| Titel: | Ueber die Wirkungsweise der Desintegratoren; von Friedrich Kick. | 
| Autor: | Friedrich Kick [GND] | 
| Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 93 | 
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                        Ueber die Wirkungsweise der Desintegratoren; von
                           								Friedrich Kick.
                        Kick, über die Wirkungsweise der Desintegratoren.
                        
                     
                        
                           Das zu verkleinernde Material wird bekanntlich bei den Desintegratoren von Schlägern
                              									oder von Schlagbolzen gegen den entsprechend geformten Mantel oder gegen die
                              									Schlagbolzen einer Gegenscheibe geschleudert und, mag
                              									die constructive Durchführung welche immer sein, die Zerkleinerung in diesen
                              									Maschinen findet stets durch die Wirkung des Wurfes
                              									statt. Ob das Materialtheilchen mit einer Geschwindigkeit v gegen eine feste Wand geworfen wird, oder der Schlagbolzen mit dieser
                              									Geschwindigkeit auf das frei bewegliche Theilchen
                              									auftrifft, ist nebensächlich; wesentlich ist, daſs der Stoſs mit einer hinlänglichen
                              									Geschwindigkeit erfolgt, um die Zertheilung bewirken zu können.
                           Die Wirkung der Desintegratoren läſst sich daher direkt vergleichen mit der Wirkung
                              									eines gegen eine feste Wand geschleuderten oder aus bedeutender Höhe auf einen Ambos
                              									fallenden Körpers. Es wird für jeden spröden Körper bestimmter Form eine gewisse
                              									Minimalgeschwindigkeit v geben, bei welcher derselbe,
                              									wenn er mit dieser Geschwindigkeit gegen eine starre Wand anfliegt, in Trümmer geht.
                              									Die lebendige Kraft oder die im bewegten Körper enthaltene Arbeitsgröſse ist
                              									bekanntlich durch \frac{Gv^2}{2\,g} ausgedrückt und zwar in
                              									Meterkilogramm, wenn G (das Körpergewicht) in
                              									Kilogramm, v und g in
                              									Meter ausgedrückt sind. Für den freien Fall ist diese Arbeitsgröſse, vom
                              									Luftwiderstande abgesehen, gleich GH, oder
                              									Körpergewicht mal Fallhöhe.
                           So lange es sich nicht um bedeutende Fallhöhen oder specifisch sehr leichte Körper
                              									handelt, darf vom Luftwiderstande abgesehen werden und dürfen wir die Arbeitsgröſse,
                              									welche zum Zerschleudern eines Körpers erforderlich ist, dadurch zu ermitteln
                              									suchen, daſs wir jene Fallhöhe bestimmen, von welcher aus er bei freiem Falle auf
                              									eine feste Unterlage in Trümmer geht. Angenommen, wir hätten für eine Kugel
                              									bestimmter Masse diese Fallhöhe zu 2m ermittelt,
                              									so ist die in diesem Beispiel erforderliche Brucharbeit (in mk) gleich dem
                              									Kugelgewichte (in k) mal 2m. Wenn es auch
                              									verschiedene Grade der Zerkleinerung gibt, wenn auch bei sehr spröden Materialien,
                              									z.B. Glas, vor eintretendem eigentlichen Bruche ein Aussplittern (schaliges
                              									Ausbrechen) an der beim Auffallen unmittelbar gestoſsenen Stelle eintreten kann, so
                              									ist der eigentliche Bruch beim Auffallen aus angemessener Höhe doch ebenso
                              									charakteristisch wie beim Zerschlagen und erfolgt für ein bestimmtes Material eben
                              									nur von einer bestimmten Fallhöhe an, so daſs sich diese Höhe ganz wohl bestimmen
                              									läſst.
                           Die Ungleichförmigkeiten in den mit Vorsicht hergestellten Probestücken lassen sich
                              									so weit herabdrücken, daſs sich ziemlich scharfe Werthe ergeben und obgenannte
                              									Fallhöhe auf 10 Proc. genau bestimmbar wird.
                           Nennen wir jene Fallhöhe, von welcher an der Bruch erfolgt, nach dem VorschlageDieser Vorschlag wurde gelegentlich eines über diesen Gegenstand vom
                                    											Verfasser im Deutschen polytechnischen Vereine in Prag gehaltenen Vortrages
                                    											an der darauf folgenden Debatte gemacht. Prof. Steiner's Bruchhöhe. In der in Meter gemessenen
                              									Bruchhöhe ist dann unmittelbar jene Arbeitsgröſse in mk gegeben, welche dem Bruche
                              									der Gewichtseinheit (von 1k) des Materials
                              									entspricht.
                           Es liegt sehr nahe, sich die Frage zu stellen, wie verhält sich die Arbeitsgröſse,
                              									welche den Bruch durch Zerschlagen herbeiführt, zu
                              									jener, welche den Bruch durch Zerschleudern
                              									hervorbringt. Diese Frage spitzt ich mit Bezug auf unsere letzte Abhandlung (vgl.
                              									1883 247 * 1) zur Frage zu: Wie
                                 										verhält sich der Bruchfaktor zur Bruchhöhe? Die Antwort hierauf lautet: Der
                              									Bruchfaktor ist annähernd gleich der Bruchhöhe oder die
                                 										Arbeitsgröſsen für den Bruch durch Zerschlagen und Zerschleudern sind nahezu
                                 										einander gleich.
                           A priori ist diese Gleichheit, welche als Durchschnitt aus vielen Versuchen gefunden
                              									wurde, nicht zu behaupten; denn beim Zerschlagen dringen von oben und unten kleine Kegel in das Material, welches wir in
                              										Kugelform gebracht denken, während bei dem
                              									Auffallen oder Anschleudern es vorwaltend die keilende Wirkung eines Kegels, der sich auf der getroffenen Stelle
                              									aufbaut, ist, welche den Bruch bewirkt. Die so auſserordentlich häufige Dreitheilung
                              									der zerschlagenen Kugeln tritt beim Zerschleudern weniger regelmäſsig und seltener
                              									auf, obwohl sie bei richtiger Fallhöhe (gleich der Bruchhöhe) und bei körnigem
                              									Gefüge ebenfalls sich einstellt.
                           Für die Arbeitsgröſse beim Zerschlagen fanden wir A= fG (Bruchfaktor mal Körpergewicht). Da nun jede
                              									Arbeitsgröſse ein Product aus Kraft mal Weg ist, sich also A
                                 										= PS = fG schreiben
                              									läſst, so kann aus der Analogie der Gröſsen P und G gefolgert werden, daſs auch S und f einander analog seien, mithin daſs
                              										f einer Länge entspreche.
                           Ist die Arbeit beim Zerschleudern ausdrückbar durch Bruchhöhe mal Körpergewicht, so
                              									ergibt sich als einfache Schluſsfolgerung, daſs Kugeln bestimmten Materials bei derselben Fallhöhe zum Bruche gelangen – bezieh. bei
                              									derselben Wurfgeschwindigkeit –, gleichviel welches ihre Gröſse ist.
                           Auch dies haben die Experimente im Allgemeinen bestätigt, wohl aber auch dargethan,
                              									daſs das Material in kleineren Probestücken, welche durch direkte Formung
                              									hergestellt sind, sehr häufig gleichförmiger, dichter ausfallt und daher etwas
                              									widerstandsfähiger ist als jenes in gröſseren Stücken.
                           Für sehr widerstandsfähige Materialien – wie Guſseisen, ja selbst Milchglas – waren
                              									die am Polytechnikum erzielbaren Fallhöhen nicht ausreichend, um die Bruchhöhe zu
                              									erreichen; das Experimentiren in einem Schachte oder durch Schieſsen würde nur unter
                              									gleichzeitiger Bestimmung der Endgeschwindigkeit zulässig sein, weil hier der
                              									Luftwiderstand schon in Frage käme; es muſste daher, um die Versuche den vorhandenen
                              									Mitteln anzupassen, zur Herstellung künstlicher Massen geschritten werden, deren
                              									Bruchhöhe innerhalb der Grenze der benutzbaren Fallhöhe fällt. Die höchste
                              									vorhandene Fallhöhe, vom geodätischen Observatorium aus, betrug etwa 24m; hierbei kamen Milchglaskugeln, deren
                              									Bruchfaktor 36 betrug, auch bei wiederholtem Auffallen nicht zum Bruch. Versuche mit
                              									nachbenannten Materialien gaben folgende Werthe:
                           
                              
                                 Kugeln aus
                                 Bruchfaktor
                                 Bruchhöhe
                                 
                              
                                 Getrocknetem Thon
                                 0,97 bis 1,3
                                 1 bis 1,2
                                 
                              
                                 Aus 1 Th. Thon und 2 Th. SandDurch Drahtsieb Nr. 40 gesiebt. Thon und Sand trocken
                                          												gewogen., schwach gebrannt
                                 1,2 bis 1,4
                                 1,1 bis 1,5
                                 
                              
                                 Dieselbe Masse, lufttrocken
                                 1,1
                                 1
                                 
                              
                                 Aus Sand und ordinärem Siegellack
                                 3
                                 3
                                 
                              
                                 Aus reinem Cement (Kugeln nicht regelmäſsig)
                                 5
                                 6
                                 
                              
                                 Aus 1 Th. Thon und 1 Th. Sand, schwach gebrannt
                                 2,0 bis 2,34
                                 2,0 bis 2,2
                                 
                              
                                 Chamotte (1. Sorte)
                                 15 bis 17
                                 16 bis 18
                                 
                              
                                 Chamotte (2. Sorte)
                                 25 bis 32
                                 Bei 24 wenigBruch.
                                 
                              
                           Eine mathematische Uebereinstimmung solcher Versuchsdaten ist überhaupt nicht
                              									möglich; dieselbe ist jedoch völlig zureichend, um obigen Satz zu rechtfertigen.
                           Nachdem aber durch die vorstehenden Versuchsresultate erwiesen ist, daſs dem
                              									Arbeitsprinzipe der Desintegratoren keine gröſsere
                              									Oekonomie anhaftet als durch Zerschlagen der Materialien, welche auf fester
                              									Unterlage ruhen, dann erreichbar ist, wenn die kleinen
                              									Bruchstücke zur Seite geschafft werden, nachdem ferner bei jenen Desintegratoren,
                              									welche mit entgegengesetzt rotirenden, mit zahlreichen Schlagbolzen besetzten
                              									Scheiben arbeiten, durch die Luftwirbel ein wesentlicher Verlust an Effect eintritt,
                              									so kann behauptet werden, daſs die Desintegratoren nicht zu
                                 										jenen Zerkleinerungsmaschinen gehören, durch welche an Kraft (mechanischer
                              									Arbeit) gespart werden kann.
                           Prag im März 1883.