| Titel: | Neuerungen an Dampfsteuerapparaten. | 
| Autor: | Mittag | 
| Fundstelle: | Band 243, Jahrgang 1882, S. 357 | 
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                        Neuerungen an Dampfsteuerapparaten.
                        Patentklasse 65. Mit Abbildungen auf Tafel 30.
                        Neuerungen an Dampfsteuerapparaten.
                        
                     
                        
                           Die Einführung von hydraulischen und Dampf-Steuerapparaten bezweckt eine Ersparniſs
                              									an Zeit in der Umlegung des Ruders und die Verringerung der Zahl der Rudergänger.
                              									Bei gewöhnlichen Rudern wird mittels Handsteuerung ein Ruderwinkel von höchstens 30°
                              									in mindestens 1½ Minuten bei einer je nach der Gröſse des Schiffes ungemein groſsen
                              									Anzahl von Rudergängern (60 Mann und darüber) erreicht. Die Verwendung der
                              									Balanceruder vermindert die Zeit des Ueberlegens um denselben Ruderwinkel auf etwa
                              									25 Secunden bei gleichzeitiger bedeutender Verringerung des Kraftaufwandes zum
                              									Drehen (8 Mann etwa). Da jedoch das einfache Balanceruder beim Steuern nur unter
                              									Segel häufig versagt, die diesen Uebelstand vermeidenden zusammengesetzten
                              									Balanceruder aber zu kostspielig und leichter Beschädigungen ausgesetzt sind, so hat
                              									man die gewöhnlichen Ruder bei Einführung der hydraulischen und Dampf-Steuerapparate
                              									wieder in Gebrauch genommen. Die günstigen Wirkungen solcher Steuerapparate stehen
                              									auſser Frage. Es wurde auf den neuen deutschen Corvetten das Ruder um 35° in 14
                              									Secunden durch 2 Mann übergelegt; die Wirkung des Balanceruders ist somit noch
                              									übertroffen.
                           Ein groſser Vortheil dieser Steuerapparate liegt darin, daſs die Controle der
                              									Bewegungen des Schiffes in die Hand weniger Personen, unter Umständen sogar des
                              									Commandanten allein, gelegt werden kann. Eine Verbindung mit Apparaten, wie sie von Küchen und Petersen (1880
                              									239 * 101) vorgeschlagen sind, würde die höchsten Anforderungen in Bezug auf
                              									Sicherheit der Bewegungen des Schiffes und schnelle Steuerfähigkeit erfüllen
                              									können.
                           Trotzdem mit hydraulischen Steuerapparaten ganz zufriedenstellende Resultate erzielt
                              									wurden, hat man sich doch allgemein den Dampfsteuerapparaten zugewendet. Die
                              									Erfindung derselben wird dem amerikanischen Ingenieur F. E.
                                 										Sickels (1850) zugeschrieben. Dessen auf der Weltausstellung 1851
                              									vorgeführter Apparat bestand aus zwei Dampfcylindern, deren Kolben in rechten
                              									Winkeln auf einer Welle arbeiteten, welche mit dem Ruder in irgend einer Weise
                              									verbunden war. Diese Anwendung einer bezieh. mehrerer besonderer kleiner
                              									Hilfsdampfmaschinen hat sich besser bewährt als die vielfach in Vorschlag gebrachte
                              									Methode, die für die Bewegung des Ruders erforderliche Kraft der Hauptwelle mittels
                              									kuppelbarer Kegelrädergetriebe zu entnehmen. Sie findet sich allgemein bei den
                              									neueren Constructionen, so auch bei den hier zu beschreibenden. Sämmtliche dieser
                              									Anordnungen sind für Hand- und Dampfsteuerung derart eingerichtet, daſs durch eine
                              									leichte Verschiebung eines Rades die eine oder andere Steuerung je nach der
                              									aufzuwendenden Kraft oder der verlangten Drehgeschwindigkeit benutzbar ist.
                           Eine Construction von R. Ziese in Firma Specht, Ziese und Comp. in Hamburg (* D. R. P. Nr.
                                 									12454 vom 29. Februar 1881) ist in Fig. 1 und
                              										2 Taf. 30 in zwei Ansichten dargestellt.
                           Wird die Handsteuerung allein gebraucht, so treibt das auf der Handradwelle sitzende
                              									kleine Rad a das groſse Rad A und weiter die Kettenscheibe, über welche die Kette zu der Steuerpinne
                              									läuft.
                           Wird die Dampfsteuerung allein gebraucht, so wird das Handrad mit seiner Welle bis in
                              									die punktirt gezeichnete Lage Fig. 2
                              									geschoben. Der obere Theil des Lagerdeckels bei c ist
                              									beweglich, umfaſst die Knagge auf der Welle und hält dieselbe in ihrer Stellung.
                              									Jetzt wirkt die Maschine durch das auf der Kurbelwelle sitzende kleine Rad b auf die Welle der Kettenscheibe. Das Rad b auf der Kurbelwelle ist lose und wird nur durch das
                              									Einschalten einer Kupplung mitgenommen.
                           Die Steuerung der Maschine geschieht auf folgende Weise: Durch das Drehen des kleinen
                              									Handrades nach Steuerbord oder Backbord schraubt sich die Welle x in der theilweise hohlen Welle der Kettenscheibe ein
                              									und aus und verschiebt mittels eines Mitnehmers die Kupplung y. Diese wirkt durch Hebelübersetzung auf den Hauptdampfschieber der
                              									Maschine und öffnet den Zutritt des Dampfes entweder für die Einlaſs-, oder
                              									Austrittkanäle der Cylinder. Die Maschine wird so, je nach der Stellung dieses
                              									Schiebers, vorwärts oder rückwärts gehen. Sobald die Maschine zu arbeiten beginnt, dreht sich
                              									die Welle der Kettenscheibe und zwar stets in entgegengesetztem Sinne der Welle x. Die Maschine hat daher das Bestreben, die Kupplung
                              									stets in ihre Mittelstellung zurückzubringen und den Dampfeintritt zu
                              									schlieſsen.
                           Bei einer Drehung des Handrades und demzufolge Verschiebung der Kupplung y wird die Maschine sofort anfangen zu arbeiten und
                              									sogleich still stehen, wenn sie so zu sagen das Handrad eingeholt hat. Ein Zeiger am
                              									Handrad stellt die jedesmalige Stellung des Steuers dar und man ist im Stande, dem
                              									Steuer jede beliebige Stellung zu geben, es unter jedem Winkel beliebig lange
                              									festzuhalten und es ebenso schnell seine normale Stellung wieder einnehmen zu
                              									lassen.
                           Jede Verschiebung des Steuers durch Wellenstöſse wird ein Drehen der Kettenscheibe,
                              									demgemäſs ein Verschieben der Kupplung und Anlassen der Maschine zur Folge haben.
                              									Alle Stöſse werden daher direct auf den Dampf in den Cylindern übertragen und finden
                              									hier ein nachgiebiges Kissen, welches ein Brechen des Apparates bei plötzlichen
                              									Stöſsen verhindert.
                           Die Uebertragung ist im Gegensatz zu sonst üblichen Steuerapparaten nur durch
                              									Stirnräder gemacht, einem Brechen der Zähne also, wie es bei Uebertragungen durch
                              									Schnecke oder excentrisches Rad leicht vorkommen kann, möglichst vorgebeugt.
                           Mustergültig ist die spätere einfachere Construction von R.
                                    										Ziese in St. Petersburg (* D. R. P. Nr. 13974 vom 8. October 1880); bei
                              									derselben ist namentlich Werth auf möglichste Raumersparniſs gelegt, während ferner
                              									der ganze Arbeitsmechanismus durch ein Gehäuse den Augen der Rudergänger entzogen
                              									ist.
                           Wird der Handsteuerapparat allein gebraucht, so treibt das mit der hohlen Welle D (Fig. 3 Taf.
                              									30) des groſsen Handrades aus einem Stück bestehende Getriebe a das groſse Stirnrad A
                              									mit der auf der Welle festgekeilten Kettenscheibe K,
                              									über welche die Kette durch die Führungsrollen zur Ruderpinne läuft. Die Kupplung
                              										B, auf der Welle W
                              									durch Nuth und Feder befestigt, in achsialer Richtung aber verschiebbar, ist in
                              									diesem Falle ausgelöst und verhindert, daſs das auf der Welle W drehbar befestigte Schneckenrad C an der Drehung der Welle W theilnimmt.
                           Soll die Dampfsteuerung angewendet werden, so wird das groſse Handrad so weit
                              									zurückgezogen, daſs die Zähne des Getriebes a auſser
                              									Eingriff mit denen des Rades A kommen, während die
                              									Kupplung B in das Schneckenrad C eingeschaltet wird.
                           Die Umsteuerung der Dampfmaschine geschieht in bekannter Weise durch Umschaltung der
                              									Dampfeintritt- und Austrittwege zu, den von festen Excentern betriebenen
                              									Vertheilungsschiebern mittels eines besonderen Steuerungsschiebers, der mit den äuſseren
                              									Umsteuerungsmechanismen in Verbindung steht. Sobald nämlich das auf der Welle w befestigte kleine Handrad H1 nach Back- oder Steuerbord gedreht
                              									wird, schraubt sich die Welle vermöge des auf derselben befindlichen Gewindes in das
                              									mit Muttergewinde versehene Stirnrädchen r ein oder
                              									aus, wodurch der Winkelhebel E, sowie der damit in
                              									Verbindung stehende Steuerungsschieber für den Vorwärts- und Rückwärtsgang der
                              									Maschine bewegt wird.
                           Beginnt die Maschine zu arbeiten, so wird die Welle mit der Schnecke F in Drehung versetzt, welche dann das Schneckenrad C, sowie die Welle W mit
                              									dem Rade A und der Kettenscheibe K zur Umdrehung zwingt und dadurch das Einholen der
                              									Kette von der einen oder anderen Seite bewirkt, in Folge dessen eine Veränderung der
                              									Lage des Steuers erfolgt. Durch die Umdrehung des Rades A ist aber auch gleichzeitig das Rädchen r,
                              									welches mit ersterem im Eingriff steht, gedreht worden und schraubt dadurch die
                              									Welle w wieder in ihre vorige Lage zurück, wodurch der
                              									Steuerungsschieber in die Mittelstellung gebracht und der Dampfzutritt nach den
                              									Cylindern abgeschnitten wird, was den Stillstand der Maschine zur Folge hat. Auf
                              									diese Weise kann das Steuer in jeder beliebigen Lage festgehalten und ebenso leicht
                              									wieder bei entgegengesetzter Drehung in die Mittelstellung gebracht werden.
                           Um dem Steuermann nur die zur völligen Ueberlegung des Ruders erforderlichen
                              									Umdrehungen des Rades H1 zu gestatten, klemmt sich nach deren Abgabe der Zahn c gegen einen Zahn des Rades d; wird ein gewaltsames Weiterdrehen bewirkt, so verhindert das
                              									Krongetriebe i (Uhrschlüssel) die Uebertragung auf die
                              									Steuerwelle.
                           Eine etwas umständliche Anordnung hat der von C. G. Y.
                                    										King in Liverpool (* D. R. P. Nr. 13155 vom 24. August 1880) angegebene
                              									Apparat. Die Skizze Fig. 4 Taf.
                              									30 zeigt denselben für Handsteuerung gestellt. Mittels des Handrades O wird durch die Zahnräder M,
                                 										L das Kettenrad J entsprechend angetrieben. Um
                              									die Dampfmaschine wirken zu lassen, verschiebt man mittels des Handrades U und der Winkelhebel T, V
                              									das Zahnrad P sowie die Kupplungen K und S. Die erstere
                              									kuppelt dann das lose Schraubenrad F mit der Welle G, die letztere verbindet mittels eines zweiten Muffes
                              										Q die Welle G mit der
                              									in dieser steckenden Spindel R. Ist der Apparat in
                              									dieser Weise durch das Handrad U für Dampf gestellt, so
                              									wird durch eine Drehung des Handrades O das Zahnrad Y durch P in Umdrehung
                              									versetzt, wodurch die Spindel R in die Steuerradwelle
                              										G hineingeschraubt wird. Durch diese Bewegung wird
                              									der Hebel w bewegt, welcher die Dampfventile öffnet,
                              									und die kleine Zwillingsdampfmaschine A wird in
                              									Thätigkeit gesetzt. Sobald nun aber die Welle G von der
                              									Maschine durch das
                              									Schneckengetriebe D, F gedreht wird, schiebt sie auch
                              									die Welle R zurück und schlieſst auf diese Weise den
                              									Dampf ab, indem sie den Hebel w umsteuert.
                           Auch die Construction von G. W. Robertson in Glasgow (*
                              									D. R. P. Nr. 16049 vom 13. Mai 1881) ist sehr umständlich zu nennen. Die Steuerwelle
                              										G (Fig. 5 und
                              										6 Taf. 30) wird hier durch drei oscillirende Dampfcylinder H angetrieben, bei denen der Dampfzutritt durch je
                              									einen hohlen Zapfen mittels des Rohres J von dem
                              									Schieberkasten K aus geschieht.
                           Der Apparat selbst arbeitet folgendermaſsen: Wenn die Welle P mittels eines bei P1 aufgekeilten Speichenrades in der gewünschten
                              									Richtung gedreht wird, so werden sich auch die Kegelräder Q und R drehen; letzteres bewegt mittels
                              									Klauen i die Klauen j
                              									einer Kupplung, welche die Mutter einer Spindel S
                              									bildet. Diese untere Kupplung wird nun rotiren und vertical an der Schraubenspindel
                              									auf- oder absteigen, wobei sie die ihr angehängten Theile mitnimmt. Es sind dies ein
                              									nach Art der Excenterringe vertieft liegender Gleitring k, welcher durch zwei Gelenkstangen T mit dem
                              									Querkopf U in Verbindung steht, während dieser wiederum
                              									mit der Schieberstange des Vertheilungsschiebers verbunden ist. Entsprechend seiner
                              									Bewegung wird nun der Vertheilungsschieber Dampf in den einen oder den anderen der
                              									drei im Schieberkasten befindlichen Kanäle g, h
                              									eintreten lassen; durch die oscillirende Bewegung der Dampfcylinder ist es bedingt,
                              									daſs, wenn sich in der im Zapfen liegenden Platte d die
                              									augenblicklich für die Einströmung offenen Einschnitte schlieſsen, die
                              									entgegengesetzten sich für den Austritt öffnen, um den Dampf durch den Schieber O und das Rohr K1 entweichen zu lassen. Die Verbindung des
                              									Vertheilungsschiebers mit der Kurbelwelle G ist dadurch
                              									hergestellt, daſs ein auf die Spindel S aufgekeiltes
                              									Kegelrad V in ein zweites Rad W eingreift, an dessen Rückseite ein Kurbelzapfen l angebracht ist, um die Drehung des Rades W
                              									mittels der Pleuelstange m auf den Zapfen und Scheibe
                              										n zu übertragen. Diese Scheibe sitzt auf der Welle
                              										G fest und gibt deren Drehungen an Rad V zurück, um in derselben Weise wie bei dem vorher
                              									beschriebenen Apparate eine selbstthätige Abstellung der Maschine herbeizuführen. Um
                              									die Maschine in Bewegung zu halten, bis die erforderliche Drehung erreicht ist, muſs
                              									die Welle P schneller als Welle G gedreht werden, da sonst der Dampf zu vorzeitig von den Cylindern
                              									abgeschnitten wird.
                           Um es zu ermöglichen, das Schiff von der Commandobrücke, vom Deck oder Steuerhaus aus
                              									steuern zu können, ist auf den hinteren Theil der Büchse R1 des Kegelrades R eine verticale Welle R2 mittels Nuth und Feder t und Halsring s aufgesetzt. Bei dieser Art
                              									des Steuerns muſs der Eingriff zwischen den Kegelrädern R und Q
                              									aufgehoben, oder aber
                              									die Verbindung zwischen der Welle P und dem Rade Q gelöst werden, was dadurch geschieht, daſs der
                              									Kupplungsmuff u mittels des Handhebels v zurückgeschoben wird, wodurch sich nun Rad Q lose auf der Welle P
                              									drehen kann und die Wirkung des auf Deck befindlichen Speichenrades mittels der
                              									Welle R2 direct auf den
                              									Vertheilungsschieber O übertragen wird. Wird der
                              									Halsring s hochgeschoben und die Preſsschraube in den
                              									Punkt a eingesetzt, so ist die Verbindung zwischen R1 und R2 gelöst.
                           Um das Schiff nur mittels Hand zu steuern, wird Rad Q
                              									lose gesetzt und der Trieb z1 bezieh. die Büchse z mit der Welle P, auf welcher die Büchse bis jetzt lose lief,
                              									vereinigt. Diese Vorrichtung besteht aus einer Scheibe b, welche fest auf die Welle P aufgekeilt
                              									ist. Die Büchse z ist mit einem Auge versehen, in
                              									welchem der Hebel q vor und zurück gelegt werden kann.
                              									Wird dieser Hebel nun vorgelegt, so daſs seine Theile q
                              									und q1 in Einschnitte
                              									der Scheibe b eintreten, so ist zwischen Welle P und Büchse z bezieh. z1 die Vereinigung
                              									hergestellt, welche durch Zurücklegen des Hebels, da dann die Theile q und q1 auſser Verbindung mit Scheibe b treten, wieder aufgehoben wird. Ist nun zwischen
                              									Welle P und Trieb z1 Verbindung hergestellt, so kann mittels der Hand
                              									durch ein bei P1
                              									aufgesetztes Speichenrad auf Welle P, Trieb z1, Stirnrad z2 und Seilscheibe p eingewirkt werden. Ein mit der Welle P in entsprechender Verbindung gesetzter Zeiger Z zeigt die jedesmalige Stellung des Ruderhelmes.
                           Mittag.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
