| Titel: | Die elektrische Eisenbahn zu Lichterfelde. | 
| Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 369 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Die elektrische Eisenbahn zu
                           								Lichterfelde.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 29.
                        Die elektrische Eisenbahn zu Lichterfelde.
                        
                     
                        
                           Nachdem die nachgesuchte Concession zur Anlage einer elektrischen Hochbahn in Berlin
                              									(vgl. 1880 236 * 386) versagt worden war, haben Siemens und Halske, angeregt besonders durch zahlreiche
                              									Anfragen nach den Anlage- und Betriebskosten elektrischer Bahnen, zur Ausführung
                              									einer solchen Anlage auf eigene Kosten sich entschlossen. Hierbei galt es als
                              									selbstverständlich, daſs eine Hochbahn (Säulenbahn), wegen der hohen Anlagekosten
                              									und weil sie elektrotechnisch nicht mehr, ja sogar weniger beweist als eine
                              									Eisenbahn auf ebener Erde, nicht in Betracht kommen könne. Man ging vielmehr von der
                              									Ansicht aus, daſs eine Bahn, nach Art anderer Bahnen gebaut und bezüglich der
                              									Leitung des elektrischen Stromes kaum bemerkliche Hilfsmittel in Anspruch nehmend,
                              									dabei aber doch richtig verkehrend, den günstigsten Schluſs auf den Betrieb von
                              									Hochbahnen hervorrufen müsse, welche bezüglich der Leitungsfähigkeit und der
                              									Isolation der Schienen mühelos die genaue Durchführung der theoretischen Ansprüche
                              									gestatten.
                           Zur Ausführung des Vorhabens boten sich einige günstige Umstände dar. Zwischen dem
                              									Bahnhof Lichterfelde der Anhaltischen Bahn und der Haupt-Kadetten-Anstalt in
                              									Groſs-Lichterfelde bestand noch der gröſsere Theil des Bahnkörpers der vormaligen
                              									Materialtransportbahn, welche während des Baues des Kadettenhauses mit
                              									normalspurigen Dampflocomotiven befahren worden war. Die Besitzer dieses Bahnkörpers
                              									erklärten sich der Benutzung desselben zur Schaffung eines elektrischen
                              									Verkehrsmittels geneigt; auch die nächsten Interessenten zeigten sich so
                              									entgegenkommend, daſs zur Aufstellung eines Entwurfes geschritten werden konnte. In
                              									den Plan, welcher, den Bedingungen für das Secundärbahnwesen entsprechend, ganz neu
                              									aufzustellen war, wurden mehrere Abänderungen des Oberbaues und der Stromzuleitung aufgenommen,
                              									welche nach Bedarf zu Versuchszwecken streckenweise zur Ausführung gebracht werden
                              									sollten. Im Allgemeinen aber wurde der Plan der Anlage auf Verwendung der
                              									allereinfachsten technischen Mittel basirt; so wurde namentlich vorab von Verwendung
                              									irgendwelcher Isolationsmittel abgesehen, welche den Stromverlust auf ein äuſserst
                              									geringes Maſs einzuschränken geeignet sind, und für die gut leitende Verbindung der
                              									Schienenstöſse wurde nur durch solche Vorrichtungen gesorgt, welche von Leuten ohne
                              									besondere elektrotechnische Vorbildung ausgeführt werden können. Auch das
                              									angewendete System der Stromleitung – nämlich die Benutzung der einen Schiene zur
                              									Hinleitung, der anderen Schiene zur Rückleitung – ist ausgewählt worden, weil es der
                              									Stromleitung bei elektrischen Hochbahnen am meisten entspricht, und obwohl es,
                              									angewendet auf Bahnen zu ebener Erde, technische Unbequemlichkeiten im Gefolge hat
                              									(wie z.B. die erforderliche Isolirung des Wagengestelles von den Radkränzen).
                           Der Entwurf ist zur Durchführung gelangt, die Bahn am 16. Mai d. J. dem Betriebe
                              									übergeben worden und hat seit dieser Zeit ohne wesentliche Störung mit gröſster
                              									Regelmäſsigkeit ihren Dienst gethan. Es hat sich bereits eine Gesellschaft gebildet,
                              									um eine Ausdehnung derselben bis zum Mittelpunkte des Dorfes Lichterfelde und zum
                              									Steglitzer Bahnhofe der Potsdamer Eisenbahn herbeizuführen. Die Firma Siemens und Halske ist ferner gegenwärtig mit der
                              									Einführung des elektrischen Betriebes der Pferdebahnwagen von Charlottenburg bis zum
                              									Spandauer Bock beschäftigt, bei welchem die Seilbahnleitung zur Verwendung kommen
                              									wird. Es kann also die Lichterfelder Bahn keineswegs als Muster einer elektrischen
                              									Bahn zu ebener Erde betrachtet werden; sie ist vielmehr als eine von ihren Säulen
                              									und Längsträgern herabgenommene und auf den Erdboden verlegte Hochbahn aufzufassen.
                              									Die gesammte Anlage ist in Glaser's Annalen für Gewerbe und Bauwesen, 1881 S. 493 nach
                              									einem von Dr. E. W. Siemens im „Verein für
                                 										Eisenbahnkunde“ gehaltenen Vortrage ausführlich beschrieben und durch
                              									zahlreiche Abbildungen erläutert. Wir beschränken uns hier auf eine Wiedergabe der
                              									wesentlichsten Theile des Berichtes.
                           Die dynamo-elektrischen Maschinen, sofern sie als solche, d.h. also zur Erzeugung
                              									elektrischen Stromes mittels Maschinenkraft, dienen, sind schon aus ihren
                              									zahlreichen Anwendungen zur elektrischen Beleuchtung allgemein bekannt; weniger
                              									bekannt ist ihre Verwendung als elektromagnetische Kraftmaschinen, welche
                              									elektrischen Strom verzehren und Kraft liefern. Die zwei in Lichterfelde verwendeten
                              									Maschinen sind, obwohl an Gröſse und in der Anordnung der Constructionstheile
                              									verschieden, dennoch beide gleichmäſsig, sowohl zur Strom – als zur Kräftentwicklung
                              									anwendbar. Wenn der elektrische Wagen mit angemessener Geschwindigkeit auf den
                              									Schienen durch Pferde-
                              									oder Dampfkraft fortbewegt würde, so würde die stationäre elektrische Maschine durch
                              									den von der elektrischen Waggon-Maschine erzeugten Strom in Drehung versetzt werden
                              									und eine Arbeit leisten können.
                           Diese doppelte Verwendbarkeit derselben Maschine hat ein mehrfaches Interesse: Die
                              									durch Strom getriebene Maschine ist nämlich stets auch gleichzeitig unbeabsichtigter
                              									Weise eine Maschine, welche Strom erzeugt. Nun ist dieser Strom dem die Bewegung
                              									erzeugenden entgegengesetzt gerichtet, schwächt also letzteren, zieht den Nutzeffect
                              									beträchtlich herab und wurde, so lange der Kraftverlust beim Betriebe
                              									elektromagnetischer Kraftmaschinen als ein unnützer Verbrauch von kostspieligen
                              									Materialien in galvanischen Batterien sich darstellte, als das hauptsächlichste
                              									Hinderniſs der praktischen Anwendung solcher Kraftmaschinen mit Recht angesehen. Der
                              									Grad dieser Gegenstromentwicklung in der Locomotive, also auch die Kraft derselben,
                              									hängt wesentlich ab von der Geschwindigkeit, mit welcher die Locomotiv-Maschine sich
                              									dreht, derart, daſs bei gleichbleibender Kraftentwicklung des die dynamo-elektrische
                              									Maschine treibenden Motors innerhalb gewisser praktischer Grenzen mit zunehmender
                              									Geschwindigkeit die Kraft sich verringert, mit abnehmender sich vergröſsert, wobei
                              									die verrichtete Arbeit sich selbstthätig ziemlich auf derselben Höhe hält. Die
                              									Versuche auf der Lichterfelder Bahn bestätigen dies auch vollständig; der Wagen,
                              									sich selbst überlassen, nimmt in der horizontalen Strecke bei sinkender Zugkraft
                              									eine immer wachsende Geschwindigkeit an bis zu dem Augenblicke, in welchem die
                              									Differenz zwischen dem die Bewegung erzeugenden Strome und dem Gegenstrome constant
                              									wird, womit die Bewegung des Wagens eine gleichmäſsige wird, und in der Steigung
                              									verlangsamt er bei steigender Zugkraft seine Bewegung, bis die Gegenstromentwicklung
                              									sich entsprechend gemäſsigt hat, womit ebenfalls die gleichmäſsige Geschwindigkeit
                              									sich herstellt; geht er schlieſslich im Gefälle und wird ihm durch das Gefälle eine
                              									zusätzliche, nicht durch die Stromeswirkung erzeugte Geschwindigkeit zugeführt, so
                              									steigt auch in erhöhtem Grade die Gegenstromentwicklung, welche von einer gewissen
                              									Grenze an bremsenden Einfluſs ausübt, indem die Locomotiv-Maschine mehr als
                              									stromerzeugende, dynamoelektrische Maschine wirkt und auf die stationäre Maschine
                              									unmittelbar zurückwirkt.
                           Aus dieser gegenseitigen Einwirkung der beiden Maschinen auf einander ergibt sich
                              									besonders deutlich ihre Bindung zu einem Systeme, in welchem die Eigenschaften der
                              									verbindenden Theile., nämlich der Stromleiter, nicht gleichgültig sein können. In
                              									der That bestehen gewisse Verhältnisse zwischen den inneren Stromleitern, den
                              									Drahtwicklungen innerhalb der Maschinen und den äuſseren Stromleitern; es soll der
                              									Widerstand, welchen die letzteren dem Durchgang des Stromes entgegensetzen, nicht
                              									gröſser sein als der Widerstand der Maschinen. Ist dies der Fall, so ist das Maſs
                              									der Kraftübertragung bezieh. des Kraftverlustes als ein normales anzusehen; ist der
                              									Leitungswiderstand der äuſseren Stromleiter gröſser, so wird der Kraftverlust
                              									vermehrt. Wenn nun die Maschinen bezüglich ihrer Leitungswiderstände als etwas
                              									Gegebenes angenommen werden, so ergibt sich beim Entwurf einer Anlage die Forderung,
                              									Leitungen von analogem Leitungswiderstande zu verwenden; die Form der Leitungen kann
                              									eine sehr verschiedene sein, wenn nur die Möglichkeit vorhanden ist, ihnen einen
                              									genügenden Grad von Isolation zu geben und sie in zuverlässiger Weise mit der
                              									elektrischen Locomotive in leitende Verbindung zu setzen. Der verschiedenen Formen
                              									der Stromleiter, welche derartigen Ansprüchen genügen, gibt es eine sehr groſse
                              									Menge.
                           Als nächstliegend erscheint die Verwendung der Laufschienen, welche aus Gründen der
                              									Tragfähigkeit einen so bedeutenden Querschnitt zu haben pflegen, daſs bei mehreren
                              									Kilometer Entfernung der Strom keinen gröſseren Widerstand in ihnen findet als in
                              									den Drahtleitungen der Maschinen, was übrigens in jedem Falle rechnungsmäſsig
                              									ermittelt werden muſs. Es leuchtet nun ohne Weiteres ein, daſs der Kraftverlust von
                              									der Entfernung zwischen Locomotive und Aufstellungsort der Stromerzeugungsmaschine
                              									unabhängig ist, wenn nur die Leitungsfähigkeit der Stromleiter entsprechend
                              									vergröſsert wird, so daſs der Gesammtleitungswiderstand das bestimmte theoretisch
                              									gebotene Maſs nicht überschreitet. Diese Vergröſserung kann bewirkt werden durch
                              									Hinzufügung von parallelen Leitern zu den Laufschienen durch Hinzufügung getrennter
                              									Zuleitungsdrähte unter gänzlichem oder theilweisem Verzicht auf die Benutzung der
                              									Laufschienen, durch Hinzunahme des metallischen Bahnoberbaues zur Leitung (z.B. bei
                              									Hochbahnen) oder durch andere Mittel. Diese Mittel zur Vergröſserung der
                              									Leitungsfähigkeit sind so untrüglich, daſs eine auſsergewöhnliche Länge einer
                              									elektrischen Bahn technische Schwierigkeiten bei Eingrenzung des Kraftverlustes auf
                              									das theoretisch erreichbare Maſs nicht darbietet; dagegen steigen die Ausgaben durch
                              									die unabweisliche Vergröſserung des Querschnittes der Stromleiter mit der Länge in
                              									einem directen Verhältnisse und es ergibt sich aus diesem ökonomischen Grunde das
                              									Bedürfniſs, ein Mittel zur Verfügung zu haben, durch welches auf andere Weise als
                              									durch die erörterte Querschnittsveränderung das richtige Verhältniſs zwischen dem
                              									Leitungswiderstande der äuſseren Stromleiter und demjenigen der Maschinen
                              									hergestellt werden kann. Dieses Mittel ist auch gegeben in der Vergröſserung des
                              									letzteren durch Verwendung gröſserer Drahtmengen oder dünnerer Drähte zur
                              									Herstellung der Elektromagnete und der Inductionspiralen, welchem alsdann äuſsere
                              									Stromleiter von geringerer Leitungsfähigkeit, also namentlich geringerem
                              									Querschnitte gegenüber stehen. Auf diese Weise ist die Frage, welche Stromleiter beim Entwurf einer
                              									elektrischen Bahnanlage zur Verwendung kommen sollen, mehr eine ökonomische als eine
                              									elektrotechnische. Uebersehen darf hierbei allerdings nicht werden, daſs elektrische
                              									Ströme, welche geeignet sind, gröſsere Leitungswiderstände zu überwinden, auch einen
                              									höheren Grad von Isolation erheischen, als z.B. den Schienen der Lichterfelder Bahn
                              									zu Theil geworden, deren Isolation einfach vernachlässigt worden ist, weil sie die
                              									auſserordentliche Einfachheit des Oberbaues und die geringen elektrotechnischen
                              									Ansprüche einer auf Säulen errichteten Bahn veranschaulichen soll. Die Lichterfelder
                              									Anlage arbeitet mit einem beträchtlichen, durch Rechnung und Versuche im Voraus
                              									bekannten Stromverluste, welcher namentlich aus dem in der Höhe der Straſse vor dem
                              									Kadettenhause verlegten Stücke des Geleises resultirt, woselbst der Strom namentlich
                              									bei feuchtem Wetter von der einen Schiene durch den Sand zur anderen Schiene bezieh.
                              									zur Erde geht.
                           Die Isolationsmittel, welche angewendet werden müssen und können, sobald die
                              									bedeutendere Länge einer Bahn die Anwendung von Stromleitern von geringerem
                              									Querschnitte und von Maschinen mit gröſserem Widerstände wünschenswerth macht,
                              									richten sich nach den localen Umständen. Eine Säulenbahn verlangt keine besonderen
                              									Isolationsmittel; die Constructionstheile des Oberbaues selbst, also die hölzernen
                              									Schwellen, auf welche die beiden von einander isolirt zu haltenden Schienen
                              									befestigt werden, bilden das Isolationsmittel. Eine Bahn, welche einen eigenen
                              									Bahnkörper hat, oder auf bestehenden Straſsen so verlegt ist, daſs die Schienen im
                              									Allgemeinen nur die Schwellen und nur ausnahmsweise den Erdboden berühren, kann, wie
                              									das Lichterfelder Beispiel zeigt, schon eine mehrere Kilometer lange Ausdehnung
                              									haben, ohne besondere Isolationsmittel zu verlangen. Uebrigens sind derartige Mittel
                              									in der Form von Schienenstühlen aus Hartglas, von Asphaltisolatoren zwischen Schiene
                              									und Schwelle, von Asphaltbekleidungen der Schienen bereits mit Erfolg versucht
                              									worden. Die eigentliche Straſsenbahn dagegen, deren Schienen bei sehr nassem Wetter
                              									mit dem Erdboden in leitender Verbindung stehen, verlangt eine andere Art der
                              									Behandlung; das jederzeit sicher wirkende Mittel zur Vermeidung von Stromverlust
                              									besteht in der Herstellung einer sogenannten Draht- oder Drahtseilleitung auf
                              									Isolatoren besonderer Form an Telegraphenstangen in Verbindung mit einem auf diesen
                              									völlig isolirten Stromleitern laufenden, von dem Wagen an einem Leitungsseile
                              									mitgezogenen kleinen Contactwagen. Dieses Mittel ist von allgemeiner Anwendbarkeit,
                              									so daſs auch dem elektrischen Betriebe von Straſsenbahnen an Stelle des
                              									Pferdebetriebes technische Schwierigkeiten nicht im Wege stehen. Es ist nicht
                              									ausgeschlossen, daſs auch die Benutzung der Schienen als Stromleiter namentlich bei
                              									mäſsigen Längen von Straſsenbahnlinien trotz des Stromverlustes immer noch einen ökonomisch
                              									genügenden Betrieb gestattet, namentlich wenn bei Neuanlagen die Schienen mehr oder
                              									weniger isolirt verlegt werden können. Bei Tunnel- und Grubenbahnen, bei denen die
                              									Tunnelwandungen eine häufige Unterstützung der besonderen Leiter gestatten, sowie
                              									bei solchen längeren Bahnen auf offener Strecke, bei denen eine groſse
                              									Geschwindigkeit der Fortbewegung verlangt wird, kommen anstatt der isolirten
                              									suspendirten Draht – oder Kabelleitungen passend construirte Schienen in Anwendung,
                              									welche ein für groſse Geschwindigkeiten besser geeignetes vollständiges Geleise für
                              									den Contactwagen bilden.
                           Die durch die Betrachtung der elektrischen Bahn oft hervorgerufene Frage, ob und wie
                              									weit auf denselben als Stromleiter dienenden Schienen oder, allgemein gesagt, in
                              									demselben Stromkreise mehrere Locomotiven gleichzeitig bewegt werden können, ist
                              									sowohl theoretisch, als praktisch bejahend zu beantworten; es handelt sich auch hier
                              									lediglich um Herstellung des passenden Verhältnisses der Leitungswiderstände der
                              									äuſseren Stromleiter zu denjenigen der Maschinen; hinzuzufügen wäre noch, daſs
                              									gerade ein solcher Betrieb, bei welchem die Nutzlast weniger zu groſsen Zügen
                              									zusammengestellt, als durch viele einzelne laufende elektrische Wagen transportirt
                              									wird, dem Wesen der elektrischen Beförderung besonders entspricht, da die
                              									elektrische Locomotiv-Maschine nicht, wie eine Dampflocomotive, an und für sich ein
                              									bedeutendes Adhäsionsgewicht besitzt. Da, wo die Umstände die Beförderung der
                              									Nutzlast in Zügen erheischen, besteht naturgemäſs auch kein Hinderniſs des
                              									elektrischen Betriebes, daſs die eigentlichen elektrischen Locomotiven, welche also
                              									keinerlei Nutzlast selbst tragen, sondern nur zum Ziehen bestimmt sind, als
                              									Vereinigung mehrerer gröſserer oder kleinerer Maschinen oder auch als sehr starke
                              									Einzelmaschine construirt werden können.
                           Auf Taf. 29 veranschaulicht Fig. 1 ein
                              									Längenprofil mit Schienenstoſs, sowie die an demselben befindlichen leitenden
                              									Verbindungsbügel. Die Schienenstöſse, welche im mechanischen Sinne durch
                              									Winkellaschen verbunden werden, sind behufs sicherer elektrischer Stromleitung mit
                              									angenieteten elastischen Metallstreifen unter dem Fuſse der Schiene versehen.
                           Die Maschinenanlage besteht aus einer horizontalen Betriebsmaschine, welche einen
                              									Theil der Wasserpumpstation von Lichterfelde bildet; die Verwendung der dort
                              									aufgestellten Dampfmaschine ist nur als eine vorläufige zu betrachten, da für den
                              									entgültigen Betrieb eine rotirende Dampfmaschine, System Dolgorouki vorgesehen worden ist; dieselbe basirt – wie in D. p. J. 1880 236 * 441
                              									ausführlich berichtet ist – auf einem Kapselrädersystem, wie bekanntlich sehr viele
                              									rotirende Dampfmaschinen; aber durch ihre Construction als Zwillingsmaschine ist es
                              									möglich geworden, die nachtheiligen einseitigen, zur raschen Abnutzung wesentlicher
                              									Theile führenden Drücke fast gänzlich auszugleichen; namentlich aber sind allen
                              									Theilen solche Formen gegeben und derartige von gewöhnlichen Maschinenbau- und
                              									Präcisionsmechanik-Arbeiten gänzlich verschiedene Herstellungsmethoden dieser Formen
                              									ausfindig gemacht, daſs in dieser Maschine keinerlei Dampfdichtungen der
                              									gebräuchlichen Art benutzt zu werden brauchten. – Die bedeutende Umdrehungszahl
                              									dieser Maschine macht sie besonders für den Betrieb elektrischer Stromerzeuger, wie
                              									aller Arbeitsmaschinen mit groſser Umdrehungszahl geeignet; doch sind bereits, wenn
                              									auch noch nicht in Deutschland, auch groſse Maschinen dieser Art von geringerer
                              									Tourenzahl ausgeführt und ihre baldige Verwendung als Locomotiv-Maschine kann
                              									unmittelbar in Betracht gezogen werden. – Der durch die im Maschinenhause stehende
                              									dynamo-elektrische Maschine erzeugte Strom wird den Schienen durch eine kurze
                              									mittels Kabel hergestellte Leitung zugeführt.
                           In Fig.
                                 										2 und 3 Taf. 29
                              									ist der bei dem Betriebe angewendete Wagen dargestellt. Derselbe ist im Allgemeinen
                              									einem Pferdebahnwagen ähnlich construirt und trägt zwischen den Achsen die
                              									dynamoelektrische Maschine. Die Stromzuleitung zu dem elektrischen Wagen und
                              									innerhalb desselben geschieht durch die Berührung zwischen Schiene und Radkranz und
                              									wird nach einer auf der Holzscheibe des Rades festsitzenden Metallbüchse durch
                              									Metallstreifen vermittelt; auf diesen schleifen Metallfedern, welche die
                              									unmittelbare Verlängerung der beiden Pole der elektrischen Locomotiv-Maschine sind.
                              									Die metallischen Constructionstheile des Wagens sind aus der elektrischen Leitung
                              									gänzlich ausgeschlossen dadurch, daſs vermöge der Verwendung von Holzscheibenrädern
                              									die Radkränze von den Achsen isolirt sind.
                           Als besondere Einrichtungen des elektrischen Wagens sind zu erwähnen: die
                              									Construction einer elektrischen Umsteuerung der Maschine (an der kleinen
                              									elektrischen Ausstellungsbahn wurde die Fahrtrichtung der Locomotive nur durch
                              									mechanische Mittel umgesteuert), sowie eine besondere Vorrichtung, durch welche
                              									sowohl die Fahrgeschwindigkeit der Locomotive innerhalb gewisser Grenzen geregelt
                              									werden kann, als auch die nachtheiligen, oft mit Funkenbildung in den Maschinen
                              									verbundenen Einwirkungen der plötzlichen Stromunterbrechung vermieden werden.
                           Bei dem Entwürfe wurde auch der im Vorstehenden bereits erwähnte Fall vorgesehen,
                              									daſs die genügende Isolirung der auf dem Boden liegenden Schienen innerhalb der
                              									Straſsen nicht erreichbar wäre; es wurde für diesen Fall die Führung der Leitung auf
                              									Säulen angeordnet. Die Ausrüstung des Wagens bleibt dieselbe und die Stromzuleitung
                              									erfolgt durch einen über ein ausgespanntes Seil laufenden Contactwagen.
                           Der elektrische Wagen in Lichterfelde macht seine Fahrten im regelmäſsigen Anschlüsse an die
                              									sämmtlichen Personenzüge der Anhalter Bahn; er soll mit der bewilligten zulässigen
                              									mittleren Geschwindigkeit von etwa 20km fahren. Er
                              									kann jedoch 35 bis 40km Geschwindigkeit in der
                              									horizontalen und geraden Strecke bei voller Besetzung des Wagens mit 26 Personen
                              										(4800k Gesammtgewicht) erreichen, wenn bei
                              									normalem Gange der Dampfmaschine nichts zur Mäſsigung der Geschwindigkeit geschieht.
                              									Die Locomotiv-Maschine dürfte hierbei bei einem Eigengewicht von etwa 500k 5e,5
                              									entwickeln.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
