| Titel: | Luftverdichtungsanstalt für den Betrieb pneumatischer Uhren in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 22 | 
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                        Luftverdichtungsanstalt für den Betrieb
                           								pneumatischer Uhren in Paris.
                        Luftverdichtungsanstalt zum Betrieb pneumatischer Uhren in
                           								Paris.
                        
                     
                        
                           Seit Einführung des pneumatischen Betriebes städtischer Uhren in Paris nach dem
                              									System Popp und Resch
                              									(vgl. 1880 237 * 379. 1882 244
                              									* 200) hat die Société générale des horloges
                                 										pneumatiques im Hinblick auf die erfolgreiche Ausbreitung des Systemes und
                              									insbesondere auf die Schwierigkeit, im Mittelpunkte von Paris eine mit
                              									Dampfmaschinen, Compressionsapparaten und Luftkesseln in genügender Weise
                              									ausgerüstete Stätte zu errichten, sich veranlaſst gesehen, im 20. Bezirk Rue
                              									Saint-Fargeau eine besondere Maschinenanlage zu erbauen, von welcher die
                              									verschiedenen Stationen, deren jede eine gewisse Anzahl von Quartieren zu versorgen
                              									hat, die verdichtete Luft beziehen. Nach der Revue
                                       										industrielle, 1883 *S. 62 sind in Paris gegenwärtig bereits 6000
                              									pneumatische Uhren in Betrieb, welche sich auf den ersten und zweiten Stadtbezirk
                              									vertheilen und bis vor Kurzem alle noch durch die in der Rue d'Argenteuil
                              									verdichtete und in den Behältern der Rue Sainte-Anne gesammelte Luft in Gang gesetzt
                              									wurden. Jetzt liefert die neue Verdichtungsanstalt in der Rue Saint-Fargeau, deren
                              									Einrichtung vom Gesellschaftsdirektor Popp sowie dem
                              									Betriebsingenieur Martin stammt, das belebende
                              									Element.
                           Die Anlage bedeckt eine Fläche von 6200qm, wovon
                              									der Maschinensaal 400, die Compressionspumpen 120, die Luftbehälter 320 und
                              									verschiedene Werkstätten und Magazine 400qm in
                              									Anspruch nehmen. Im Maschinensaal befinden sich für den Betrieb der
                              									Luftverdichtungsapparate 2 Dampfmaschinen, jede von 120e, nach dem Vierschiebersystem von Farcot,
                              									welche man beliebig mit Niederdruck und Condensation, oder mit Hochdruck und freier
                              									Dampfausströmung arbeiten lassen kann; sie sind mit veränderlicher Expansion eingerichtet, welche
                              									nach Maſsgabe des zu überwindenden Widerstandes und der zu leistenden Arbeit
                              									selbstthätig regulirt wird.
                           Die Luftverdichtungsmaschinen sind nach dem System Sautter-Lemonnier construirt. Die gepreſste Luft gelangt in 10 groſse
                              									Behälter, jeder von 35cbm Rauminhalt, wovon 8 als
                              									Reservemagazine dienen. Der Normaldruck beträgt 5k
                              									auf 1qc. Diese als Accumulatoren dienenden
                              									Behälter werden direkt von den Compressionspumpen aus gespeist. Die übrigen beiden
                              									Magazine, deren Luftspannung nur 3 k/qc beträgt, dienen als Vertheilungsbehälter; sie
                              									stehen einerseits durch Vermittelung eines eingeschalteten selbstthätigen
                              									Druckregulators mit den Accumulatoren, andererseits durch eine in die städtischen
                              									Kanäle eingebettete Rohrleitung mit den besonderen Behältern der 9 geplanten
                              									Centralstationen in Verbindung. In Wirklichkeit erfordert der über die ganze Stadt
                              									sich erstreckende Vertheilungsplan der pneumatischen Uhren zwei von der
                              									Luftverdichtungsanstalt ausgehende Rohrleitungen, wovon die eine für das rechte Ufer
                              									der Seine bestimmte sich wieder in 5, die andere für das linke Ufer bestimmte in 4
                              									Röhrennetze verzweigt. Die beiden Hauptstränge haben 8cm inneren Durchmesser und sind selbst für Spannungen bis zu 12at absolut luftdicht.
                           Der Reserveluftbehälter jeder Centralstation steht mittels eines selbstthätigen
                              									Druckregulators mit einem auf der nämlichen Station angeordneten Kessel in
                              									Verbindung, worin eine Spannung 1,7 bis 1k,8
                              									herrscht, sobald der Reservebehälter eine solche von 2 bis 3k zeigt. Dieser Kessel wird in jeder Minute durch
                              									einen Schieber, welchen die nach der Sternwarte regulirte Stationsnormaluhr
                              									beherrscht, mit dem zugehörigen Röhrennetz in Verbindung gesetzt. Daher kommt es,
                              									daſs die Zeiger sämmtlicher in das letztere eingeschalteter Uhren mit einander
                              									jedesmal um 1 Minute vorrücken und constant die gleiche Stunde zeigen. Die
                              									Vertheilung der Zeit geht somit nicht direkt von der Luftverdichtungsanstalt in der
                              									Rue Saint-Fargeau aus, sondern die 9 Centralstationen besorgen dieses Geschäft. Die
                              									erstere Anstalt dient lediglich dazu, die Centralstationen mit der zum Uhrenbetrieb
                              									nöthigen Preſsluft zu versehen.
                           Wir haben oben erwähnt, daſs zur vollständigen Einführung des Systemes in Paris 9
                              									Röhrennetze geplant sind. In Wirklichkeit ist jedoch bis jetzt erst ein einziges
                              									derselben und mithin auch nur eine einzige Station, nämlich die der Rue Sainte-Anne,
                              									in Betrieb. Die Einrichtung der Verdichtungsanstalt beschränkt sich daher auch bis
                              									jetzt nur auf eine einzige Dampfmaschine, 6 Compressionsapparate und 6 Luftbehälter,
                              									jeden zu 35cbm Rauminhalt. Auch ist nur eine der
                              									beiden erwähnten Rohrleitungen gelegt: die nach der Station Sainte-Anne führende,
                              									welche sich von der neuen Luftverdichtungsanstalt, auf einem Wege von 6500m, bis zur Place de l'Opera erstreckt. Von da aus
                              									sollen 5 Rohrleitungen von 4cm Durchmesser die
                              									Luft den 5 Centralstationen des rechten Seineufers zuführen. Von diesen
                              									Nebenleitungen ist bis jetzt erst eine gelegt und in Betrieb.
                           Wenn auch das in so groſsartigem Style angelegte Werk noch nicht vollendet ist, so
                              									bleibt es immerhin ein kühner Gedanke, das pneumatische Prinzip in dieses neue
                              									Gebiet industrieller Praxis einzuführen und in Paris eine einzig in der Welt
                              									dastehende Einrichtung zu schaffen, welche im Stande ist, jährlich 80000 bis
                              										100000cbm Luft zu verdichten. Da ein solches
                              									Luftvolumen weit beträchtlicher ist, als es der Dienst der pneumatischen Uhren
                              									verlangt, so geht Popp mit dem Gedanken um, den
                              									Ueberschuſs als Triebkraft für die elektrische
                              									Beleuchtung und andere Zwecke nutzbar zu machen.