| Titel: | Elektricität gegen Feuersgefahr. | 
| Fundstelle: | Band 243, Jahrgang 1882, S. 257 | 
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                        Elektricität gegen Feuersgefahr.
                        W. Siemens, über Elektricität gegen Feuersgefahr.
                        
                     
                        
                           Das durch den Brand des Ringtheaters in Wien herbeigeführte
                              									entsetzliche Unglück hat Dr. Werner Siemens in
                              										Berlin Anlaſs gegeben, in der Sitzung des
                              										Elektrotechnischen Vereines am 27. December 1881 einen
                              									Vortrag über die Beihilfe zu halten, welche uns die Elektricität zur Verhütung und
                              									bei Bekämpfung von Feuersbrünsten leisten kann. Der Vortrag ist in der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1882 S. 7 ff.
                              									abgedruckt und wir geben nachstehend dessen wesentlichen Inhalt und die
                              									hauptsächlichsten Bemerkungen aus der sich an den Vortrag anschlieſsenden
                              									Verhandlung über den Gegenstand wieder.
                           Nachdem der Vortragende nachgewiesen, daſs sich die Feuersgefahr an sich überhaupt
                              									gar nicht beseitigen lasse, daſs sie sogar trotz der zu ihrer Verminderung
                              									angewendeten Mittel fortwährend gestiegen sei, erklärt er die Thatsache, daſs
                              									trotzdem die Zahl der Brände und die Gröſse der Brandschäden nicht zugenommen habe,
                              									aus dem Umstände, daſs wir von Jugend auf an den Kampf gegen das Feuer gewöhnt
                              									würden und unsere Hilfsmittel in diesem Kampfe beständig sich verbesserten. Es komme
                              									hauptsächlich darauf an, kleine Feuer schnell zu löschen, bevor sie Zeit gehabt
                              									haben, sich gefahrdrohend zu entwickeln, also überall gute Löschmittel zur Hand zu
                              									haben und noch zu
                              									rechter Zeit gut geschulte und organisirte Löschkräfte herbeizuschaffen, um ein
                              									ausgebrochenes Feuer zu dämpfen, ehe es eine bedrohliche Gröſse angenommen hat. Die
                              									Elektrotechnik habe schon seit langer Zeit durch Anlage ausgebreiteter Feuerwehrtelegraphen eine bedeutende Rolle hierbei
                              										gespielt.An der Hand der Statistik wird der bedeutende Einfluſs, den gute
                                    											Feuertelegraphen-Anlagen auf die Verminderung der Zahl der Groſsfeuer äuſsern, schlagend nachgewiesen in
                                    											den Tabellen, welche R. v. Fischer-Treuenfeld's
                                    											Buch: Feuertelegraphen (Stuttgart 1877)
                                    											beigegeben sind. (Vgl. 1877 225 *
                                    										553.) Es sollte aber unbedingt das bei diesen Anlagen übliche
                              									Meldesystem so weit ausgedehnt werden, daſs alle gröſseren, besonders
                              									feuergefährlichen Anlagen, wie Fabriken, öffentliche Gebäude u.s.w., durch einen
                              									oder besser mehrere Meldeapparate unmittelbar mit der
                              									Feuerwehr in Verbindung gesetzt werden, damit die Anzeigen von Feuersgefahr
                              									möglichst schnell an die rechte Stelle kommen. Es liege dies nicht nur im
                              									einseitigen, sondern im allgemeinen Interesse, weil besonders in eng gebauten
                              									Städten das Ausbrechen eines groſsen Feuers für die ganze Umgebung, ja, wie der
                              									Hamburger Brand zeigt, sogar für ganze Stadttheile eine Existenzfrage bilden kann.
                              									Es müsse jedoch dieses System noch viel weiter entwickelt werden. In groſsen
                              									Fabrikräumen, Theatern, öffentlichen Gebäuden sind so viele feuergefährliche,
                              									räumlich weit von einander entfernte und oft mühsam zugängliche Stellen, daſs die
                              									einfache Meldung, es brenne, in dem betreffenden Gebäudecomplexe nicht ausreicht. Es
                              									muſs zugleich der Ort, wo es in dem selben brennt,
                              									angegeben werden, weil oft einige Minuten entscheidend sind um einen gewaltigen
                              									Schaden abzuwenden.
                           Hierfür ist in der Fabrik von Siemens und Halske in
                              									Berlin eine besondere Einrichtung getroffen worden, welche die Feuermeldung mit der
                              									Wächtercontrole vereinigt. In eine Drahtleitung, welche die ganze Fabrik durchläuft,
                              									sind an allen gefährdeten und schwer zugänglichen Stellen Apparate eingeschaltet,
                              									welche jeder beiden Zwecken dienen. Die Wächter müssen nämlich auf ihrem Gange durch
                              									die Fabrik an einem bestimmten, etwas versteckt angebrachten Knopfe ziehen, wodurch
                              									die Zeit ihres Besuches des Ortes auf einem Papierstreifen im Bureau registrirt
                              									wird. Dies gewährt auſserdem den groſsen Vortheil, daſs der
                                 										Apparat selbst immer in brauchbarem Zustande erhalten wird. Denn ein
                              									Mechanismus, der nicht regelmäſsig angewendet oder controlirt wird, ist nicht
                              									zuverlässig. An demselben Apparat ist nun noch ein zweiter leicht erkennbarer Knopf
                              									angebracht, mit welchem Jeder, der daran zieht, eine Feuermeldung geben kann, indem
                              									eine Alarmglocke in Thätigkeit gesetzt und zugleich die Nummer des meldenden
                              									Apparates freigelegt wird.
                           Einen zweiten Wirkungskreis eröffne der Elektrotechnik gegen Feuersgefahr die elektrische Kraftübertragung. In dieser Richtung sind
                              									in neuerer Zeit durch das Wiener Brandunglück viele Pläne zum Vorschein gekommen.
                              									Die meisten Erfinder wollen die Feuermeldung und Löschung gleich selbstthatig
                              									einrichten. Sie wollenWie z.B. Prof. Dr. Obernier in Bonn, dessen
                                    											Vorschläge sich auch auf einen mittels Quecksilberthermometer beschafften
                                    											selbstthätigen Feuermelder erstrecken (vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1882 S. 1 u. 2).D. Red. brennbare Schnüre ausspannen,
                              									welche durch das Feuer vernichtet werden sollen, oder durch die Hitze des Feuers
                              									Contacte hervorbringen, kurz durch das Feuer selbst eine Thätigkeit ausüben lassen,
                              									welche direct die Feuermeldung besorgt, den eisernen Vorhang bei Theatern
                              									niederläſst, Spritzen in Gang setzt, Ventilatoren öffnet u.s.w. Siemens erklärt solche selbstthätige Einrichtungen als
                              									im Allgemeinen nicht ausreichend, selbst wenn sie beständig in guter Ordnung wären.
                              									Die einzige Hilfe, unter allen Umständen richtig functionirend gegen Feuersgefahr,
                              									biete der thatkräftige, vernünftige Mensch; dieser müsse die Mittel erhalten, seine
                              									Thatkraft zu rechter Zeit am rechten Ort in Thätigkeit bringen zu können, und müsse
                              									die richtigen Löschmittel schnell zur Hand haben. Hierzu kann die elektrische
                              									Kraftübertragung mit Vortheil verwendet werden. Es lassen sich leicht Einrichtungen
                              									treffen, um von einem oder mehreren Punkten aus durch einfache Contactschlüsse
                              									in groſser Schnelligkeit mechanische Operationen auszuführen, die zweckmäſsig sind,
                              									um das Feuer abzusperren, sein Weitergreifen zu verhindern, oder auch es zu löschen.
                              									Es verdiene dies namentlich bei Theatern Beachtung, in denen eine groſse, eng an
                              									einander gedrängte Menschenmenge einer ungewöhnlich groſsen Feuersgefahr ausgesetzt
                              									ist. Ist eine elektrische Beleuchtung vorhanden, oder werden andere elektrische
                              									Kraftübertragungen dauernd zur Ausführung nöthiger Arbeiten angewendet, wie z.B. zum
                              									Verschieben der Coulissen, Bewegung schwerer Vorhänge oder Versenkungen u.s.w., so
                              									ist der nöthige Strom für die Verwendung der Kraftübertragung zum Feuerlöschen immer
                              									vorhanden. Wäre der eiserne Vorhang des Wiener Theaters immer durch elektrische
                              									Kraftübertragung bewegt worden, so hätte die Hitze des ausgebrochenen Feuers das
                              									Niederlassen desselben nicht verhindern können, wie es der Fall gewesen sein soll.
                              									Die elektrische Maschine erträgt eine ziemlich groſse Hitze und würde durch sie
                              									nicht verhindert sein, ihre Thätigkeit auszuüben, wie der damit beauftragte
                              									Mann.
                           Die Feuergefährlichkeit selbst würde sich ferner durch Einführung der elektrischen Beleuchtung in hohem Grade vermindern.
                              									Feuergefährlich ist natürlich auch die elektrische Beleuchtung und auch
                              									lebensgefährlich kann sie bei unvernünftiger Handhabung unter Umständen werden.
                              									Diese Gefahren dürften selbst durch die Neuheit der Sache und die geringe
                              									Verbreitung der Kenntniſs der Elektricitätslehre, sowie durch den Mangel an Erfahrungen noch wesentlich gesteigert
                              									werden. Es fragt sich aber einmal, ob die Gefährlichkeit, die sich in vereinzelten
                              									Fällen gezeigt hat, in der Natur der Sache begründet ist oder nicht und zweitens, ob
                              									sie groſser oder kleiner ist wie bei einer anderen Beleuchtungsart.
                           Früher, als man noch aus Retortenkohle geschnittene Kohlenstäbe anwendete, kam es
                              									allerdings häufig vor, daſs glühende Kohlen Stückchen absplitterten und
                              									niederfielen. Durch die jetzt allgemein verwendete Preſskohle ist dieser Uebelstand
                              									aber vollständig beseitigt. Trotzdem wird aber kein Sachverständiger elektrische
                              									Lampen in feuergefährlichen Räumen ohne eine sichere Umhüllung von Glaskugeln mit
                              									Drahtgeflecht oder von angebrachten Laternen aufstellen. Daſs ferner dünne
                              									Leitungsdrähte, die von starken Strömen durchflössen sind, glühend werden, ist eine
                              									bekannte Thatsache. Der Elektrotechniker hat aber die Leitungsfähigkeit der Drähte
                              									so groſs zu wählen, daſs eine schädliche Erwärmung derselben und eine Entzündung
                              									benachbarter brennbarer Gegenstände durch sie nicht eintreten kann, und er hat
                              									dieselben so sicher zu befestigen und zu bedecken, daſs eine Loslösung unmöglich
                              									ist. Wenn ein solcher Fall bei einer zeitweiligen Anlage, wie die im Pariser
                              									Ausstellungspalaste war, eintritt, dann ist nicht die Elektricität, sondern die
                              									Unkenntniſs oder der Leichtsinn des Arbeiters und des die Arbeit leitenden
                              									Ingenieurs an dem Unfälle Schuld. Ganz unverständlich dagegen ist die Behauptung,
                              									daſs von unbedeckten Leitungsdrähten Funken ausgegangen seien, die Nägel glühend
                              									gemacht und das Holz, in dem sie steckten, angezündet hätten. Die zur elektrischen
                              									Beleuchtung verwendeten elektrischen Ströme haben eine verhältniſsmäſsig geringe
                              									elektrische Spannung. In der Regel übersteigt sie die einer galvanischen Batterie
                              									von einigen Hundert Daniell'schen Elementen oder Volts nicht. Eine solche
                              									elektrische Spannung hat aber noch keine meſsbare Schlagweite. Selbst bei einigen
                              									Tausend Volts Spannung geht ohne vorherige metallische Berührung noch kein Funke
                              									zwischen den Leitungsdrähten oder von ihnen zu anderen Körpern über. Die oft
                              									wiederholte Angabe, daſs Funken oder blitzartige Schläge von den Leitungen
                              									abgesprungen wären, können daher nur auf Selbsttäuschung beruhen. Eine gut angelegte elektrische Beleuchtung bietet alle diese
                              									Gefahren nicht.Aehnlich hat sich auch Prof. Henry Morton im Sanitary Engineer ausgesprochen. Derselbe hebt
                                    											namentlich hervor, daſs sorgsam zu verhüten wäre, daſs etwa Halbleiter oder
                                    											sehr dünne Leiter unversehens eine Nebenschlieſsung zwischen den von starken
                                    											Strömen durchlaufenen, zu den Lampen führenden Zuleitungsdrähten bilden,
                                    											dadurch glühend werden oder kleine VoltascheFlammenbögen
                                    											entstehen lassen und so brennbare Stoffe entzünden könnten. In
                                    											Lichtbogenlampen sei bei Einschaltung einer sehr groſsen Zahl in denselben
                                    											Schlieſsungskreis etwa durch Beigabe einer im Bedarfsfalle sich selbstthätig
                                    											herstellenden guten Nebenschlieſsung in der Lampe oder durch geeignete
                                    											Regulatoren in der Strom erzeugenden Maschine zu verhüten, daſs beim
                                    											plötzlichen Auslöschen mehrerer Lampen der Strom in den eingeschaltet
                                    											gelassenen so stark und der Lichtbogen so lang würde, daſs vielleicht
                                    											Schmelzungen der Metalltheile eintreten könnten. (Vgl. Engineering and Mining Journal, 1881 Bd. 32 S.
                                    											388.)D. Red.
                           
                           Ebenso übertrieben sind die Gefahren für Leben und Gesundheit durch die elektrischen
                              									Maschinen und Leitungen. Bei sehr hochgespannten elektrischen Strömen, wie sie
                              									neuerdings von Brush in Amerika angewendet werden, kann
                              									es in der That lebensgefährlich werden, wenn man gleichzeitig die beiden Polklemmen
                              									der elektrischen Maschine oder die Leitungsdrähte anfaſst, da der dann den Körper
                              									durchlaufende starke Strom einen Muskelkrampf erzeugt, der es unmöglich macht, sie
                              									schnell wieder loszulassen. Um dies zu verhüten, müssen die Leitungen gegen
                              									zufällige Berührung geschützt werden. Thut Jemand es absichtlich, so begibt er sich
                              									freiwillig in Lebensgefahr, wie wenn er die Hand unter den Treibriemen der Maschine
                              									legte. In der Fabrik von Siemens und Halske, in welcher
                              									wohl mehr wie irgendwo in der Welt mit starken elektrischen Strömen experimentirt
                              									wird, ist noch nie Jemand durch den elektrischen Strom beschädigt worden.
                           Die Feuergefährlichkeit der elektrischen Beleuchtung ist sicher gar nicht in
                              									Vergleich mit der Feuersgefahr jeder anderen Beleuchtungsart und namentlich der
                              									Gasbeleuchtung zu bringen. Es fällt die Explosionsgefahr und die groſse Gefahr beim
                              									Anstecken der Gasflammen in Räumen, die mit leicht brennbaren Stoffen angefüllt
                              									sind, bei der elektrischen Beleuchtung vollständig fort, ebenso die Gefahr der
                              									Vergiftung durch ausgeströmtes unverbranntes Leuchtgas.
                           Der Anwendung der Elektricität zur Beleuchtung der TheaterDer Niederösterreichische Gewerbeverein in Wien
                                    											hat auf Grund eingehender, in seinen Abtheilungen für Chemie, Baugewerbe und
                                    											Mechanik stattgefundener Berathungen eine Reihe von Vorschlägen zur
                                    											Sicherung der Theater gegen Feuersgefahr an die n.-ö. Statthalterei geleitet
                                    											und in einem besonderen Schriftchen ausgegeben, in welchem nach eingehender
                                    											Besprechung der Beleuchtungsfrage überhaupt, auf S. 28 bis 30, auch in Bezug
                                    											auf die elektrische Beleuchtung und die baupolizeiliche Beaufsichtigung bei
                                    											Anlage und Unterhaltung derselben Vorschläge gemacht werden, in denen im
                                    											Wesentlichen die auch von Siemens
                                    											ausgesprochenen Forderungen Ausdruck gefunden haben. In gleicher Weise ist
                                    											auch der Oesterreichische Ingenieur- und
                                       												Architektenverein in Wien vorgegangen.D. Red. hat man bisher nicht ohne Grund
                              									das Bedenken entgegengesetzt, daſs die Beleuchtung mittels starker elektrischer
                              									Lichter die beabsichtigten künstlerischen Effecte stört, indem die Schatten zu stark
                              									und ungleichmäſsig und die bläulichweiſse Lichtfarbe unzweckmäſsig wäre. Zum groſsen
                              									Theile sind diese nicht unberechtigten Bedenken schon durch die von Siemens und Halshe zuerst durchgeführte Theilung des
                              									elektrischen Lichtbogens beseitigt. Mittels der Differentiallampen (vgl. 1880 236 * 420), welche gegenwärtig in nur unwesentlich
                              									modincirten Formen überall zur Anwendung gebracht werden, kann man das von einer
                              									Elektricitätsquelle ausgehende Licht jetzt innerhalb weiter Grenzen räumlich
                              									vertheilen und dadurch unschöne Schattenbildungen beseitigen. Daſs das elektrische
                              									Licht bläulich wäre, ist ein Irrthum, der auf
                              									Selbsttäuschung beruht. Bei unmittelbarem Vergleiche der Farbe des Sonnenlichtes mit
                              									der des elektrischen Lichtes erscheint unzweifelhaft ein elektrisch beleuchteter
                              									weiſser Gegenstand, verglichen mit einem durch Sonnenlicht beleuchteten, gelblichF. v. Hefner-Alteneck weist darauf hin, daſs
                                       												in elektrisch beleuchteten Bahnhofshallen sich dies sehr leicht
                                       												nachweisen lasse, wenn das elektrische Licht bereits angezündet werde,
                                       												während auſserhalb noch Dämmerlicht herrsche. Man brauche sich nur an
                                       												das offene Ende der Halle zu stellen und ein BlattPapier oder die
                                       												Hand so zu halten, daſs sie auf der einen Seite nur elektrisch, auf der
                                       												anderen vom Tageslicht erleuchtet werde. Die elektrisch erhellte Seite
                                       												werde dann auffällig gelb und die andere blau erscheinen, so daſs man
                                       												kaum begreifen könne, wie man lediglich infolge einer Täuschung eine
                                       												Stunde später das elektrische Licht bläulich finden könne, (vgl. Elektrische Zeitschrift, 1882 S.
                                       											2.), während er, durch Gaslicht beleuchtet, roth ist. Die Selbsttäuschung entsteht nun daraus, daſs wir gewohnt
                              									sind, die Welt nach Sonnenuntergang roth beleuchtet zu sehen, und daſs wir von
                              									dieser Grundlage aus uns eine veränderte Farbenscale bilden. Tageslicht würde uns
                              									danach des Nachts noch bläulicher erscheinen wie das gelbliche elektrische Licht. Es
                              									würde sich diese falsche Vorstellung ändern, wenn elektrische Beleuchtung allgemein
                              									eingeführt wäre. Da dies aber noch nicht der Fall ist, auch wohl sobald nicht
                              									eintreten wird, und da die Farbenzusammenstellung der Bühnendecorationen, der
                              									Toiletten und der Schminke der Schauspieler einmal auf die Beleuchtung durch
                              									röthliches Gas- oder Lampenlicht eingerichtet sind, so muſs das Bedenken gegen die
                              									Bühnenbeleuchtung durch elektrisches Bogenlicht als begründet anerkannt werden. Die
                              									fortgeschrittene Elektrotechnik hat aber eine Aushilfe bereits in der Verbesserung
                              									des elektrischen Glühlichtes gefunden. Es ist gelungen, Glühlampen herzustellen,
                              									welche die Leuchtkraft einer starken Gasflamme haben und Monate lang ununterbrochen
                              									leuchten können, ohne daſs die dünnen Kohlenfäden verzehrt werden oder zerbrechen.
                              									Die Arbeitskraft, welche zur Erzeugung solchen Glühlichtes aufgewendet werden muſs,
                              									ist freilich noch immer ansehnlich gröſser wie bei dem elektrischen Lichtbogen;
                              									dafür kann man mit ihnen aber die Theilung des elektrischen Lichtes bis zu jeder
                              									beliebigen Grenze hin ausdehnen. Für den Theaterbeleuchtungszweck besonders haben
                              									die Kohlenglühlichter noch die wesentlichen Vorzüge, daſs die Feuersgefahr bei ihnen
                              									fast ganz fortfällt, daſs sie auſserordentlich leicht zu entzünden, zu löschen und
                              									in der Lichtstärke zu verändern sind, daſs endlich die Lichtfarbe röthlich wie die
                              									des Gaslichtes ist. Selbst im Falle der Zerschlagung einer solchen Glühlampe
                              									entsteht keine Feuersgefahr, da der feine Kohlenfaden dann zerbricht und fast
                              									augenblicklich schwarz wird. Er würde kaum ein umherliegendes Zündhölzchen noch
                              									entzünden können.
                           Durch eine Verbindung der eigentlichen elektrischen Beleuchtung mittels
                              									Differentiallampen mit Glühlichtern läſst sich nun eine fast ganz gefahrlose
                              									Theaterbeleuchtung beschaffen. Ist der Vorhang niedergelassen, so wird durch das
                              									helle, belebende Licht einer Anzahl von zweckmäſsig angebrachten Differentiallampen
                              									der Zuschauerraum erleuchtet. Momentan vor Aufzug des Vorhanges wird diese helle
                              									Beleuchtung wieder beseitigt und der Zuschauerraum nur noch milde und wie die Bühne
                              									mit röthlichem Lichte durch einen oder mehrere Kränze von Glühlichtern an den
                              									Galerien beleuchtet, welche unausgesetzt brennen bleiben. In gleicher Weise können
                              									die Zugänge und Treppen beleuchtet sein. Auch hier wird man aus Vorsicht zwei
                              									bezieh. mehr ganz von einander gesonderte Stromkreise mit besonderen Maschinen
                              									anbringen und die Glühlampen abwechselnd in den einen oder anderen Kreis
                              									einschalten. Besonders wichtig ist es aber, das feuergefährliche Gas, sowie alle
                              									Flammenbeleuchtung von der Bühne vollständig zu
                              									verbannen. Es kann dafür kaum eine geeignetere Beleuchtung erdacht werden wie das
                              									elektrische Glühlicht. Die Glühlampen lassen sich mit gröſster Leichtigkeit, nachdem
                              									die Leitungen einmal solid und sicher verlegt sind, überall anbringen, anstecken und
                              									auslöschen, und zwar jede Lampe für sich oder auch gruppenweise von einer Stelle
                              									aus; es läſst sich die Lichtstärke und Lichtfarbe vom dunklen Roth bis zum
                              									röthlichweiſsen Lichte des besten Gaslichtes beliebig erhöhen und vermindern und es
                              									ist diese Beleuchtung so vollständig feuergefahrlos, daſs man die hermetisch
                              									verschlossenen, nur schwer zu zerbrechenden Lämpchen mit dem feuergefährlichsten
                              									Material in unmittelbare Berührung bringen könnte.
                           Alle diese Eigenschaften machen die elektrische Beleuchtung so ganz besonders
                              									geeignet für die TheaterbeleuchtungIn der sich an den Vortrag knüpfenden Besprechung erklärt sich auch Geh.
                                    											Ober-Regierungsrath Kinel für die möglichst
                                    											ausgedehnte Einführung derelektrischen Beleuchtung in den Theatern. Ein
                                    											zweiter zwar auſserhalb des Bereiches der Elektrotechnik liegender Punkt,
                                    											auf welchen er wegen der Wichtigkeit der Sache sodann die Aufmerksamkeit
                                    											lenkte, betraf die Frage der eisernen Vorhänge.
                                       												Kinel wies auf die Nachtheile hin, welche damit verbunden sind,
                                    											wenn in den Theatern ein besonderer, nur bei eintretender Feuersgefahr in
                                    											Anwendung kommender eiserner Vorhang befindlich ist; warum sollte es nicht
                                    											angänglich sein, auch die gewöhnlichen Vorhänge aus Eisen oder sonstigem
                                    											gegen Feuer sichernden Materiale herzustellen?Ingenieur Nehrlich theilte mit, daſs für
                                    											Berliner Theater bereits gegenwärtig eiserne Vorhänge zum gewöhnlichen
                                    											Gebrauch in der Anfertigung begriffen seien, und wies unter Bezugnahme auf
                                    											das Wiener Unglück darauf hin, daſs das elektrische Licht noch den Nutzen
                                    											gewähre, daſs es bei einem Brande in der entstehenden Stickluft
                                    											voraussichtlich weniger schnell erlöschen werde als die Gasflammen und die
                                    											Oellichtlampen. Dagegen hob indessen Siemens
                                    											hervor, daſs, wenn es bei einer Feuersbrunst erst so weit gekommen sei, daſs
                                    											die Gasflammen und Oellampen wegen Mangel an Sauerstoff in der Luft
                                    											erlöschen, bei den Menschen schon lange der Erstickungstod eingetreten sein
                                    											werde., daſs es nur als eine Frage der Zeit erscheint, daſs ein Theater
                              									ohne sie kaum noch zu denken sein wird. Um diese Zeit möglichst abzukürzen, wäre es
                              									sehr zu wünschen, daſs die elektrotechnischen Kenntnisse bald eine gröſsere
                              									Ausdehnung erhielten. Es sollten auf allen technischen
                                 										Schulen, namentlich auf den technischen Hochschulen, Lehrstühle der
                                 										Elektrotechnik gegründet werdenIn ganz gleicher Weise hat – wie Electrician, 1882 Bd. 8 S. 156 berichtet – der Vorsitzende der
                                       													Society of Telegraph Engineers and of
                                          													Electricians, Genie-Oberstlieutenant Webber, in seiner Antrittsrede es ausgesprochen, daſs die Zeit
                                       												gekommen sei, wo eine die gründliche praktische und theoretische
                                       												Durchbildung vermittelnde Schule für
                                          													Elektrotechnik als ein klares und unabweisliches Bedürfniſs
                                       												anzuerkennen sei.D. Red., um wenigstens unsere
                              									technische Jugend mehr vertraut mit der Elektricitätslehre und ihrer technischen
                              									Anwendung zu machen. Mit der wachsenden Kenntniſs wird sich dann auch die noch
                              									herrschende Scheu vor der Anwendung elektrischer Einrichtungen legen und werden eine
                              									Menge allgemein verbreiteter Vorurtheile gegen dieselben schwinden.