| Titel: | Der Gehalt des Cigarrenrauches an Nikotin unter gleichzeitiger Berücksichtigung der giftig wirkenden Verbrennungsproducte des Tabakes; von Rich. Kissling. | 
| Autor: | Rich. Kiſsling | 
| Fundstelle: | Band 244, Jahrgang 1882, S. 65 | 
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                        Der Gehalt des Cigarrenrauches an Nikotin unter
                           								gleichzeitiger Berücksichtigung der giftig wirkenden Verbrennungsproducte des Tabakes;
                           								von Rich. Kiſsling.
                        Kiſsling, über den Gehalt des Tabakrauches an Nikotin.
                        
                     
                        
                           Nachdem man die groſse Giftigkeit des Nikotins, zumal seine intensive Einwirkung auf
                              									das Nervensystem einerseits, den relativ bedeutenden Gehalt des Tabakes an diesem
                              									Stoffe andererseits erkannt hatte, war es nur natürlich, daſs man der Frage, welchen
                              									Einfluſs die hauptsächlichste Art des Tabakgenusses, das Rauchen, auf das Nikotin
                              									ausübe, ein eingehenderes Interesse zuwendete. Allerdings ist die Anzahl der
                              									Forscher, welche sich mit dieser Frage beschäftigt haben, nicht eben bedeutend zu
                              									nennen; immerhin liegt aber eine ganze Reihe mehr oder weniger eingehender, theils
                              									chemischer, theils physiologischer Untersuchungen über diesen Gegenstand vor.
                              									Während aber einige Forscher auf das Unwiderleglichste nachzuweisen schienen, daſs
                              									im Tabakrauche keine Spur von Nikotin vorhanden sei, behaupteten Andere mit der
                              									nämlichen Bestimmtheit, sehr erhebliche Mengen desselben aus dem Rauchproducte
                              									abgeschieden zu haben. Eine Zusammenstellung, sowie eine kurze kritische Besprechung
                              									der betreffenden Arbeiten dürfte daher nicht ohne Interesse sein, zumal meine eigenen Untersuchungen,
                              									deren Mittheilung dann folgt, die Streitfrage endgültig zum Abschluſs bringen
                              									dürften.
                           Der Erste, welcher sich mit der Untersuchung des Tabakrauches
                              									beschäftigte, war UnverdorbenPoggendorff's Annalen, 1826 Bd. 8 S.
                                    										399., und zwar im Verlaufe seiner Arbeit über das Verhalten der
                              									organischen Körper in höheren Temperaturen. Derselbe gibt als Producte der trockenen
                              									Destillation von Tabak folgende Körper an: 1) Ein ätherisches Oel, welches so
                              									riecht, wie erhitzter befeuchteter Tabak. 2) Eine ölartige Säure, welche bei der
                              									Destillation zuerst übergeht und fast so riecht wie die Säure der Schleimharze. 3)
                              									Brandsäure, der Thierbrandsäure ähnlich. 4) Eine Menge eines in Kali auflöslichen
                              									rothbraunen Harzes. 5) Eine Spur eines in Kali und Säuren unlöslichen Pulvers. 6)
                              									Eine geringe Menge Odorin (Picolin). 7) Eine in Wasser auflösliche Basis, welche
                              									schwieriger mit Wasser überdestillirt als Odorin und einen kratzenden Geschmack
                              									sowie einen unangenehmen, stechenden, zum Husten reizenden Geruch besitzt. (Diese
                              									Basis, in Wasser gelöst und mit Schwefelsäure vermischt, zersetzt sich beim
                              									Einkochen und bildet Odorin, FuscinFuscin nennt Unverdorben einen wenig
                                    											charakterisirten braunen, pulverigen Körper, der wahrscheinlich Rosolsäure
                                    											enthält. Die Lösungen in Säuren werden an der Luft roth. und
                              									Ammoniak.) 8) Fuscin. 9) Einen dem Fuscin ähnlichen Körper und 10) zwei
                              									extractivartige Körper. Der Schmirgel von feinen Tabaksorten enthält eine flüchtige
                              									Basis, welche in geringer Menge auch schon in der vorher untersuchten Probe
                              									enthalten ist; sie hat einen äuſserst ekelhaften Geruch, der schon in sehr geringer
                              									Menge, oft ½ Stunde anhaltend, Ekel und Neigung zum Erbrechen verursacht.
                           ZeiseAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 47 S.
                                    											212. war der Erste, welcher durch einen Aspirator Tabak aus einer
                              									Pfeife rauchen lieſs. Um aber eine gröſsere Menge des Rauchproductes zu erhalten,
                              									unterwarf er, von der Ansicht ausgehend, daſs die gewöhnliche trockene Destillation
                              									des Tabakes dieselben Producte liefern müsse wie der Rauchproceſs, mehrere Pfund
                              									Tabak in eisernen Quecksilberflaschen einer bis zum Durchglühen des Rückstandes
                              									gleichmäſsig steigenden Erhitzung und sammelte das Destillationsproduct, welches aus
                              									einer röthlichbraunen wässerigen Flüssigkeit und einer schwarzbraunen theerartigen
                              									Masse bestand, in einer Vorlage, welche noch mit einem Glasscherben enthaltenden
                              									Glasrohr verbunden war. Die theerartige Masse gab, erst mit Wasser und dann mit
                              									verdünnter Schwefelsäure destillirt, auſser einem Brandöl und viel Ammoncarbonat
                              									eine Reihe nicht weiter untersuchter Substanzen, deren eine sich ganz wie Paraffin
                              									verhielt. Die röthlichbraune, wässerige Flüssigkeit lieferte nach dem Ansäuern mit
                              									Schwefelsäure ein stark saures Destillat, welches hauptsächlich aus Buttersäure
                              									bestand. Es gelang Zeise, dieselbe zu isoliren und das
                              									charakteristische Verhalten einiger ihrer Salze zu beobachten. Das aus der
                              									theerartigen Masse erhaltene Brandöl wurde gereinigt und rectificirt; sein
                              									specifisches Gewicht wurde zu 0,870, sein Siedepunkt zu 195° bestimmt. Durch Kochen
                              									mit Kalihydrat und etwas Wasser wurde es in ein anderes, vermuthlichZeise nimmt allerdings 10 Proc. Sauerstoff in
                                    											demselben an, sagt aber andererseits, daſs Kalium sich, selbst geschmolzen,
                                    											vollkommen blank darin erhalten habe, was doch wohl die Gegenwart von
                                    											Sauerstoff ausschlieſst. Sauerstoff freies, bei 220° siedendes
                              									Oel und Buttersäure zersetzt. Beim Rauchen des Tabakes mittels eines Aspirators und
                              									Leiten des Rauches durch Kalilauge, Schwefelsäure und ein mit Glasscherben gefülltes
                              									Rohr wurden ähnliche Producte erhalten. Zeise führt
                              									schlieſslich als Bestandtheile des Tabakrauches folgende an: ein eigenthümliches
                              									Brandöl, Buttersäure, Kohlensäure, Ammoniak, Paraffin, Brandharz, auſserdem Wasser,
                              									etwas Essigsäure, mehr oder weniger Kohlenoxydgas und Kohlenwasserstoffgas.
                           MelsensAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 49 S.
                                    											353. hatte beobachtet, daſs die bräunliche Flüssigkeit, welche
                              									sich in den Wassersäcken der Pfeifen ansammelt, auſserordentlich giftig wirkt, und zwar schien die
                              									Giftigkeit derselben mit der Stärke der gerauchten Tabaksorte zuzunehmen. Diese
                              									Wahrnehmung veranlaſste ihn, die Condensationsproducte des Tabakrauches näher zu
                              									untersuchen. Zu dem Ende wurde roher Virginischer Tabak mittels eines Aspirators aus
                              									einer Pfeife geraucht. Der Rauch wurde zunächst durch eine leere, dann durch eine
                              									etwas Wasser enthaltende Flasche, hierauf durch zwei Kolben mit verdünnter
                              									Schwefelsäure geleitet.
                           Da es Melsens hauptsächlich um die
                              									Auffindung des Nikotins zu thun war, so untersuchte er die erhaltenen
                              									empyreumatischen, öligen, theerartigen und harzigen Producte nur in dieser einen
                              									Richtung. Dieselben wurden nach dem Ansäuern durch Filtration von der wässerigen
                              									Flüssigkeit möglichst getrennt und das Filtrat mit einem Ueberschuſs von Kalkmilch
                              									der Destillation unterworfen. Das alkalische Destillat wurde angesäuert, eingedampft
                              									und dann mit Kalihydrat behandelt, wobei viel Ammoniak entwich, während sich ein
                              									ölartiger, auf der Kalilösung schwimmender Körper abschied. Durch Behandlung mit
                              									Aether wurde dieser letztere von der wässerigen Flüssigkeit getrennt, dann nach dem
                              									Abdestilliren des Aethers durch mehrmalige Rectification und Behandlung mit Kalium
                              									gereinigt und hierauf analysirt. Die erhaltenen Zahlen stimmten sehr gut mit den der
                              									Formel C10H14N2 entsprechenden Werthen überein. Melsens erhielt aus 4k,5 verrauchten Tabakes 30g allerdings
                              									noch etwas Wasser haltigen Nikotins.
                           Aug. Vogel (1858 148 231) hat im Verein mit Reischauer zuerst Schwefelwasserstoff und Cyanwasserstoff im Tabakrauche
                              									nachgewiesen. Zur Bestimmung des ersteren wurde Tabakrauch durch eine essigsaure
                              									alkoholische Bleizuckerlösung gesaugt und das gebildete Schwefelblei gewogen. Es
                              									wurden auf diese Weise an Schwefelwasserstoff etwa 0,03 Procent vom Gewichte des
                              									trockenen Tabakes gefunden. Die Blausäure bestimmte Vogel in der Weise, daſs er den Tabakrauch concentrirte Kalilauge
                              									durchziehen lieſs und diese alsdann unter Erwärmen mit einer Lösung von
                              									Ferroferrisulfat versetzte. Das gebildete Ferroferricyanür (Berlinerblau) wurde nach
                              									Behandlung mit Salzsäure abfiltrirt, mit Aetheralkohol und heiſsem Wasser gewaschen
                              									und gewogen. Die Verbrennung von 100g Tabak
                              									lieferte etwa 0g,08 Cyanwasserstoff.
                           VohlVierteljahresschrift für gerichtliche und öffentliche
                                       												Medicin, Neue Folge Bd. 14 S. 249. und Eulenberg unterwarfen den Tabakrauch einer eingehenden
                              									Untersuchung sowohl in chemischer, als auch in physiologischer Richtung und kamen zu
                              									dem Schlüsse, daſs sämmtliches Nikotin durch den Rauchproceſs zersetzt werde und
                              									daſs die intensive Einwirkung des Tabakrauches auf das Nervensystem den in demselben
                              									enthaltenen Pyridinbasen zuzuschreiben sei. Für den Hauptversuch wurden 100 Stück
                              									Cigarren mittels eines Aspirators geraucht, und zwar 50 als solche und 50
                              									zerschnitten aus einer Pfeife. Der Rauch wurde erst durch concentrirte Kalilauge und
                              									dann durch verdünnte Schwefelsäure geleitet; auch die nicht verdichtbaren Gase
                              									wurden aufgefangen. Rein erhalten und analysirt wurden:
                           
                              
                                 Ein Kohlenwasserstoff von der
                                    											Formel
                                 C28H18
                                 
                              
                                 Pyridin
                                 C5H5N
                                 
                              
                                 Picolin
                                 C6H7N
                                 
                              
                                 Lutidin
                                 C7H9N
                                 
                              
                                 Collidin
                                 C8H11N
                                 
                              
                                 Parvulin
                                 C9H13N
                                 
                              
                                 Corindin
                                 C10H15N
                                 
                              
                                 Rubidin
                                 C11H17N
                                 
                              
                                 Viridin
                                 C12H19N.
                                 
                              
                           Die Reinheit der 3 letzten Körper wurde nur durch
                              									Platinbestimmungen in ihren Doppelsalzen festgestellt, während von den anderen
                              									Verbindungen vollständige Analysen ausgeführt wurden. Mit Sicherheit nachgewiesen
                              									wurden ferner: Kohlensäure, Cyanwasserstoff, Schwefelwasserstoff, Ameisen-, Essig-,
                              									Propion-, Butter-, Valerian-, Carbolsäure und Kreosot, dann mehrere
                              									Kohlenwasserstoffe aus der Acetylenreihe, endlich Ammoniak, Methan und Kohlenoxyd.
                              										Zweifelhaft blieb die
                              									Anwesenheit von: Capron-, Capryl- und Bernsteinsäure, sowie von Aethylamin.
                           Da HeubelCentralblatt für die medicinischen
                                       												Wissenschaften, 1872 S. 641. nur physiologische
                              									Untersuchungen ausgeführt hat, so beschränke ich mich auf die Mittheilung der von
                              									demselben aufgestellten Schluſsthesen und bemerke nur noch, daſs Heubel angibt, im Erlanger Universitätslaboratorium sei
                              									in der von ihm erhaltenen und zu seinen Versuchen verwendeten Flüssigkeit Nikotin
                              									unzweifelhaft nachgewiesen und auſserdem festgestellt worden, daſs dasselbe
                              									gröſstentheils als Nikotinsalz darin vorhanden sei. Die betreffenden Thesen lauten:
                              									1) Im Tabakrauche ist unzweifelhaft Nikotin enthalten und der Nikotingehalt des
                              									Rauches sowohl durch die chemische Analyse, als auch durch das physiologische
                              									Experiment nachweisbar. 2) Das Nikotin erscheint beim langsamen Verbrennen bezieh.
                              									Rauchen der an Nikotin relativ reichen Tabaksorten constant im Rauche, und zwar geht
                              									eine verhältniſsmäſsig beträchtliche Menge des genannten Alkaloids in den Rauch
                              									über. 3) Das Nikotin findet sich im Tabakrauche, mindestens zum gröſsten Theil, als
                              									Nikotinsalz. 4) Die Thatsache, daſs das Nikotin trotz seiner bedeutenden
                              									Flüchtigkeit und leichten Zersetzbarkeit dennoch beim Processe des Rauchens
                              									keineswegs vollständig oder gröſstentheils verflüchtigt oder zersetzt wird, scheint
                              									ihre Erklärung namentlich in dem Umstände zu finden, daſs sowohl in den
                              									Tabakblättern, als auch im Tabakrauche das Nikotin nicht als freies Alkaloid,
                              									sondern als beständigeres Nikotinsalz enthalten ist. 5) Bei der Wirkung des
                              									Tabakrauches auf den menschlichen und thierischen Organismus gebührt dem
                              									Nikotingehalte des Rauches ein wesentlicher Antheil.
                           Le BonLa fumée du tabac, recherches chimiques et
                                       												physiologiques par le Dr. Gust. Le Bon. (Paris 1880. Verlag von Asselin.) hat in einer längeren,
                              									preisgekrönten Abhandlung die Untersuchungen beschrieben, welche er zur Lösung der
                              									folgenden Fragen ausgeführt hat: Enthält der Tabakrauch Nikotin oder vielleicht
                              									andere giftig wirkende Stoffe? Ist eine Absorption dieser Stoffe von Seiten der
                              									Raucher unter den hierbei in Betracht kommenden Verhältnissen anzunehmen und in
                              									welchen Mengen kann eine solche Absorption statthaben? Die verschiedenen
                              									Bestandtheile des Tabakrauches, welche Le Bon in den
                              									Kreis seiner Untersuchungen gezogen hat, sind Nikotin, Ammon, Kohlenoxyd, Blausäure
                              									und zwei aromatische Stoffe (nicht im chemischen Sinne gemeint), deren einer als
                              									Collidin angesprochen wird.
                           Bei der Bestimmung des Nikotins und Ammons ist Le Bon folgendermaſsen verfahren: Der Tabak wurde in
                              									einem Metalltrichter verbrannt und der Rauch mittels eines Aspirators zunächst durch
                              									ein mit feucht gehaltenem Flieſspapier ausgekleidetes Gefäſs, dann durch mehrere
                              									Wasserwaschflaschen und schlieſslich durch eine mit Schwefelsäure beschickte Flasche
                              									gesaugt. Das erste Gefäſs mit dem Flieſspapier sollte die Mundhöhle mit ihren
                              									Schleimhäuten darstellen. Die Bestimmung des Nikotins und des Ammons geschah in der
                              									merkwürdig einfachen Weise, daſs die in dem ersten Gefäſse condensirte Flüssigkeit
                              									nebst den Waschwässern vom Flieſspapier einestheils direct titrirt, anderntheils
                              									erst eingedampft und dann titrirt wurde. Aus der letzteren Titration wurde die
                              									Nikotinmenge, aus der ersteren die Summe der Ammoniak- und Nikotinmenge berechnet.
                              									Die mitgetheilten Zahlen führe ich nicht an, da sie, wie ich unten zeigen werde, so
                              									ziemlich werthlos sind. – Das Kohlenoxyd wurde in folgender, ebenfalls unten
                              									anzufechtender Weise bestimmt: Der Rauch des in einem Trichter verbrannten Tabakes
                              									wurde zunächst zur Entfernung der Kohlensäure durch 4 Gefäſse gesaugt, von denen die
                              									3 ersten Kalilauge, das letzte Barytwasser enthielten. Hierauf ging er durch eine
                              									mit Kupferoxyd gefüllte, rothglühend gehaltene Verbrennungsröhre und schlieſslich
                              									durch zwei mit Barytwasser bechickte Geiſsler'sche Absorptionsapparate. Aus der in
                              									diesen gefundenen Kohlensäuremenge wurde das Kohlenoxyd berechnet. Auf diese Weise
                              									fand Le Bon, daſs die Verbrennung von 10g Tabak etwa 800cc Kohlenoxyd liefere. Zur Isolirung der Blausäure wurde der Tabakrauch
                              									zunächst durch mehrere mit Schwefelsäure beschickte Flaschen und dann durch Kalilauge geleitet. Die
                              									von dieser zurückgehaltene Blausäure wurde dann durch Schwefelsäure in Freiheit
                              									gesetzt und durch wiederholte Destillationen ihrer wässerigen Lösung und Ueberführen
                              									in Silbercyanid rein erhalten. Die Verbrennung von 100g Tabak lieferte 3 bis 4, höchstens 7 bis 8mg Blausäure.
                           Die Beschreibung des Verfahrens, mittels dessen das Collidin
                              									gewonnen wurde, ist sehr unklar gehalten. Le Bon sagt,
                              									er habe den Tabakrauch zuerst durch verdünnte Schwefelsäure (zur Abscheidung des
                              									Nikotins und Ammons) und dann durch destillirtes Wasser geleitet. Aus letzterem sei
                              									durch oftmalige Destillation das Collidin sowie auch der zweite „aromatische“
                              									Körper abgeschieden und aus 1000g Tabak im
                              									günstigsten Falle 1g Collidin erhalten worden.
                           Den Rauch von 3g,6685
                              									Havanna-Tabak, welcher in einer langen Holzpfeife verbrannt wurde, leitete E. T. PeaseJournal of the American Chemical Society, Bd. 2
                                    											S. 338. durch zwei Flaschen, welche mit Schwefelsäure
                              									angesäuertes Wasser enthielten, und titrirte dann diefiltrirte und concentrirte
                              									Flüssigkeit mit Kaliumquecksilberjodid. Er fand 0g,081 Nikotin.
                           Ich gehe nunmehr zu einer kurzen kritischen Besprechung der mitgetheilten Arbeiten
                              									über.
                           Unverdorben's durchweg sehr unbestimmt gehaltenen
                              									Angaben läſst sich nicht viel entnehmen. Von den beiden Basen, welche er noch auſser
                              									dem Picolin (Odorin) im Rauche gefunden hat, wird die eine wohl jedenfalls Nikotin
                              									gewesen sein.
                           Zeise's Untersuchungen haben allerdings weit
                              									bedeutungsvollere Resultate geliefert; indessen sind dieselben doch auch noch sehr
                              									lückenhaft und auſserdem läſst sich gegen die ganze Versuchsanstellung einwenden,
                              									daſs hauptsächlich mit Rauchproducten, die durch gewöhnliche trockene Destillation
                              									des Tabakes erhalten waren, experimentirt wurde; denn obschon Zeise der Erste war, welcher die von der Lunge des
                              									Rauchers geleistete Arbeit durch einen Aspirator besorgen lieſs, so hat er doch, um
                              									gröſsere Mengen des Condensationsproductes zu erhalten, diesen Weg alsbald wieder
                              									verlassen. Es ist aber keine Frage, daſs bei der unter Abschluſs der Luft
                              									verlaufenden trockenen Destillation wesentlich andere Producte gebildet werden als
                              									durch den Rauchproceſs, bei welchem der Tabak von einem stetigen (nachgeahmtes
                              									Rauchen) oder intermittirenden Luftstrom durchzogen wird. Noch bedeutungsvoller sind
                              									aber die Unterschiede in der Art der Erhitzung. Beim Rauchproceſs schreitet, zumal
                              									wenn der Tabak sich in Cigarrenform befindet, die hohe Temperatur ganz langsam von
                              									einem bis zum anderen Ende vorwärts und treibt alles Destillirbare gleichsam vor
                              									sich her. Wie ganz verschieden hiervon die Verhältnisse bei der trockenen
                              									Destillation sind, besonders wie sie Zeise ausführte,
                              									ist ohne weiteres einleuchtend. Von Interesse ist zunächst der unzweifelhafte
                              									Nachweis bedeutender Mengen Buttersäure in den Rauchproducten. Allerdings führt Zeise keine Zahlenbelege an, dafür aber verschiedene
                              									charakteristische Reactionen, welche an dem übrigens durchaus zu erwartenden
                              									Vorhandensein von Buttersäure keinen Zweifel lassen. Einigermaſsen unverständlich
                              									sind dagegen die Angaben, welche Zeise über das isolirte sogen. Brandöl macht.
                              									Dasselbe soll 71 Proc. Kohlenstoff, 12 Proc. Wasserstoff und etwa 3 Proc. Stickstoff
                              									enthalten; den Rest von 14 Proc. nimmt Zeise als
                              									Sauerstoff an, trotzdem Natrium, wenigstens in der Kälte, nicht darauf einwirkt.
                              									Vermuthlich ist die Stickstoffbestimmung, welche mehr schätzungsweise ausgeführt zu
                              									sein scheint, unrichtig.
                           Melsens ist, soweit mir bekannt, bis jetzt der Einzige,
                              									welcher Nikotin mit Sicherheit im Tabakrauche nachgewiesen hat. Wie VohlVierteljahrsschrift für gerichtliche und öffentliche
                                       												Medicin, Neue Folge Bd. 14 S. 253. sagen kann, die
                              									Resultate, welche die von Melsens ausgeführte
                              									Elementaranalyse des als Nikotin angesprochenen Rauchbestandtheiles geliefert habe,
                              									entsprächen durchaus nicht der Formel des Nikotins und den Ergebnissen von Ortigosa, Barral und Schlöſsing, ist mir unbegreiflich. Allerdings stimmt Melsens' Formel (C10H14N2)
                              									nicht mit der von Ortigosa und Barral aufgestellten, wohl aber mit der seither allgemein angenommenen
                              									überein und 2 Seiten vorher führt Vohl selbst diese
                              									Formel als die allein richtige an. So ist denn Melsens,
                              									von welchem nach Vohl's Angabe Berzelius gelegentlich der Besprechung seiner Arbeit sagt, ihm habe
                              									vielleicht gar kein Nikotin vorgelegen, gerade Derjenige, welchem wir die Kenntniſs
                              									von der Elementarzusammensetzung des Nikotins zu verdanken haben, und so wurde
                              									merkwürdigerweise nicht aus dem Tabak selbst, sondern aus dem Tabakrauch zuerst
                              									völlig reines Nikotin dargestellt. Was die Menge des von Melsens erhaltenen Nikotins anlangt, so beträgt sie etwa 0,7 Procent vom
                              									Gewichte des verrauchten Tabakes und vermuthlich etwa 15 Procent von der im Tabak
                              									enthaltenen Nikotinmenge.
                           Vohl hat auf Grund eigener Versuche die Behauptung
                              									aufgestellt, daſs im Tabakrauche kein Nikotin enthalten sei! Er verwendete bei
                              									seinem Hauptversuch 100 Cigarren, also etwa 500g
                              									Tabak, welcher 4 Proc. Nikotin enthalten haben soll.Ich halte diese Zahl für unrichtig, da eine Cigarre mit 4 Proc. Nikotin
                                    											absolut unrauchbar ist. Die Menge Stickstoff haltiger Basen,
                              									welche man in den Rauchproducten findet, richtet sich natürlich wesentlich nach dem
                              									Nikotingehalt des verrauchten Tabakes. Bei Verwendung eines solchen mit 4 Proc.
                              									Nikotin erhält man nach meinen Versuchen, bei welchen hinsichtlich der Ausbeute weit
                              									günstigere Verhältnisse obwalteten als bei den Vohl'schen, auſser Ammoniak an Stickstoff haltigen Basen höchstens 2 bis 3
                              									Procent vom Gewichte des verrauchten Tabakes, so daſs also Vohl jedenfalls nicht über 15g
                              									Pikolinbasen erhalten hat. Aus diesen 15g will nun
                              										Vohl die 7 Pikolinbasen durch „vielfache
                                 										fractionirte Destillationen und Krystallisationen ihrer Platindoppelsalze“
                              									rein dargestellt haben!
                           Ohne mich weiter auf die Einzelheiten der Vohl'schen
                              									Arbeit einzulassen, will
                              									ich nur noch darauf hinweisen, wie unvorsichtig Vohl
                              									mit den auf Nikotin zu untersuchenden Rauchproducten verfahren ist. Er scheint nicht
                              									gewuſst zu haben, daſs das Nikotin schon von mäſsig concentrirter Kalilauge in der
                              									Wärme erheblich angegriffen wird, andernfalls hätte er die Flüssigkeiten, welche
                              									dasselbe enthalten muſsten, wohl nicht 4mal theils mit concentrirter Kalilauge,
                              									theils sogar mit geschmolzenem Aetzkali destillirt. Auch war es entschieden
                              									verkehrt, das Absorptionsgefäſs, in welchem sich die schwerer flüchtigen
                              									Rauchproducte, also vor allem das Nikotin, verdichten muſsten, mit concentrirter
                              									Kalilauge zu beschicken. Daſs unter solchen Verhältnissen etwa vorhandenes Nikotin
                              									zum gröſsten Theile zerstört werden muſste, liegt auf der Hand.
                           Schlieſslich will ich noch auf die von Vohl
                              									durchgeführte Isolirung der ersten Glieder der Fettsäurereihe hinweisen – eine
                              									Leistung, welche sich der Reindarstellung der Pikolinbasen würdig anschlieſst, da
                              										Vohl nur wenige Gramm des Säuregemisches zu Gebote
                              									stehen konnten.
                           Die übrigen drei Arbeiten lassen sich schnell erledigen. Die Heubel'schen Angaben sind zu dürftig, als daſs die ganze Streitfrage durch
                              									sie gelöst betrachtet werden könnte. Ein Gleiches läſst sich von den beiden anderen
                              									Arbeiten sagen.
                           Le Bon hebt wiederholt den groſsen Aufwand an Zeit und
                              									Geld hervor, welchen seine Arbeit erfordert habe, und man muſs in der That
                              									anerkennen, daſs er in Bezug auf diese beiden Erfordernisse sehr freigiebig
                              									verfahren ist – doppelt schade, daſs ihm nicht in gleichem Maſse die unbedingt
                              									nöthigen chemischen Kenntnisse zu Gebote gestanden haben; die Resultate seiner
                              									Arbeit wären alsdann unendlich viel werthvoller gewesen. Was zunächst die Bestimmung
                              									des Nikotins und Ammons betrifft, so sieht jeder Chemiker sofort, daſs hierbei die
                              									allergröbsten Fehler begangen sind, so daſs die erhaltenen Resultate, wie ich schon
                              									oben bemerkte, werthlos sind. Einmal ging ein Theil des Nikotins durch das
                              									Eindampfen der Condensationsflüssigkeit verloren; dann entzog sich das sämmtliche an
                              									die im Tabakrauch enthaltenen Säuren gebundene Nikotin und Ammon – und dies sind
                              									erhebliche Mengen – der Bestimmung und endlich wurde ein Theil des Ammons als
                              									Nikotin und umgekehrt Nikotin als Ammon berechnet. Gegen die Bestimmung des
                              									Kohlenoxydes läſst sich einwenden, daſs der Tabakrauch auch nach dem Durchstreichen
                              									der verschiedenen Waschflüssigkeiten immer noch beträchtliche Mengen organischer
                              									Substanzen enthält, deren Kohlenstoff also von Le Bon
                              									als Kohlenoxyd in Rechnung gebracht wurde. Um so überraschender erscheint nach dem
                              									Vorhergehenden die elegante Isolirung der Blausäure, deren zweifelloser Nachweis
                              									immerhin nicht ohne Interesse ist. Bei der Abscheidung des Collidins endlich ist
                              									wieder ein merkwürdiges Verfahren eingeschlagen worden, indem man diese Base aus
                              									Tabakrauch, welcher schon
                              									mehrere Flaschen mit Schwefelsäure durchstrichen hatte, zu gewinnen suchte. Man muſs
                              									es, wenn nicht die sämmtliche Schwefelsäure gesättigt wurde, als reinen Zufall
                              									betrachten, daſs überhaupt etwas Collidin der Bindung durch diese entging.
                           Der kleine Versuch von Pease beweist natürlich gar
                              									nichts, da einmal Kaliumquecksilberjodid mit einer groſsen Anzahl Stickstoff
                              									haltiger Körper Niederschläge gibt und dann die Titrirung mit demselben nur unter
                              									ganz bestimmten Bedingungen richtige Resultate liefert – Bedingungen, welche von Pease nicht eingehalten wurden und auch nicht wohl
                              									eingehalten werden konnten.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)