| Titel: | Papier-Prüfungen. | 
| Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 358 | 
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                        Papier-Prüfungen.
                        Hoyer, über Papierprüfungen.
                        
                     
                        
                           Prof. E. Hoyer in München hat für das kgl. bayerische
                                 									Staatsministerium des Innern die Papiere der Standesamtsbücher aus den 8
                              									Landesbezirken geprüft und daraufhin folgenden Bericht abgestattet, welcher in dem
                              										Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt, 1881 S.
                                 									261 abgedruckt ist.
                           Zur Beurtheilung der in Rede stehenden, zu den Formularien der Standesämter benutzten
                              									8 Papiersorten und der Probe eines neu ausgewählten Musters sind vor allen
                              									diejenigen Eigenschaften des Papieres zu untersuchen, welche Anhaltspunkte für die
                              									Bestimmung der Dauerhaftigkeit liefern. Dazu gehören: 1) die absolute Festigkeit, 2)
                              									die Dehnbarkeit, 3) das Gewicht, 4) die Zusammensetzung, 5) die Gleichmäſsigkeit in
                              									der Structur und, wenn auch erst in zweiter Linie, 6) die Farbe, Durchsichtigkeit u.
                              									dgl.
                           Zur Bestimmung der absoluten Festigkeit wurden mit jeder Papiersorte 10 und mehr
                              									Zerreiſsungsversuche nach beiden Richtungen im Bogen angestellt und zwar mit genau
                              									gleich (etwa 15mm) breiten Streifen von der Länge,
                              									wie sie die Gröſse des Bogens ermöglichte. Desgleichen fanden ebenso viel
                              									Dehnungsversuche statt und zwar ebenfalls nach beiden Richtungen im Bogen. Das
                              									Gewicht wurde durch Wägung und Controlwägung des Bogens ermittelt und auf die
                              									Flächeneinheit von 1qm reducirt. Zur Erkennung der
                              									Zusammensetzung wurden chemische Reactionen, mikroskopische Untersuchungen,
                              									Aschenbestimmungen und, wo es nothwendig schien, noch qualitative Untersuchungen der
                              									Asche angestellt. Um den Gleichmäſsigkeitsgrad an
                           
                              
                                 Papier
                                 Gewichtauf 1qm
                                 Asche
                                 Reiſslänge
                                 Verhältniſs
                                 Reiſslänge
                                 Verhältniſs
                                 Dicke
                                 Bemerkungen
                                 
                              
                                 in derQuere
                                 in derLänge
                                 in derQuere
                                 in derLänge
                                 
                              
                                 
                                 g
                                 Proc.
                                 m
                                 m
                                 
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 
                                 mm
                                 
                                 
                              
                                 1
                                   77,09
                                   3,55
                                 3660
                                 4090
                                 0,81
                                 2,91
                                 2,33
                                 0,81
                                 0,078
                                 Sehr reich an Holzstoff. Schmutzig weiſse    Farbe. Stark sauere
                                    											Reaction.
                                 
                              
                                 2
                                   75,32
                                 15,21
                                 2442
                                 4130
                                 0,56
                                 2,27
                                 1,33
                                 0,57
                                 0,084
                                 Sehr reich an Holzstoff. Schwach sauer    reagirend. Asche: Gyps und
                                    											Thonerde.    Schmutzig bräunlich weiſse Farbe mit    stark
                                    											gebräunten spröden Rändern.
                                 
                              
                                 3
                                   94,24
                                   1,14
                                 4024
                                 4833
                                 0,83
                                 5,21
                                 3,66
                                 0,70
                                 0,090
                                 Spuren von verholzter Zelle. Starke Re-    action auf Stärke. Weiſse
                                    											Farbe.
                                 
                              
                                 4
                                   77,50
                                   5,88
                                 2056
                                 3468
                                 0,59
                                 1,80
                                 2,14
                                 0,84
                                 0,096
                                 Sehr reich an Holzstoff. Schmutzig weiſse    Farbe. Reagirt stark
                                    											sauer.
                                 
                              
                                 5
                                   75,79
                                   5,08
                                 2767
                                 3781
                                 0,70
                                 1,68
                                 1,76
                                 0,90
                                 0,078
                                 Sehr reich an Holzstoff. Schmutzig bräun-    lich weiſse Farbe.
                                    											Reagirt schw. sauer.
                                 
                              
                                 6
                                 107,95
                                 13,70
                                 2140
                                 2321
                                 0,92
                                 1,60
                                 1,40
                                 0,87
                                 0,116
                                 Sehr reich an Holzstoff. Stark sauer    reagirend. Asche: Thonerde u.
                                    											Kiesel-    säure. Schmutzig weiſse Farbe.
                                 
                              
                                 7
                                   87,62
                                   5,5
                                 2881
                                 4550
                                 0,63
                                 4,69
                                 2,19
                                 0,46
                                 0,087
                                 Spuren v. verholzter Zelle. Weiſsl. Farbe.    Reaction auf Stärke u.
                                    											schwach sauer.
                                 
                              
                                 8
                                   81,83
                                   7,5
                                 2860
                                 3919
                                 0,73
                                 2,00
                                 1,63
                                 0,81
                                 0,085
                                 Sehr reich an Holzstoff. Schmutzig bräun-    lich weiſse Farbe. Von
                                    											schw. sauerer    Reaction.
                                 
                              
                                 9
                                 126,96
                                   4,12
                                 2906
                                 3276
                                 0,79
                                 4,04
                                 3,14
                                 0,77
                                 0,142
                                 Weiſse Farbe. Animalische Leimung. Sehr    ungleichmäſsig in Dicke,
                                    											wellig.
                                 
                              
                           
                           jeder Papiersorte kennen zu lernen, wurden je fünf
                              									Dickenmessungen auf 0mm,001 und an den
                              									verschiedensten Stellen vorgenommen. Die Mittelwerthe sämmtlicher Untersuchungen
                              									sind in der Tabelle zusammengestellt, wobei bemerkt werden mag, daſs man unter
                              									Reiſslänge diejenige Länge versteht, welche ein überall gleich breiter Streifen
                              									haben muſs, um durch sein eigenes Gewicht zu reiſsen.
                           Um auf Grund dieser Untersuchungs- und Rechnungsresultate nun Schlüsse auf die Güte
                              									und Dauerhaftigkeit der Papiere überhaupt, der vorliegenden Proben insbesondere,
                              									ziehen zu können, sind zugleich diejenigen Erfahrungen in Betracht zu nehmen, welche
                              									man im Laufe der Zeit an guten und schlechten Papieren gemacht. Als solche gelten,
                              									daſs diejenigen Papiere die besten und dauerhaftesten sind, welche aus Leinenlumpen
                              									mit animalischer Leimung erzeugt werden, und daſs die Güte um so mehr abnimmt, je
                              									weiter man sich von dieser einfachen Zusammensetzung entfernt.
                           Vor allen Dingen ist für Dokumentenpapier absolut verwerflich ein Zusatz von
                              									Holzstoff und erdigen Füllstoffen (Gyps, Kaolin, Kreide, schwefelsaurem Baryt u. a)
                              									und letztere sind nur zuzulassen, soweit die mineralische Leimung dieselben fordert.
                              									Da diese nun dem Papier in solcher Menge zugesetzt wird, daſs nicht mehr als 2 Proc.
                              									Asche vom Papier zurückbleiben, so kann man, aus diesem Grunde und weil die
                              									Harzleimung überhaupt nicht verwerflich erscheint, sondern zulässig ist, auch etwa 2
                              									Proc. Aschengehalt als Normalaschengehalt zulassen.
                           Ebenso wichtig für die Dauerhaftigkeit des Papieres ist dessen absolute Festigkeit
                              									und Dehnungsvermögen namentlich aus dem Grunde, weil dieselbe im Verein mit der
                              									möglichst gleichmäſsigen Dicke ein Prüfstein für die sorgfältige Herstellung der
                              									Papiermasse (Zeug) und die Anfertigung des Papieres aus dieser Masse ist. Nach hier
                              									vorliegenden Erfahrungen (vgl. auch Hartig S. 105 d.
                              									Bd.) soll bei Urkundenpapier die Reiſslänge nach der einen Richtung mindestens etwa
                              										5000m und nach der anderen Richtung nicht
                              									unter ¾ hiervon, also etwa 3700m, die Bruchdehnung
                              									ebenfalls in einer Richtung etwa 4½ und in der anderen Richtung ebenfalls nicht
                              									unter ¾ hiervon, also etwa 3½ Proc. betragen. Ferner ist noch die Anwesenheit einer
                              									oft wahrgenommenen Säure im Papier zu berücksichtigen, welche die Haltbarkeit
                              									wesentlich beeinträchtigen kann, durch eine falsche Behandlung des Zeuges entsteht
                              									und nicht geduldet werden sollte. Zum Schutz gegen äuſsere Verletzung, leichtes
                              									Zerreiſsen, muſs das Dokumentenpapier eine gewisse Dicke oder ein gewisses Gewicht
                              									besitzen und zwar annähernd 90g auf 1qm.
                           Die Untersuchung der vorliegenden Papiersorten ergab nun folgendes:
                           Sorte 1. Enthält eine sehr groſse Menge geschliffenes Holz,
                              									besitzt einen übermäſsigen Aschengehalt 3,55 Proc., eine stark saure Reaction, eine
                              									ungenügende Reiſslänge 4090 bezieh. 3660, ungenügende Bruchdehnung 2,91 bezieh. 2,33 Proc. und geringes
                              									Gewicht 77g auf 1qm. Auſserdem schwankt die Dicke zwischen 0,075 und 0mm,009.
                           Sorte 2. Enthält eine sehr groſse Menge geschliffenes Holz
                              									(weshalb die Ränder schon stark gebräunt und mürbe geworden sind), hat eine schwach
                              									saure Reaction, einen ungewöhnlich hohen Aschengehalt 15,2 Proc. (gröſstentheils aus
                              									Thonerde und Gyps bestehend), eine durchschnittlich höchst ungenügende und schlecht
                              									vertheilte Festigkeit (4130 bezieh. 2442m
                              									Reiſslänge) und Bruchdehnung (2,27 bezieh. 1,33), geringes Gewicht 75,32 auf 1qm.
                           Sorte 3. Enthält wenig geschliffenen Holzstoff, den kleinen
                              									Aschengehalt von 1,14 Proc., eine Festigkeit von 4833 bezieh. 4024m Reiſslänge im Verhältniſs zu 0,85, eine
                              									Bruchdehnung von 5,21 bezieh. 3,66 und besitzt ein Gewicht von 94g,24 auf 1qm,
                              									sowie eine sehr regelmäſsige Stärke. Die Reaction weist chondrinfreien Leim
                              									nach.
                           Sorte 4. Besitzt einen sehr hohen Gehalt an geschliffenem Holz,
                              									eine stark saure Reaction, einen übermäſsigen Aschengehalt (5,88 Proc.), eine
                              									geringe und sehr ungleich vertheilte Festigkeit (3468 bezieh. 2056m Reiſslänge) und Bruchdehnung (2,14 bezieh.
                              									1,80), sowie das geringe Gewicht von 70g auf 1qm.
                           Sorte 5. Zeichnet sich ebenfalls durch die Anwesenheit einer sehr
                              									hohen Menge von geschliffenem Holz, einen hohen (5,08 Proc. betragenden)
                              									Aschengehalt, eine schwach saure Reaction, geringe Festigkeit (3781 bezieh. 2767m Reiſslänge) und Bruchdehnung (1,76 bezieh. 1,68
                              									Proc.) und das unzureichende Gewicht von 75g,77
                              									auf 1qm aus.
                           Sorte 6. Zeigt einen ungemein hohen Gehalt von geschliffenem Holz,
                              									eine stark saure Reaction, die ungebührliche Aschenmenge von 13,7 Proc. (bestehend
                              									aus Thonerde und Kieselsäure, wahrscheinlich Kaolin), die unzureichende Festigkeit
                              									von 2321 bezieh. 2140m Reiſslänge, ungenügende
                              									Bruchdehnung von 1,60 bezieh. 1,40 Proc., jedoch ein genügendes Gewicht auch nach
                              									Abzug der Asche, nämlich 107g,95 auf 1qm.
                           Sorte 7. Der Gehalt dieser Sorte an geschliffenem Holz ist gering,
                              									aber noch vollständig erkennbar; an Asche hoch (5,5 Proc), die Reaction auf Säure
                              									schwach. Ihre Festigkeit von 4550 bezieh. 2881m
                              									Reiſslänge sehr ungleichförmig vertheilt, noch mehr die Bruchdehnung (4,69 bezieh.
                              									2,19 Proc). Das Gewicht von 87g,62 auf 1qm ist genügend.
                           Sorte 8. Enthält sehr viel geschliffenen Holzstoff und viel zu
                              									viel mineralische Stoffe (7,5 Proc. Asche), besitzt eine schwach saure Reaction,
                              									eine ungenügende Festigkeit (3919 bezieh. 2860m
                              									Reiſslänge), eine nicht ausreichende Bruchdehnung (2,0 bis 1,63 Proc), dahingegen
                              									ein Gewicht von 81g,33 auf 1qm.
                           Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daſs die Papiersorten 1, 2, 4, 5, 6 und 8 in
                              									keiner Beziehung den Ansprüchen genügen, welche an haltbare Papiere gestellt werden
                              									müssen, daſs sie sogar in Bezug auf ihre Haltbarkeit die gröſsten Bedenken
                              									hervorrufen, da ihre Dauer sich auf wenige Jahrzehnte beschränken wird. Viel weniger
                              									Bedenken erregen die Sorten 3 und 7, indem dieselben sich namentlich durch geringen
                              									Gehalt an verholzter Zelle auszeichnen und sonst den Ansprüchen so ziemlich gerecht
                              									werden; allein zur Verwendung als Standesamtspapier können sie ebenfalls nicht
                              									empfohlen werden.
                           Was sodann die mit 9 bezeichnete neu ausgewählte Sorte betrifft, so zeigt dieselbe
                              									keine sauere Reaction, eine kaum bemerkliche Spur von verholzter Zelle und deshalb kein Bedenken zur Verwendung; allein es
                              									überschreitet deren Aschengehalt von 4,12 Proc. ebenfalls das zulässige Maximum,
                              									während die Festigkeitsproben ein zu geringes Maſs von Festigkeit (3646 bezieh.
                              										2906m Reiſslänge) ergeben haben, obwohl die Leimung mit
                              									thierischem Leim erfolgt und das Papier auf gerippten Formen mit der Hand geschöpft,
                              									also Handpapier zu sein scheint. Ferner stellten die Dickenmessungen, trotz der
                              									guten Bruchdehnung von 4,04 bezieh. 3,14 Proc., eine sehr unregelmäſsige, wellige
                              									Beschaffenheit fest, da die Dicken zwischen 0,140 und 0,182 schwanken.
                           In Anbetracht dessen, daſs es nicht schwer ist, auf der Maschine Papier von gröſserer
                              									Gleichmäſsigkeit als die vorliegende Probe 9 besitzt, überhaupt aus guten Stoffen
                              									(Leinenlumpen) mit vegetabilischmineralischer Leimung und zwar zu geringerem Preise
                              									als gleich gutes Handpapier herzustellen, wie es z.B. als sogen. Bücherpapier zu den
                              									für die Geschäftsführung in den Handelshäusern gebrauchten Büchern verwendet wird,
                              									halten wir uns verpflichtet, im Hinweis hierauf die Beschaffung solcher
                              									Maschinenpapiere erster Qualität als Dokumentenpapier überhaupt, insbesondere für
                              									Standesamtsbücher zu befürworten.
                           München, 20. März 1881.