| Titel: | Zur Herstellung von Zellstoff. | 
| Fundstelle: | Band 243, Jahrgang 1882, S. 393 | 
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                        Zur Herstellung von Zellstoff.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 33.
                        Zur Herstellung von Zellstoff.
                        
                     
                        
                           Um das nach vollendetem Kochen von Stroh, Holz, Alfa u. dgl. mit
                              									Natronlauge in dem Stoff zurückbleibende Natron zu gewinnen, empfiehlt Ernst Kirchner in Aschaffenburg (* D. R. P. Kl. 55 Nr.
                                 									15645 vom 19. Januar 1881) die in Fig. 7 und
                              										8 Taf. 33 dargestellte Auslaugevorrichtung.
                              									Unter dem Stoffgefäſs G mit Siebboden s und Siebdeckel m stehen
                              									6 oder mehr geschlossene Laugenbehälter I bis VI mit bis auf den Boden reichenden Standrohren. Der
                              									unter dem Siebboden s gelegene Raum des Gefäſses G ist mit den Laugebehältern durch Hähne 1 bis 6 verbunden. An die
                              									Standrohre schlieſsen Hähne a und ein Verbindungsrohr
                              									an, welches nach der einen Seite hin in ein Warmwasserrohr mit Hahn H und nach der anderen Seite über dem Gefäſs G in eine Rohrbrause S
                              									endigt, die um ein Kugelgelenk hochgeschlagen werden kann. Ferner gestattet der Hahn
                              										n, aus G unterhalb des
                              									Siebbodens s Lauge abzulassen. Das mit Hauptventil V versehene Dampfrohr kann durch Ventile v mit den Laugebehältern verbunden werden.
                           Beim Betriebe enthält der Behälter I die stärkste, VI die schwächste der früher gewonnenen Laugen. Man
                              									schafft nun den Stoff heiſs vom Kocher in das Gefäſs G,
                              									befestigt über dem Stoff das Sieb m, bringt die Brause
                              										S in die wagrechte Lage, öffnet Hahn V, sowie v und a des Behälters I, während
                              									alle übrigen Hähne geschlossen sind. Durch Eintreten von Dampf in I wird nun die stärkste Lauge durch das Standrohr, Hahn
                              										a, das Verbindungs- und Steigrohr nach der Brause
                              										S gedrückt und von dieser über den Stoff in G gleichmäſsig vertheilt; die Gröſse der Laugenbehälter
                              									ist so berechnet, daſs, nachdem die ganze Lauge von 1
                              									nach G übergetrieben ist, das Sieb m eben von Lauge bedeckt ist. Nun schlieſst man V, v und a, öffnet Hahn
                              										n und läſst die concentrirte braune Lauge nach dem
                              									Vorrathsbehälter oder Abdampfofen abflieſsen. Jetzt öffnet man Ventil V und die Hähne v und a des Behälters II, treibt
                              									den ganzen Inhalt von II nach G über, öffnet darauf Hahn 1 des ersten
                              									Laugebehälters, nachdem man wieder Ventil V und Hahn
                              										v und a des Behälters
                              										II geschlossen hatte. In I ist durch Abkühlung etwas Dampf niedergeschlagen; die dadurch
                              									entstandene Luftleere saugt bei Oeffnung von Hahn 1
                              									sofort die Lauge von G ab; beim Ablaufen der Lauge von
                              										G
                              									nach I muſs nun, sobald das Saugen aufhört, das Lufthähnchen
                              										x geöffnet werden, bis alle Lauge von G nach 1 abgelaufen ist.
                              									Nunmehr wird Hahn x und 1
                              									geschlossen, Ventil V und Hahn v und a des Behälters III geöffnet, so daſs der Inhalt von III nach
                              										G aufsteigt; man schlieſst dann die 3 Hähne wieder,
                              									öffnet Hahn 2 und Lufthahn x, so daſs die auf III vorher gewesene Lauge von G nach II flieſst; auf dieselbe Weise kommt
                              									Inhalt IV auf G und dann
                              									nach III, Inhalt V auf G und dann nach IV, Inhalt
                              										VI auf G und dann nach
                              										V. Zum Schluſs wird Hahn H geöffnet und man läſst vom Warmwasserbehälter durch die Brause S heiſses Wasser langsam auf G spritzen, bis der Siebboden m mit Wasser
                              									bedeckt ist; dann wird H geschlossen, Hahn 6,
                              									schlieſslich auch Lufthahn x geöffnet, bis wieder alles
                              									heiſse, etwas braun gewordene Wasser nach VI
                              									abgeflossen ist. Damit ist die eine Kochung vollständig entlaugt und wird nun der
                              									reine Stoff aus G entfernt. Bei ferneren Kochungen
                              									verfährt man in ganz gleicher Weise.
                           Nach Kirchner bedingen die sonst zum Auslaugen
                              									verwendeten Shank'schen Kästen ein längeres, meist 24 Stunden dauerndes Verbleiben
                              									des Stoffes in denselben, so daſs die Laugen abgekühlt und der Stoff durch Staub u.
                              									dgl. beschmutzt wird. Die kalte Lauge kommt mit dem heiſsen Stoff aus dem Kocher
                              									zusammen, so daſs sich die Zelle bräunt, verholzt und schwer bleichbar wird. Nach
                              									dem Kirchner'schen Verfahren kann man dagegen ohne
                              									Anwendung von Pumpen in 2 bis 3 Stunden die ganze Arbeit des Entlaugens und zwar in
                              									vollkommener Weise mit nur 1 Mann machen. Die ganze Operation geschieht warm, da die
                              									gegen Abkühlung geschützten Gefäſse mit Hilfe des verwendeten Dampfes die Laugen in
                              									hoher Temperatur erhalten. Der Stoff ist durch die bedeutend abgekürzte Zeit und
                              									durch ein aufgelegtes Sieb einem Verschmutzen in viel geringerem Maſse ausgesetzt.
                              									Man erhält daher einen helleren, reineren Stoff mit elastischer, leicht bleichbarer
                              									Faser und gewinnt nahezu das ganze an der Faser hängende Natron in Form schwerer
                              									brauner Laugen zurück, dessen Regenerirung im Ofen sich wohl lohnt.
                           G. Lunge bestätigt in der Papierzeitung, 1882 S. 4 den ungemein groſsen Verbrauch von Esparto in
                              									englischen Papierfabriken, von denen es mit Ausnahme der allerfeinsten Brief- und
                              									Banknotenpapiere sowohl für feine Papiersorten, als auch für Zeitungspapier
                              									gebraucht wird. Im ersteren Falle wird es für sich oder in Mischung mit Lumpen, im
                              									letzteren Falle in Mischung mit dem 4 oder 5 fachen an Strohstoff und noch
                              									billigeren Stoffen angewendet. Seine ausgezeichnete, lange und feste Faser befähigt
                              									es dazu, einem kurzen Stoffe bedeutend gröſsere Festigkeit zu geben. Dabei nimmt es
                              									die beste Bleiche an und gibt ein nachhaltig weiſses Papier.
                           
                           Uebrigens verhalten sich nicht alle Sorten von Esparto gleich; namentlich ist in der
                              									Regel das spanische, welches auch dünnere Stengel hat, weniger lang und zu besseren
                              									Papiersorten geeignet als das algierische, welches speciell den Namen „Alfa“
                              									führt, aber im Groſshandel ebenfalls unter dem Namen „Esparto“ mit
                              									inbegriffen ist; noch gröber ist die Faser der aus Tunis kommenden Waare, so daſs
                              									auch der Preis des spanischen Esparto am höchsten, der des tunesischen am
                              									niedrigsten steht.
                           Die Verarbeitung von Esparto ist ungleich leichter und billiger als die von Stroh;
                              									nur muſs dasselbe vorher sorgfältig durch 2maliges Auslesen von Wurzeln und von
                              									Unkraut gereinigt werden, was durch weibliche Arbeit im Accord gemacht wird. In den
                              									Ballen von Esparto, wie sie aus Spanien kommen, finden sich inwendig oft ganze
                              									Haufen von Wurzeln, Schuhe mit dicken, noch dazu stark mit Koth belegten Sohlen,
                              									altes Eisen u. dgl. Das ausgelesene Esparto wird nun unzerschnitten in den
                              									Kochkessel gebracht und mit Natronlauge gekocht. Dabei sind Drehkessel nicht so gut
                              									als feststehende, weil sich der Stoff darin leicht zu Graupen ballt. Hochdruck ist
                              									nicht erforderlich. Dabei braucht der Stoff nur ½ bis ⅔ der Menge Aetznatron, welche
                              									für das gleiche Gewicht Stroh erforderlich ist. Die innerhalb weniger Stunden völlig
                              									weichgekochte Masse bildet einen ausgezeichneten Halbstoff, welcher im Holländer
                              									vermählen, gebleicht und in Ganzzeug verwandelt wird. Wenn man anderen Stoff dazu
                              									mischen will, so muſs man beide für sich mahlen und sie erst in der Zeugbütte
                              									mengen. Die Kochlaugen, sogar die Waschwässer, wenn man methodisch gewaschen hat,
                              									werden verdampft, der Rückstand wird verkohlt und ein groſser Theil der Soda auf
                              									diesem Wege wiedergewonnen.
                           So sehr nun auch die Einführung des Espartograses in die deutschen Papierfabriken als
                              									vollkommen ebenbürtiges Ersatzmittel für Hadern zu begrüſsen wäre, so sind doch die
                              									entstehenden Schwierigkeiten sehr bedeutend. Die Angabe, daſs das
                              									Ammoniaksoda-Verfahren die Herrschaft der Engländer auf diesem Gebiete brechen und
                              									dem deutschen Papierfabrikanten dieselben günstigen Bedingungen wie dem englischen
                              									gewähren würde, ist nach Lunge nicht richtig, da das
                              									zur Verarbeitung des Esparto erforderliche Aetznatron ausschlieſslich nach dem
                              									Leblanc'schen Verfahren erhalten wird und die Herstellung aus Ammoniaksoda sich kaum
                              									lohnen würde. Sollte jedoch das Ammoniakverfahren mittels neuer Verbesserungen über
                              									das Leblanc-Verfahren den Sieg davon tragen, so würden gewiſs die Engländer mittels
                              									ihrer groſsen Geldmittel und ihrer unvergleichlichen natürlichen Vortheile in Bezug
                              									auf den Preis der Rohstoffe und die Verschiffung der Producte ebenfalls Ammoniaksoda
                              									und zwar stets billiger als die Deutschen erzeugen.
                              									Ohne den Schutzzoll wäre weder heute, noch dann die deutsche Soda mit der englischen
                              									concurrenzfähig, wenn nicht der höhere Werth der Salzsäure in Deutschland das Gewicht in
                              									die andere Wagschale wirft; jedenfalls aber muſs der deutsche Papierfabrikant diesen
                              									Schutzzoll sowie Fracht und Spesen bezahlen und ist um so viel dem englischen
                              									gegenüber stets im Nachtheile.
                           Gleichwohl dürfte der höhere Preis der Soda und des Chlorkalkes kein Hinderniſs für
                              									die Einführung des Esparto sein, da schon jetzt die Herstellung von Strohstoff und
                              									Holzzellstoff in Deutschland verbreitet ist, obwohl dieselben weit mehr Soda als das
                              									Esparto beanspruchen. Bei noch weiterer Vervollkommnung der Wiedergewinnung der
                              									Sodalaugen wird der wirkliche Verbrauch von Soda noch geringer werden. Als
                              									ernstliches Hinderniſs einer ausgedehnten Verwendung von Esparto in Deutschland sind
                              									dagegen die weit ungünstigeren Frachtverhältnisse für den Bezug des Esparto zu
                              									bezeichnen, in Folge deren dasselbe in deutschen Häfen immer erheblich theurer zu
                              									stehen kommt als in England. Immerhin dürften die den Haupthäfen nahe liegenden
                              									Fabriken dasselbe noch mit Vortheil verarbeiten können, um die kurze Faser des
                              									Strohes und des Holzzellstoffes zu verbessern.
                           In einer von Lunge vor einigen Jahren am Tyne
                              									eingerichteten Fabrik wurden die ohnehin stark kaustischen Mutterlaugen der
                              									Sodafabrikation zugleich mit der nöthigen Menge von regenerirter Soda völlig
                              									kaustisch gemacht und nach der daneben liegenden Halbzeugfabrik gepumpt. Die
                              									Waschwässer vom Kalke wurden zur Verdünnung der Lauge auf den richtigen Grad
                              									gebracht. Man ersparte also die Kohlen für das Eindampfen, Arbeitslohn, Verschleiſs
                              									der Apparate und sämmtliche Verpackung, während als Fracht nur die geringen Kosten
                              									des Pumpens anzusehen waren. Ferner wurde durch Einleiten von Chlor in Kalkmilch
                              									flüssiger Chlorkalk hergestellt und dieser ebenfalls durch Röhren in die
                              									Halbzeugfabrik hinübergeleitet. Unter so günstigen Verhältnissen werden allerdings
                              									nur wenige Fabriken arbeiten können. Im Durchschnitt erforderten 100 Th. sortirtes
                              									Esparto 12,5 Th. 80procentiges Aetznatron, ohne Rücksicht auf die Wiedergewinnung
                              									des Natrons, und 10 bis 12 Th. 35procentigen Chlorkalk. Als Ausbringen an reinem
                              									Ganzzeug geben 100 Th. spanisches ausgelesenes Esparto 42 bis 50, algierisches nur
                              									40 bis 50 Th.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
