Mund ist geöffnet, die Nasenflügel bewegen sich
                              									mit, oft wird der ganze Leib mitbewegt. Die Thiere fressen nicht oder wenig und
                              									sitzen meist flach mit weit ausgestreckten Vorderbeinen da. Erst bei einem Gehalte
                              									von etwa 0,15 Proc. zeigen sich weitere Krankheitserscheinungen. Die peripheren
                              									Gefäſse sind stark erweitert, daher die Ohren und andere unbehaarte Theile stark
                              									geröthet. Zu den starken Athmenbeschwerden gesellt sich Unsicherheit und Schwäche
                              									der Bewegungen. Das Thier schwankt, wenn es sich aufrichtet oder geht: insbesondere
                              									die Hinterbeine gehorchen den Willensimpulsen nur mangelhaft. Es vermag den Kopf
                              									nicht mehr aufrecht zu erhalten, hält nur mühsam das Gleichgewicht und sinkt öfter
                              									auf die Seite. Es gleitet leicht aus und vermag die weitabgerutschten Beine erst
                              									nach einiger Zeit wieder anzuziehen. Auch diese Erscheinungen steigern sich nicht
                              									weiter, selbst bei 9 bis 10 Stunden langer Einwirkung des Gasgemisches.
                           Steigt der Gehalt des Kohlenoxydes noch höher, so vermögen die
                              									Thiere nicht mehr sich aufrecht zu erhalten und sinken bald auf die Seite; an die
                              									Wand des Kastens gelehnt, verharren sie oft stundenlang in den unbequemsten
                              									Stellungen in tiefer Betäubung. Sie reagiren nicht auf Anklopfen oder Geräusche, die
                              									Athmung ist mühsam, die Zahl der Athemzüge noch immer hoch, aber weit geringer als
                              									bei verdünnterem Kohlenoxyde und tiefer. Doch können in diesem Zustand die
                              									Respirationsstörungen sehr hinter die Erscheinungen der Betäubung zurücktreten. Von
                              									Zeit zu Zeit erwachen sie etwas, machen ungeschickte Versuche, sich aufzurichten. Je
                              									höher der Kohlenoxydgehalt ist, um so heftiger werden die zeitweise wiederkehrenden
                              									Versuche, sich aufzurichten, und nehmen einen krampfartigen Charakter an. Aber auch
                              									diesen Zustand vermögen die Thiere noch lange zu ertragen.
                           Gruber lieſs Kaninchen eine Luft mit
                              									0,2 Proc. bis zu 12 Stunden, eine solche mit 0,28 Proc. acht Stunden lang, eine mit
                              									0,35 Proc. und 0,36 Proc. je 3 Stunden einathmen, ohne daſs die Thiere zu Grunde
                              									gingen, obwohl bei den zwei letzten Concentrationen bei Schluſs des Versuches die
                              									Zahl der Athemzüge bereits bedenklich gesunken war. Steigt aber der Kohlenoxydgehalt
                              									auf 0,4 und 0,5 Proc., dann verläuft die Vergiftung sehr schnell. Die Respiration
                              									wird nach wenigen Minuten stürmisch, die Thiere stürzen bald zusammen, liegen kurze
                              									Zeit regungslos, um bald darauf einige wilde Sätze zu machen, bei denen es
                              									zweifelhaft ist, ob man noch willkürliche Bewegungen oder clonische Krämpfe vor sich
                              									hat. Sehr bald werden die Athemzüge seltener, 60, 40, 10, 8, 6 in der Minute, und
                              									stehen entweder plötzlich still, ohne daſs eine weitere Veränderung am Thiere
                              									wahrnehmbar wäre, oder das Thier stöſst kurz vor dem Tode ein oder zwei gellende
                              									Schreie aus und wird vom Opisthotonus ergriffen, der aber nie sehr hochgradig
                              									ist.
                           Aus diesen Versuchen ergibt sich also, daſs schon überraschend geringe Mengen des
                              									untersuchten Gases giftige oder schädliche Wirkungen bedingen. Es zeigt sich aber das
                              									Auffallende, daſs trotz fortdauernder Zufuhr neuer Dosen des Giftes bei
                              									gleichbleibender Concentration eine Steigerung der Giftwirkung doch nur in sehr
                              									beschränktem Maſse stattfindet. In kurzer Zeit, längstens in einer Stunde, sind die
                              									Symptome zu einer gewissen Höhe entwickelt, um dann auf dieser tage- oder
                              									stundenlang annähernd gleich zu bleiben, so daſs innerhalb gewisser Grenzen jeder
                              									Concentration ein bestimmter Grad der Vergiftung entspricht. Daſs die Höhe der
                              									Vergiftung in der That von der Concentration und nicht von der Dauer der Einwirkung
                              									des Gases abhängt, zeigen besonders deutlich Versuche, bei denen, nach Ausbildung
                              									der Symptome, von einem höheren Kohlenoxydgehalte auf einen niedrigeren
                              									herabgegangen wurde. Trotz continuirlicher Zufuhr des Giftes nahmen die
                              									Vergiftungserscheinungen doch bedeutend ab und die Thiere erholten sich bis zu einem
                              									gewissen Grade oder auch völlig, wenn der Kohlenoxydgehalt niedrig genug war. Es ist
                              									also unmöglich anzunehmen, wie dies Fodor gethan hat,
                              									daſs im Organismus eine ununterbrochene Anhäufung des Kohlenoxydes stattfinde. Im
                              									Gegentheil muſs der Organismus Mittel haben, das Gas unschädlich zu machen. In
                              									Uebereinstimmung hiermit steht auch, daſs das Kohlenoxyd bei und unter 0,05 Proc.
                              									nicht die geringste wahrnehmbare Wirkung hervorbringt. So hatte insbesondere ein
                              									72stündiger Versuch mit einem trächtigen Kaninchen mit etwa 0,05 Proc. Kohlenoxyd
                              									ein völlig negatives Resultat. Das lebhafte Thier blieb fortwährend frisch und
                              									munter und zeigte einen höchst gesunden Appetit.
                           Um völlig sicher zu stellen, daſs es einen meſsbaren Grad der Verdünnung gebe,
                              									unterhalb dessen jede Schädlichkeit des Gases erlischt, stellte Gruber auch zwei Versuche an sich selbst an. Er athmete
                              									an zwei auf einander folgenden Tagen je 3 Stunden lang einmal Luft mit 0,021 Proc.,
                              									das andere Mal Luft mit 0,024 Proc. Kohlenoxyd ein. Obwohl in den Luftproben das Gas
                              									deutlich nachweisbar war, also jedenfalls auch in seinem Blute nach Fodor's Methode nachweisbar gewesen wäre, verspürte er
                              									doch nicht die geringste schädliche Wirkung. War auch die Dauer der Versuche kurz,
                              									so scheinen sie doch für die Unschädlichkeit des so verdünnten Gases beweisend. Nach
                              									Maſsgabe der Thierversuche hätten sich in dieser Zeit bereits Symptome einstellen
                              									müssen; ja, wenn im Körper wirklich eine beträchtliche Anhäufung des Kohlenoxydes
                              									stattfände, dann hätte man eine arge Vergiftung erwarten müssen, wenn man bedenkt,
                              									daſs die Blutmasse eines Erwachsenen etwa 1l
                              									Sauerstoff bezieh. Kohlenoxyd zu binden vermag und in 3 Versuchsstunden mehr als
                              										300cc Kohlenoxyd in die Lungen gelangten. Die
                              									Grenze der Schädlichkeit des Kohlenoxydgases liegt also wahrscheinlich bei einer
                              									Verdünnung von 0,05, sicher aber von 0,02 Proc.
                           Von einer beträchtlichen Anhäufung des Gases im Organismus kann keine Rede sein und es
                              									fragt sich daher, auf welche Weise sich der Körper desselben entledigt. Es kann kein
                              									Zweifel darüber bestehen, daſs das Kohlenoxydhämoglobin sich bei Körpertemperatur in
                              									beträchtlichen Massen dissociirt. Es wäre auch ohne Annahme der Abhängigkeit der
                              									Bildung desselben vom Partialdrucke des Kohlenoxydes unverständlich, warum die
                              									Vogel'sche Probe auch bei Anwendung gröſserer Luftmengen im Stiche läſst. Setzen wir
                              									den Fall, wir hätten in eine 20l- Flasche 6cc Kohlenoxyd gebracht und fügen 10cc Blut hinzu. 10cc Blut vermögen höchstens 1cc,7
                              									Kohlenoxyd zu binden; wenn also einfach das Kohlenoxyd den Sauerstoff austreiben
                              									würde, wäre mehr als 3mal so viel Kohlenoxyd vorhanden, um das Blut völlig zu
                              									sättigen, worauf es auch im unverdünnten Zustande die charakteristische
                              									Spectralreaction geben müſste. Aber Fodor's Verfahren
                              									selbst ist beweisend. So vortreffliche Dienste es zum qualitativen Nachweis des
                              									Kohlenoxydes leistet, zur quantitativen Bestimmung ist es unbrauchbar. Das reducirte
                              									Palladium entspricht stets nur einem geringen Theile des vorhandenen Kohlenoxydes
                              									und zwar deshalb, weil das Blut stets nur einen kleinen Theil desselben absorbirt.
                              									Werden z.B. in eine 20l-Flasche 2cc Kohlenoxyd gebracht, 10cc Blut zugefügt, geschüttelt, nach einiger Zeit
                              									das Blut entleert, die Reste mit Wasser ausgespült und wird dieses Verfahren mit
                              									neuen Blutproben 3 und 4mal wiederholt, so ist das Resultat stets das gleiche, ob
                              									jede Blutprobe 20 Minuten oder 3 Stunden mit der Luft in Berührung blieb. Alle
                              									Blutproben gaben in Fodor's Apparate die
                              									Kohlenoxydreaction und, wenigstens die 3 oder 4 ersten, annähernd in gleicher
                              									Stärke.
                           Auch die insbesondere von Pokrowsky angegebene, von Dybkowsky bestätigte Oxydation findet zweifellos statt.
                              									Sie erfolgt langsam schon bei gewöhnlicher Temperatur. Je mehr Oxyhämoglobin neben
                              									Kohlenoxydhämoglobin in einer Blutprobe enthalten ist, um so rascher wird die
                              									Oxydation verlaufen. Bringt man von den wie oben bereiteten 4 oder 5 Blutproben die
                              									vierte oder fünfte sogleich in Fodor's Apparat, während
                              									man die übrigen wohlverkorkt bei gewöhnlicher Temperatur stehen läſst, so ist in
                              									letzteren schon nach 6 Stunden kein Kohlenoxyd mehr nachweisbar, während die
                              									sogleich untersuchte starke Reduction bewirkte. Bei Körpertemperatur geht die
                              									Oxydation viel rascher vor sich. Im Organismus finden also jedenfalls beide Processe
                              									statt, das Ueberwiegen der Dissociation ist aber aus dem oben angegebenen Grunde
                              									wahrscheinlicher.
                           Nachdem durch die bisherigen Versuche festgestellt war, daſs es eine Grenze der
                              									Schädlichkeit des Kohlenoxydes gebe, daſs es möglich sei, nach dem Verfahren von Fodor noch eine mindestens 4mal kleinere Menge in der
                              									Luft nachzuweisen, durfte man hoffen, durch Untersuchungen in verschiedenen Wohn-
                              									und Heizräumen Bestimmteres über das Vorkommen und damit über die hygienische
                              									Bedeutung des Kohlenoxydes zu erfahren. Zwar fehlt es noch an einer quantitativen
                              									Methode, denn die von Fodor empfohlene ist fehlerhaft;
                              									aber wenigstens kann man auf folgende Weise gewisse Grenzwerthe erlangen. Man
                              									schüttelt 20l Luft mit 10cc Blut und prüft das Blut nach Fodor auf Kohlenoxyd. Das Spülwasser davon wird im
                              									Spectralapparate untersucht. Erhält man die Reaction nach Fodor, aber die im Spectralapparate nicht, so weiſs man, daſs der Gehalt
                              									weniger als 0,1 Proc. und mehr als 0,005 Proc. beträgt. Ferner nimmt man 100cc Luft und prüft nach Vogel. Gab die Untersuchung der groſsen Luftprobe die Absorptionsstreifen,
                              									die zweite aber nicht, dann liegt der Kohlenoxydgehalt zwischen 0,1 und 0,25 Proc.
                              									Eine Luft, die mehr als 0,25 Proc. enthält, würde wohl als höchst giftig zu
                              									bezeichnen sein.
                           Gruber untersuchte nun die Luft mehrerer
                              									Laboratoriumsräume, eines Dampfkesselhauses, in dem eben ein leichter Kohlengeruch
                              									wahrnehmbar war, eines durch einen eisernen Ofen geheizten Wohnzimmers, dessen
                              									Bewohner während der kalten Jahreszeit an beständigem Kopfschmerz litten, der
                              									angeblich bei Heizung des Ofens sich steigerte, wodurch der Verdacht auf diesen
                              									gelenkt wurde, immer ohne Erfolg. Dasselbe negative Resultat hatten mehrere
                              									Versuche, bei denen der eiserne Ofen eines kleinen Badezimmers stundenlang zum
                              									gröſsten Theil glühend erhalten wurde. Obwohl eine Luftprobe direct von der Ofenwand
                              									abgesaugt wurde, konnte man doch keine Spur von Kohlenoxyd auffinden. Wenn auch die
                              									Thatsache der Durchgängigkeit des glühenden Eisens für Kohlenoxyd feststeht, so
                              									wirkt doch bei einem eisernen Ofen die Druckdifferenz zwischen der Luftsäule im
                              									Kamin und der Auſsenluft der Diffusion nach Gruber in
                              									bedeutendem Maſse entgegen und die etwa diffundirenden Mengen sind so gering, daſs
                              									sie sich nicht nachweisen lieſsen. Auch wird man berücksichtigen müssen, daſs die
                              									durch die glühenden Ofenwandungen in die freie Luft diffundirenden Kohlenoxydmengen
                              									bei Entzündungstemperatur mit reichlichem Sauerstoffe zusammentreffen, daher
                              									wahrscheinlicher Weise sogleich zu Kohlensäure verbrennen. Von dieser Seite droht
                              									also von den eisernen Oefen mit Bestimmtheit keine Gefahr. Ebenso lieſs die
                              									Untersuchung einer Hauber'schen Luftheizung weder in der Heizkammer, noch in dem
                              									geheizten Schulzimmer die geringste Spur Kohlenoxyd erkennen, obwohl zehn der
                              									kleinen Caloriferen zur Hälfte rothglühend waren. Hiermit ist wohl der principiellen
                              									Bekämpfung der Luftheizung von diesem Gesichtspunkte aus der Boden entzogen.
                              									Ueberhaupt gelang Gruber der Nachweis des Kohlenoxydes
                              									bisher nur einmal, als er in ein Zimmer Leuchtgas in gemessenen Mengen einströmen
                              									und darin diffundiren lieſs. Bei einem Maximalgehalte von 0,007 Proc. Kohlenoxyd war
                              									dasselbe nachweisbar. Der charakteristische Leuchtgasgeruch war aber bereits
                              									deutlich, wenn auch schwach erkennbar, als höchstens 0,003 Proc. Kohlenoxyd in der
                              									Zimmerluft enthalten sein konnten. Es ergibt sich also der Geruch empfindlicher zum
                              									Nachweise des Leuchtgases als die Reaction auf Kohlenoxyd und ganz dasselbe zeigte
                              									sich beim Kohlendunste; auch dessen charakteristischer Geruch war wahrzunehmen,
                              									während noch kein Kohlenoxyd sich auffinden lieſs.