| Titel: | Zur Orientirung über die Frage des „Weldonschlammes“; von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 242, Jahrgang 1881, S. 371 | 
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                        Zur Orientirung über die Frage des
                           									„Weldonschlammes“; von G. Lunge.
                        Lunge, über den Weldonschlamm.
                        
                     
                        
                           Es war ursprünglich nicht meine Absicht gewesen, auf den Aufsatz von Jul. Post in den Verhandlungen
                                 										des Vereines zur Beförderung des Gewerbefleiſses, 1881 S. 297 irgend etwas
                              									zu erwidern, obwohl mein Name darin fortwährend in polemischer Weise und oft in
                              									schiefer Darstellung erwähnt ist. Einmal scheint es mir, daſs bei dieser ganzen
                              									Sache, trotz des groſsen Umfanges einiger der betreffenden Aufsätze, eine zu
                              									unbedeutende wissenschaftliche und praktische Ausbeute herausgekommen ist, um eine
                              									Fortsetzung der Auseinandersetzungen lohnend erscheinen zu lassen; zweitens glaubte
                              									ich, daſs der aufmerksame Leser auch ohne meine Hinweisung sehen würde, wie Post allmählich seinen Standpunkt verrückt und alles
                              										Wesentliche, was ich bestritten hatte, mit mehr
                              									oder weniger deutlichen Worten aufgegeben hat. Nun wird mir aber von competenter
                              									Seite gesagt, daſs (vielleicht in Folge der ansehnlichen Länge auch wieder der
                              									letzten Post'schen Mittheilung) viele Leute, selbst
                              									praktische Fachmänner, die Sache so auffassen könnten, als ob Post mich „geschlagen“ hätte, da sie eben dem
                              									ganzen Wortstreit nicht aufmerksam folgen konnten. Es wird also wohl eine kurze
                              									Klarstellung der wirklichen Sachlage am Platze sein.
                           Hr. Post hatte mich Anfangs 1879 ersucht, ihm ein
                              									passendes technisch-chemisches Thema zur Ausarbeitung zu bezeichnen. Darauf schlug
                              									ich ihm (12. Januar 1879) eine Untersuchung des Weldonschlammes in der Hinsicht vor, ob die von
                              										Weldon angenommenen Calcium-, Magnesium- und
                              									Mangan-Manganite, die in seinem Verfahren eine so groſse Rolle spielen, sich
                              									isoliren und bestimmt nachweisen lieſsen; namentlich spielten die sauren Manganite dabei eine groſse Rolle. Man müsse
                              									aber das Material nicht im Kleinen zu bereiten suchen, sondern in den Fabriken an
                              									Ort und Stelle während des Processes entnehmen. Post
                              									ging auf diese Anregung ein, wenn auch nicht in der eben von mir als zweckmäſsig
                              									bezeichneten Weise, und die Folge davon sind seine verschiedenen seit Mitte 1879
                              									darüber erschienenen Mittheilungen. Die ersten derselben legte er mir im Manuscript
                              									zur Begutachtung vor. Ich verhehlte ihm nicht meine schweren Bedenken gegen die Art
                              									seiner Untersuchung und die Gültigkeit seiner Schlüsse, worauf Post einige aber nicht sehr wesentliche Modifikationen
                              									in den letzteren anbrachte. Während unseres Briefwechsels hatte ich erwähnt, daſs
                              									ich (im Hinblick auf unser freundschaftliches Verhältniſs und unsere
                              									Mitarbeiterschaft in Post's Zeitschrift der chemischen GroſsindustrieDieselbe ist inzwischen eingegangen.Die Red. allerdings eine öffentliche Bekämpfung
                              									der von mir als schwach oder unrichtig angesehenen Stellen seines Aufsatzes –
                              									namentlich der völligen Unhaltbarkeit seiner Erklärung des Weldon-Processes auf
                              									Grund seiner Laboratoriumsversuche, sowie seiner Verbesserungsvorschläge zu
                              									denselben – unterlassen würde, daſs ich aber gezwungen
                              									sei, auf die analytischen Methoden für jenen Proceſs einzugehen, welche Post's Aufsatz, wenn auch nur indirect, als gänzlich
                              									unrichtig hinstellte, weil ich für diese Methoden durch meine frühere
                              									Veröffentlichung derselben und deren Wiederholung in meiner „Soda-Industrie“ verantwortlich sei. Daran habe
                              									ich seither stets festgehalten und habe mich auch später, als die Verhältnisse sich
                              									änderten, darauf beschränkt, die Veröffentlichungen von Post nur so weit zu kritisiren, als dies zu meiner eigenen Vertheidigung
                              									nöthig war. Dies, im Zusammenhange mit der oben gegebenen Ursprungsgeschichte der
                              										Post'schen Arbeit, sei meine Antwort auf seinen
                              									Vorwurf, ich habe in seine Untersuchung vor deren Vollendung
                              									„eingegriffen“.
                           Meine Vertheidigung bezog sich auf zwei Punkte, nämlich die Bestimmung des MnO2 durch die Eisenvitriol-Chamäleon-Methode und
                              									diejenige der Basis. Daſs in beiden Fällen Post die von
                              									mir als gültig gegebenen analytischen Methoden nicht direct angriff, kann an der
                              									Thatsache nichts ändern, daſs, wenn er Recht hatte, jene Methoden falsch sein
                              									muſsten. Zwar hat Post die
                              									Eisenvitriol-Chamäleon-Methode nicht auf Fabriks-Weldonschlamm, sondern nur auf sein
                              									im Kleinen regenerirtes Product angewendet; aber da er dabei (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1879 S. 1539) um 10 Proc.
                              									höhere Resultate als mit der Bunsen'schen Methode fand, angeblich in Folge der
                              									stören- den Wirkung der
                              									von KCl stammenden freien Salzsäure bei der Chamäleontitrirung, so muſste, wenn er dabei kein Versehen begangen hatte, die
                              									von mir angegebene und in vielen Fabriken seither befolgte Methode der MnO2-Bestimmung im Weldonschlamm falsch sein, weil auch
                              									dabei sehr groſse Mengen von freier HCl (herrührend von CaCl2) vorhanden sind. Durch meine Untersuchung über
                              									diesen Gegenstand (vgl. 1880 235 300) habe ich erwiesen,
                              									daſs durchaus identische Resultate nach meiner, Weldon's und Bunsen's Methode
                              									erhalten werden und mithin Post's Angaben irrig sein
                              									muſsten. Er hat sie auch nicht mehr aufrecht erhalten und dabei wird es wohl um so
                              									mehr bleiben, als Cl. Zimmermann (Berichte der deutschen
                                 										chemischen Gesellschaft, 1881 S. 779) nachgewiesen hat, daſs gerade bei
                              									Anwesenheit von Mangansalzen die Chamäleontitrirung selbst bei Gegenwart von viel
                              									HCl genau ist.
                           Der zweite Punkt bezieht sich auf die Bestimmung der Basis. Wenn, wie Post in seinen ersten Veröffentlichungen so bestimmt
                              									behauptet (vgl. Berichte der deutschen chemischen
                                 										Gesellschaft, 1879 S. 1455 u. 1880 S. 50), der Weldonschlamm nur ein
                              									Gemenge von MnO2 mit kleinen Mengen von Calcium- und
                              									Alkaliverbindungen, wahrscheinlich den Carbonaten, war, so muſste die von Weldon angegebene und von mir bis auf Verbesserungen in
                              									Einzelheiten angenommene und empfohlene Methode zur Bestimmung der „Basis“
                              									schon darum grundfalsch sein, weil es gar keine solche „Basis“ gibt. Hieraus
                              									entwickelte sich naturgemäſs eine Auseinandersetzung darüber, ob dem Mangandioxyd
                              									überhaupt saure Eigenschaften zukommen, was im Gegensatz zu so gut wie sämmtlichen
                              									anderen Chemikern, welche über diesen Gegenstand gearbeitet hatten, von Post auf Grund seiner Arbeiten geläugnet wurde und was
                              									den Kernpunkt seiner früheren Veröffentlichungen ausmacht. Diesen Standpunkt hat aber Post in seiner letzten Veröffentlichung (a. a.
                              									O. S. 327 ff.) aufgegeben und ist mithin auch der zweite
                                 										Streitpunkt zwischen uns dahingefallen. Jetzt, aber erst jetzt, ist es allerdings richtig, was Post sagt, daſs seine Untersuchungsmethode dieselben Resultate gibt wie
                              									die meinige; aber, als er seine ersten Abhandlungen schrieb, lag es eben ganz
                              									anders.
                           Der Umstand, daſs Post selbst in allen wesentlichen
                              									Punkten (nicht nur den eben berührten) von seinen früheren Behauptungen
                              									zurückgegangen ist, wird freilich für den der Controverse nicht sehr genau folgenden
                              									Leser dadurch verdeckt, daſs der gröſsere Theil seiner späteren Arbeiten sich mit
                              									einem verhältniſsmäſsig sehr unbedeutenden Nebenpunkte beschäftigt, nämlich, ob die
                              									wirkliche „Basis“ des Weldonschlammes, nach Abzug der Carbonate u. dgl., auf
                              									weniger als 0,5 herabgehen könne, d.h. ob im Weldonschlamm keine saureren Salze als
                              										RO,2MnO2 vorkommen. Ich habe meinerseits 0,5
                              									stets nur als ein empirisches Minimum von Basis in ungezählten Tausenden von
                              									Analysen von
                              									Weldonschlamm hingestellt, als Argument gegenüber dem Abläugnen der Existenz einer
                              									solchen Basis überhaupt von Seiten Post's; aber es
                              									konnte mir nicht einfallen und ist mir nie eingefallen zu behaupten, daſs nicht
                              									Verbindungen von MnO2 mit weniger Basis vorkommen,
                              									wie sie von Rammeisberg, Gorgeu, Stingl und Morawski, Wright und Menken,
                                 										van Bemmelen u.a. dargestellt worden sind. Ich habe darauf hingewiesen
                              									(1880 235 310), daſs die sämmtlichen mühevollen Analysen
                              									von Post, welche sich auf gewaschenen Weldonschlamm beziehen, für die Beurtheilung dieser Frage
                              									werthlos sind, weil sich der Schlamm dabei zersetzen kann, was Bemmelen (Journal für praktische Chemie, 1881 Bd. 23 S.
                              									347 und 379) bestätigt, und daſs die einzige Analyse, welche Post mit ungewaschenem Schlamm angestellt hat, mehr als genügend Basis
                              									(nämlich 0,6) für die Formel RO,2MnO2 ergibt, obwohl
                              									er gerade in diesem einen Falle die betreffende Berechnung nicht anführt. Auch die
                              									Analysen in seinen neuesten Arbeiten sind wieder mit gewaschenem Schlamm angestellt
                              									und daher ebenso wenig entscheidend als die früheren, um so mehr, als sie nicht mit
                              									wirklichem Weldonschlamm, sondern mit „synthetischen“ Producten angestellt
                              									wurden, d.h. mit Erzeugnissen kleiner Laboratoriumsversuche, welche das Verfahren im
                              									Groſsen durchaus nicht nachahmen können, wie Weldon zu
                              									seinem Schaden erfahren hat. Es verbleibt als einziger neuer Beweisgrund, daſs man
                              									in Dieuze nach dem bekannten analytischen Verfahren „öfters“ nur 0,5 Basis
                              									gefunden habe, wonach in Wirklichkeit die Basis doch geringer sein müsse wegen der
                              									Carbonate. Nun habe ich aber früher gezeigt, daſs diese selbst bei schlechten
                              									Schlämmen, mit Kohlensäure haltigem Kalk gemacht, erst einen Fehler in der zweiten
                              									Decimale verursachen, und kann die Abweichung der Analyse desselben Schlammes von
                              									Seiten zweier Chemiker leicht mehr als diesen Betrag ausmachen, da die fragliche
                              									Operation keineswegs eine sehr scharfe ist. Welche Rolle die einzelnen Metalloxyde
                              									in der „Basis“ spielen, wissen wir jetzt so wenig als früher. Es ist mir
                              									mithin auch jetzt noch sehr fraglich, ob man im Groſsbetrieb wirklich Schlämme mit
                              									weniger als 0,5 wirklicher Basis bekommt; wäre es
                              									selbst so, was ich nie als unmöglich, sondern nur als unerwiesen hingestellt habe,
                              									so wäre dies eine sehr unbedeutende Sache, um so mehr, als es selbst nach Post nur ganz ausnahmsweise vorkommt, gegenüber der
                              									Thatsache, daſs überhaupt ein erheblicher Betrag an
                              									Basis stets vorhanden und für die Manganregeneration unbedingt nöthig ist. Die
                              									Erkenntniſs hiervon ist gerade der Grundstein von Weldon's epochemachender Erfindung und gerade diese Thatsache war früher
                              									von Post schlechtweg geleugnet worden.
                           Hier, wie übrigens auch in allen anderen irgend wesentlichen Stücken, hat aber Post die Frage der Braunstein-Regenerirung da gelassen,
                              									wo er sie gefunden hat; auf eine Kritik seiner Arbeit über das mir früher gesteckte Ziel
                              									hinauszugehen, halte ich auch jetzt noch nicht für meine Aufgabe und werde ich in
                              									Zukunft auf etwaige neue Wiederholungen von mir schon früher widerlegter Einwürfe
                              									nicht abermals eingehen, da ich, sowie sicherlich die Leser, dessen herzlich müde
                              									bin.
                           Zürich, November 1881.