| Titel: | G. H. Strong's Locomotive für Expresszüge. | 
| Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 473 | 
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                        G. H. Strong's Locomotive für
                           								Expreſszüge.
                        Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 32.
                        G. H. Strong's Locomotive für Expreſszüge.
                        
                     
                        
                           Im Textbilde sowie in Fig. 1 bis
                              										6 Taf. 32 ist nach Engineering, 1883 Bd. 35
                                 									S. 194 eine neue amerikanische Locomotive von G. H.
                                 										Strong in Philadelphia dargestellt, welche in sehr vielen Punkten von den
                              									herkömmlichen Formen und Anordnungen wesentlich abweicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 248, S. 473
                              
                           Am auffallendsten ist zunächst die Construction des ungemein langen Kessels. Die äuſsere Feuerbüchse ist hier ersetzt durch
                              									zwei an der gemeinschaftlichen ebenen Trennungswand abgeplattete, im übrigen
                              									cylindrische Rohre. Jedes derselben enthält ein etwas excentrisch liegendes
                              									gewelltes Feuerrohr mit einem Wasserröhrenroste. Auf einer kurzen Strecke sind die
                              									Rohre glatt behufs Anbringung einer unteren Oeffnung zur Luftzuführung wie zur
                              									Entfernung der Asche und Schlacken. Mittels geeigneter kurzer Verbindungsstücke und
                              									ebener Platten ist an die beiden äuſseren Rohre der Langkessel angeschlossen.
                              									Derselbe enthält in seinem hinteren Theile ebenfalls ein Wellrohr, welches eine
                              									geräumige Verbrennungskammer bildet. Die vom Roste kommenden Gase treten in diese
                              									Kammer durch zwei kurze Chamotterohre ein, deren Wandung siebartig durchlöchert ist
                              									und welche sich an eine den ganzen Querschnitt des Wellrohres ausfüllende,
                              									gleichfalls durchlöcherte Chamotteplatte anschlieſsen (vgl. Fig. 1).
                              									Letztere scheidet von dem Verbrennungsraume eine kurze Kammer, in welche die Luft
                              									theils durch Oeffnungen o und u (Fig. 3)
                              									direkt von auſsen, theils durch Oeffnungen i aus dem
                              									Räume unterhalb des Rostes eintritt. Es findet also hier durch den Chamotteeinsatz
                              									hindurch eine sehr kräftige Luftzuströmung statt und, da auſserdem zwei abwechselnd zu beschickende Roste vorhanden sind,
                              									so ist anzunehmen, daſs nicht nur verhältniſsmäſsig groſse Mengen Kohlen o. dgl. zur
                              									Verbrennung gebracht werden können, sondern daſs die Verbrennung auch eine gute sein
                              									wird. Aus dem Verbrennungsraume führen dann die in gewöhnlicher Weise angeordneten,
                              									doch kürzeren Siederohre in die Rauchkammer. Gewöhnlich werden 134 Röhren von 64mm Durchmesser und etwa 3m Länge benutzt, was eine Heizfläche von 81qm ergibt. Die übrige Heizfläche wird zu 28qm angegeben, so daſs im Ganzen 109qm Heizfläche vorhanden sind. Für sehr schlechte
                              									Kohlen werden engere und längere Röhren in gröſserer Zahl (232 Röhren von 50mm Durchmesser und 3m,7 Länge) verwendet, wodurch die Heizfläche um 47qm vergröſsert wird. Der Kessel ist durchweg aus
                              									Stahl hergestellt. Der innere Durchmesser des Langkessels beträgt 1m,37, der innere Durchmesser der Wellrohre 0m,86 und die Länge der Verbrennungskammer 2m,7. Der Kessel ruht auf 5 Räderpaaren, den beiden
                              									Treibräderpaaren, den beiden Räderpaaren des vorderen Truckgestelles und einem
                              									hinteren Laufräderpaare. Auf die hinteren 3 Räderpaare ist in bekannter Weise
                              									mittels Balancier die Last gleichmäſsig vertheilt, Curven starker Krümmung können
                              									bei der groſsen Länge von der Locomotive allerdings nicht durchfahren werden; ferner
                              									würde auf stark geneigten Strecken Gefahr vorhanden sein, daſs die Feuerrohre von
                              									Wasser sich entblöſsen.
                           Die Maschine ist fast ebenso eigenartig wie der Kessel.
                              									Für die Steuerung sind an jedem Cylinder 4 Gitterschieber angeordnet (vgl. Fig.
                                 										5 und 6), welche,
                              									je 2 oben und 2 unten an den Enden liegend, in der Querrichtung bewegt werden. Die
                              									Bewegung wird wie bei den Steuerungen von Brown und Joy von der Pleuelstange abgeleitet; jedoch sind hier 2
                              									Coulissen, eine für die Einlaſsschieber und eine für die Auslaſsschieber, vorhanden,
                              									welche mittels zweier Handhebel unabhängig von einander verstellt, d.h. gedreht
                              									werden. Zu diesem Zwecke ward die eine Coulisse, von welcher die Einlaſsschieber
                              									bewegt werden, wie aus Fig. 4
                              									ersichtlich, von einem Bügel b gehalten, welcher auf
                              									eine Hohlwelle h aufgekeilt ist, während die andere
                              									Coulisse auf der durch h hindurchgehenden Welle c befestigt wird. Diese Coulisse für die
                              									Auslaſsschieber braucht nur bei der Umsteuerung gedreht zu werden und zwar wird sie
                              									so gestellt, daſs bei allen Füllungsgraden durch die Compression immer nahezu die
                              									Einströmspannung erreicht wird, was bei den geringen schädlichen Räumen leicht
                              									möglich ist. Die Schieber haben als Gitterschieber nur sehr kleinen Hub und geben
                              									groſse Oeffnungen. Von der Schieberstange wird die Bewegung durch Winkelhebel mit
                              									daumenförmig gerundeten Armen auf die Schieber übertragen, wobei diese Arme Huf am
                              									Schieber befindlichen Leisten sich abwälzen, so daſs eine sehr sanfte Bewegung ohne
                              									Stoſswirkung hervorgerufen wird. Hierzu kommt noch, daſs bei Anwendung starker
                              									Expansion und starker Compression sowohl die Einlaſs, wie die Auslaſsschieber im
                              									Augenblicke des Oeffnens nahezu entlastet sind. Kleine, durch die Wand des
                              									Schieberkastens gehende Kolben k (Fig. 6), an
                              									welche die Schieber angehängt sind, halten, vom Dampfdrucke stets nach auſsen
                              									getrieben, die Schieberleisten fortwährend in Berührung mit den Winkelhebeln.
                           Da die Auslaſsschieber unter den Cylindern liegen, so kann sich Wasser in den
                              									letzteren nicht ansammeln. Die Cylinder sind mit Dampfmänteln versehen, welche
                              									angegossen, aber in je zwei Theilen hergestellt sind. Beide Theile sind durch
                              									einen in der Mitte den Cylinder umgebenden Expansionsring (vgl. Fig. 6) mit
                              									einander verbunden, damit durch verschiedene Ausdehnung des äuſseren und des inneren
                              									Cylinders keine Spannungen hervorgerufen werden können.
                           Eigenartig ist auch die Uebertragung der Bewegung auf die
                                 										Triebräder, indem diese nicht durch Kuppelstangen in der gewöhnlichen Weise
                              									verbunden sind. Es steht vielmehr mit dem Kreuzkopfe durch Stangen, welche eine
                              									Verlängerung der Kolbenstange bilden, ein zweiter Kreuzkopf in Verbindung, welcher
                              									in besonderen Linealen geführt wird und von dem das zweite Triebrad durch eine
                              									zweite Pleuelstange bewegt wird. Der Hauptvorzug dieser Anordnung ist (neben dem
                              									Wegfalle der langen Kuppelstange, an deren Stelle die zweite Pleuelstange nebst
                              									zweitem Kreuzkopfe und eine Verlängerung der Kolbenstange tritt) wohl der, daſs der
                              									Kolbendruck gleich auf zwei Kreuzkopfzapfen übertragen,
                              									also auch die Abnutzung auf zwei Zapfen vertheilt wird. Ferner soll auch die
                              									Abnutzung der Radreifen namentlich bei groſser Geschwindigkeit der Maschine
                              									gleichmäſsiger werden, als wenn die mit ihrer ganzen Masse auf- und abpendelnden
                              									Kuppelstangen vorhanden sind.
                           Endlich ist noch ein unter dem seitlichen Laufbrette angebrachter Vorwärmer für das Speisewasser zu erwähnen, welches für
                              									gewöhnlich mittels einer Pumpe in den Kessel gedrückt wird. Ein Injector dient als
                              									Hilfsspeiseapparat. Der Vorwärmer besteht aus einem schmiedeisernen Rohre von 330mm äuſserem Durchmesser, in welchem 60
                              									Messingröhren von 25mm Durchmesser und 4m,27 Länge, also etwa 20qm Heizfläche untergebracht sind. Diese Röhren
                              									sind am hinteren Ende geschlossen und am vorderen Ende in die hintere Wand des zwei
                              									Kammern enthaltenden guſseisernen Deckels eingeschraubt. In denselben stecken
                              									Umlaufröhren, welche in einer Zwischenwand des Deckels befestigt sind und fast bis
                              									an das geschlossene Ende der äuſseren Röhren reichen. Das Speisewasser wird von vorn
                              									nach hinten durch den die Doppelröhren umgebenden Raum geleitet; in die Röhren aber
                              									wird ein kleiner Theil des Abdampfes der Maschinen geführt und zwar steht die
                              									vordere Kammer des Vorwärmerdeckels, in welche die inneren Röhren münden, mit dem
                              									Ausströmrohre des einen Cylinders und die andere Kammer, in welcher die äuſseren
                              									Röhren münden, mit dem Ausströmrohre des anderen Cylinders in Verbindung, so daſs
                              									beim Gange der Maschine ein fortwährendes Hin- und Herströmen des Abdampfes durch
                              									die Röhren hindurch stattfindet. Die Verbindungsröhren gehen von kleinen, in den
                              									Ausblasrohren angebrachten, der Strömung entgegengerichteten Taschen aus, welche
                              									einen Theil des Dampfes auffangen. Das in den Röhren sich niederschlagende Wasser
                              									wird durch einen Condensationswasserableiter entfernt. Bekanntlich genügt schon etwa
                              									der achte Theil des Abdampfes, um das Wasser bis auf nahe 100° zu erwärmen; es wird
                              									also durch Anwendung eines derartigen Vorwärmers (der allerdings die Speisung
                              									mittels Injector ausschlieſst) eine bedeutende Kohlenersparniſs erreicht, ohne daſs die Blasrohrwirkung
                              									wesentlich beeinträchtigt wird.
                           Die vorliegende Locomotive ist hauptsächlich zu dem Zwecke construirt worden, schwere
                              									Expreſszüge, wie die zwischen New-York und Philadelphia, mit möglichst groſser
                              									Geschwindigkeit zu ziehen. (Vgl. Baldwin 1880 237 * 429. Eyly. 1882 244 * 179.)
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
