| Titel: | Ueber die Festigkeit des Eisens und Stahles bei Temperaturen unter 0°. | 
| Autor: | St. | 
| Fundstelle: | Band 242, Jahrgang 1881, S. 288 | 
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                        Ueber die Festigkeit des Eisens und Stahles bei
                           								Temperaturen unter 0°.
                        Gautier, über die Festigkeit des Eisens und Stahles unter
                           								0°.
                        
                     
                        
                           F.
                                    											Gautier berichtet hierüber im Génie
                                       												civil, 1881 S. 481 Folgendes.
                           Die Verminderung der Festigkeit des Eisens bei niedrigen Temperaturen ist schon
                              									längst bekannt. So brachen z.B. bei einer Eisenbahn in Canada während eines strengen
                              									Winters nicht weniger wie 4000 Schienen. Die Entdeckung der Ursache wurde noch durch
                              									den Umstand erschwert, daſs die Brüche meistentheils erst nach groſser Kälte eintraten.
                           Während die Versuche von Fairbairn (Engineer, 1864 Bd.
                              									18 S. 293) in dieser Richtung zur Lösung der Frage wenig beitrugen, kam der Director
                              									des technologischen Institutes zu Stockholm Knut Styffe
                              									zu folgenden Resultaten: 1) Die Zugfestigkeit des Eisens und Stahles verringert sich
                              									bei den niedrigsten Temperaturen, welche man in Schweden zu beobachten die
                              									Gelegenheit hatte, nicht. 2) Zwischen +100° und +200° bleibt die Zugfestigkeit des
                              									Stahles dieselbe wie gewöhnlich; sie steigt dagegen beim weichen Eisen. 3) Die
                              									Verlängerung wechselt bei sehr niedrigen Temperaturen nicht, weder für das Eisen
                              									noch für den Stahl. Sie nimmt zwischen +100° und +200° sehr wenig beim Stahl, aber
                              									beträchtlich beim Eisen ab. 4) Die Elasticitätsgrenze steigt bei sehr niedriger
                              									Temperatur beim Stahl und Eisen; sie nimmt ab, wenn das Eisen bis auf 250° erhitzt
                              									wird. 5) Der Elasticitätsmodulus steigt beim Eisen und Stahl, wenn die Temperatur
                              									sinkt; er vermindert sich, wenn sie steigt. Die Unterschiede betragen jedoch nur
                              									0,0005 für 1°. (Vgl. J. Kollmann 1881 239 * 141.)
                           Während sich diese Versuche gar nicht auf die Widerstandsfähigkeit gegen Stoſs,
                              									welcher in den meisten Fällen in Frage kommt, bezogen, unterzog Sandberg 7 englische, 5 französische und 2 belgische
                              									Schienen einer genaueren Prüfung. Die Länge der Schienen betrug 6m,40. Die Unterstützungspunkte lagen 1m,22 aus einander und standen auf einem soliden
                              									Fundament von Granit. Das Fallgewicht betrug 450k.
                              									Zuerst wurden die Schienen ganz und dann in halben Längen bei +13°, +2° und +29°
                              									geprüft.
                           Die Resultate waren folgende: 1) Die Widerstandsfähigkeit jener Eisensorten gegen
                              									Stoſs beträgt bei –13° nur ⅓ oder ¼ derjenigen bei +29°. 2) Die Durchbiegung der
                              									beiden Schienenhälften betrug bei 29° 10cm, die
                              									der ganzen Schiene nur 2cm,5 bei –13°. 3) Im
                              									Sommer zeigten die englischen Schienen eine um 20 Proc. gröſsere Festigkeit als die
                              									französischen, während diese im Winter jenen in Bezug auf Festigkeit um 30 Proc.
                              									überlegen waren.
                           Diese Ergebnisse wären werthvoller, wenn sie sich auf gleiche Schienenlängen beziehen
                              									würden. Man muſs jedoch in Rechnung bringen, daſs mit Verminderung der Schienlänge bei weichen
                              									Schienen die Gröſse der Durchbiegung zunimmt; ist die Länge bedeutend, so kann sogar
                              									ein vorzeitiger Bruch entstehen, hervorgerufen durch die Gegenstöſse in den
                              									Unterstützungspunkten.
                           Dem gegenüber unternahm der englische Ingenieur Webster
                              									neue Versuche mit Eisen, Guſseisen, Bessemerstahl, Guſsstahl erster Qualität und
                              									hämmerbarem Guſs, der neuerdings einen immer gröſseren Verwendungskreis findet. Die
                              									Versuche fanden statt bei Temperaturen zwischen –15° und +16°. Diese Grenzen genügen für England, wo wenig
                              									strenge Winter und warme Sommer vorkommen. Die niedrigste Temperatur wurde den
                              									Proben durch 3 tägiges Einbetten in Schnee mitgetheilt; 3 Stunden vor dem Versuch
                              									bedeckte man sie mit einer Kältemischung aus Schnee und Salz. Während des Versuches
                              									wurden sie mit einer ebensolchen Kältemischung, welche sich in einem Holzkasten
                              									befand, umgeben. Die Zugfestigkeit, welche auf einer Maschine mit hydraulischem
                              									Druck und directer Messung durch Gewichte erprobt wurde, zeigte sich für Eisen und
                              									Stahl bei –16° unverändert; jedoch nahm die Verlängerung um 1 Proc. beim Eisen und
                              									um 3 Proc. beim Stahl zu. Beim schmiedbaren Guſs zeigte sich nur eine
                              									Verlängerungsabnahme von 1,5 gegen 2,1 Proc. Bei Erprobung der Biegungsfestigkeit,
                              									welche nur beim Guſseisen gemessen wurde, da sie beim Eisen und Stahl zu groſs war,
                              									zeigte es sich, daſs der Widerstand um 3 Proc. abnahm, der Grad der Biegung aber um
                              									16 Proc. Die Proben hatten eine Länge von 1m,10,
                              									eine Höhe von 5cm und waren 2cm,5 dick. Die Entfernung der Unterstützungspunkte
                              									betrug 0m,915. Die Fallproben waren 456mm lang, 22mm
                              									hoch und dick. Die Entfernung der Unterstützungspunkte betrug 152mm und das Fallgewicht 18k. Beim Sinken der Temperatur verminderte sich der
                              									Widerstand gegen Schlag und der Grad der Biegung: beim Eisen um 3 bezieh. 18 Proc.,
                              									bei Werkzeugstahl um 1 bezieh. 17 Proc., beim schmiedbaren Guſs um 4,5 bezieh. 15
                              									Proc., beim Guſseisen um 21 Proc. Bei letzterem wurde der Grad der Biegung nicht
                              									beobachtet.
                           Der Fehler bei diesen Versuchen bestand darin, daſs die Fallhöhe der einzelnen nicht
                              									überall gleich war. Sie lassen jedoch, wie auch die übrigen, erkennen, daſs der
                              									Widerstand, besonders des Guſseisens, gegen Stöſse bei groſser Kälte bedeutend
                              									abnimmt. Der Gegensatz, welcher in den Resultaten bei Erprobung der Zugfestigkeit
                              									und des Widerstandes gegen Stoſs auftritt, erklärt sich durch die Betrachtung, daſs
                              									die Schlagproben einer gleichmäſsigen Temperatur ausgesetzt sind, daſs aber bei den
                              									Zugproben die Temperatur vor dem Bruche durch die Verschiebung der Molecüle zunimmt,
                              									trotz der Kältemischung.
                           Welchen Einfluſs die Kälte auf Maschinentheile hat, zeigte sich oft in den
                              									Stahlwerken von Abonchoff bei Petersburg, wo man bei Wiederaufnahme der Arbeit nach
                              									dort häufig vorkommenden Feiertagen Brüche der Köpfe von Dampfhammerständern, von Ambossen und
                              									Krahnketten wahrnahm, wenn man sie nicht auf 100° erwärmte. Bei plötzlichem
                              									Temperaturwechsel brechen geschweiſste Eisenbahnradreifen an der Schweiſsstelle,
                              									solche aus Stahl an den Punkten, wo Befestigungsbolzen durchgezogen sind. Es ist
                              									möglich, daſs letzteres auch durch die groſsen Spannungen hervorgerufen wird, welche
                              									eintreten, wenn die mit Schwindmaſs aufgezogenen Radreifen noch mehr
                              									zusammenschrumpfen. Die russische Regierung nimmt deshalb bei Abnahme von Schienen
                              									bei Temperaturen von über +12° und –19° die Versuche in gleichmäſsigen
                              									Kältemischungen vor.
                           In gleicher Weise wurden von Jouravski Versuche mit
                              									Schienen verschiedenen Ursprunges bei gewöhnlicher Temperatur und bei –20°
                              									angestellt. Auch hier wurde groſse Brüchigkeit wahrgenommen, dieselbe aber nebenbei
                              									auch der verschiedenen chemischen Zusammensetzung zugeschrieben.
                           In Canada verhält sich die Zahl der Stahlschienenbrüche während der 6 Sommer- und der
                              									6 Wintermonate wie 1 zu 30, bei Eisenschienen wie 1 zu 45; die Guſseisenräderbrüche
                              									verhalten sich wie 1 zu 3,5. Aus gleichem Grunde muſste man dort die guſseisernen
                              									Schienenstühle verwerfen. So, brachen z.B. während eines Winters auf einer Strecke
                              									von 150km Länge 6000 Schienenstühle. Nach Sandberg spielen die Temperaturwechsel zwischen 0 und
                              									40° bei der Festigkeit des Eisens eine noch gröſsere Rolle als anhaltende Kälte. In
                              									der Gegend von Petersburg wirkt die durch die Nähe des Meeres oftmals wechselnde
                              									Kälte demnach verderblicher als die von Moskau.
                           
                              
                                 St.