| Titel: | Ueber die Einwirkung des Sonnenlichtes auf das Glas; von Thomas Gaffield in Boston. | 
| Autor: | Thomas Gaffield | 
| Fundstelle: | Band 242, Jahrgang 1881, S. 447 | 
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                        Ueber die Einwirkung des Sonnenlichtes auf das
                           								Glas; von Thomas Gaffield in Boston.
                        Gaffield, über die Einwirkung des Sonnenlichtes auf das
                           								Glas.
                        
                     
                        
                           Bei Gelegenheit der Versammlung der „Amerikanischen Gesellschaft zur Beförderung
                                    										der Wissenschaften“ zu Boston am 27. August 1880 hielt der Glasfabrikant Thomas Gaffield in der chemischen Section einen Vortrag
                              									über die Einwirkung des Sonnenlichtes auf das Glas, dessen wesentlicher Inhalt
                              									seines allgemeineren Interesses wegen nach dem Bulletin de
                                       										la Société d'Encouragement, 1881 Bd. 8 S. 416 in Nachfolgendem mitgetheilt
                              									werden möge.
                           Zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts wurde in Europa zum ersten Male die
                              									eigenthümliche Erscheinung an Glastafeln beobachtet, daſs ein Theil derselben unter
                              									dem Einflüsse des Sonnenlichtes einen röthlichen oder purpurfarbigen, andere einen
                              									gelblichen Ton annahmen. Einige im J. 1823 und 1824 von Faraday, Bontemps und Fresnel angestellte,
                              									jedoch nicht weiter fortgesetzte Versuche bestätigten diese Thatsache. Gaffield's ausführliche Untersuchungen umfassen das
                              									ganze Gebiet der Glasfabrikation und beziehen sich ebenso wohl auf gefärbte, wie auf
                              									farblose Gläser. Unter den letzteren versteht er ein Glas, ähnlich dem Fensterglas,
                              									welches, wenn man gerade hindurchsieht, wenig oder gar keine Färbung, in der
                              									Richtung der Kante aber betrachtet, eine groſse Verschiedenheit der Töne zeigt, von
                              									dem beinahe farblosen Weiſs bis zum Gelb, Blau und Grün. Bei den mit Hilfe eines
                              									Metalloxydes oder einer sonstigen Substanz absichtlich gefärbten Gläsern kann nur
                              									von einem Durchblick quer durch die Glasfläche die Rede sein, in so fern das Auge in
                              									der Kantenrichtung nur einige Millimeter tief in das Innere zu dringen vermag.
                           Zu seinen Hauptversuchen benutzte Gaffield das Oberlicht
                              									seines Hauses zu Boston, durch welches die Sonne den gröſsten Theil des Tages über
                              									ihre Strahlen sendet. Er fand, daſs sich an einem Sommertage bei einigen
                              									Versuchsobjecten die Farbenveränderung langsam entwickelte, während sie bei anderen
                              									nach einer Expositionszeit von einigen Stunden begann. Bei gewissen empfindlichen
                              									Gläsern, die er an einem heiſsen und klaren Augusttag im Freien auf einem Pfosten
                              									dem Sonnenlichte aussetzte, fand er sogar nach Verlauf einer einzigen Stunde eine
                              									merkbare Veränderung.
                           Gaffield ist im Besitz von mehr als 1000 Probetafeln –
                              									in Gröſsen von 100mm Länge und 50mm Breite bis zu 450mm Länge und 100mm Breite, bei 4 bis
                              										25mm Dicke – welche die Wirkung des
                              									Sonnenlichtes bei einer Expositionszeit von 1 Stunde bis zu 13 Jahren zeigen. So hat
                              									er einige 80 Sorten farbloser Gläser, darunter auch matt geschliffene, aus
                              									amerikanischen, englischen, französischen, deutschen und belgischen Fabriken,
                              									Fensterglas (Mond- und Walzenglas), Flint- und Crownglas dem Sonnenlichte ausgesetzt
                              									und untersucht, ebenso einige 70 Sorten gefärbter Scheiben aus Kirchenfenstern,
                              									welche nicht nur die Hauptfarben des Spectrums: Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau und
                              									Violett, sondern auſserdem verschiedene Zwischenfarben, wie Braun, Olive, Amethyst,
                              									Fleischfarbe u.s.w. zeigten.
                           Behufs der Klassification der Resultate stellt Gaffield
                              									folgende Farbenübergänge auf: 1) von Weiſs in Gelblich, 2) von Grünlich in
                              									Gelblichgrün, 3) von den gelbbraunen und grünlichen Tönen in verschiedene
                              									Purpurtöne, 4) von Grünlichweiſs in Bläulich, 5) von Bläulich und anderen Tönen in
                              									dunklere Töne der nämlichen Farben.
                           Alle weiſsen Glassorten, welche 10 Jahre lang ausgesetzt waren, haben die Farbe
                              									verändert, mit Ausnahme eines Flintglases, welches man zu feineren Waaren und zu
                              									optischen Zwecken verwendet. Bei optischen Gläsern war die Aenderung des Farbentons
                              									selbst nach 10 jähriger Exposition zu gering, um von einem gewöhnlichen Beobachter
                              									wahrgenommen werden zu können und ihrem praktischen Werth Eintrag zu thun. Wo aber
                              									die Linsen eine merkliche Aenderung zeigten, konnte man diese dem Canadabalsam
                              									zuschreiben, womit Crown- und Flintglas zusammengekittet war. Bontemps schreibt dem im Flintglas reichlich vorhandenen Bleioxyd den
                              									schützenden Einfluſs gegen die färbende Wirkung der Sonnenstrahlen zu. Gaffield hat gefunden, daſs ein nicht gekühltes Glas,
                              									dem Sonnenlicht ausgesetzt, sich ebenso gut ändern kann als ein im Kühlofen
                              									behandeltes. Auch diffuses Licht verändert die Farbe des Glases, jedoch in weit
                              									geringerem Maſse als die directen Sonnenstrahlen.
                           Es kommt eine Zeit, wo die färbende Wirkung des Sonnenlichtes aufhört. Ein Glas aus
                              									einer Wohnung, wo es während 34 Jahren dem Lichte ausgesetzt gewesen war, zeigte
                              									keine Aenderung mehr, als man es zum 2. Mal längere Zeit exponirte. Die gelbe
                              									Färbung entwickelt sich hauptsächlich im ersten Jahre; alsdann nimmt sie langsam zu
                              									und hört in gewissen Fällen nach 10 Jahren ganz auf. Der Purpurton dagegen
                              									entwickelt sich minder rasch; aber die Intensität der Farbe nimmt über die genannte
                              									Periode hinaus noch zu.
                           Nach einer Beobachtung von Pelouze im J. 1867 verlieren
                              									die verschiedenen Gläser ihre durch das Sonnenlicht hervorgerufenen Farben töne,
                              									wenn man sie in dem Ofen eines Glasmalers einer starken Hitze aussetzt, und erlangen
                              									dieselben im Sonnenlichte wieder. Dieser Proceſs der Färbung durch das Licht und
                              									Entfärbung durch die Wärme kann beliebig oft fortgesetzt werden. Die auffallendsten
                              									Veränderungen an ursprünglich farblosen Gläsern können an den Fenstern einiger vor
                              									40 oder 60 Jahren erbauten Häuser in der Beacon-Straſse zu Boston beobachtet werden,
                              									welche jetzt einen purpurfarbigen Ton besitzen.
                           Was die Versuche mit farbigen Gläsern betrifft, so war ein Theil der letzteren in der
                              									Masse gefärbt, ein anderer an sich farblos und nur mit einer Schicht gefärbten
                              									Glases (Ueberfangglas, flashed glass) bedeckt. Bei
                              									seinen 10 jährigen Versuchen mit den Hauptfarben des Spectrums hat Gaffield, mit Ausnahme eines leichten Anfluges von
                              									Violett, keine Veränderung in irgend einer der in der Masse gefärbten Glasproben
                              									beobachten können. Beim Durchgang des Sonnenlichtes durch einige Ueberfanggläser
                              									entstand in der ungefärbten Masse ein gelblicher oder purpurfarbiger Ton,
                              									gleichgültig, ob der farblose Theil oder die gefärbte Ueberfangschicht das Licht
                              									auffing. Im J. 1870 fing Gaffield mit den durch die
                              									Masse gefärbten Gläsern zu untersuchen an und zwar mit den Mittelfarben, welche sich
                              									am meisten den in ungefärbten Gläsern durch die Einwirkung des Sonnenlichtes
                              									erzeugten Farben nähern. Er war überrascht, bei mehreren bräunlichen, bernstein- und
                              									fleischfarbigen Probeobjecten nach sehr kurzer Zeit eine Aenderung des Tones zu
                              									beobachten. Im Sommer reichten wenige Tage hin, um den Beginn der Sonnenlichtwirkung
                              									wahrzunehmen. Diese Versuche mit gefärbten Gläsern wurden bis zur Gegenwart
                              									fortgesetzt und im Allgemeinen nachstehende Resultate gefunden.
                           Die Hauptfarben, mit Ausnahme des Violett, welches durch die Exposition etwas dunkler
                              									wurde, hatten nicht die geringste Veränderung erlitten. Dagegen sind folgende
                              									Aenderungen bemerkenswerth: 1) die bräunlichen Töne gingen in die Fleischfarbe über;
                              									2) die Fleischfarbe in purpurne oder violette Töne; 3) die Bernsteinfarbe, Olive und
                              									Purpur erlangten tiefere Töne in derselben Farbe.
                           In den Resultaten dieser Versuche glaubt Gaffield den
                              									Schlüssel zur Lösung derjenigen interessanten Fragen zu finden, welche die
                              									anerkannte Ueberlegenheit der alten Glasmalerei an den Kirchenfenstern der
                              									Kathedralen berührt. Er bereiste i. J. 1872 Europa, um diese interessanten Bauwerke
                              									zu besichtigen und sich wo möglich einige Proben jener alten Gläser zu verschaffen.
                              									Bei Entfernung des Mastix, welcher die Ränder der purpurroth gefärbten Glastafeln an
                              									den Fenstern der Beacon-Straſse schützt, war die ursprüngliche Farbe des Glases zum
                              									Vorschein gekommen. Er hoffte, das gleiche Resultat bei den Fenstertheilen der alten
                              									Kathedralen zu erhalten; allein die Bleieinfassung der Glasränder ist zu schmal (1,5
                              									bis 3mm), um eine zuverlässige Beobachtung in
                              									obigem Sinne zu gestatten. Gaffield erhielt Proben aus
                              									Straſsbnrg und anderen Orten, wovon er einige in Stücke schlug und sie dem Feuer
                              									eines Muffelofens für Glasmalerei aussetzte. Die Wirkung war, wie er erwartete, eine
                              									Verdunkelung der rothen und gelben Töne; bei den in der Masse gefärbten Gläsern
                              									jedoch bewirkte die Hitze im Allgemeinen keine Veränderung, welche andeutete, daſs
                              									die Sonne vorher den mindesten Einfluſs ausgeübt hätte. Die überfangenen und
                              									emaillirten Gläser zeigten sich, eine geringe Schwächung des Farbentones
                              									abgerechnet, unverändert. Welches Verhältniſs auch bei der in der Masse purpur- oder
                              									fleischfarbig oder sonstwie gefärbten Gläsern der alten Kirchenfenster zu Grunde
                              									gelegen haben mag, so viel ist gewiſs, daſs sie im Laufe der Jahrhunderte durch die
                              									Einwirkung des Lichtes in Farbe und Ton verändert worden sind und daſs wir sie heute
                              									nicht mehr so sehen, wie sie aus den Werkstätten der Künstler des Mittelalters
                              									hervorgegangen sind. Von dem Lob, welches wir den Letzteren zollen, gebührt ein
                              									Theil der Sonne in ihrem bewunderungswürdigen stillen Schaffen.
                           Die Einen schreiben die genannten Färbungen der Gegenwart von Eisenoxyd zu; die
                              									Anderen dem Arsenik, wieder Andere der Kohle oder den der Glasmischung beigemengten
                              									schwefelsauren Salzen; die Meisten sehen in dem als Entfärbungsmittel angewendeten
                              									Braunstein die Ursache. Dieser spielt allerdings bei manchen gefärbten und nicht
                              									gefärbten Gläsern eine sehr wichtige Rolle, insbesondere bei denjenigen, welche, dem
                              									Lichte ausgesetzt, einen Purpur- oder Fleischton annehmen. Allein bei einigen
                              									Versuchen, welche mit Glas angestellt wurden, von welchem man wuſste, daſs es keinen
                              									Braunstein enthielt, hat man deutlich ausgesprochene Aenderungen vom Grünlichen ins
                              									Gelbe beobachtet. Die Frage wird wohl nicht eher richtig gelöst werden, als bis
                              									Jemand speciell für diesen Zweck eine Reihe gefärbter Gläser auf das sorgfältigste
                              									hat herstellen lassen, um sie dann Monate und Jahre lang der Einwirkung des
                              									Sonnenlichtes auszusetzen.
                           Die bei fast allen Hohlglaswaaren, sowie beim Fensterglas verwendeten Materialien
                              									enthalten Eisen, dessen dem Glase ertheilte Färbung durch die complementäre des
                              									zugesetzten Braunsteins bekanntlich ausgeglichen wird. Trifft nun das Sonnenlicht
                              									dieses farblose Glas, so findet wahrscheinlich in den Bestandtheilen des Glases ein
                              									Austausch oder eine neue Vertheilung des Sauerstoffes statt und in Folge dieses
                              									Vorganges eine Entwicklung der färbenden Kraft desjenigen Metalloxydes, welches die
                              									gröſste Verwandtschaft zum Sauerstoff hat, oder das in reichlicherer Menge als die
                              									übrigen Bestandtheile in der Mischung vorhanden ist. So kommt es, daſs bei gewissen
                              									Proben das Gelb des Eisens, bei anderen das Roth des Braunsteins vorherrscht, wieder
                              									bei anderen das Gelb zuerst erscheint, aus welchem sich sodann die Purpurtöne
                              									entwickeln.
                           Vorstehende Theorie, welche über die Färbung der farblosen Gläser durch das
                              									Sonnenlicht vielleicht einigen Aufschluſs gibt, ist auch auf gefärbte Gläser
                              									anwendbar, um so mehr, als sämmtliche empfindliche Versuchsobjecte eine gewisse
                              									Menge Eisen oder Braunstein oder auch beide Substanzen enthalten.